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Becky
Als ich am Abend zurück nach Hause kam, ich liebte es, Niall's Villa so zu nennen, wartete mein Freund bereits auf mich. Er trug Jacke und Schuhe und sah so aus, als würde er gleich wieder aufbrechen. "Musst du noch irgendwo hin?", fragte ich, als ich die Küche betrat. Er drehte sich um, warf mir ein Lächeln zu. "Wir müssen noch wo hin.", meinte er und ich zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. "Wohin denn?" "Ins Saint Mary's Hospital.", antwortete er und ergriff meine Hand, bevor er mich in den Flur zog. "Wir werden jemanden besuchen." Seufzend schloss ich hinter uns die Haustür und setzte mich auf den Beifahrersitz des schwarzen Range Rovers. "Wen besuchen wir denn?", ich versuchte mehr Informationen aus Niall heraus zu bekommen, da ich nicht gerne unwissend war. "Geht das überhaupt noch um diese Uhrzeit?", ich war plötzlich ziemlich verwirrt, denn die Uhr zeigte mittlerweile 19:30 Uhr an. "Für uns beide machen sie eine Ausnahme.", trotzdem beantwortete er meine erste Frage nicht. Ich beschloss, dass ich ja einfach abwarten könnte, also lehnte ich mich grummelnd an die Rückenlehne und schloss die Augen. Ich hatte keine Ahnung, wie lange die Fahrt dauern würde, aber bei Londoner's Verkehr würde es sich sicher um eine Stunde, oder sogar noch länger handeln.
Ich erwachte aus meinem kleinen Schlummer, als der Motor ausgestellt wurde und ich das vertraute Vibrieren unter meinem Körper nicht mehr spürte. Ich löste den Sicherheitsgurt und drückte dann die Autotür auf. Für Mitte Mai in London war es recht warm und ich beschloss, morgen meine geliebte Jeansjacke zu tragen. Da fiel mir ein, dass ich Niall noch erzählen musste, dass ich ab morgen wieder arbeiten musste. "Ich muss ab morgen übrigens wieder arbeiten.", berichtete ich Niall, der mit seiner freien Hand die Tür des Krankenhauses öffnete. "Gut.", lautete seine knappe Antwort und ich nickte abwesend. Wen würden wir denn nun besuchen? "Mr.Horan.", wurde Niall von einem Arzt begrüßt. Die beiden schüttelten sich gegenseitig die Hände, danach begrüßte er mich. Mr.Silver liegt auf Zimmer 301." Ich wurde hellhörig, als ich meinen Nachnamen hörte. Warte, was? Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Mit großen Augen sah ich zu Niall, der grade sein Gespräch mit dem Arzt beendet hatte. "Niall.", hauchte ich, spürte bereits Tränen in den Augen. Ich hatte ihn seit drei Jahren nicht mehr gesehen! "Geh schon mal vor.", aufmunternd drückte er meine Hand, bevor er sie losließ und mir ein liebevolles Lächeln schenkte. Hektisch nickte ich und ging zügig los, drehte mich nach zwei Schritten aber schon wieder um und umfasste Niall's Gesicht sanft mit meinen Händen. Bestimmt zog ich ihn zu mir runter und drückte ihm einen dankbaren Kuss auf die Lippen. "Danke.", hauchte ich mit zitternder Stimme. Seine Hände umfassten meine Handgelenke, seine wunderschönen Augen funkelten mich an und seine Stirn ruhte auf meiner. "Für dich tu ich alles, Prinzessin." Rasch schloss ich die Augen, um zu verhindern, dass ich gleich in Tränen ausbrechen würde. "Und jetzt geh.", sagte er und ich drehte mich nickend um. "Geh.", sagte er, als ich immer noch auf der selben Stelle stand. Ich hatte Rick solange nicht gesehen. Sanft schubste Niall mich ein Stück und schlug mir liebevoll auf den Hintern, womit er die Situation deutlich auflockerte. Grinsend drehte ich noch kurz meinen Kopf, während ich zügig losging. Dann konzentrierte ich mich auf meinen Weg und fing erst an, durch die Gänge zu joggen, auf den letzten Metern legte ich sogar einen kleinen Sprint hin. Ich konnte es nicht erwarten.
Vor Zimmer 301 blieb ich schließlich schweratmend stehen. Mein Herz klopfte wie wild und ich befürchtete, dass es gleich aus meiner Brust springen würde. Ich war aufgeregt, wie Rick auf mich reagieren würde. Lag er überhaupt noch im Koma? Ich war glücklich, dass ich meinen Bruder wiedersehen konnte und ich hatte Angst. Angst vor dem, was sich mir offenbaren würde, wenn ich die Tür öffnete. Angst vor der Reaktion meines Bruders, falls er wach sein sollte. Und ich hatte Angst, dass meine Eltern herausfinden würden, dass ich ihn besucht hatte. Drei Jahre hatte ich sie in Ruhe gelassen, hatte mich schwerenherzens von meiner geliebten Familie getrennt. Einzig meine Tante blieb bei mir. Ich erinnerte mich noch, als meine Karriere startete sagte sie einmal zu mir: "Ergreife deine Chance, Kind. Ich habe es damals nicht getan und bereue es bis heute." Ich hatte meine Chance ergriffen. Ich hatte nun alles was ich mir wünschte. Naja fast alles, ich hatte keine Familie mehr. Ich wusste nicht mal, ob ich Niall nun als meine Familie bezeichnen konnte, aber ich befürchtete, dass es dafür zu früh war. Ich atmete einmal tief durch, mein Atem hatte sich endlich entspannt, ganz im Gegensatz zu meinem Körper, denn als ich meine zitternde Hand auf die kalte Türklinke legte, setzte mein Herz für einen Moment aus, nur um danach noch schneller zu schlagen. Ich blickte mich um, konnte Niall nicht entdecken. Vermutlich wollte er mir Zeit mit meinem Bruder lassen, alleine. Ich dankte ihm dafür, ich dankte ihm für alles, dann drückte ich die Türklinke herunter und betrat mit einem zögernden Schritt den Raum, indem sich mein Bruder befand. Ich hatte noch die Chance auf eine Familie, das wusste ich. Was ich nicht wusste war, wer wirklich meine Familie war.
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