Kapitel 19

"What was I made for?" - Billie Eilish

https://youtu.be/cW8VLC9nnTo

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Lächelnd betrachtete ich den schlafenden Engel in meinen Armen.

Eine bessere Beschreibung fiel mir nicht ein.

Tae war so unfassbar schön...

Seine glatte Haut...

Diese langen Wimpern...

Dazu die sanfte Aura des Friedens, die ihn gerade umgab...


Schwach zuckte mein Mundwinkel nach oben, während mir bewusst wurde, dass ich diesen Vergleich wirklich ernst meinte.

Dass Tae für mich etwas von einem himmlischen Wesen hatte.

Ebenso wunderschön, wie weit entfernt...


Viel länger als eigentlich nötig blieb ich bei ihm.

Ich konnte mich nicht losreißen.

Weder von dem Anblick.

Noch von dem Gefühl seiner Hände, welche sich beim Einschlafen auf Brusthöhe in meinem Oberteil vergriffen hatten.

Ich brachte es nicht fertig, sie von mir zu lösen.

Stattdessen ließ ich den heutigen Abend Revue passieren...

Die letzte Woche...


Wie für mein Arbeits-Ich typisch, hatte ich mich deutlich lockerer gegeben, als ich gewesen war.

Während Tae seine Unsicherheit mir gegenüber nicht hatte verstecken können, hatte ich ihn nicht wissen lassen, dass mein Herz einen Schlag ausgesetzt hatte, als ich heute aus dem Fahrstuhl getreten war und ihn gesehen hatte.

Ich hatte ihn nicht wissen lassen, dass auch ich ihn instinktiv zur Begrüßung hätte umarmen wollen.

Ich hatte ihn nicht wissen lassen, wie sehr es mich gefreut hatte, dass er heute lieber hatte Kuscheln wollen.

Dass er meine reine Nähe der Sache vorgezogen hatte, wegen der ich eigentlich hier war.


All diese Dinge sprach ich nie aus.

Stattdessen ließ ich Tae ständig mit sich selbst hadern, weil er Angst hatte, Grenzen zu übertreten und beteuerte, dass "seine Wünsche" kein Problem für mich darstellen.


Vorsichtig strich ich meinem Gegenüber eine Haarsträhne aus dem Gesicht, während ich versuchte, die Stimme in meinem Hinterkopf zu ignorieren, die mir sagte, dass ich mich wie ein Arschloch benahm.

Dass es eigentlich unfair war, Tae an so viel Einseitigkeit glauben zu lassen, wenn ich doch bereit war, jede noch so kleine Grenzübertretung mit offenen Armen anzunehmen.

Alleine, dass ich mich auf ein derartig persönliches Gespräch mit ihm eingelassen hatte...
Dass ich angefangen hatte, mit ihm über mein Liebesleben zu sprechen...

Bei keinem anderen Kunden würde ich auf die Idee kommen, derart private Informationen zu erzählen.

Bei keinem anderen Kunden würde ich so viel Interesse zulassen.
Auch noch darauf eingehen.


Nachdenklich glitten meine Augen über Taes Mimik.

Ich kaute auf meiner Unterlippe herum, während ich mich fragte, wie er das anstellte.

Wie er schon bei unserem ersten Treffen dafür gesorgt hatte, dass alles anders gewesen war.

Wie er es immer wieder schaffte, meine Vernunft zu blockieren.

Mich so sehr aus der Bahn zu werfen, dass alle Vorsätze hinfällig wurden.


Ich hatte mir im Laufe der letzten Woche vorgenommen, mehr auf meinen Bauch zu hören.
Meinen Umgang mit Tae nicht mehr so kritisch zu betrachten.

Ich hatte mir eigentlich nicht vorgenommen, im selben Atemzug zu vergessen, was das zwischen uns war.

Was es nicht war.


Etwas bitter schmeckte mein Mund, während ich mir erneut eingestehen musste, wie sehr Tae mir in dieser kurzen Zeit bereits ans Herz gewachsen war.

Er war so sanft...

So rücksichtsvoll.

Auf eine sonderbar erwachsene Art unschuldig.

Auch außerhalb der Arbeit war mir noch nie jemand wie er begegnet.

Jemand, bei dem man das Gefühl hatte, dass er total auf einen achtete, um den man sich gleichzeitig aber auch irgendwie kümmern wollte.

Jemand, dessen Lachen sich anfühlte, als hätte man einen Preis gewonnen.


All diese Empfindungen hatten überhaupt nichts in meinem Herzen verloren.

Nicht nur, weil Tae mein Kunde war.

Sondern auch, weil er...

Ich betrachtete seine seidene Bettdecke.

Weil er wirklich ganz weit weg war.


Durch meine beiden Jobs war ich alles andere als schlecht situiert.

Trotzdem gab es einen Grund, warum ich immer noch in meiner kleinen Einzimmerwohnung mit Blick auf andere Häuserwände lebte.

Geld war für mich keine Selbstverständlichkeit.

Wohlstand war keine Selbstverständlichkeit.

So war ich nicht aufgewachsen.

Ich war weder geizig, noch gierig.

Dennoch sparte ich den größten Großteil meines Geldes.

Für schlechte Zeiten...

Für Zukunftsträume.


Ein einziger Blick in Taes Wohnsituation genügte, um zu sehen, dass er diese Gedanken wahrscheinlich nicht einmal kannte.

Apartments wie seines hatte ich früher nur im Fernsehen gesehen.

Doch er wohnte hier.

Lebte ein Leben, in dem es normal war, eine Schublade voller teurem Tee zu haben und mehrfach pro Woche dreistellige Beträge zu zahlen, um besser schlafen zu können.


Ich wollte Taes Schlafprobleme nicht runterspielen.

Genauso wenig wollte ich seinen Wohlstand verurteilen.

Es führte nur leider nichts an der Erkenntnis vorbei, dass ich dieses wunderschöne Schlafzimmer mit Ausblick auf die Pariser Skyline ohne meinen Job nie zu Gesicht bekommen hätte.

Ich hätte diesen unfassbar liebenswerten Menschen niemals kennengelernt, wenn es nicht etwas gegeben hätte, das er von mir brauchte.

Etwas, wofür er mich bezahlte.


Wie man es auch drehte und wendete...

Es gab gute Gründe, die Stimme in meinem Kopf zu ignorieren.

Gute Gründe, Tae nicht wissen zu lassen, wie viel er in mir bewegte.

Denn so sonderbar der Gedanke auch war, dass ich sein Schlafzimmer wahrscheinlich nie von innen gesehen hätte, wenn ich nicht nebenberuflich Geld für Sex nehmen würde...

Letztendlich war ich froh darüber.

Ich mochte es, herzukommen und dabei zusehen zu können, wie Taes Gesicht immer neue Rottöne erfand.

Ich mochte den Lavendelgeruch.

Ich mochte die Ruhe.

Dieses Gefühl, dass es keine wirkliche Arbeit war, wenn ich herkam.

Dass es letztendlich trotzdem Arbeit war.

Dass wir beide am Ende des Abends etwas davon hatten.


Kurzum mochte ich, wie es zwischen Tae und mir war.

Ich mochte die Grenzüberschreitungen.

Ich mochte aber auch den dennoch vorhandenen Abstand.

Die Sicherheit, die mit diesem einher ging.


Angenehmer als jetzt würde es niemals werden.

Ausgeglichener würde es niemals werden.


Entsprechend würde ich die Stimme wohl nur lange genug ignorieren müssen...



Mein Herz drückte ein wenig, als ich beschloss, dass es langsam Zeit war, mich auf den Weg zu machen.

Kaum schaute ich Tae wieder an, musste ich trotzdem lächeln.

"Träum süß, kleiner Engel...", flüsterte ich, während ich seine Hände vorsichtig von meinem Oberteil löste.

Ich erlaubte mir, einen kleinen Kuss auf seine Stirn zu drücken.

So niedlich eingekuschelt, wie er in seinem mit Lichterketten dekorierten Lavendelbettchen lag, hatte ich nicht anders gekonnt.


Möglichst leise stand ich anschließend auf.

Ganz von alleine zog er meinen Blick an.

Dieser wunderschöne Ausblick, den man aus der Fensterwand hatte...

Auch er wirkte irgendwie himmlisch.

Wunderschön und ewig weit entfernt...


Sekundenlang schaute ich den Pariser Nachtlichtern beim Glitzern zu, bevor ich mich losreißen konnte.



Auf dem Weg nach draußen spürte ich ein sonderbares Gefühl in meinem Inneren.

Ein bisschen dumpf...

Dennoch vorfreudig.


Nach dem heutigen Treffen ging ich davon aus, dass Tae keine Hemmungen mehr haben würde, mich erneut zu buchen.

Dass er Zwischenfall mit dem Café bald vergessen sein würde.

Dass sich einfach alles normalisieren würde.


Verträumt schaute ich in den Nachthimmel.

Ich freute mich darauf, ihn wiederzusehen...

Ich lächelte.

Den kleinen Lavendel-Engel...


Nicht ich, wie ich es total mit der Engels-Metapher übertrieben hab, weil ich sie pretty fand und dieses Lied beim schreiben mich einfach dreamy im Kopf gemacht hat.
Nope~
Ich hoffe es war nicht zu aufdringlich xD

Please let me know, wie ihr das Kapitel fandet <3
Ob es euch gefallen hat...
Ob es euren Tag verschönern konnte...
Ob ihr jetzt all cozy seid...
Ob die Enegels-Metapher mehr oder weniger panne ist als die mit dem Lavendel...xD
Was auch immer euch einfällt, ich freue mich sehr über Feedback <3

Anschließend wollte ich noch kurz ein paar Sachen erklärten (und hoffentlich nicht nochmal das ganze Kapitel löschen, so wie es mir gerade eben passiert ist, als ich an dieser Stelle war - Null aggressionsverursachend, wenn man eh schon Zeitdruck mit dem Update hat ^^") 

Also ich hab (wie ihr vielleicht gemerkt habt) in dem Kapitel nochmal mehr Fokus auf das Thema "Wohlstand" und "soziale Schicht" gelegt.
Ich hatte am Anfang, glaube ich, mindestens einmal schon erwähnt, dass das relevant ist und es auch ofc zwischendurch mehrfach in der Story eingestreut.
Und es ist wirklich wichtig für die Geschichte, deshalb wollte ich hier nochmal kurz Kookies Gedanken erklären, in case im Kapitel hab ich es nicht hinbekommen.
Also diese Vorstellung, die Kookie von sich selbst und von Tae hat...
Die Tatsache, dass er ihre Situation als sicher und ausgeglichen erachtet...
Ich hoffe es kam durch, dass das bedeutet, dass Kookie nicht daran glaubt, in einer nicht-geschäftlichen Beziehung mit Tae auf Augenhöhe sein zu können, weil sie unterschiedlich situiert sind und dass das mainly der Grund ist, warum Kookie sich nicht wirklich mit seinen Gefühlen beschäftigt.
Also at this point in der Geschichte hat Kookie sehr deutlich gemerkt, dass er irgendeine Form von Gefühlen für Tae hat und dass Tae ihm wichtig ist.
Aber er ordnet diese Gefühle nicht weiter ein bzw. schiebt sie mehr oder minder beiseite, weil er (maybe unterbewusst) davon ausgeht, dass für Tae und ihn eh nichts anderes funktionieren würde, als die Beziehung, die sie gerade haben.
I mean, als Leser kennt man Taes Gedanken inzwischen und weiß, dass es bei Tae genau andersrum ist und dass er Kookie total bewundert und ihn wegen seinen sozialen Fähigkeiten auf ein Podest stellt.
Aber Kookie weiß das nicht.
Und so sehen sie beide eigentlich das in dem anderen, das sie selbst nicht haben und reden sich deshalb von vornherein aus, dass sie auch etwas nicht-geschäftliches miteinander haben könnten.


Kommt das durch?
Ist es auch vorher schon durchgekommen?
Habt ihr es spätestens jetzt verstanden? 

Ich frage das, weil ich bei dieser Story wirklich dolle das Gefühl hab, dass niemand rallt, worum es geht. ^^"
Bitte versteht das nicht falsch...
Ich liebe eure Kommis.
Ich freue mich, wenn die Geschichte sich irgendwie cozy oder nach einem Safespace anfühlt.
Ich freue mich, wenn der Fluff euch happy macht.
Es ist nur irgendwie auch so, dass ich nie etwas anderes zu Insomnia höre, als dass es ja so fluffy, ist...
Und selbst wenn Kommentare an Stellen kommen, die offensichtlich auf die Miscommunication hindeuten, sind das so lockere "Ja noch siehst du ihn als Kunden😘" (o.ä.) Kommentare.
Es ist, als würde ich auf einen Zaun schreiben, dass hier unterschwellig Sachen falsch laufen und mit dem ganzen Zaun herumwinken und alles was ich lese ist: "Oh mein Gott, die beiden sind so süß."


It's kind of...
Wie gesagt, bitte versteht es nicht falsch.
Diese Kommentare stören mich nicht.
Im Gegenteil, manchmal ist es dann fast ein bisschen witzig. (Und ich freu mich ofc - Immer. Kommentare sind toll.)
Ich hatte nur das Gefühl, dass es a) gut wäre, diese Thematik nochmal sehr deutlich in einem Kapitel aufzugreifen und b) noch deutlicher im Author-Note darüber zu reden.
Einfach damit keine falschen Erwartungen entstehen.
Vorne an der Story steht dran, dass es Drama geben wird (nicht bald, aber definitiv) und ein Vögelchen hat mir gezwischtert, dass ihr alle lesen könnt, soooo...
Keep it in mind ^^

Und lasst mich gern wissen, ob euch das eh schon klar war und ich mir das hätte sparen können, oder ob es so ein "Ohhh"-Moment war.
It helps out a lot <3
(Und bitte kommentiert wegen diesem Text in Zukunft nicht weniger - bitte. (Ich bin nicht verzweifelt (nur ein bisschen🤏))

Möget ihr nachher genau so gut schlafen, wie Tae es in diesem Kapitel wahrscheinlich tut <3

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