37
Becky
Und da lag er. Blass, mit geschlossenen Augen, an zahlreiche Maschienen angeschlossen und wirkte so schwach, so zerbrechlich. Ich hatte mir unser Wiedersehen nach etwas mehr als drei Jahren definitiv anders vorgestellt. Zögerlich ließ ich die Tür hinter mir zufallen und machte ein paar Schritte auf das Krankenbett zu. Entweder er schlief, oder er lag noch im Koma. Ich hoffte sehr auf Ersteres. Vorsichtig zog ich mir einen Stuhl heran und setzte mich ans Kopfende. In seiner linken Hand steckte ein Katheter und in seiner Nase steckte ein Beatmungsschlauch. Er lag also noch im Koma. "Hey Rick, ich bins, Becky. Ich weiß, wir haben uns ewig nicht mehr gesehen und ich habe auch keine Ahnung, ob du mich überhaupt hier haben willst, aber ich mache mir Sorgen um dich. Lucia hat mir geschrieben, sie war es die mir Bescheid gegeben hat, dass du einen Unfall hattest und nun im Koma liegst. Mum und Dad haben es nicht mal für nötig angesehen, mich zu informieren, bin ich ihnen wirklich so egal?", ich musste unterbrechen, da ein kleiner Schluchzer mir die Stimme raubte. Ich fuhr fort und ergriff sanft seine Hand und bemerkte nicht, wie sich die Tür öffnete. "Ich habe ein schönes Leben, Rick, wirklich. Aber mir fehlt etwas. Eine Familie. Ich habe jemanden kennengelernt, Bruderherz. Er heißt Niall und wir sind zusammen und irgendwie ist er für mich so etwas wie eine Familie. Vor ein paar Tagen sind wir auch schon zusammengezogen und wir haben gemeinsam Urlaub in Irland gemacht. Ich habe dir immer gesagt, du wärst der einzige Mann in meinem Leben, doch nun gibt es Niall. Er wird nie deinen Platz einnehmen können, schließlich bist du mein Bruder, aber er hat sich seinen eigenen Platz erkämpft. Ich liebe ihn und ich kann mir vorstellen, den Rest meines Lebens mit ihm zu verbringen. Er ist so liebevoll und gutherzig, du wirst ihn irgendwann kennenlernen und du wirst ihn sehr mögen, das weiß ich. Wir haben schon so viel zusammen durchgestanden und ich glaube das macht unsere Beziehung grade so stark. Ach Rick, ich wünschte du wärest wach, dann könnte ich dir Niall vorstellen. Er ist auch hier, ich weiß nur nicht genau wo."
"Ich bin hier, Prinzessin." Erschrocken fuhr ich herum, als ich Niall's liebevolle Stimme hörte. Er sah mich gerührt an und ich bildete mir ein, in seinen Augen Tränen zu sehen. "Ich habe alles gehört.", erklärte er und kam auf mich zu. "Oh.", hauchte ich und folgte seinen Augen, als er sich vor mich hockte und seine Hände auf meine Knie legte, die sofort heiß wurden und begannen zu zittern. Niall hatte einfach eine unglaubliche Auswirkung auf meinen Körper. "Ich liebe dich auch, so sehr, Becky. Und ich weiß, wir mussten viel Scheiße durchmachen, aber es wird besser werden, versprochen. Du weißt gar nicht, wie froh ich bin, dass du nach all den Problemen immer noch bei mir bist und mich nicht schon längst verlassen hast." "Das könnte ich nicht.", murmelte ich und versank in seinen Augen. Wie konnte jemand nur so wunderschöne Augen haben? Sanft berührten Niall's Lippen meine, doch bevor wir das vertiefen konnten, ging die Tür auf, dieses mal hörte ich es auch und der Arzt von eben betrat den Raum. "Hallo Ms.Silver, meine Name ist Julian Craig, ich bin Rick's behandelnder Arzt.", stellte er sich nun noch mal richtig vor und reichte mir die Hand. Niall setzte sich so lange auf den anderen Stuhl, der am Tisch stand. "Wurden sie über den Ablauf des Unfalles informiert?", erkundigte er sich und nahm die Krankenakte zur Hand. "Nein.", krächzte ich und räusperte mich danach. "Rick befand sich mit dem Auto auf dem Weg nach London, als er um eine Kurve fuhr, kolidierte er mit einem Auto, was aus der anderen Fahrtrichtung kam. Es hatte vor zu überholen, was in einer Kurve äußerst gefährlich ist, wie man sehen kann.", er schenkte dem schlafenden Rick ein Lächeln. "Er liegt seit vier Tagen im künstlichen Koma, seine Werte sind gut und sein Körper erholt sich außerordentlich schnell. Er müsste in mindestens einer Woche wieder aufwachen, es besteht keine Lebensgefahr.", schloss er seinen Vortrag und klemmte sich dann die Krankenakte unter den Arm. Erleichtert atmete ich aus. Es ging ihm gut, alles war in Ordnung und ich brauchte nicht um das Leben meines Bruders fürchten. "Dankeschön, Doktor." Ich lächelte ihn an. "Ich lasse sie dann mal alleine.", dann verabschiedete er sich mit einem Händedruck, warf noch einen prüfenden Blick auf Rick und verließ dann das Zimmer.
"Du hast mir einen riesen Schrecken eingejagt.", klagte ich den schlafenden Rick halb lächelnd, halb schluchzend an. Mir fiel Niall's liebevolles Lächeln auf, als ich so vertraut mit meinem Bruder sprach. Mit einem zaghaften Lächeln auf den Lippen drehte ich mich zu meinem Freund und wischte mir die letzten Tränen aus den Augen. "Wir sollten gehen, es ist schon spät.", meinte der Blonde und ich stimmte ihm etwas unzufrieden zu. Ich wollte bei Rick bleiben, doch ich verstand, dass es nicht mehr ging. "Können wir bald wieder vorbeikommen?", fragte ich Niall kindisch, der nach meiner Hand gegriffen hatte und nun die Zimmertür öffnete. "Wann immer du willst.", lächelte er und drückte kurz meine Hand. Einen letzten Blick warf ich noch auf meinen Bruder. Ich war froh, dass es ihm gut ging. Er war hier in guten Händen und ich konnte definitiv guten Gewissens gehen, aber ich würde wiederkommen und dies schon ganz bald.
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