Kapitel 13 - Flüssiges Gold
Mit über zwanzig Minuten Verspätung gesellte sich schließlich Nigiri, die letzte fehlende Person, zu Kaito und den anderen. Sie war ein schlankes Mädel, beinahe so groß wie Kaito. Schulterlanges, glattes und schwarzes Haar, helle Haut und dunkle Augen. Man sah ihr die japanische Abstammung direkt an.
»Es tut mir so, so leid!«, keuchte Nigiri und ließ sich seufzend auf den noch freien Platz sinken. »Ich habe die Bahn verpasst und musste eine spätere nehmen.« Sie streifte ihre Jacke ab, dann sah sie in die Runde. An Kaito blieb ihr Blick hängen. »Alles Gute! Ich hoffe, du bist mir nicht böse.«
»Ach nein, natürlich nicht«, winkte Kaito ab und lächelte sie an. »Ich freue mich, dass du es geschafft hast.« Sie erwiderte das Lächeln und man sah ihr an, dass sie erleichtert über seine Worte war. Nachdem sie noch einmal tief durchgeatmet und die anderen beiden begrüßt hatte, richtete sich Nigiris Blick auf Yukine.
Auffällig und neugierig musterte sie ihn, und Kaito bemerkte, dass Yukine es ihr gleich tat. »Darf ich vorstellen? Die jüngste in unserem Team, Kirara. Aber wir nennen sie Nigiri«, sagte Kaito.
»Fast, wenn man den Praktikanten mitzählt«, grätschte Amara dazwischen und Kaito verdrehte die Augen.
»Jedenfalls … Nigiri ist sozusagen meine Assistentin und für die Hintergründe in unseren Spielen zuständig. Als leidenschaftliche Fotografin hat sie ein Auge für solche Dinge.«
Yukine hob die Braue, sagte daraufhin jedoch nichts. Vermutlich verstand er ohnehin nicht viel von dem, was Kaito ihm da erzählte. »Und er hier«, Kaito zeigte auf Yukine und piekste ihm auch noch in die Schulter, »heißt Yukine.« Nigiri streckte ihre Hand aus und schüttelte sie, als Yukine sie – nach kurzem zögern – ergriff.
»Freut mich«, sagte sie, gefolgt von ein paar japanischen Worten. Kaito nahm an, dass sie dachte, Yukine wäre ebenfalls Japaner. Das lag allem Anschein nach an seinem Namen. Umso mehr verwunderte es ihn, als Yukine ihr antwortete und das in fast akzentfreien Japanisch. So wechselten die beiden einige Worte miteinander, während der Rest am Tisch kein Wort verstand. Außer Kaito, der es zumindest verstand und ein wenig sprechen konnte.
Verwundert blickte er Yukine an und gab ihm einen kleinen Schubs, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu richten. Die beiden unterbrachen ihre Unterhaltung und Yukine richtete seine Augen auf Kaito.
»Ich wusste gar nicht, dass du japanisch kannst.« Nun, eigentlich wusste er nach wie vor ziemlich wenig über Yukine. So hatte er wenigstens ein kleines Detail erfahren.
»Nun, du hast mich nie gefragt, Rotschopf.« Amara kicherte, wofür sie einen mahnenden Blick von Kaito erntete. Doch das störte sie kein Stück, sie lachte nur noch mehr.
»Wie jetzt?«, platzte es auf Kaito heraus.
»Wenn du etwas wissen willst, dann musst du mich schon fragen.«
»Und du antwortest dann auf meine Fragen?«, hakte Kaito skeptisch nach. Er konnte hören, dass Amara Tristan etwas zuflüsterte. Was es war, wusste er jedoch nicht.
»Das kommt ganz auf deine Fragen an. Aber im Prinzip ja, frag mich, wenn es dich interessiert.«
»Ich will eure Unterhaltung eigentlich nicht unterbrechen, sie ist nämlich echt niedlich …«, mischte sich Nigiri ein. »Aber du kommst gar nicht aus Japan?« Sie sah Yukine an, doch der schüttelte nur den Kopf.
»Nein, ich habe die Sprache lediglich gelernt. Genauso wie englisch und chinesisch. Beim letzteren jedoch nur das Sprechen. Das Schreiben und Lesen fällt mir zugegebenermaßen schwer.«
»Oh, wie schön. Sprachen lernen macht Spaß.« Nigiri sah erfreut aus und Kaito merkte sofort, dass sie und Yukine sich auf Anhieb verstanden. Zwar machte der Fae nicht wirklich diesen Eindruck, doch sprach er deutlich mehr mit Nigiri, als mit den anderen beiden.
Das änderte sich jedoch, je weiter der Abend fortschritt. Yukine taute auf, unterhielt sich mit allen und lauschte ihren Erzählungen. Kaito hatte das Gefühl, dass seine Freunde Yukine akzeptiert hatten und ihn seinetwegen mit offenen Armen aufgenommen hatten. Vermutlich hatte jeder von ihnen mitbekommen, dass zwischen Kaito und Yukine mehr als nur Freundschaft war. Alle, außer den beiden selbst.
Was jedoch niemand von ihnen bemerkt hatte, waren die kleinen Berührungen, die die beiden Männer unter dem Tisch ausgetauscht hatten. Wie sich ihre Hände immer wieder berührten, die zärtlichen Stupser mit den Fingern. All das blieb für die anderen verborgen. Doch Kaito genoss es, denn so wusste er immer, dass Yukines Aufmerksamkeit bei ihm war, selbst wenn er sich mit jemand anderem unterhielt.
Irgendwann beugte Yukine sich zu ihm herüber und flüsterte ihm ins Ohr: »Bin gleich wieder da …« Er strich ihm über das Bein, bevor er sich erhob und in Richtung der Toiletten ging. Für einen Moment sah Kaito ihm nach, dann räusperte Amara sich.
»Dann erzähl … Du kannst uns nicht sagen, dass ihr nur Freunde seid.« Sie nahm einen Schluck ihres Getränks und beugte sich anschließend ein wenig über den Tisch. »Das ist doch eindeutig unser Elfenprinz, nicht wahr?« Nigiri sah zwischen den beiden hin und her, während Tristan so aussah, als wüsste er bereits Bescheid. Es war kein Wunder, dass Amara ihm von den Zeichnungen erzählt hatte. »Läuft da was?«
»I-Ich habe gar keine Ahnung, wovon du sprichst«, sagte Kaito und lachte nervös.
»Ach komm, halt mich nicht für blöd. Ich sehe doch, dass es der Typ von deinen Bildern ist.«
»Oh, seid ihr nicht zusammen?«, fragte Nigiri interessiert. »Ich dachte, dass ihr ein Paar seid.« Sie lächelte, ganz ohne Vorurteile.
»Wir sind nur Freunde, mehr nicht«, entgegnete Kaito. »Und ja, ich habe ihn gezeichnet. Schau ihn dir doch an!«
»Er sieht ziemlich gut aus«, warf Tristan ein. »Wo hast du ihn aufgegabelt?« Amara sah ihren Freund verwirrt an, stimmte ihm jedoch zu. Kaito dagegen wusste nicht so recht, was er antworten sollte. Es war kompliziert und er nicht wirklich darauf vorbereitet.
»Zufall.« Weil er wusste, dass sie ihm nicht glauben würden, fügte er sogleich noch hinzu: »Wir kamen ins Gespräch und verstanden uns direkt.«
»Warum hast du nichts davon erzählt?«, fragte Amara und lehnte sich wieder zurück. Tristan legte einen Arm um sie, sodass Amara sich etwas an ihn schmiegte.
»Weil ich erst einmal sehen wollte, was daraus wird. Deshalb habe ich ihn spontan eingeladen.«
»Du wolltest wissen, was wir von ihm halten?« Die Frage Tristans ließ Kaito kurz innehalten und nachdenken. Doch schließlich bejahte er sie.
»Er ist ein wirklich netter Mann, aber ich weiß nicht, ob daraus mehr werden kann. Wie schon gesagt: Wir kennen uns noch nicht sehr lange.«
»Aber du hast dich voll in ihn verknallt«, merkte Amara an und Kaito spürte, wie ihm die Hitze in die Wangen schoss. Dass er dazu neigte, sich schnell in jemanden zu verlieben, wusste Amara zu gut. Es bedeutete nicht, dass diese Gefühle oft erwidert wurden oder Kaito besonders viele Beziehungen in der Vergangenheit hatte. Dennoch verguckte er sich nicht selten in schöne Männer oder Frauen. Erst recht, wenn sie auch noch nett zu ihm waren.
Eine Eigenschaft, die ihm nicht selten Probleme bereitet hatte. Leider konnte er nichts dagegen tun. Also ja, Kaito war im Begriff, sich in Yukine zu verlieben. In alles von ihm. Seinen Charakter, sein Aussehen, die Stimme und seinen Geruch. So wohl, wie bei dem Fae, hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt.
»Könnte sein, dass ich eventuell auf ihn stehe …«, sagte er und brachte Amara zum Lachen.
»Nicht nur eventuell, mein Lieber.«
Er grummelte nur und trank sein Bierglas leer. Nur wenig später kam Yukine bereits wieder zurück zu ihnen und Kaito bestellte eine weitere Runde. So lief es noch eine ganze Weile. Es floss viel der goldenen Flüssigkeit, die Stimmung war ausgelassen und Kaito kam Yukine immer näher. Irgendwann lehnte er seinen Kopf an den Fae und grinste dümmlich vor sich hin.
Egal was er behauptete, er war längst mehr als betrunken. Doch nicht nur er, auch Amara hatte an diesem Abend zu tief ins Glas geschaut und kurz darauf noch einen späten Snack für alle bestellt. Am Ende des Abends teilten sich alle die Rechnung, legten zusammen und verabschiedeten sich.
Nigiri begleitete Yukine und Kaito bis zur U-Bahn. Sie musste in die gleiche Richtung und zeigte Yukine den Weg, denn Kaito war alles, aber nicht mehr zurechnungsfähig. Deshalb hatte Yukine ihn huckepack genommen und trug ihn nach Hause. Aber er schlief nicht und hörte zu, was die beiden sagten, während er sich an Yukine schmiegte.
»Dir scheint der Alkohol nicht wirklich zuzusetzen«, sagte Nigiri leise.
»Ich habe nicht so viel getrunken wie Kaito und Amara. Aber ja, ich glaube auch, dass ich etwas mehr vertrage.« Kaito spürte, wie Yukines Körper beim Sprechen leicht vibrierte. »So kann ich ihn immerhin nach Hause tragen.« Nigiri kicherte leise, dann antwortete sie: »Du magst unseren Chef, oder?«
In dem Moment spitzte Kaito die Ohren. Ungeduldig wartete er auf Yukines Antwort, der sich viel zu viel Zeit ließ.
»Er ist ein netter Mann, dem ich einiges zu verdanken habe.«
»Das beantwortet meine Frage nicht …« Daraufhin lachte Yukine und Kaito war sich sicher, dass er breit grinste.
»Ja, ich mag ihn. Wie kann man es nicht tun?«
»Da hast du wohl recht.«
Ob Kaito glücklich über die Antwort war? Das war er, es erfreute ihn und ließ sein Herz höher schlagen. Er vergrub sein Gesicht in Yukines weichen Mantel und grinste vor sich hin. Zu gerne hätte er darauf geantwortet, doch genoss er es zu sehr, den beiden zuzuhören.
Irgendwann trennten sich Nigiris und ihre Wege, sodass nur noch er und Yukine blieben. Stumm und ohne Beschwerden trug der Fae ihn Richtung U-Bahn, spendete ihm Nähe, Sicherheit und Wärme. Wohler hätte Kaito sich nicht fühlen können …
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