Kapitel 12
"Rootless" - Alycia Marie
https://youtu.be/fdSrU028Q2c
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Mit riesigen Augen schaute ich mein Gegenüber an.
"Darüber...machst du dir Sorgen?", verließ es ungläubig meine Lippen.
"Dass du mich hast unwohl fühlen lassen?", fragte ich.
Ein Teil von mir konnte es nicht begreifen.
Obwohl Tae von Anfang an darauf bedacht gewesen war, meine Grenzen zu achten, hätte ich nie gedacht, dass der Gedanke, diese verletzt zu haben, ihn zum weinen bringen könnte.
Der Gedanke, mich verletzt zu haben.
Mein Herz schlug hundert Frequenzen zu schnell...
Als würde meine Frage ihn total aus der Bahn werfen, blinzelte Tae ein paar Mal.
"Hab ich das denn nicht?...", wollte er kleinlaut wissen.
Leise schniefte er dabei.
Sekunden verstrichen, in denen ich ihn einfach ansah.
Ich versuchte zu verstehen, was dieses Gefühl war...
Das plötzliche Wissen, dass es keinerlei Problem darstellen würde, dass Tae von meinem Arbeitsplatz wusste.
Bevor ich diese Wohnung betreten hatte, hatte alles sich so unsicher angefühlt...
Irgendwie wankend.
Doch jetzt...
Langsam begann ich meinen Kopf zu schütteln.
"Jetzt nicht mehr...", beantwortete ich Taes Frage lächelnd.
Seine Reaktion hatte mir gezeigt, dass es keinen Grund gab, sich unwohl zu fühlen.
Es war Zufall gewesen...
Ein blöder Zufall, der bei uns beiden die Alarmglocken hatte läuten lassen.
Wobei es letztendlich...
Ich trat einen kleinen Schritt auf Tae zu, bevor ich ihm noch ein Taschentuch hinhielt.
...vollkommen egal war.
Hobis Empfehlungen und der Vertrag waren dazu da, uns zu schützen.
Kunden sollten nichts aus unserem Privatleben wissen, weil es einen Risikofaktor darstellte.
Eine potentielle Bedrohung unserer Sicherheit.
Alle weiteren Schritte wurden in der Regel eingeleitet, um sie wieder herzustellen.
Die Sicherheit.
Wissend, dass es zu viel sein würde, unterdrückte ich den Drang, noch einen Schritt näher an Tae heranzugehen und ihm die Tränen wegzuwischen.
Dass ich überhaupt dieses Bedürfnis verspürte, war eigentlich genug.
Taes bloßer Anblick wäre genug gewesen, um zu wissen, dass ich mich durch ihn nicht weniger sicher fühlte.
Eher im Gegenteil...
"W-was meinst du..?", fragte Tae zögerlich nach.
Wahrscheinlich hatte ich mich noch nie sicherer bei einem Kunden gefühlt.
Respektierter.
Niemand hatte die Regeln und Grenzen jemals so ernst genommen, wie er...
Immer weicher wurde das Lächeln auf meinen Lippen, während ich mich Tae nun doch näherte.
Nicht, um seine Tränen wegzuwischen.
Sanft legte ich meine Handflächen an seine Arme und schaute ihm in die Augen.
"Du gehst nie wieder zu diesem Café, okay?", versicherte ich mich mit ruhiger, aber trotzdem eindringlicher Stimme.
Von dieser sichtbar verängstigt, nickte Tae hastig.
"N-nie wieder.", bestätigte er, noch während sein Kopf sich auf und ab bewegte.
Ich lächelte ein bisschen über seine Nervosität, bevor ich von ihm abließ.
"Gut.", den Drang nicht vollständig unterdrücken könnend, strich ich ihm wenigstens ein paar seiner Haarsträhnen aus dem Gesicht.
"Dann...", ich brachte wieder mehr Abstand zwischen uns.
"...spricht nichts dagegen, unser Geschäftsverhältnis fortzusetzen.", sagte ich.
Auch für mich selbst formulierte ich den Charakter unserer Beziehung extra deutlich.
Taes Tränen und die gerade in seinen Augen aufleuchtende Ungläubigkeit, machten es mir viel zu leicht, diesen zu vergessen...
"D-du...", setzte er stammelnd an.
"...du willst trotzdem noch herkommen?...", fragte er.
Ich konnte ihm ansehen, dass er Probleme hatte, diese Information mit der Realität zu vereinbaren.
Etwas unbeeindruckter, als ich eigentlich war, zuckte ich mit den Schultern.
"Solange du nicht spontan beschließt, mein Stalker zu werden...", scherzte ich.
Nie hätte ich geglaubt, dass diese Worte mal spaßhaft meine Lippen verlassen würden.
Nie hätte ich geglaubt, dass ich in eine solche Situation geraten und vollkommen okay damit sein würde.
Dass einer der Agentur-Kunden von meinem Job im Café erfahren könnte, war immer eine meiner größten Ängste gewesen...
Ich hatte mir nicht vorstellen können, dass es in irgendeiner Form nicht schlimm sein könnte.
Doch mit Tae...
Mit diesem sonderbaren, aber doch so warmherzigen Häufchen Schlafentzug...
Während ich seinen Augen beim riesig werden zusah, wurde mein Lächeln ganz von alleine breiter.
Mit ihm war irgendwie alles anders...
Ich war so in der Erkenntnis versunken, wie gut es sich anfühlen konnte, wenn man seine Deckung guten Gewissens schleifen lassen konnte, dass ich kaum mitbekam, was meine Reaktion in Tae ausgelöst hatte.
Erst als plötzlich er derjenige war, der ein paar Schritte nach vorne tat, holte es mich zurück.
Überrascht zuckte ich zusammen, als er mir auf einmal um den Hals fiel.
"Danke, Kookie...", schniefend drang seine Stimme in mein Ohr, während er mich einen Moment lang ganz fest an sich drückte.
"Danke..."
Ich konnte förmlich spüren, wie mein Herz gleich mehrere Schläge aussetzte.
Tae war mir nie zuvor auf dieser Art näher gekommen.
Natürlich nicht.
Ich kam her, um ihm für eine Riesen Stange Geld eine Gute-Nacht-Geschichte vorzulesen.
Wir waren keine Freunde oder standen sonst irgendwie in einer Beziehung zueinander, die eine Umarmung angebracht hätte erscheinen lassen...
Eine Tatsache, die auch Tae bewusst zu werden schien.
Ich kam gar nicht dazu, mein Herzrasen genauer zu identifizieren, da hatte er sich bereits wieder von mir gelöst.
"O-oh mein Gott...", entschuldigend hob er die Hände.
"Das war total daneben, oder?", er kniff die Augen zusammen.
"E-es tut mir leid...", verließ es hastig seine Lippen.
"I-ich...", noch während er sprach, stiegen neue Tränen auf.
"Ich w-war nur so froh, w-weil...", zittrig strich er mein Oberteil wieder ordentlich.
Als würde er seine Spuren wegwischen wollen...
"Ich hab noch nie so gut geschlafen...", murmelte er dabei.
Seine Stimme war nur ein Flüstern...
Immer noch von der Umarmung überrumpelt, ließ ich den Entschuldigungsschwall einfach über mich ergehen.
Erst Taes kaum hörbare Worte, ließen mich realisieren, was gerade passierte.
Ich fühlte mich bildhaft an unsere ersten Treffen erinnert...
"Tae, Stopp...", verließ es dadurch ganz von selbst meine Lippen.
Ich griff nach seinen Handgelenken, damit er aufhörte, so zu tun, als hätte mein Sweatpullover irgendeine Form von Falten durch die Umarmung erhalten.
Erneut schaute ich ihm in die Augen.
"Stopp.", wiederholte ich.
Sobald er einmal anfing, sich schlecht zu fühlen, war Tae wie ein Abwärts-Tornado.
Es ging immer und immer weiter...
Immer weiter nach unten...
Versuchend, diese Entwicklung aufzuhalten, fixierte ich sie.
Seine unfassbar braunen, komplett verschwommenen Seelenspiegel...
Weich lächelte ich, je länger ich sie ansah.
"Alles ist gut...", flüsterte ich.
"Alles okay..."
Erst als Taes Atmung sich auf meine Frequenz heruntergefahren hatte, sprach ich weiter.
"Heute war super verwirrend...", vorsichtig entfernte ich mich von ihm.
"Aber wir beruhigen uns jetzt...", ich trat einen Schritt zurück.
"...und dann ist alles wie vorher.", beruhigend atmete ich aus.
"Okay?"
Es war eher eine Aufforderung, als eine Frage...
Nach allem, was heute passiert war, brauchte ich wenigstens noch ein paar Grenzen, um mir einreden zu können, dass das hier okay war.
Mir diesen Gedanken aus der Mimik lesen könnend, schluckte Tae ein bisschen.
Er nickte schuldbewusst, bevor sein Blick sich auf den Boden richtete.
"Entschuldige bitte...", wisperte er.
Ich lächelte, bevor ich eine abwinkende Handbewegung machte.
"Keine Entschuldigungen mehr, ja?", bat ich.
Auf der Suche nach etwas Normalität blieb mein Blick an der Küche hängen.
"...hast du nicht vielleicht eine neue Teesorte, von der du mir erzählen willst?", fragte ich deshalb.
Offensichtliche Themenwechsel waren manchmal die besten.
Gleichermaßen überrascht und erleichtert schaute Tae auf.
Anschließend wurde er etwas rot.
"Um ehrlich zu sein konnte ich heute gar nicht an Tee denken...", erzählte er.
Kaum blieben seine Augen länger als zwei Sekunden an seiner Küche hängen, schien ihn dieser Umstand sich allerdings schlagartig zu ändern.
"Aber...", ganz von selbst zuckten seine Mundwinkel nach oben.
"Wenn du so fragst..."
Tiefenamüsiert schaute ich dabei zu, wie es Tae auf magische Art und Weise zu seiner heiligen Schublade zog.
Das Drama von gerade eben schien bereits ganz weit weg.
Ich konnte es kaum erwarten...
Schmunzelnd folgte ich ihm.
...es an den selben Ort zu schieben.
Early Update heute ^^
Eigentlich hätte ich heute arbeiten gehen sollen.
Deshalb hatte ich vor, früher zu updaten.
Exakt in dem Moment, wo ich OneNote zum Probelesen öffnen wollte, hat mein Handy geklingelt und meine Kollegin meinte, dass ich doch nicht kommen muss.
Schön für mich.
Aber ich hatte mich jetzt schon darauf eingestellt, nicht abends zu updaten...
Also mache ich es auch nicht xD
Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen <3
Wenn ihr möchtet, sagt mir gern, wie ihr es fandet ^^
(Und eventuell ob ihr das Ende zu fast fandet - Once again I'm insecure ^^")
Ich wollte jetzt gern noch ein paar Sachen zu Tae sagen.
Idk, ob das maybe auch komplett klar ist und ich euch jetzt wieder unnötig volltexte...
Aber anyways.
Also mir ist aufgefallen, dass Tae in dieser Story wahnsinnig emotional wirkt.
Er stottert ständig, ist an einigen Stellen impulsiv, dann wieder übervorsichtig und fängt sichtbar schnell an zu weinen.
Und hm...
Also ich glaube, ich wollte nur nochmal darauf hinweisen, dass man Tae in dieser Story bisher ausschließlich in der Gegenwart von Kookie erlebt hat.
Und Kookie ist jemand, den Tae zu sich bestellt, weil er ihm bei einem großen persönlichen Problem hilft.
Tae war in den Situationen, in denen die beiden sich in dieser Story begegenen, von Anfang sehr angreifbar.
Entsprechend sensibel fällt sein Verhalten aus.
Ich weiß nicht...
Ich bin ja grundsätzlich dagegen, Charaktere in irgendeiner Form zu diagnostizieren, wenn sie Verhalten an den Tag legen, das Anzeichen von psychischen Symptomatiken zeigt.
I mean... "Insomnia" ist irgendwo auch eine Diagnose.
Aber im Prinzip meint das in dieser Geschichte erstmal nur, dass Tae nicht schlafen kann. Die Gründe dafür können vielfältig sein.
Deshalb beziehe ich mich allgemein auf psychische Probleme oder Krankheiten, die mit sehr sensiblem Verhalten einher gehen können.
Ich dachte mir beim schreiben von diesem Kapitel irgendwie, dass es wirken könnte, als würde Tae in diese Richtung lehnen.
Deshalb zwei Dinge als Reminder:
1. Versucht bitte niemals Charaktere zu diagnostizieren oder sie in irgenein psychologisches Spektrum zu schieben, außer der Autor sagt explizit, dass es so gemeint ist. (Wird bei mir nie passieren)
2. Bedenkt bitte Taes Situation und den Rahmen, in dem er euch bisher in dieser Story präsentiert wurde. Dieser ist sehr anders als der von Kookie. ^^
Danke fürs lesen <3
As always könnt ihr mir gern sagen, ob euch das eh schon klar war oder ob es irgendwie geholfen hat, dass ich euch vollgequatscht hab. ^^
Ich hoffe das Kapitel konnte euren Tag ein wenig versüßen <3
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