Percevals Tagebuch

Patient Nummer F99-2378 verhielt sich im ersten Gespräch – wie auch schon aus den Akten herauszulesen war – verschlossen und unkooperativ. Eine Leugnung der eignen psychischen Krankheit ist in den ersten Sitzungen ein sehr häufig auftretendes Verhalten. Bei besagtem Patienten zog sich dieses Verhalten aber auch durch die folgenden Sitzungen und es war nicht möglich eine therapeutische Arzt-Patienten-Beziehung aufzubauen. Selbst konsequentere Methoden zeigten keine Wirkung, wie das Verabreichen auf den Patienten zugeschnittener Medikamente über einen längeren Zeitraum. Da alle Patienten eine individuelle Behandlung genießen, konnte nicht auf die Gruppentherapie zurückgegriffen werden. Die einzigen Kontaktpersonen des Patienten waren somit behandelnde Ärzte und assistierendes Personal. Da aus der Akte von F99-2378 gewaltbereites Verhalten entnommen werden konnte, war eine ständige Überwachung nötig. Selbstverletzung oder Angriffe auf die Mitarbeiter konnten nicht ausgeschlossen werden.

Die Ergebnisse der Fremdanamnese waren bedauerlicherweise nichtssagend und halfen nicht dabei das psychische Leiden zu diagnostizieren. Eine adäquate Therapie hing somit komplett vom wöchentlichen Gespräch ab, da auch Untersuchungs-Gespräch und körperliche Untersuchung keine Rückschlüsse ziehen ließen. Die tägliche Analyse des KI-Systems ergab stehts mental instabile Werte. Der Tag von F99-2378 war im Wachzustand von emotionalen Ausbrüchen beherrscht. Der Patient schlief nur wenige Stunden, die Nahrungszunahme verlief langsam und häufig wurde nur eine geringe Menge der drei Mahlzeiten verzehrt. Körperlich erfreute sich F99-2378 bester Gesundheit. Auch die Anomalien, die bei der Mehrheit aller Patienten im Gehirn gefunden wurden, blieben aus.

Der Patient verbrachte seine Freizeit damit Musik zu hören, im Zimmer umher zu gehen und Fernsehen zu schauen. Aus Sicherheitsgründen waren nur wenige Beschäftigungen gegeben, die allesamt über die Sprachkontrolle des KI-Systems geregelt wurden. Dennoch war die Athmosphäre angenehmer als in so manchem Gefängniss, was ich für psyisch kranke Schwerverbrecher für mehr als angemessen halte. Tatsächlich war F99-2378 nur einer von wenigen Patienten, der das Medienangebot tatsächlich häufiger benutzte. Interessant zu beobachten war auch, dass sich der Patient ab und zu mit der KI unterhielt. Es wäre aber auch möglich, dass er dies nur tat um "normaler" zu wirken.

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Verhalten im Gespräch:

Der Patient distanzierte sich von den begangenen Verbrechen und war nicht in der Lage länger als fünf Minuten über diese zu sprechen. Die Tatsachen wurden häufig als Unwahrheiten dargestellt oder in veränderter Art wiedergegeben. Die Version von F99-2378 erlaubte es dem Patienten das Vergangene besser zu verarbeiten. Verblendung und Pseudologie sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Maßnahmen des Patienten, um die einigen Taten nicht rechtfertigen zu müssen. Reue wurde lediglich geheuchelt, nachdem der Patient über einen längeren Zeitraum gelogen hatte.

Häufig schwieg F99-2378 und versuchte die Fragen auszusitzen. Emotionale Ausbrüche während den Sitzungen wirkten gespielt und könnten ein Anzeichen für eine tief liegende Psychopathie sein. Durch diese Handlungen versuchte der Patient womöglich sein Umfeld zu manipulieren. Verstärkt wurde diese Vermutung noch, als F99-2378 in der darauffolgenden Sitzung charmant und freundlich wirkte. Zwar verschlechterte sich diese Laune im Verlauf des Gesprächs, die notorischen Lügen nahmen aber nicht ab. Im Gegenteil. F99-2378 versicherte mir mehrere Male seine Unschuld. Eine Vertrauensbasis konnte daher nicht aufgebaut werden.

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Nach der Inbetrachtnahme einer Komorbidität litt der Patient unter mehreren Erkrankungen, was die Diagnose weiter erschwerte. Durch Auslastung des Fachpersonals musste F99-2378 daher einen Zeitraum von einer Woche lediglich in Betreuung des KI-Systems verbringen. Zuerst verschlechterte sich der körperliche und mentale Zustand von F99-2378, wurde dann aber stetig besser. Der Auslöser dafür ist laut dem Patienten, wie in einem späteren Gespräch erwähnt, „Akzeptanz". Akzeptanz welcher Tatsache ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar.

Seit der Einweisung des Patiens am 20. Oktober, sind nun schon fast vier Wochen vergangen, doch dem Wandel sei Dank gelang im letzten Gespräch der erste Durchbruch. Das Protokoll der KI-Systems zu dieser Sitzung ist zu Ungunsten der Forschung leider wegen technischer Schwierigkeiten nicht mehr vorhanden. Eine Zusammenfassung dieses fertigte ich aber zum Glück noch während der Sitzung an.

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