Kapitel 33

❗Triggerwarning❗
Jimins Erzählungen thematisieren großen Familienverlust und Krieg

Wenn ihr das Gefühl habt, dass eines dieser Themen euch triggern könnte, skippt das Kapitel bitte.
Unter dem Vote-Banner am Ende findet ihr eine Zusammenfassung, damit ihr keine wichtigen Infos verpasst. <3

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The Well Pennies' Cover von "Zombie"

https://youtu.be/zXcs7bEYQwE

(Tut euch einen Gefallen und hört euch die Empfehlung beim lesen an - es ist so perfekt zusammen)

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Etwas unsicher zuckte Jimin zusammen, als er bemerkte, mit was für geschockten Augen ich ihn ansah.

"A-also...", setzte er stammelnd an.

"Das ist nicht alles meine Familie...", korrigierte er sich hastig.

"Die dort...", er zeigte auf die etwas weiter links liegenden Grabsteinreihen.

"Die gehören Menschen, die früher in der Stadt gelebt haben, aus der du kommst...", erklärte er.

"Leider hab ich nicht alle Namen herausfinden können...", schob er etwas bedauernd hinterher, während er die Grabsteine ohne Aufschrift betrachtete.


Ich brauchte einen Moment, um zu analysieren, wieso Jimin der Meinung gewesen war, dass diese Information irgendwas daran ändern würde, dass wir vor einem riesigen Friedhof standen.

Letztendlich stieg ich nicht dahinter.

Stattdessen rasten die Fragen nur so durch meinen Kopf.

Von wann stammten diese Grabsteine?

Waren sie alle auf einmal entstanden?

Wieso versteckte Jimin sie?

Ich konnte förmlich spüren, wie meine Hirnwindungen kurz davor waren, zu explodieren.

Als Jimin gesagt hatte, dass er mir etwas zeigen wollte, hatte ich gedacht, dass ich auf alles vorbereitet wäre.

Dass ich, was auch immer es sein würde, die Fassung bewahren könnte.

Doch das...

Immer mulmiger wurde das Gefühl in meiner Magengegend, während ich die Grabsteine beäugte.

Das hatte ich nicht kommen sehen...


Schwer schluckte ich, als ich sie spürte.

Die Dunkelheit, die von diesem Ort ausging.

Obwohl Jimin den Zauber gelöst hatte, war sie unfassbar präsent.

Als würden schreckliche Dinge unter diesem Fleckchen Erde liegen...



"...Kookie?...", holte Jimins vor Unsicherheit nur so triefende Stimme mich aus meinen Gedanken.


Erschrocken drehte ich mich zu ihm, weil mir auffiel, dass ich nicht geantwortet hatte.

Augenblicklich überkamen mich die Schuldgefühle, als ich bemerkte, wie nervös Jimins Rubine über meine Mimik zuckten.

"W-wenn das z-zu viel ist, dann...-", setzte er an, mir einen Ausweg anzubieten.

Der Blonde verstummte, als ich nach seiner Hand griff.

Etwas perplex schaute er unsere verschränkten Finger an, bevor seine Augen sich in meinen verfingen.

Ungläubig guckte er dabei zu, wie ich meinen Kopf schüttelte.

Ich gab mir Mühe, so weich wie möglich zu lächeln.

"Was...ist hier passiert?...", fragte ich leise.

Ein Teil von mir fürchtete sich vor der Antwort, während der Rest von mir es umso dringender wissen wollte.

Ich spürte, dass wir kurz davor waren.

Kurz davor, endlich das letzte Schloss zu öffnen, welches Jimins Herz versperrte...


Nichts konnte so schlimm sein, dass es dieses Ziel nicht wert sein würde.



Als würde er diese Gedanken aus meinem Kopf lesen können, weiteten Jimins Augen sich.

Sekundenlang schaute er unsere Hände an, bevor er seine langsam aus meiner löste.

"Es ist nicht hier passiert...", gestand er leise, während er seine Hand unter seinen Armen vergrub.

"Sondern bei dem Anwesen...", erklärte er.

Kaum hatte das letzte Wort seine Lippen verlassen, schaute er mich wieder an.

So verunsichert, als würde er tatsächlich erwarten, dass jeder weitere Satz mich dazu bringen könnte, Reißaus zu nehmen.


Etwas traurig erwiderte ich seinen Blickkontakt, bevor ich ihm ein kleines Nicken schenkte, um anzudeuten, dass er weitersprechen sollte.

Jimins Beispiel folgend, vergrub ich meine Hände in meinen Jackentaschen.

Ich hatte verstanden, dass er gerade keine Nähe wollte...

Dass er nicht damit umgehen konnte, Beistand signalisiert zu bekommen.

Auch wenn ich meine Enttäuschung nicht verbergen konnte, akzeptierte ich es.


Zögerliche Stille herrschte, bis Jimin erneut den Mund aufmachte.

"Ich glaube in den 1820er Jahren hat es angefangen...", setzte er leise an.

Seine Augen suchten nach meinen, bevor er weitersprach.

"Damals hat meine ganze Familie in dem Anwesen gelebt...", erklärte er.


Kurz machte er eine Pause.

Auch ich brauchte einen Moment, um zu verdauen, von was für einer Zeit für sprachen.

1820 lag weit außerhalb meiner Vorstellungskraft.

Die Welt damals war eine völlig andere gewesen, als die, in der ich aufgewachsen war.

Ich spürte bereits, wie mein Inneres sich deshalb anspannte.

Das ungute Gefühl wurde immer schlimmer...


Etwas unsicher lächelte Jimin mich an.

"Wir...", setzte er an.

Nervös rieb der Blonde über seinen Arm.

"Wir sind eigentlich immer ganz gut mit den Menschen in der Stadt ausgekommen...", erzählte er.

"Allerdings...", Jimin schluckte ein wenig.

"Allerdings sind Schusswaffen damals immer populärer geworden...", sein Blick wich meinem aus, bevor er sich wieder darin verfing.

"Die Menschen haben immer weiter aufgerüstet und da...", seine Nägel bohrten sich in seinen Arm.

"Da hat meine Familie Angst bekommen...", verließ es kleinlaut seine Lippen.


Der Blick, mit dem Jimin mich anschließend ansah, war so unfassbar hilflos, dass ich inne hielt.

Mir schwante übles...

Menschen und Schusswaffen waren noch nie eine gute Kombination gewesen.


Allerdings schien es in diesem speziellen Fall etwas anders gewesen zu sein...



"Die Menschen hatten uns gar nichts getan...", murmelte Jimin.

"Und trotzdem...", Tränen stiegen ihm in die Augen, während er die Grabsteine ansah.

"Trotzdem haben wir plötzlich ganz viele von ihnen verwandelt...", er schluckte ein wenig, bevor er mit seinem Ärmel über seine Augen wischte.


Ich spürte bereits, wie dieser Anblick mein Herz in tausend Teile brechen ließ.

Obwohl ich gerade mal den Anfang der Geschichte gehört hatte, wollte ich Jimin bereits in den Arm nehmen.

Er wirkte unfassbar aufgelöst.

Als würde alles in ihm zerbrechen, während er diese Ereignisse mit mir teilte.


"I-ich...", dem Blonden entfuhr ein kleines Schluchzen.

"Ich hab den anderen gesagt, dass wir das nicht dürfen...", wisperte er.

"A-aber sie...", voller Bedauern klebte sein Blick an dem Teil des Friedhofes, unter dem seine Familie lag.

"Sie wollten nicht hören...", verließ es fast lautlos seine Lippen.


Immer schmerzhafter zerbröckelte mein Herz, als Jimin mich erneut ansah.

Sein Blick wurde mit jedem Mal etwas hilfloser.

Ich sah die Trauer darin...

Die Reue, als er mir erzählte, dass er damals noch zu jung gewesen war, als dass jemand auf ihn gehört hätte.

Manche seiner Familienmitglieder waren knappe tausend Jahre alt gewesen.

Sie hatten die Menschheit von schrecklichen Seiten erlebt.

Jimins damals noch fast menschliches Alter hatte dem nicht entgegenzusetzen gehabt.

Egal wie oft er versucht hatte, die anderen davon zu überzeugen, dass es nicht richtig war, die Menschen ohne Erlaubnis zu verwandeln, hatte keiner etwas davon wissen wollen.

Nicht mal Jimins großer Bruder, dem er sonst sehr nahe gestanden hatte, hatte ihn ernst genommen.

Alle hatten nur die Erhaltung ihrer Art im Sinn gehabt.

Die Bedrohung, die von den Waffen der Menschen ausgegangen war.

Deshalb hatten sie weitergemacht...

Obwohl die meisten Menschen eine Verwandlung nicht überlebten, hatte Jimins Familie versucht, immer mehr ihresgleichen zu schaffen.


Ununterbrochen zitterte die Stimme des Blonden, während er davon erzählte.



"I-ich...", seine Tränen wegblinzelnd, klebte Jimins Blick inzwischen ununterbrochen an den Grabsteinen seiner Verwandten.

"Ich hab es irgendwann nicht mehr ausgehalten...", flüsterte er.


Von dieser Aussage ein wenig überrascht, weiteten sich meine Augen.

Mir lag die Frage auf der Zunge, was Jimin damit meinte.

Allerdings hielt ich mich zurück.

Ich wollte ihn nicht drängen.

Bemühte mich, ihm ruhig zuzuhören.

Auch meinem Bedürfnis, ihn an mich zu drücken und seine Tränen wegzuwischen widerstand ich.

Es war offensichtlich, wie schwer ihm das hier fiel...

Ich wollte es nicht noch schlimmer machen.


Sekunden verstrichen, bis Jimin sich dazu bringen konnte, es auszusprechen.

"Ich...", kompromisslos fanden die Tränen einen Weg über seine Wangen.

"Ich bin weggelaufen...", wisperte er.


Unwillkürlich hielt ich inne.

"Du...", entwich es mir, noch bevor ich etwas dagegen tun konnte.


Mein Gegnüber nickte bestätigend.

"Einfach weg...", murmelte er.

Unfähig, mich anzusehen, klebte sein Blick an dem frostigen Waldboden.

"Ich war überall und nirgends...", flüsterte er.


Die Ungläubigkeit in meinem Inneren nahm nicht gerade ab, als Jimin mir erzählte, dass er ein Jahr lang ohne zu Hause gelebt hatte.

Ständig unterwegs...

Ständig auf der Flucht.

In der Angst, als das identifiziert zu werden, was er war.

Wenn er nicht in einem Dorf hatte bleiben können, hatte er die Nächte im Wald verbracht.

Er hatte sich von Tierblut ernährt.

Ununterbrochen gequält von den Erinnerungen an zu Hause.

Gleichzeitig so sehnsüchtig...

Jimin hatte gehasst, was seine Familie getan hatte.

Trotzdem hatte er sie vermisst...

Ein Jahr lang war er so verloren gewesen, dass alles in ihm sich nach der Sicherheit einer festen Bleibe gesehnt hatte.

Der Geborgenheit, die seine Artgenossen ihm hätten geben können.


Niemals hätte er den Albtraum vorhergesehen, der ihn erwartet hatte, als er sich endlich entschlossen hatte, zurück zu gehen...



"I-ich hatte gedacht...", leise schniefte Jimin.

"Ich hatte gedacht, dass sich die Dinge vielleicht beruhigt haben würden...", wisperte er.

"A-aber...", unentwegt hingen seine Augen an den Grabsteinen.

"A-aber sie waren alle...-"

Bevor er es aussprechen konnte, begannen seine Schultern zu zittern.

Tränen rannen aus Jimins kristallenen Seelenspiegeln, als er mich anschaute.

"Kookie, sie-", versuchte er es erneut.


Erneut sprach Jimin nicht aus.

Stattdessen zuckte er zusammen.

Zu geschockt von den zwei Armen, die sich gerade um ihn geschlungen hatten...


"Ist okay, Jiminie...", flüsterte ich, während ich sein Gesicht in meine Halsbeuge drückte.

"Du musst es nicht sagen...", sanft streichelte ich über seinen Hinterkopf.

Ich hatte sie bemerkt...

Jimins Hand.

Die ganze Zeit hatte sie nervös an seiner Kleidung herumgespielt, während er gesprochen hatte.

Stets darauf bedacht, sich nicht in meine Richtung zu bewegen.

Unfähig, die Nähe zu beanspruchen, nach der Jimin sich gesehnt hatte.

Ich hatte es keine Sekunde länger mit ansehen können...


"Shh...Ganz ruhig...", versuchte ich ihm Trost zu spenden.

Wissend, dass es nicht viel bringen würde, streichelte ich über seinen Rücken.

Ich wollte alles tun...

Alles, damit diese Umarmung nicht zweihundert Jahre zu spät kam.

Nur leider half es nichts...

Natürlich half es nichts.


Bebend brach Jimin in meinen Armen zusammen.

Sein Körper zitterte.

Seine Stimme riss.

"Kookie...", wimmerte er.

"Kookie...", immer herzzerreißender schluchzte er, während er sich an mich klammerte.

Verzweifelt griffen seine Finger sich in meiner Kleidung fest.

Als würde er schreckliche Angst haben, jederzeit loslassen zu müssen...


Ihn so zu erleben ließ mein Inneres tausendfach kaputt gehen.

Ich wollte etwas tun...

Etwas sagen...

Allerdings hätte keine Wort der Welt das Loch heilen können, welches sich damals in Jimins Herz gerissen hatte.

Keine Umarmung konnte die Einsamkeit ausfüllen, die er gefühlt haben musste, als er nach Hause gekommen war.

Als er sie gefunden hatte.

All die...


Ich zuckte zusammen, als plötzlich Bilder vor meinem Inneren Auge auftauchten.

...Leichen.

Blutüberströmte Wesen mit spitzen Zähnen.

Nahezu durchlöchert waren ihre Körper...

Neben ihnen auf dem Waldboden Menschen, aus deren Augen und Mündern eine schwarze Flüssigkeit kam...

Leere und Leblosigkeit in allen Gesichtern...

Ein Massaker, schlimmer als in jedem Horrorfilm.


Überfordert blinzelte ich, als mir bewusst wurde, was es war, das gerade durch meinen Kopf zog.

"Jiminie...", flüsterte ich.

Erinnerungen...

"Jiminie...", immer fester drückte ich ihn an mich.

Nur waren es nicht meine eigenen.

"Ich bin hier, Jiminie...", versprach ich.


Jimin hatte mir erzählt, dass er in der Lage dazu war, anderen seine Erinnerungen zu zeigen, wenn er sie berührte.

Im selben Atemzug hatte er gesagt, dass er das niemals tun würde.

Dass er in über zweihundert Jahren Dinge gesehen hatte, die in niemandes Kopf gehörten.

Ich wusste, dass er niemals freiwillig jemand anderen als sich selbst mit diesen Bildern quälen würde...

Dass nur ein kompletter Kontrollverlust die Erklärung für das hier sein konnte.

Ein Kontrollverlust ausgelöst durch all die Mauern, die gerade zusammengebrochen waren.

All die Ereignisse, die Jimin nie hatte mit jemandem teilen können...

Zweihundert Jahre lang hatte er mit niemandem außer sich selbst gelebt.

Allein gelassen mit all den schrecklichen Bildern, die ich gerade sah.


Nahezu alles an diesem Gedanken zerriss mich.

In unserer ganzen gemeinsamen Zeit hatte ich keine Ahnung von der Dunkelheit in Jimins Kopf gehabt.


Es war beängstigend...

Düster.

Gleichzeitig aber auch das genaue Gegenteil...


Ich spürte mein Herz klopfen.



Ohne darüber nachzudenken legte ich meine Hand auf seine.

Dorthin, wo seine Finger meinen Nacken streiften.


"Ganz ruhig, Jiminie...", versuchte ich das weinende Wrack in meinen Armen zu beruhigen, während ich seine Hand gegen meine Haut drückte.


Dankbar verstärkte ich den Berührungspunkt.

Die Stelle, von der die Bilder kamen.



"Ich bin bei dir...", versprach ich.


Endlich...


"Ich bin bei dir..."



...teilte Jimin seine Hölle mit mir.


Zusammenfassung für die, die geskippt haben: 

- Jimin erzählt Kookie, was mit seiner Familie passiert ist
--> in den 1820er Jahren haben die Menschen aus der Stadt immer stärker Waffen ausgerüstet
--> Jimins Familie hat Angst um ihre Art bekommen und hat deshalb angefangen willkürlich Menschen zu verwandeln (obwohl die meisten Menschen es nicht überleben)
--> Jimin war als einziger dagegen und ist weggelaufen, weil er es nicht mehr ausgehalten hat
--> Als er nach einem Jahr wiedergekommen ist, war seine ganze Familie (und auch einige der Menschen) bereits tot
- Als Kookie Jimin am Ende umarmt, zeigt dieser ihm ausversehn die Erinnerungen an das Schlachtfeld (Ist ein Teil von Jimins Gedanken-Magie)

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Sooo...

Here we are.
Uff Leute, ihr macht euch keine Vorstellung, wie viel Angst ich vor diesem Kapitel hatte...
Alleine das Anfangen hat so lange gebraucht.

But here it is. ^^
Endlich fertig und endlich hochgeladen. x3

Das war es dann jetzt auch erstmal mit extrem bedrückenden Kapiteln.
Ofc muss ich uns hier noch rausarbeiten...
Aber danach könnt ihr euch auf eine ganze Menge Fluff (und Smut🔥) gefasst machen ^^
Falls das irgendwie hilft x3

Wie fandet ihr das Kapitel?
Ich will voll nicht betteln, aber bitte bitte bitte versucht mit mitzuteilen, was es in euch ausgelöst hat...
Das war seit langem das schweste Kapitel, das ich geschrieben habe und Feedback würde mir unfassbar viel bedeuten <3

Ich wünsche euch noch einen schönen Abend <3

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