Kaito und Yukine blieben noch eine ganze Weile oben in seinem ehemaligen Kinderzimmer. Über Naoki haben sie nicht mehr viel geredet, anscheinend war es Yukine zu viel gewesen und Kaito akzeptierte es. Ein schwieriges Thema, das verstand er. Deshalb beließ er es dabei. Es würde sich ein besserer Zeitpunkt finden, um über dieses sensible Thema zu reden. Irgendwann zumindest.
Kaito konnte nicht leugnen, dass ihn die Geschichte, Yukines und Naokis Geschichte, sehr interessierte. Alles, ganz von Anbeginn. Manches wusste er bereits. Doch so würde er vielleicht mehr darüber erfahren, wie das gemeinsame Leben auf Elysium war. Und ganz besonders die Frage, ob Yukine sich nach wie vor Kinder wünschte, schwirrte ihm durch den Kopf. Nur wäre es taktlos, genau das zu fragen, nachdem er erfahren hatte, was passiert war.
Anstatt weiter darüber zu sprechen, hatte Kaito irgendwann das Thema gewechselt. Als er unten in der Küche gewesen war, hatte er eigentlich vorgehabt, etwas aus dem Vorratsschrank seines Vaters zu stibitzen. Bier, vielleicht Whiskey, um die Stimmung zu lockern. Leider wurde er von seinem Vater, der kurz zuvor heimgekommen war, dabei erwischt. Deshalb nur das Wasser.
Jedoch schien Yukine nichts davon zu brauchen. Er hatte lediglich Kaito an sich gezogen, ihn umarmt und das Gesicht an seiner Brust vergraben. So blieben sie auf dem schmalen Bett liegen. Kuschelnd. Trost spendend. Mit leichten, ganz zärtlichen Liebkosungen. Kaito liebte es, Yukine durch das lange, glatte und seidige Haar zu streicheln. Eigentlich liebte er alles an diesem Mann.
»Wenn du nach unten zu deiner Familie willst, dann musst du es nur sagen«, murmelte Yukine leise. Die Stimme gedämpft durch Kaitos Kleidung. »Ich bin in Ordnung.« Es war eine offensichtliche Lüge seitens des Fae, der seinem Geliebten keine Sorgen bereiten wollte.
Der Rotschopf schnalzte mit der Zunge, wodurch Yukine den Kopf hob und ihm in die Augen schaute. Kaito hielt den Blickkontakt für einige Sekunden, dann beugte er sich hinab und küsste Yukine auf die Lippen. Erst ganz schüchtern und zärtlich, dann neckisch. Er schnappte nach ihnen, biss leicht hinein und leckte schließlich mit der Zunge darüber – als Entschuldigung.
»Ich habe es nicht so eilig. Du musst dich also nicht zwingen. Wir bleiben solange hier, wie nötig.« Ein weiterer Kuss folgte und ehe Kaito sich versah, saß er auch schon auf Yukines Schoß. Der Fae hatte sich auf den Rücken gedreht und Kaito mitgezogen. So, als wäre es eine Bestätigung dafür, dass auch er nicht abgeneigt war, etwas Zuwendung zu bekommen. Ablenkung. Die Gedanken vertreiben.
Ihre Lippen fanden immer wieder zueinander. Der nächste Kuss war heiß und intensiv. Ihre Zungen begannen, einander zu umspielen und zu necken. Ihr beider Atem vermischte sich miteinander und Hitze stieg in Kaito auf. Er rieb seinen Körper an Yukines. Langsam. Auf und ab. Sein Becken auf dem Schoß des Faes. Alles in ihm schrie nach mehr und mehr. Ungeduldig zupfte er an Yukines Hosenbund, öffnete sogar den Knopf.
Mit zitternden Fingern strich er über die weichen, weißen Härchen, die vom Bauchnabel des Faes hinabführten, direkt unter den störenden Stoff, den er am liebsten beseitigt hätte. Dann hielt er inne – hörte, wie jemand die Treppe hinaufstieg.
»Kaito?« Ein Klopfen ertönte an der Tür, dann erneut sein Name. »Kaito, ich will euch nicht stören …« Aber sie tat es dennoch und Kaito konnte nicht anders, als frustriert gegen Yukines Lippen zu stöhnen. Verflucht. Es war ein so furchtbarer Zeitpunkt. »Ihr seid schon eine Weile hier und ich wollte wissen, ob alles in Ordnung ist. Mutter hat mir von dem Streit erzählt und jetzt weiß ich nicht, ob ihr uns noch Gesellschaft leisten werdet.«
Er gab ihr keine Antwort, weil sein Herz noch immer raste. Der Atem schnell und unregelmäßig. Yukine legte die Hand auf seine Haare und drückte ihn sanft an die Brust. Ein zärtliches Kraulen folgte. Beruhigte ihn. »Du weißt, ihr tut es leid«, setzte Amaya noch einmal an.
»Gib mir ein paar Minuten, dann kommen wir nach unten. Wir waren im … Gespräch«, log Kaito, auch wenn er es nicht gerne tat. »Natürlich werden wir euch Gesellschaft leisten.« Hinter der Tür blieb es still, als wäre Amaya gegangen, aber Kaito wusste genau, dass sie noch immer dort stand.
»In Ordnung. Nehmt euch die Zeit, die ihr braucht.« Danach ging sie, und als Kaito sich sicher war, dass Amaya außer Hörweite war, richtete er seinen Oberkörper auf. Entschuldigend blickte er Yukine an, vor allem seine Lippen, die ihn magisch anzuziehen schienen.
»Das war … Es ist über mich gekommen. Tut mir leid, wirklich.«
Sein Geliebter lächelte nur. Zwar konnte Kaito sehen – und eindeutig fühlen –, dass es Yukine nicht kalt ließ, aber verärgert war er über die Unterbrechung nicht. Und wahrscheinlich auch nicht über die Knutscherei an sich.
»Schon gut«, sagte Yukine, dann setzte er sich auf. »Wir können es auf ein anderes Mal verschieben.« Zwinkernd gab er Kaito einen Kuss auf die Nasenspitze. »Aber gib mir ein paar Minuten, bevor wir nach unten gehen, in Ordnung?« Seine Augenbrauen wackelten, woraufhin Kaito hinabsah. Er wusste genau, was der Fae meinte. Zu gerne hätte er das Problemchen beseitigt, sich darum gekümmert. Ihr beider Problem.
»Nicht nur du«, lachte er nur. Er leckte über seine Lippen, dann schob er Yukines Hemd wieder an Ort und Stelle, nur um den Knopf seiner Hose zu verschließen. So, wie er war, ließ er es sich nicht entgehen, über die sichtbare Beule zu streichen. Zu gerne hätte er an dem Punkt weitergemacht, an dem sie unterbrochen wurden.
»Das solltest du lassen«, raunte Yukine. Er packte Kaitos Hand und zog sie an seine Lippen. »Sonst gibt es keinen Halt mehr.« Ein Kuss in die Handinnenfläche folgte, dann ein zarter Biss. Kaito konnte nur fasziniert dabei zusehen.
»Du hast recht«, bestätigte er. Gleich darauf schüttelte er Yukine ab und erhob sich. Seine durcheinander geratenen Haare brachte Kaito mit ein paar wenigen Handgriffen wieder in Ordnung, genauso wie seine Kleidung. »Nicht, dass am Ende jemand kommt, der nicht anklopft, sondern direkt eintritt.«
Yukine erhob sich ebenfalls, das Bett knarrte ganz leise, kaum hörbar, sodass Kaito gar nicht hinsehen musste.
»Das wäre …«, begann der Fae. Nun stand er direkt hinter Kaito und hauchte ihm einen Kuss in den Nacken. »Ungünstig, würde ich sagen.« Noch ein Kuss, dann eine Umarmung.
»Wäre es wohl. Unangenehm und peinlich.« Es schüttelte Kaito, als er daran dachte. Gab nichts Peinlicheres, als Eltern – oder Mitbewohner – die in eine intime Szene platzten. »Na komm, genug Zärtlichkeiten ausgetauscht. Man erwartet uns.«
Brummend und sichtlich unzufrieden drehte Yukine ihn einfach um. »Oder brauchst du noch ein paar Minuten?«
»Mach dich nicht über mich lustig.«
»Würde ich doch niemals tun«, säuselte Kaito grinsend. Als Strafe bekam er einen leichten Klaps auf den Hintern, der ihn zum Glucksen brachte.
»Frech«, kommentierte Yukine, dann ließ er von ihm ab.
»Immer wieder gern«, lachte Kaito, der drauf und dran war, Yukine auch noch die Zunge herauszustrecken. Aber er tat es nicht, hielt sich im letzten Moment davon ab. Und weil Yukine es anscheinend bemerkt hatte, schaute er Kaito ein wenig skeptisch an.
»Ich weiß einfach, dass ich es bei dir sein kann«, trällerte er zufrieden. Er besah sich seinen Freund, der die Kleider richtete. Seine Augen blieben einen Moment an der Körpermitte des Fae stehen – die verräterische Wölbung hatte sich gelegt. »Und ich glaube, dass es dir gefällt.«
Als Antwort bekam er lediglich ein Schnauben, während Yukine seine Haare zu einem ordentlichen Zopf zusammenband. Da bemerkte er, dass sein Freund sich wieder in die Illusion von zuvor gehüllt hatte. Nicht wegen Freya, wie Kaito vermutete. Vielmehr wegen seiner Schwester und dem Vater, den er kennenlernen würde.
»Bist du soweit fertig mit Löcher in die Luft starren?«, brachte Yukine ihn aus seinen Gedanken und Kaito nickte etwas geistesabwesend. Er mochte die Illusion nach wie vor nicht, auch wenn er zugeben musste, dass es ihn faszinierte. Außerdem erfüllte es seinen Zweck, auch wenn seine Mutter es ziemlich schnell durchschaut hatte.
Dabei war er sich sicher, dass seine Mutter jahrelang das gleiche getan hatte, wenn sie aus dem Haus ging und auch ihren Kindern gegenüber – ihre spitzen Ohren waren immer in diese Illusion gehüllt. Wie sonst sollte er sich erklären, dass er ihre elfenähnlichen Ohrmuscheln noch nie bemerkt hatte? Freya verheimlichte schließlich ein ganzes Leben lang, wer oder vielmehr, was sie war.
Kaito trat an Yukine heran, reckte sich und gab ihm einen Kuss, bevor er aus dem Zimmer ging. Der Fae folgte ihm auf leisen Sohlen die Treppe ins Untergeschoss. Bereits im Flur konnte er die Stimme seines Vaters hören. So wie es klang, sprach er gerade mit Noah, der fröhlich vor sich hin brabbelte und vor Freude quietschte.
Er klopfte an die angelehnte Tür, dann schob er sie auf und trat ein. Der Blick seines Vaters richtete sich sogleich auf die Neuankömmlinge – allem voran jedoch auf seinen Sohn. Ein Lächeln umspielte das Gesicht von Arashi Fujiwara und ließ seine Falten ein wenig mehr hervortreten.
Vom Äußeren hatten er und Kaito kaum etwas gemeinsam. Dafür ähnelte Amaya ihrem Vater umso mehr. Genauso wie sie, hatte auch er dunkles, fast schon schwarzes Haar und braune Augen. Seine Statur war schmal, eher schlaksig – womit Kaito eindeutig nach ihm ging. Immerhin etwas, worin sie eine Gemeinsamkeit hatten. Nicht unbedingt die beste.
»Kaito, ich dachte schon, du lässt dich nicht mehr blicken«, sagte der Mann, der nur wenig kleiner war als sein Sohn. Er hielt Noah auf dem Arm, wahrscheinlich hatte er ihn bis gerade eben bespaßt, während Amaya in der Küche aushalf. »Und ich sehe, du hast deinen Freund mitgebracht.«
Hatte Mutter ihm davon erzählt? Oder doch Amaya? Kaito selbst hatte zumindest mit keinem Wort erwähnt, dass er überhaupt jemanden mitgebracht hatte. Arashi schien die Gedanken seines Sohnes zu lesen und fuhr deshalb fort: »Deine Schwester hat mir gesagt, dass du nicht allein hier bist. Ich habe einfach eins und eins zusammengezählt.«
Noch immer lächelte Arashi, auch wenn seine Augen nun an Yukine hingen. Ihn musterten – und das ausgiebig. Als wollte er überprüfen, ob Kaito eine gute Wahl getroffen hatte. »Willst du deinen Gast nicht vorstellen, du bist doch sonst nicht so still.«
Kaito blickte zu Yukine und bemerkte, wie die Mundwinkel seines Freundes zuckten. Es amüsierte ihn eindeutig.
»Paps«, begann er und hakte seinen Arm bei Yukine ein, »das hier ist mein Freund oder Lebensgefährte Yukine. Nenn es, wie du willst.« Er schob den Fae weiter in den Raum hinein, damit sie nicht mitten in der Tür standen.
»Arashi, mein Vater«, stellte Kaito knapp vor. Seine Augen wanderten zwischen den beiden Männern hin und her. Seine Sorge war, dass sein Vater etwas gegen die Beziehung haben könnte. Dagegen, dass Yukine keine Frau war. Jedoch erkannte er nichts dergleichen in den warmen, haselnussbraunen Augen.
»Freut mich«, sagte Yukine, machte einen kleinen Schritt vorwärts und streckte die Hand aus, wodurch er Kaito wieder abschütteln musste. Arashi löste seinen Arm, der um Noah gelegen hatte, und ergriff sie, schüttelte sie herzlich.
»Die Freude ist ganz meinerseits.«
Kaito atmete hörber auf. Es war besser gelaufen, als er erwartet hatte. In seiner Fantasie hatte er sich die schlimmsten Szenarien ausgemalt. Vielleicht, nur vielleicht hätte er seinem Vater mehr vertrauen sollen. Diesem sanften, liebevollen Familienvater, der er all die Jahre gewesen war.
»Ich hoffe, dass mein Sohn dir keinen Ärger bereitet – mit seinen Launen.«
»Paps!« Kaito sah ihn entrüstet an. »Ich bin keine sechzehn mehr!«
»Ach, nicht? Manchmal benimmst du dich noch so.« Sein Gegenüber lächelte wieder, sodass weitere, kleine Fältchen unter seinen Augen hervortreten. Mit einem Blick zu Yukine, erkannte Kaito sofort, dass es ihn amüsierte.
»Nein, keine Sorge. Er bereitet mir keinen Ärger«, antwortete Yukine schließlich. Für einen Moment fürchtete Kaito, sein Freund würde ein paar peinliche Komplimente von sich geben. Erzählen, wie toll Kaito seiner Meinung nach war – doch das blieb aus. Möglicherweise wollte der Fae die Worte nur an Kaito selbst richten, weil diese lieblichen Sätze nur für seine Ohren bestimmt waren.
Bei dem Gedanken, wie Yukine ihm schöne, liebevolle Wörter ins Ohr flüsterte, überkam ihn ein kleiner Schauer. Nicht, weil es ihn anwiderte, sondern weil es ihm gefiel.
»Ich brauche etwas zu trinken«, grummelte Kaito, drehte sich um und ging aus dem Zimmer. Die anderen beiden Männer ließ er einfach stehen. Doch im Flur wurde er langsamer und lauschte einen Moment. Da hörte er die Stimme seines Vaters: »Pass gut auf meinen Sohn auf. Wir machen uns oft Sorgen um ihn, weil er sich selten meldet und wir nie wissen, wie es ihm gerade geht.«
»Das werde ich«, erklang wenig später Yukines Stimme. »Kaito bedeutet mir viel – mehr als nur das. Ich will, dass er …« Mit eiligen Schritten entfernte sich Kaito vom Wohnzimmer, ohne Yukines letzten Satz zu hören. Er wollte nicht weiter lauschen. Doch wusste er, was sein Geliebter sagen wollte. Und ja, Kaito war glücklich.
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