Kapitel 26- No strings attached

Paul schlug die Augen auf. Komisch nach einer Party ohne Kater aufzuwachen und ausnahmsweise mal zu wissen, wer da neben einem lag. Sofort nagte das schlechte Gewissen an ihm. Es war dumm gewesen. Alles gestern. Anna zu küssen, dann mit ihr zu schlafen. Er fand auch keine Ausrede dafür. Getrunken, hatte er schließlich nicht.

„Bist du wach?", nuschelte Anna neben ihm und hob mit einem Gähnen den Kopf aus den hellblau bezogenen Kissen. Ihre dunklen Haare waren verwuschelt, und sie hatte etwas Wimperntusche unter den Augen.

Was war jetzt richtig? Möglichst schnell und wortkarg abhauen? Sollte er bleiben? Was sollte er jetzt sagen? Verdammt, war das kompliziert. Bei seinen One-Night-Stands war das immer so leicht. Sofort weg, kein Wort, einfach raus, aber das hier war kein One-Night-Stand, das er nie wieder sah.

Anna richtete sich auf und fuhr sich müde durchs Gesicht. „Was ist los?" Wie konnte sie tun, als wäre das normal? Scheiße, flippte er hier gerade aus?

„Ändert das hier was?"

Überrascht sah Anna ihn an. „Sollte es?"

„Das frage ich dich." Ihr konnte ihr kaum ins Gesicht sehen. Er sollte wohl besser gehen. Die Antwort würde ihm bestimmt nicht gefallen.

„Wie wäre es mit Frühstücken und dann drüber reden? Ich kann gerade nicht denken."

Stumm nickte er. Es half ja nichts. Sie würden darüber reden müssen und je schneller, desto besser, oder? Warum hatte er sich überhaupt darauf eingelassen?

Er versuchte, sich so gut es ging zu bedecken und an seine Klamotten zu kommen.

Anna musste sofort lachen, während sie ein zu großes Oberteil überstreifte. „Tu dir keinen Zwang an. Hab ich alles schon gesehen und gucke ich mir gerne noch mal an. Ihr Ruderer habt irgendwie euren Reiz."

Paul spürte, wie er rot wurde und ließ zumindest den Zipfel der Bettdecke etwas los, um umständlich in seine Boxershorts zu schlüpfen. Das war immer noch eindeutig ein Fehler gewesen. Oder?

Er musste schlucken.

Anna seufzte und ging auf ihn zu. Neben ihm ging sie in die Hocke und faste ihn an den Schultern. „Damit du mal runterkommst. Für mich ändert das hier nichts, okay?"

Erleichtert atmete er auf. „Okay. Ich war noch nie in so einer Situation."

„Ich auch nicht." Anna grinste und ließ ihren Blick über seinen Oberkörper wandern. „Und ich bereue es, gerade nicht in so einer Situation gelandet zu sein."

Paul wurde wieder rot, dieses Mal aus Verlegenheit. Wann hatte er zuletzt so ein Kompliment bekommen? Selbst Dana, die ihn ja nur für seinen Körper gemocht hatte, hatte nie sowas gesagt.

Anna ließ seine Schultern los. Kurz trauerte er der Vertrautheit der Berührungen nach. Sie richtete sich auf. „Mein Gott, ist doch nichts dabei. Ich glaube, wir brauchten das beide für unser Ego."

Sie könnte nicht Unrecht haben. Das mit Dana nagte immer noch an ihm, genauso wie die Angst vor der Einsamkeit. War das vielleicht eine Kurzschlussreaktion gewesen?

Sie lächelte ihn noch einmal an, dann erhob sie sich und rief im Gehen über ihre Schulter „Ich mache dann mal Frühstück."

Kaum, dass sie außer Sichtweite war, atmete Paul auf und suchte noch den Rest seiner Klamotten zusammen. Sollte er nicht vielleicht doch besser gehen? Sie hatten sich im Trainingslager so gut verstanden. Das war doch jetzt alles ruiniert!

Anna stand mit Rücken zu ihm am Küchentresen, als er in den Bereich mit der kleinen Küche trat. „Ich dachte schon, du verpisst dich einfach wortlos."

„So ein Arsch bin ich auch wieder nicht."

„Rührei, okay für dich? Ich habe nicht mehr viel im Kühlschrank."

Paul nickte. „Ja klar."

„Bereust du es?"

Die Frage traf ihn so unvermittelt, dass Paul erst mal nachdenken musste. Ja, tat er das? „Nein."

Anna atmete auf. „Ich dachte schon. Ich muss ehrlich sagen, ich fand die Nacht eigentlich ganz schön."

Immer noch fragte Paul sich, wie Anna so cool bleiben konnte. Machte er die Situation etwa unnötig kompliziert? Seine Kehle fühlte sich so eng an und sein Herz wummerte viel zu laut.

Sie drehte sich zu ihm um und musterte ihn. „Du stehst da, als hätte dich der Blitz getroffen. Setz dich hin oder deck den Tisch, aber steht da bitte nicht einfach nur so rum und guck mich blöd an."

„Ich gucke ga - okay." Wie ging man mit sowas um? Anna war nun wirklich keine Hilfe. Er atmet einmal tief ein und schnappte sich dann die Teller von der Arbeitsfläche, um sie auf den kleinen dunkelgrün gestrichenen Tisch mit den zwei Stühlen nur wenige Schritte von der Küchenzeile entfernt zu verteilen.

Anna hatte derweil ihren Rührei-Mix in eine Pfanne gleiten lassen und es roch nach wenigen Minuten so verdammt gut, dass sein Magen wieder meldete. Gehen war doch nie eine Option gewesen.

„Kaffee?", fragte sie beiläufig und griff in den Küchenschrank rechts neben ihr nach einer Tasse.

Paul schüttelte den Kopf. „Nee, lass mal. Wasser ist mir lieber."

„Hast du heute Training?"

„Nein, aber ich habe keine Lust auf diesen Koffeiencrash, wenn die Wirkung nachlässt."

Anna nickte langsam und stellte die zweite Tasse zurück in den Schrank. „Ich hab das Gefühl, ich brauche den, um meinen Kater loszuwerden und na ja, ist eben Gewohnheit." Sie beförderte ein Glas aus der anderen Ecke des Schranks und stellte es auf die hell geflieste Arbeitsfläche, der ansonsten in Grüntönen gehaltenen Küche.

„Eine Gewohnheit kann man aber auch loswerden. Das ist meist leichter, als sie überhaupt erstmal zu erlernen."

„Da magst du recht haben, aber was ist so schlimm an Kaffee."

„Wie bei allem. Die Dosis macht das Gift."

„Ach, Fuck!" Fluchend rührte sie das Ei in der Pfanne um. „Ich will gar nicht wissen, wie viel Scheiß ich über den Tag verteilt in mich reinstopfe, der meine Lebensdauer verkürzt. Aber mal ehrlich gesprochen, würde man immer an sowas denken, dann würde man wohl auch den ganzen Spaß verpassen."

Paul musste schmunzeln und schnappte sich das Glas, um es am Wasserhahn an der Spüle aufzufüllen. „Ich kenne da eine gute Ernährungsberaterin."

Sie musste lachen und wieder war es, als würde die Sonne aufgehen. Der ganze Raum wurde heller und der Morgen weniger komisch. Paul musterte sie mit einem unschlüssigen Lächeln.

„Ihr könntet euch bestimmt gegenseitig die Kunden zuweisen. Dein Papa und du als Trainer, schickt eure Sportler zur Ernährungsberatung zu deiner Mum und bei Verletzungen zu deiner Schwester, wenn sie fertig ist."

„Tatsächlich macht mein Vater das. Der halbe Club geht in der Praxis meiner Mutter ein und aus. Viele unterschätzen, wie wichtig die Ernährung eigentlich ist, wenn man erfolgreich sein will. Müssten Niklas und ich nächste Woche eigentlich auch hin."

„Bist du deswegen trocken?"

„Die sieht die zu hohen Nierenwerte sowieso und was weiß ich nicht alles. Das wird eh Ärger geben. So eben früher, als später. Ich hab wenigstens noch Niklas dabei, der mir den Rücken stärkt. Wobei der eigentlich keine Zeit hat, irgendetwas wegen Bachelorarbeit."

„Also fahrt ihr nicht nachhause?"

„Wahrscheinlich nicht."

„Ich war auch seit Monaten nicht mehr bei meinen Eltern. Mir reicht schon der Anruf einmal in der Woche."

Anna nahm die Pfanne vom Herd und stellte sie auf einem Brettchen in die Mitte des Tisches. „Willst du stehen bleiben, oder isst du im Sitzen?" Ihre braunen Augen blitzen schelmisch auf.

Paul stieß sich von der Spüle ab und nahm ihr gegenüber Platz. „Stehen verbraucht allerdings mehr Kalorien."

„Tja, dann musst du wohl wieder aufstehen."

„Vergiss es. Man muss auch bedenken, dass ich ein Mann bin und dadurch rund 25 % mehr Kalorien verbrauche als eine Frau meiner Größe und meines Trainingszustandes."

Anna lachte auf. „Dass du ein Mann bist, weiß ich spätestens seit letzter Nacht."

Sofort stieg ihm wieder Hitze in die Wangen. Zack, waren sie wieder beim Thema. „Was machen wir jetzt deswegen?"

„Gute Frage. Was möchtest du tun? Willst du das Ganze vergessen?"

„Nein."

„Dann ..." Anna klang nachdenklich. Nervös strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und griff schließlich nach dem Pfannenwender, um sich etwas von dem Rührei aufzufüllen. „Also-, Ich weiß, es klingt dumm, aber- nur wenn du das auch willst. Äh..."

Paul unterbrach sie. „Anna, mach einen Punkt." Dieses Rumdruckse machte ihn noch wahnsinnig.

„Okay, also wie wäre es, wenn das keine einmalige Sache bleibt, einfach bis wir beide jemand neuen gefunden haben oder keine Lust mehr haben?"

Überrumpelt blinzelte er sie an. „Du meinst sowas wie eine Freundschaft plus?"

Anna legte den Pfannenwender zurück und sah ihn an. Ihre Wangen waren leicht rot geworden. „Kann man so sagen."

Kurz zögerte er. „Warum sollten wir das tun?"

„Warum nicht? Wir verstehen uns gut. Der Sex war verdammt gut und gegen ab und an mal etwas Nähe können wir wohl beide nichts haben, oder?"

Er atmete tief ein. Das stimmt, der Sex war gut gewesen und Nähe war nichts was man von einem One night stand bekam. „Wie stellst du dir das vor?"

„No Strings attached. Man trifft sie, wie es passt, wozu gibt es Handys, und mein Gott, wir müssen jetzt auch nicht immer vögeln. Ist ja eigentlich nichts dabei."

„Okay ..." Paul senkte den Blick etwas. „Ich hab nur eine Bedingung. Niklas weiß nichts davon."

„Schon klar. Bin ich bescheuert? Der würde uns doch eine Predigt halten."

„Wie kann ein Mensch so moralisch sein?" Paul schüttelte den Kopf und griff nun ebenfalls nach dem Pfannenwender. 

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