Kapitel 3- Erste Dates und Ex-Freunde
Anna
Nervös blickte sie sich im kleinen Restaurant um. Er hatte geschrieben, er wäre jeden Moment da und sie solle sich schon mal setzten. So hatte sie sich ihr Date nicht vorgestellt, aber was erwartete sie auch von einem Tinderdate? Wenigstens hatte er ein nettes Restaurant ausgesucht. Bleib nur zu hoffen, dass er auch zahlte, denn sie konnte sich hier bestimmt nicht mal das Leitungswasser leisten.
Leise Jazzmusik, viel zu schicke Tischdeko und viel zu viele schick gekleidete Menschen. Anna war eindeutig underdressed. Naja, sie hatte ja auch eine Studentenbar erwartete und für die war sie in ihrem kleinen Schwarzen mühelos overdressed.
Mit einem verlegenen Lächeln nahm sie an einem kleinen Tisch am Fenster platz, und betete, dass sie nicht allzu lange warten musste. Die Leute am Nebentisch guckten schon kritisch. Sie musste aussehen wie eine deplatzierte Escort. Was hatte der Typ ihr auch nicht gesagt, dass es hier so schick war? Man!
„Weiß die Dame schon, was sie trinken möchte?" Der Kellner trat sofort an ihren Tisch. Auch er sah viel zu schick aus in seinem weißen Hemd und der schwarzen Weste.
„Wasser, bitte. Still, gerne auch Leitung. Ich warte noch auf jemanden." Anna lächelte bemüht und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie unsicher sie war.
Der Kellner nickte. „Dann werde ich Ihnen später die Karte bringen."
Sie wollte sich noch höflich bedanken, aber der junge Mann wandte sich da schon einem anderen Tisch zu.
Sie begann, an der Tischdecke herum zu Nestel. Sie musste die Nervosität verdrängen. Timo hatte auf seinem Datingprofil verdammt gut ausgesehen. Die Chats waren nett gewesen und sie hatten sich viel über das Reisen unterhalten. Wenn er jetzt im realen Leben auch so war, hatte sie vielleicht endlich ihren Mister Right gefunden.
Gespannt beobachtete sie, wie die Tür sich öffnete und hätte sich im selben Moment am liebsten versteckt. Natürlich war es nicht ihr Date gewesen, das da in ihre Richtung kam. Es war ihr Ex! Was machte der denn hier? Mist! Sie war so froh gewesen Florian schon seit Monaten nicht mehr gesehen zu haben und jetzt war er hier. Warum hatte er nicht in ihrem Kaff bleiben können? Da gefiel es ihm doch so gut und er hatte genug Leute, die mindestens genauso stumpfsinnig waren wie er. Die hatten sich doch alle in der Fußballjugend jeglichen Verstand weggesoffen. Vielleicht war das einfach nur Zufall und Florian würde einfach an ihr vorbeigehen. Vielleicht hatte er ja auch ein Date hier.
Breit lächelnd lief Florian natürlich auf sie zu. Warum musste ihr das Karma immer den Mittelfinger zeigen? „Annie, es tut mir so leid..."
Sie unterbrach ihn. „Was tut dir leid? Ich habe ein Date, also wäre es gut, wenn du, sofern du nicht auch etwas hier zu tun hast, einfach gehen könntest"
„Mensch Anna. Beruhig dich doch mal. Die Leute gucken schon."
Ihr Blick glitt hoffnungsvoll wieder zur Tür. Wenn es einen Gott gab, dann würde dieser Timo von Tinder genau jetzt zur Tür hereinkommen und sie retten.
Seelenruhig setzte Florian sich ihr gegenüber. „Lange nicht gesehen. Gut siehst du aus!"
„Danke, aber-, Flo. Ich habe ein Date und es wäre super, wenn du gehen könntest. Ex-Freunde hat man in der Regel eher nicht so bei Dates dabei."
Florian lachte. „Du bist gut. Ich muss dir etwas sagen."
Bitte lass es nichts Schlimmes sein. Bitte lass Timo kommen und eine Szene machen.
Er griff nach ihren Händen und sie war nicht schnell genug sie wegzuziehen. „Es gibt keinen Timo. Also doch. Ich durfte mir nur das Profil eines Kollegen ausleihen. Mit mir würdest du doch sonst nie reden."
Ja, warum wohl? Wer hatte immer versucht sie in allem, was sie tat zurückzuhalten? Wer hatte sie am Ende mit der Dorfmatratze betrogen? Na, das konnte sie wenigstens verstehen. Im Gegensatz zu ihr machte Nora nie einen Aufstand und passte einfach perfekt in das Dorfleben. Anna hatte immer mehr gewollt. Reisen, in großen Städten leben und vor allem aus dieser komischen Bubble herauskommen, die ihre Eltern um sich und ihre Geschwister geschaffen hatten.
„Anna, du fehlst mir."
„Wie viel haben meine Eltern dir gezahlt, dass du das hier machst? Nochmal, wir zwei sind getrennte Leute. Du gehörst nicht in mein Leben." Sie wollte ihm die Hände wegziehen, aber Florian hielt sie weiter fest.
Mit Unschuldsmine erklärte er, „Das mit Nora, mein Gott, das ist halt passiert. Wir waren alle nach dem Schützenfest total besoffen. Du weißt doch, wie das ist!"
Mhm... Und wie sie das wusste! Schon seit ihrer Jugend hatte sie immer versucht aus dem Dorf zukommen, wenn Schützenfest gewesen war.
Sie musste hier weg! Irgendwie musste es doch einen Weg geben Florian loszuwerden.
„Mir geht es so schlecht ohne dich. Gib mir noch eine letzte Chance, bitte, Anna!"
Garantiert nicht. Konnte nicht irgendwer jetzt etwas fallen lassen, nach Hilfe rufen, oder ähnliches? Angespannt versuchte sie mit irgendwem Blickkontakt aufzubauen, um zu signalisieren, dass sie Hilfe brauchen konnte. Natürlich waren die Leute mit sich selbst beschäftigt.
Tief atmete sie ein und versuchte noch einmal Florian ihre Hände wegzuziehen. Warum konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen?
„Ich habe jetzt ein eigenes Haus. Wir können uns es da richtig schön machen."
Ja genau, besonders mit der halben Familie innerhalb von fünf Minuten Entfernung. Sie konnte sich eindeutig besseres vorstellen.
Seit sie studierte, empfand Anna eine ungewohnte Freiheit und liebte die Anonymität der Stadt. Sie konnte tun und lassen, was sie wollte. Keiner sagte etwas, wenn sie spät nachhause kam oder auf einer Party mal jemanden abschleppte.
Anna versuchte immer noch den Blick eines anderen Gastes, oder eines Kellners aufzufangen.
„Anna, ich will eine Zukunft mit dir. Mit heiraten und allem."
Heiraten? Sie war gerade mal dreiundzwanzig und hatte das Gefühl, ihr Leben fing gerade erst an. Wer dachte da schon an heiraten und Familie?
„Flo...", fing sie an, aber ein Klingeln aus ihrer Handtasche unterbrach sie. Ihr Handy! Sie war noch nie glücklicher gewesen, diesen Klingelton zu hören. „Ich muss da leider ran!"
Ohne auf das Display zu schauen, ging sie ran.
„Tut mir so leid, wenn ich dein Date zerstöre, aber du musst kommen! Paul ist zusammengeschlagen worden und ich habe das Gefühl, wenn es so weiter geht, schlagen sich die Jungs noch die Köpfe ein. Anna, ich brauche dich!"
Am liebsten hätte sie Leah geküsst, würde sie nicht so ernst klingen. Das war keine Notlüge, weil sie sich zu lange nicht gemeldet hatte. Das war ernst. Sofort wurde Anna mulmig und ein Schauer lief ihr über den Rücken. Wie schlimm sah Paul dieses Mal aus?
„Ich komme! Seid ihr bei dir? Fuck, was hat er schon wieder angestellt?"
„Ja, wir sind bei mir. Ich habe keine Ahnung! Niklas ist jedenfalls ganz schön gereizt. Ein falsches Wort und er geht Paul an den Kragen. Irgendwas ist da auch noch mit Pauls Schwester."
Oh fuck! Das war gar nicht gut. Anna hatte immer das Gefühl, dass wenn Niklas und Paul mal richtig aneinandergeraten würden, Blut fließen würde, und zwar in Strömen. Und Leah war viel zu sanft, um dazwischen zugehen. Ihr Herz klopfte dumpf gegen ihren Brustkorb. Sie würde sich beeilen! Sie konnte Leah mit diesem Pulverfass nicht alleine lassen.
„Ich bin sofort da!"
Schnell sprang sie auf, schnappte sich ihre Jacke und die kleine Handtasche. Anna legte auf und stürzte wortlos aus dem Restaurant.
Ihr Herz wummerte aufgeregt gegen ihre Brust, während sie darauf wartete, dass Leah oder Niklas ihr endlich die Haustür öffneten. In ihrem Kopf hatte sich schon ein Horrorszenario zusammengesetzt, in dem Paul halb verblutet auf dem Sofa lag. Was dauerte das auch so lange?
Leah öffnete ihr die Tür. „Sorry."
„Wie geht es ihm?" Anna schob sich einfach an ihr vorbei und schlüpfte noch gerade so aus ihren Boots, ehe sie ins Wohnzimmer hetzte.
Paul saß auf dem Sofa und hielt ein Eispack gegen sein Veilchen. Die rechte Wange war angeschwollen und ein kleiner Schnitt mit Pflastern verklebt. Die Unterlippe war ebenfalls geschwollen und an einigen Stellen aufgeplatzt. Aber er lebte und schaute sie genervt aus seinen grünen Augen an.
„Was macht sie hier?"
Am liebsten hätte Anna ihn für den Kommentar auch noch ein Mal verdroschen. Sie machte sich Sorgen, verdammt! „Was hast du gemacht?"
„Ich habe gar nichts gemacht. Sven hat mit so einem großen Typen Streit angefangen, Ollie hat dann dem Kumpel von dem eine gescheuert und..."
„Ach, du bist da einfach so reingeraten? Sehen die Anderen genauso scheiße aus wie du?"
„Keinen Plan. Waren weg, als die Zwei mich gefunden haben!" Pauls Gleichgültigkeit machte sie rasend. Wie konnte er nur so mit seinem Leben umgehen? „Ich hab vielleicht mit der Freundin von dem einen Typen etwas geflirtet, aber auch nur, weil Sven was von ihrer Freundin wollte."
Anna blickte zu Niklas, der einfach nur den Kopf schüttelte und ihr mit einem Handzeichen bedeutete, dass Paul auch ganz schön einen im Tee hatte.
„Fuck! Seht mich alle nicht so an!", stöhnte Paul und legte den Kopf in den Nacken.
Niklas baute sich vor ihm auf. Natürlich war er wieder die moralische Instanz. „Wie sollen wir dich dann ansehen? Paul, hast du eigentlich eine Ahnung was für Sorgen wir uns alle machen? Hat es nicht schon gereicht, dass Amelie gerade am weinen war? Sie hat jetzt sogar früher ihre Geburtstagsfeier verlassen und überlegt, ob sie herkommen soll."
„Bitte nicht! Niki, wie soll ich das Mama und Papa erklären?"
„Vielleicht ist es mal an der Zeit, dass du ihnen erklärst, was mit dir los ist!"
„Bitte, bitte, bitte nicht!" Pauls Augen fingen an zu glänzen und es war das erste Mal, dass Anna ihn so emotional sah. „Niki, du weißt, wie sie sind!"
Leah ging dazwischen. „Wir setzten uns jetzt alle wieder hin und überlegen, was für Optionen wir haben."
Niklas setzte sich tatsächlich bereitwillig neben sie. „Wie sollen wir ihm helfen, wenn er nicht mal mit Amelie reden will. Er hätte eigentlich auf ihrer Geburtstagsfeier seien sollen, aber hat sich lieber die fucking Kante gegeben."
„Niklas, tief durchatmen. Komm runter. Wir finden jetzt heraus, was wir morgen schon machen können und gehen dann alle ins Bett."
„Ich habe noch eine Karte für das Essen morgen", schaltete sich Anna ein und blickte in die Runde.
Leah lächelte. „Dann kommt er morgen mit und vielleicht tut es ihm ja mal ganz gut, wenn er von diesen Typen weg ist."
Paul regte sich wieder. „Wohin soll ich mitkommen?"
„Im Oase macht morgen ein mexikanischer Koch authentische Tacos. Ich habe dich vor drei Wochen gefragt, ob du mitwillst und nur ein vielleicht als Antwort bekommen."
„Ja, okay."
Niklas atmete laut aus. „Ist das alles, was du dazu zusagen hast?"
„Ja, was soll ich sonst sagen? Nö, ich gehe lieber saufen, oder was?"
Jetzt wusste Anna auch, was Leah gemeint hatte.
Ein kurzer Blickwechsel mit Leah und ihre Freundin schnappte sich Niklas und zog ihn aus dem Zimmer.
Anna ließ sich seufzend neben Paul auf das Sofa sinken. „War das wirklich nötig? Paulchen, werd mal wieder nüchtern. Schlaf dich aus. Wir machen uns nur alle Sorgen um dich und wollen dir helfen!"
„Mir helfen? Toll! Was hab ich davon? Niklas macht mir nur Vorwürfe. Leah versucht hier einen auf Mutti zu machen und du hältst mir bestimmt gleich auch noch einmal vor, was für ein Arsch ich bin."
Anna schüttelte den Kopf. „Nein, wir müssen nicht reden. Ehrlich gesagt, hast du mich vor meinem Ex gerettet. Hätte Leah mich nicht angerufen, wäre ich da nie weggekommen. Wir hatten heute wohl beide einen scheiß Abend."
„Kannst du laut sagen. Mir ist so übel und Alter, diese Kopfschmerzen!" Paul verzog das Gesicht und tastete nach der Wasserflasche auf dem Sofatisch.
Anna gab sie ihm und sog scharf die Luft ein, als sie sah, dass Pauls Hände bandagiert waren. Das würde Ärger im Training geben. „Die Typen haben ja gut zugelangt."
„Keine Ahnung. Hab mich noch nicht im Spiegel gesehen." Paul versuchte, die Falsche aufzuschrauben, aber scheiterte. Schnell nahm Anna sie ihm ab und öffnete sie. „Sonst alles okay?" Sie gab drückte ihm die geöffnete Falsche in die Hand und legte den Deckel auf den Sofatisch.
„Ach," winkte er ab und nahm einen großen Schluck Wasser. „Sonst geht es."
Irgendwie nahm Anna ihm das nicht ab, sagte aber nichts. Er würde ihr eh nicht sagen was wirklich war. Als sie Paul kennengelernt hatte, war er anders gewesen. Fröhlicher, hatte mindestens genauso viel Tatendrang und Fernweh wie sie. Manchmal sah sie sich noch die Fotos an, die sie damals mal von Paul und Niklas beim Training gemacht hatte.
Niklas kam wieder in das Wohnzimmer. „Wir gehen morgen zusammen zum Training. Wenn du dich nur einen Schritt von mir entfernst, wird Bene alles wissen und glaub mir, der ist noch auf 180, weil du in Spanien aus dem Trainingslager geflogen bist."
„Du bist aus dem Trainingslager geflogen?" Bisher hatte er sich ja wenigstens beim Rudern etwas zusammenreißen können. Scheiße! Das war eindeutig schlimmer als sie gedacht hatte.
Paul stöhnte auf und dreht den Kopf weg.
„Ich habe noch Klamotten hier. In deinem Spind müsstest du noch mindestens einen Satz Trainingsklamotten haben."
Paul nickte stumm, blickte aber weiterhin weg.
Niklas nickte ihr nur einmal zu, dann verschwand er wieder.
Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sie sah, wie Paul in sich zusammensackte und nun ernsthaft mit den Tränen kämpfte. Ohne ein Wort legte sie ihm die Hand auf die Schulter und zog ihn zu sich.
Er roch nach Alkohol, Staub und ganz schwach nach Paul.
„Es tut mir so leid!", nuschelte er und ließ seinen Kopf an ihre Schulter sinken. Mitfühlend strich sie ihm über die wuscheligen roten Haare.
„Wir sehen morgen weiter. Ich gehe hier nicht weg, okay? Du bist nicht alleine."
By the way Intermediate ist nun offizell ein sogenannter "Camp Nanowrimo Winner". Ich bin offizell Stolz auf mich und dieses Projekt, auch wenn es an manchen Stellen noch etwas Politur (oder für die Ruderer unter uns "Wax off and new Wax on") benötigt.
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