Kapitel 6

"Today" - Olivia Holt

https://youtu.be/JWnsPpC3j-s

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Etwas überfordert schaute ich das Apartmentgebäude an.

Ich hatte nicht wirklich erwartet, nochmal hier zu stehen...


Sekundenlang guckte ich die Fassade nach oben, bevor mir ein kleines Seufzen entfuhr.

Ich war etwa überfordert mit dem seltsamen Gefühl in meinem Bauch...

Je näher der Termin mit Tae gekommen war, desto stärker war es geworden.

Es wurde zunehmend schwerer, mich nicht zu erinnern.

Mir nicht einzugestehen, dass die Nacht vor zwei Wochen sich anders angefühlt hatte.

Nicht nur, weil Tae etwas anderes gewollt hatte, als meine sonstigen Kunden...

Sondern weil er anders gewesen war.

Ich hatte versucht, sie wegzuschieben...

Die Erkenntnis, dass er mehr in mir auslöst hatte, als andere Kunden.

Ich hatte Mitleid mit ihm gehabt...

Hatte mich gefreut, als er friedlich eingeschlafen war...

Am Ende hatte ich ihm nicht mal meinen vollen Lohn berechnet.


Ich wusste nicht ganz wohin mit all diesen Dingen...

Weil es mir noch nie vorher passiert war, war ich unsicher, ob es schlimm war, wenn ein Kunde sich so anders als die anderen anfühlte.

Heute Nachmittag hatte ich mit meiner Zusage gezögert, weil ich mich gefragt hatte, worauf ich mich hier einließ.

Ob ich mich überhaupt auf etwas einließ oder ob ich mir vielleicht zu viele Gedanken machte.


Zugesagt hatte ich trotzdem...


Ganz von selbst heftete mein Blick sich an die Fernsprechanlage, bevor ich darauf zuschritt.

Vielleicht war es wieder das Teufelchen auf meiner Schulter gewesen...

Vielleicht war ich auch einfach nicht der Typ für ewig viele Unsicherheiten.

Woran auch immer es gelegen hatte...

Letztendlich war es egal gewesen.


Keiner meiner Gedanken hatte mich davon abgehalten, wieder herzukommen...



Still klebten meine Augen an der Fahrstuhlanzeige, während ich in Taes Etage fuhr.

Diesmal hatte er bei der Sprechanlage gar nicht wissen wollen, wer da war.

Er hatte direkt den Türöffner betätigt.


Ungewohnter Druck machte sich in meiner Brust breit, als der Fahrstuhl schließlich zum Stehen kam.

Obwohl ich diesmal wusste, was mich erwartete, war ich viel aufgeregter, als vor zwei Wochen.

Ich spürte, wie ich die Luft anhielt, als ich den hotel-ähnlichen Flur betrat.


Kaum sah ich ihn, stockte meine Atmung noch mehr...



"Guten Abend...", begrüßte der Dunkelhaarige mich mit einem weichen Lächeln, kaum dass ich zu ihm gekommen war.

Er hatte wieder an der Tür auf mich gewartet.


"Hey...", gab ich zurück, während ich seinen Gesichtsausdruck erwiderte.

Gleichzeitig bemerkte ich, wie ich plötzlich etwas besser Luft bekam.

Wie der Druck weniger wurde, kaum dass Tae vor mir stand...


So wie letztes Mal auch, kam ich nicht umhin, sein Äußeres zu mustern.

Zum einen, weil er immer noch unfassbar gut aussah.

Zum anderen, weil er mindestens genauso fertig wirkte...

Alles von den Schatten unter seinen Augen bis über seine leicht fahle Haut zeigte, dass er nicht zur Ruhe kam.

Diesmal schon wissend, woran es lag, fragte ich mich, wie ich es letztes Mal hatte übersehen können...



Die Seelenspiegel meines Gegenübers weiteten sich ein bisschen, als meine sich in seinen verfingen.

Kurz hielt er inne, bevor sich ein roter Schimmer auf seine Wangen legte.

"E-entschuldige...", stammelte er, weil ihm auffiel, dass er mich nicht hereingebeten hatte.

Hastig trat er einen Schritt zur Seite, um mir Platz zu machen.


Ich schmunzelte ein bisschen über seine unbeholfene Art, bevor ich eintrat.

Ganz von selbst blieb mein Blick dabei wieder an Taes Apartment hängen.

Es war seit dem letzten Mal nicht weniger beeindruckend geworden...



"Möchtest du vielleicht Wasser?", holte die Stimme des Dunkelhaarigen mich aus meinen Gedanken.

"Oder einen Tee?", wollte er wissen.


Etwas überrascht schaute ich ihn an, bevor ich meinen Kopf schüttelte.

"Nein, danke.", lehnte ich lächelnd ab.

Ich nahm ungern Angebote von Kunden an.

"Aber wenn du dir noch etwas machen willst...", ich deutete auf seine Küche.

"Tee hilft ja bekanntlich beim Einschlafen.", schob ich leicht scherzhaft hinterher.


Als Tae mich daraufhin mit großen Augen ansah, stockte ich kurz.

"Oder...bin ich gar nicht deshalb hier?", fragte ich vorsichtshalber.

Nach allem, was vor zwei Wochen passiert war, war ich nicht davon ausgegangen, dass Tae meine üblichen Dienstleistungen in Anspruch nehmen wollte.

Allerdings hatte ich natürlich keine voreiligen Schlüsse ziehen wollen..


Kaum verstand er, worauf ich hinaus wollte, wurden Taes Augen noch größer.

Etwas amüsiert sah ich dabei zu, wie seine Wangen sich erneut verfärbten.

"O-oh n-nein...", stammelte er zusammen.

"I-ich m-meine d-doch...", kurz atmete er durch, um sich zu beruhigen, bevor er mich wieder ansah.

"Wenn okay für dich ist...", murmelte er schließlich.

So verunsichert, wie er mich ansah, tat es mir fast leid, überhaupt nachgefragt zu haben.


Um ihn zu beruhigen, grinste ich ein bisschen.

"Wäre ich hier, wenn es nicht okay wäre?", fragte ich mit einem leicht verspielten Unterton.

Mein Herz machte einen kleinen Sprung, als mein Gegenüber daraufhin noch ein wenig roter wurde.

Direkt noch einen, als Tae mich anlächelte.

Weil ich dieses Mal schon wusste, worauf es hinauslaufen würde, musste ich mich nicht fragen, ob hinter seinem Verhalten irgendwas seltsames steckte.

Stattdessen bemerkte ich, wie süß ich es fand...

Wie unfassbar hübsch Tae aussah, wenn er lächelte.

Noch bevor ich mich versehen hatte, hatten meine Mundwinkel sich auch nach oben gezogen.



Erneut vergingen ein paar Sekunden, in denen wir uns ansahen, bis Tae wieder einzufallen schien, was gerade Thema gewesen war.

"Tee wäre gut.", gab er unvermittelt von sich, bevor er sich umdrehte und in seine Küche lief.


Mit nach oben gezogener Augenbraue schaute ich ihm hinterher, während ich mich fragte, ob ich mir das einbildete...

Tae wirkte immer noch ziemlich unsicher.

Sichtbar darauf bedacht, nicht falsches zu machen.

Trotzdem meinte ich dieses Mal einen Unterschied zu bemerken...

Eine Energie, die von ihm ausging.

Als wäre das Eis ein wenig geschmolzen...


Sonderbar zufrieden mit diesem Gedanken, lächelte ich kurz, bevor ich dem Dunkelhaarigen folgte.

"Ist das deine Lieblingssorte?", fragte ich, während ich mich auf einem der Barhocker an der Kücheninsel niederließ.

Ich wollte nur etwas Smalltalk betreiben...

Die Stimmung auflockern.


Offensichtlich nicht in der Lage diese Absicht zu erkennen, schaute Tae mich überrascht an.

Ich sah ein kleines Glitzern in seinen Augen.

Als würde er sich wahnsinnig über meine Frage freuen...


"Eine meiner Lieblingssorten...", antwortete er schließlich.

Kurz zögerte er, bevor er nochmal in das Fach unter der Kücheninsel griff und ein paar mehr Teedosen herausholte.

"Den hier mag ich auch sehr gern.", erzählte er, während er mir eine von ihnen zuschob.

Dabei war seine Stimme nicht das einzige, was ein bisschen zitterte.

Er war aufgeregt.


Davon gänzlich unbeeindruckt griff ich nach der Dose.

Kaum öffnete ich sie, strömte mir ein sehr vertrauter Geruch entgegen.

Von diesem überrascht, blinzelte ich ein paar Mal.


"Hast du den auch?", deutete Tae meinen Gesichtsausdruck.

Der Funke Begeisterung in seiner Stimme war hörbar.


Schwach lächelte ich, weil es für ihn etwas normales zu sein schien, eine derartige Teesorte in der Küche stehen zu haben.

"Ich bin eher der Kaffeetyp.", antwortete ich mit einem kleinen Grinsen.

"Aber ich kenne die Sorte.", schob ich ehrlicherweise hinterher, während ich Tae die Dose zurückgab.

Das Café in dem ich arbeitete führte diesen Tee.

Obwohl er ziemlich kostspielig war, wurde er häufig bestellt, weil er eine stark energetisierende Wirkung hatte.

Dass Tae abends nicht davon trank, zeigte, dass er sich auskannte.

Gleichermaßen wunderte es mich überhaupt nicht, dass jemand mit Schlafproblemen eine solche Teesorte favorisierte.


Von meiner Kaffee-statt-Tee-Aussage ein wenig verwirrt, legte der Dunkelhaarige seinen Kopf zur Seite.

"Ich trinke immer beides...", murmelte er, während er sein Teesieb mit der ursprünglichen Sorte füllte.

Dabei lag so viel Unschuld in seiner Stimme...

Ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr sein Kreislauf mir leidtat, während ich nickte.

Zwar war meine Beziehung zu Coffein auch nicht unbedingt die gesündeste...

Allerdings kannte ich Grenzen.


"Ist bestimmt ne interessante Geschmackskombination.", scherzte ich einfach.

Ich wusste nicht wirklich etwas über Tae...

Entsprechend lag es mir fern, seinen Coffein-Konsum zu verurteilen.


Überrascht schaute mein Gegenüber mich an, bevor er zu kichern begann.

"Ich trinke es natürlich nicht gleichzeitig.", korrigierte er mich mit einem kleinen Grinsen.

"Tee zum Frühstück und Kaffee auf der Arbeit.", sprudelte es aus ihm heraus, während er seinen Wasserkocher vorbereitete.


Lächelnd guckte ich ihm dabei zu.

Ungewohnte Zufriedenheit machte sich in mir breit, als ich bemerkte, wie locker Tae und ich uns gerade unterhielten.

Wie schön es war, wenn sein Humor zum Vorschein kam.

Wenn er lachte, statt zu stottern.

Mein Herz wurde sonderbar leicht davon...

Fast schwerelos.


Wahrscheinlich hatte Tae mir beim letzten Mal so leidgetan, dass ich keinen Gedanken daran verschwendet hatte, wie es sein könnte, eine normale Unterhaltung mit ihm zu führen.

Unser letztes Treffen war irgendwie intensiv gewesen...

Erst angespannt, dann voller Emotionen.


Zu bemerken, dass Tae lachen und einfach drauf los reden konnte, ließ so eine Ruhe in mir entstehen...

Wohlige Wärme, die mich fast vergessen ließ, dass ich wegen meines Jobs hier war.


Das Wissen, dass wir nach dieser kleinen Teeplauderei in sein Schlafzimmer gehen würden, damit ich ihm etwas vorlesen konnte, half meinem professionellen Bewusstsein nicht unbedingt...


Einen Moment lang rückte es nach hinten.



So sehr...


"Ach weißt du...", machte ich Tae auf mich aufmerksam.


...dass ich bereits bei unserem zweiten Treffen...


"Ich glaub...", weich lächelte ich, als er sich zu mir umdrehte.


...eine meiner Regeln brach.



"...ich hätte doch gern eine Tasse."


Hmmm....
War dieses Ende zu plötzlich?
Idk...
Es ist ein bisschen schwierig für mich, weil ich Kookie nicht zu nachdenklich machen will (werden meine Charaktere ja eh schon immer).
Deshalb soll er Dinge manchmal auch einfach tun.
Nur ist es dann schwierig, sie zu erklären. xD
Deshalb yeah...
Ich hab versucht, es so beschreiben, dass es (maybe) hoffentlich Sinn ergibt, warum Tae ihn so easy dazu bringt, Grenzen zu übertreten. ^^

Feedback please?
Und wenn ihr schonmal dabei seid, könnt ihr mir (wie immer) gern sagen, wie ihr das Kapitel allgemein fandet und was es in euch ausgelöst hat. <3

Habt noch einen schönen Abend <3

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