Kapitel 23 - Twilight und Fragen, auf die man keine Antwort geben möchte
Anna klopfte an Leahs Tür. Nichts rührte sich und als sie die schwere Holztür aufriss, um ihre Freundin zu wecken war das Bett leer. Was hatte Anna jetzt schon wieder verpasst?
Eines der Mädels aus dem Vierer blieb vor ihr stehen. „Leah ist schon unten und mit Niklas und Paul im Ergraum."
Anna seufzte. „Danke."
Mit einem Gähnen schloss sie die Tür wieder und lief dann zur Treppe.
Schon unten an der Treppe konnte sie leise Musik hören, der sie einfach folgte. In der Regel fand man Ruderer ihrer Erfahrung nach so am leichtesten, besonders wenn viel Bass im Spiel war und die Musik einen unter normalen Umständen wahnsinnig machen würde.
Anna blieb schließlich im Türrahmen des Ergraumes stehen. Die Jungs strampelten sich oberkörperfrei auf den Spinningbikes einen ab und Leah riss wohl gerade Kilometer auf der Rudermaschine runter.
„Morgen", rief Anna einfach mal über die Musik in die Runde und bekam nur ein müdes Nicken von beiden Jungs und ein gejapstes „Morgen" von Leah zurück.
„Wann seid ihr fertig?"
„Noch 200 Meter!", presste Leah hervor und nahm den Blick nicht vom Monitor.
Anna sah zu den Jungs rüber.
„Stunde." Paul wischte sich mit seinem T-Shirt über die Stirn.
Na toll, was sollte sie jetzt die ganze Zeit machen? Auf Leah könnte sie warten. 200 Meter riss man ja schnell ab, aber auf die Jungs nicht. Die würden bestimmt auch zu spät zum Frühstück kommen. Und sie hatte Hunger!
Paul streckte ihr seine leere Wasserflasche hin. „Tust du mir einen Gefallen und holst noch mal Wasser?"
Anna rollte mit den Augen und nahm seine Flasche entgegen. Auch Niklas hielt ihr seine hin. „Jungs, ich bin nicht euer Laufbursche. Erste und letzte Mal."
Beim Frühstück ging es nur um die Trainingsplanung. Am Vormittag ruderte sie mit Leah unter Niklas Anleitung wieder Doppel und arbeitete danach endlich an ihrem Designentwurf für die Uni. Das Mittagessen war ruhig und in ihrer Gruppe schien eine kollektive Müdigkeit vorzuherrschen. Selbst die Kinder waren mal vergleichsweise ruhig. So wunderte es auch niemandem, dass am Nachmittag nach der letzten Trainingssession alle zusammen in einem kleinen Raum mit Sofas saßen, während die Kinder ihrer Hausaufgaben und Lernaufgaben hinter sich brachten.
„Was machen wir jetzt heute Abend?" Anna hatte keine Lust schon wieder alleine in ihrem Zimmer zu sitzen, oder sich auf die Suche nach einem Gesprächspartner zu machen.
William, der sich zu ihnen gesellt hatte, nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse, ehe er vorschlug, „Ich dachte wir bieten den Kindern mal etwas Abendprogramm. Langsam dürfte denen ja auch langweilig werde."
„Stimmt. Meintest du nicht, die wollten sich gestern schon an dir vorbeischleichen?" Leah sah zu Niklas herüber, der mit seinem Laptop beschäftigt war.
„Wie wäre es mit einem Film?", Paul wies auf den Beamer an der Decke.
Super ein Kinderfilm. Da hatte Anna jetzt auch nicht so unbedingt Lust drauf.
William nickte. „Klingt gut. Ich hab ansonsten noch ein Kartenspiel dabei. Ich gucke jetzt aber auch mal nach den Kleinen. Nicht, dass die uns ihre Aufgaben nicht machen." Geschmeidig stand William von seinem Platz auf.
Anna musste schmunzeln. Sie hätte in dem Alter auf jeden Fall Ausreden gefunden, ihre Aufgaben nicht machen zu müssen.
Mit einem letzten Winken verließ der Trainer den Raum.
Paul beugte sich da über Niklas Schulter. „Was machst du da eigentlich?"
Niklas zuckte sofort zusammen und schob Paul dann seinen Laptop hin.
„Sportsponsoring? Langweilig. Bekommt man ja eh kaum was raus." Paul schob den Laptop wieder zurück und sank tiefer in die Sofakissen.
„Was ich noch fragen wollte." Anna sah zwischen den Jungs hin und her. „Man hört ja so einiges über Männerdoppel."
„Oh, jetzt kommt's!" Paul grinste breit und musterte Anna.
„Na ja ...", druckste sie herum. „Hattet ihr auch schon mal etwas mit ein und derselben? Oder irgendwie einen Dreier?" Sie hatte das mal in einem Film gesehen und sich ein wenig an die beiden erinnert gefühlt. Das Männerdoppel im Film war zumindest ebenfalls sehr eng miteinander gewesen.
Paul klappte der Unterkiefer runter und er blinzelte Anna einfach nur fragend an. Selbst Niklas hatte seinen Laptop, Laptop sein lassen und starrte sie an, als hätte sie ihn nach der Quadratwurzel von Pi gefragt.
„Bist du betrunken?", fragte Niklas und klappte seinen Laptop zu. In seinen braunen Augen spiegelte sich Verwirrung wider.
Paul hatte derweil einen Lachanfall. „Niemals! Wir rudern vielleicht Doppel und sind eng miteinander, aber so eng auch wieder nicht. Außerdem sind unsere Frauentypen so unterschiedlich, dass wir da nie auf einen Nenner gekommen wären!"
„Vor seinen Eroberungen habe ich in der Regel Angst", pflichtete Niklas ihm bei. Anna musste sofort an Dana denken und wie sehr sie Niklas Bedürfnis, vor ihr zu fliehen, verstehen konnte. Nur zu Leah waren diese Hexen nett gewesen.
„Seine Eroberungen, finde ich, nichts gegen Leah", Paul klopfte der Angesprochenen über Niklas hinweg auf die Schulter, „immer eher langweilig und viel zu brav. Aber hey, passt zu dem Spießer!"
„Halt die Klappe!" Niklas boxte ihn gegen den Oberarm.
„Bausparvertrag schon unterschrieben?" Paul grinste in sich hinein.
Niklas hob jedoch nur lässig eine Augenbraue. „Natürlich schon vor Jahren. Ach was, schon vor meiner Geburt."
Sie grinsten sich breit an.
Das, genau das hatte Anna so vermisst, als die beiden zerstritten gewesen waren. So mochte sie die Jungs doch um einiges lieber.
„Ich weiß nicht, ob ich sie gruseliger fand, als sie sich nicht mehr mochten, oder jetzt", merkte Leah leise an.
Anna musste kichern. „Eindeutig jetzt!" Da würde noch eine Menge kommen, bei dem man die geistige Gesundheit der beiden in Frage stellen würde.
„Was machen wir jetzt nach dem Abendessen?" Anna blickte hoffnungsvoll in die Runde, dass jemand eine besser Idee hatte als einen Film mit all den kleinen Quälgeistern zu gucken.
Paul zuckte mit den Schultern. „Ich hab Lust auf einen Film. William will ja, wie es sich anhörte, noch Karten spielen. Finde ich alles in Ordnung."
Nach dem Abendessen saß Anna wieder auf einem der Sofas. Einen gelangweilt guckenden Paul neben sich und die ganze Mädchentruppe ebenfalls in den Raum gequetscht. Ein paar der Jungs hatten sich auch noch dazwischen getraut.
„Was für einen Film wollen wir gucken?" Hoffentlich hatte jemand einen Plan und sie müssten nicht irgendeinen Müll gucken.
Einer der Jungs schlug grinsend, „Projekt X" vor.
„Auf gar keinen Fall, Kleiner. Guck dir den Scheiß alleine an." Paul erhob sich etwas von seinem Platz und schnappte sich den mit dem Beamer verbundenen Laptop.
„Lass ihr mich mal durch." Leah schob sich durch die Kinder zu ihnen. „William hat noch mal ganz klar angewiesen, dass es bitte PG 12 ist."
„Das war mir klar." Paul rollte mit den Augen und scrollte durch die Netflix Bibliothek.
„Stopp!" Anna grinste. Das war die Idee und dann würde es bestimmt auch leerer werden. Außerdem hatte sie mal wieder Lust auf den Film. „Twilight!"
Paul sah sie wenig überzeugt an, während Leah nickte. „Klingt gut. Ist auch jugendfreundlich. Und Paul, selbst wenn du die Story scheiße, findest. Der Soundtrack ist gut."
Mit einem „Hmh!" gab Paul sich geschlagen, startete den Film und stellte den Laptop zurück auf den Tisch.
Schon in der ersten Szene kommentierte Paul, „Was will die mit dem Lauch? Dem bricht doch, sobald der was hochheben soll, der Arm!"
Anna knuffte ihn in die Seite. Sie hatte selbst damals mal einen ziemlichen Crush auf Edward gehabt. „Der hat was im Kopf und hat übermenschliche Fähigkeiten."
„Der hatte Jahrhunderte zum Lernen, oder müssen da Vampire schlafen? Trotzdem ist das ein Lauch und wie er sie anguckt." Paul imitierte den leidenden Blick verdammt gut und brachte Anna damit zum Lachen. Sofort bekamen sie genervte Blicke vom Rest der Zuschauer.
„Du verstehst das nicht. Brain over muscels, Paulchen. Du hast ja nur Letzteres."
„Sagt wer?" Paul verschränkte herausfordernd die Arme vor der Brust.
Anna schüttelte bloß den Kopf. „Wo sind jetzt eigentlich Leah und Niklas?"
„Weg. Toll, lassen uns alleine mit dem hier!" Schmollte Paul gerade etwa? Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und die Unterlippe leicht vorgeschoben. Es sah verdammt niedlich aus und ließ Annas Herz für einen Augenblick höher schlagen und kurz musste sie wieder an ihren fast Kuss denken.
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