Kapitel 17-Frühstück

Als Anna von ihrem Wecker geweckt wurde, fiel noch fahles Sonnenlicht in den Raum. Vor dem Fenster rauschten die hohen Bäume und man konnte schon einzelne Stimmen auf dem Flur hören. Der Run auf das Badezimmer hatte wohl begonnen.

Anna gähnte und streckte sich, wobei das Bett leise knarzte. Sie sollte vielleicht mal bei Leah klopfen und sich dann, wie es sich für die Betreuerinnen einer jeden Jugendfreizeit gehört, einfach an den Mädels vorbei mogeln, um ins Bad zu kommen.

Sie schnappte sich ihre Jogginghose und die leichte Sweatshirtjacke, die sie schon gestern Abend anhatte. Mit müden Bewegungen schlüpfte sie hinein und schlurfte zur Tür.

„Morgen", wünschte ihr sofort der Mädchenvierer. Aufgeregt miteinander redend liefen die Mädchen an ihr vorbei den Flur runter und in ihr Zimmer. Alle in Bademäntel gehüllt und mit einem Handtuchturban auf dem Kopf.

Wie konnte man morgens nur schon so viel Energie haben? Anna bräuchte erstmal einen Kaffee, um zumindest etwas in Gang zu kommen.

Anna wollte gerade an Leahs Zimmertür klopfen, da kam ihre Freundin die Treppe hochgeschlichen. Ringe unter den Augen und reichlich verschlafen schien sie Anna noch nicht einmal zu registrieren.

„Hast du unten geschlafen?" Anna musterte sie. Leah hatte schon wieder einen Hoodie von Niklas an.

„Mhm. Sieht so aus. Ich habe gar nicht mitbekommen, wie und wann ich ins Bett gekommen bin." Leah gähnte und fuhr sich durch die wild vom Kopf abstehenden Haare.

„Niklas hat dich irgendwann reingebracht. Gab es keinen Stress von William?"

„Nee. Der war damit beschäftigt dafür zu sorgen, dass sein Achter auch ja den Frühstückstisch deckt und nicht nur Mist macht."

„Jungs!", seufzte Anna und wies zum Bad.

Leah nickte. „Ich hole noch meine Sachen."

Etwas wacher und frisch geduscht saßen sie wenig später beim Frühstück. Paul und Niklas sahen auch eher weniger taufrisch aus. Sie waren wohl alle zu lange wach.

„Kaffee?", fragte Niklas in die Runde und erhob sich.

Anna schob ihm sofort ihre Tasse rüber. „Gerne, so schwarz, wie es geht."

„Paul?" Niklas sah zu Paul herüber, der einfach nur vor sich hin zu vegetieren schien.

„Nee, du, lass mal. Ich bleibe heute bei Wasser."

Niklas drehte sich daraufhin um und machte sich auf den Weg in die Küche, da setzte sich William zu ihnen an den Tisch.

„Na, war der Stuhl bequem?" Anna grinste ihn breit an.

William richtete seine Kappe und schüttelte den Kopf. „Mein Kreuz fand das weniger lustig."

„Vielleicht solltest du dann heute Abend mal im Bett schlafen, so von Anfang an." Paul schnappte sich seinen Teller und stand auf.

„Damit die Kleinen sich gegenseitig besuchen können und ich die Eltern auf der Matte stehen habe? Nein, danke."

„Wenn es einer von uns macht?", schlug Leah vor.

William sah sich nach Niklas um. „Ist Niklas Kaffee holen?"

„Mhm," machte Anna und nahm einen Schluck von ihrem Orangensaft. Der war eindeutig frisch. Wen hatte William nur damit beauftragt? Die Jungs aus dem Achter wohl kaum, denn die konnte sich nicht mal eine Sekunde ruhig auf den Stühlen halten.

William seufzte. „Seid ihr alle an mir vorbei gekommen?"

„Ja." Paul grinste breit. „War ganz leicht."

William verzog das Gesicht und rümpfte die etwas zu große Nase. „Ach, verdammt."

„Soll ich irgendwem etwas mitbringen?" Paul deutete auf das Büffet.

Anna schüttelte den Kopf. Sie würde selber gehen, wenn sie wieder etwas Wacher war.

„Wenn du mir ein Brötchen mitbringst, etwas Marmelade und ein kleinbisschen von dem Obstsalat, wäre das sehr lieb." Leah streckte ihm ihren Teller hin.

Paul nahm ihren Teller entgegen. „Wird gemacht. Niklas bringe ich auch etwas mit. William?"

„Wie willst du das alles schleppen?" William winkte ab und schnappte sich stattdessen seine Kaffeetasse. Mit schnellen Schritten zog er damit ab in die Küche.

Der Geräuschpegel in dem großen Raum nahm langsam zu. Die Kinder schienen wach geworden zu sein und viel zu bereden zu haben.

Niklas kam zurück und stellte eine Tasse mit tiefschwarzem dampfenden Kaffee vor Anna ab. Ihr Lebenselixier.

„Danke", murmelte sie und stürzte ihren Orangensaft runter.

Niklas ließ sich wieder ihr gegenüber nieder. „Sagt mal, was ist mit William? Warum hat er mich gerade so komisch anguckt? Hat er schlechte Laune, oder habe ich irgendetwas verbrochen?"

Leah zuckte mit den Schultern und lehnte sich müde auf ihrem Stuhl zurück.

„Wer weiß. Vielleicht ist es das Kreuz?" Die Theorie fand Anna zumindest schlüssig. Niklas war nun wirklich niemand, der etwas verbrechen würde, das William missfallen könnte.

„Hmh." Niklas zuckte ebenfalls mit den Schultern und bekam keine Minute später von Paul einen Teller vor die Nase gestellt.

Mit einem zufriedenen Grinsen saß Paul wieder neben Anna, als er auch Leah ihren Teller hingestellt hatte. Anna musste gar nicht auf Pauls Teller gucken, um zu wissen, dass sie sich morgen nicht mehr neben ihn setzten würde zum Frühstücken.

Auch Niklas guckte etwas angeekelt. „Ich frage dich das immer wieder, wie kannst du den Scheiß essen?"

Paul grinste bloß und biss herzhaft in sein Brötchen mit Krabbensalat. Er sah auf jeden Fall zufriedener aus als beim letzten Frühstück.

„Du wirst nach dem Krafttraining so kotzen", prophezeite Niklas und stocherte in seinem eher blassen Rührei herum.

Leah seufzte. „Jungs!"

„Ja, ja," beschwichtigte Niklas sofort.

William setzte sich wieder zu ihnen. Seine Tasse wäre beinahe übergeschwappt, als er sich schwungvoll auf seinen Stuhl vor Kopf fallen ließ. Sein Blick glitt sofort zu Niklas und Leah herüber. Mhm, hatte Niklas zur Abwechslung wohl doch mal Mist gebaut. Spannend.

Eigentlich hatte Anna aufstehen und sich ebenfalls etwas zu essen holen wollen, aber unter den Umständen blieb sie gerne sitzen. Das erlebte man ja nicht alle Tage.

„Hast du gut geschlafen?", wandte sich William an Leah und sein Ton ließ schon raushören, dass er einen Hintergedanken hatte.

Leah wiegelte den Kopf hin und her. „Ging so."

„Und warum hast du nicht in deinem eigenen Bett geschlafen?"

Leah blinzelte und sah aus, als würde sie nicht verstehen, worauf er hinaus wollte.

Niklas seufzte. „Sie ist draußen eingeschlafen, als wir alle zusammen gesessen haben. Hätte ich sie nach oben tragen sollen? Gute Idee, ein Mann mitten in der Nacht auf dem Mädchenflur. Gar nicht komisch."

William verzog wieder das Gesicht. „Ich will nur nicht, dass mein bester Ruderer, meine beste Novizin über 20 im Trainingslager schwängert. Sehe nämlich gar nicht gut für uns aus."

Leah lief sofort knallrot an. Bei Niklas dauerte es einen Moment, bis er verstanden hatte, was William da von ihm wollte. „Du hast so gar kein Vertrauen. Wir sind keine sechzehn mehr."

Paul prustete augenblicklich los.

„Ich war auch mal jung! Paul, du hältst dich auch von Dana fern, sollten die Mädels hier nochmal aufschlagen! Ich weiß wie das bei euch beiden läuft."

Sofort war Paul still und peinlich berührt.

Anna grinste in sich hinein. „Endlich bin ich mal das Unschuldslamm."

„Anna, Leah? Kümmert ihr euch gleich mit den Mädels um die Küche? Die Jungs müssen zum Krafttraining und meinen Achter und den Jungs Vierer wollte ich laufen schicken."

Leah nickte nur, immer noch reichlich peinlich berührt. Anna zuckte mit den Schultern und stand auf, um sich auch endlich etwas zu essen, zu holen.

Die Mädels hatten abgeräumt und Anna die Teller in die Spülmaschine gepackt, während Leah über die Tische gewischt hatte.

Nun standen sie in der großen hellen Küche. Leah saß auf einer der Arbeitsplatten und schaute immer noch sehr müde drein, während Anna an der Kücheninsel lehnte.

„Was hast du heute Morgen gemacht, dass du so müde bist?" Anna konnte es sich denken und musste ein wissendes Grinsen unterdrücken.

Leah fuhr sich über die Augen und schwankte dabei etwas. „Ich habe einfach nur schlecht geschlafen."

„Sicher!" Wer das glaubte, wurde selig.

„Was denkst du denn?" Leah schien tatsächlich auf dem Schlauch zu stehen.

Anna rollte mit den Augen. „Na das bisschen Morgensex, da ist doch nichts dran."

Leah stutzte und schüttelte den Kopf. „Ich habe wirklich einfach nur schlecht geschlafen." Es war fast schon ein Flüstern, als sie anfügte, „Wir haben keinen Sex."

„Krieselt es deswegen gerade etwas?" Also für Anna wäre das ein Grund. Das wäre doch auch irgendwann nicht mehr aushaltbar.

Leah schüttelte den Kopf. „Nein, daran liegt es nicht. Es ist..." Sie seufzte. „Es ist gerade, so dass in der Therapie recht viel aufgewirbelt wird. Niklas versucht immer so gut er kann auf mich einzugehen und mich zu unterstützen, aber ich fühle mich immer so..." Leah gestikulierte wild auf der Suche nach dem richtigen Wort. „...so... undankbar. Ich merke, dass er gerade meine Nähe braucht, aber sich dann zurückzieht, weil ich gerade einfach nicht kann. Und das tut mir so leid."

Anna zog die Augenbrauen hoch. „Huh." Dass ein Typ mal ihre Bedürfnisse über seine stellt, war ihr noch nie passiert. Eigentlich traurig. „Schwierige Sache."

„Ich sage es dir und es ist frustrierend. Ich will ihm so gerne gerecht werden und für ihn da sein. Meine Therapeutin sagte dazu nur, ich solle ihm das auch so sagen, aber in letzter Zeit hatten wir kaum Zeit zum Reden. Entweder waren ständig Leute mitdabei, wir hatten mit der Uni zutun oder aber er war so fertig vom Training, dass er direkt eingeschlafen ist."

„Na das erklärt auch, warum ihr keinen Sex habt."

„Das hat einen anderen Grund." Leah lächelte matt.

Wurde das noch komplizierter? Bitte nicht. Diese Beziehung hatte das potential ihre Freundesgruppe zusammenzuhalten. Auch wollte sie weder Niklas noch Leah mit gebrochenem Herzen erleben.

„Ich kann das einfach nicht."

„Wie?" Nun war es Anna, die verwirrt war. Was sollte man daran nicht können? Sex war doch etwas Natürliches und nicht kompliziert.

Leah seufzte und blickte zur Decke. „Ich kann ihn nicht anfassen. Es geht einfach nicht."

Anna hob beide Augenbrauen und atmete tief ein.

„Jetzt guck nicht so. Das ist schon ein Thema, das unangenehm genug ist. Behalte das bitte für dich!"

Anna nickte. „Sicher."

Wem sollte sie sowas auch erzählen? 

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