Gangsterehre
Das vorweltkriegliche Radio dudelte einen mindestens genauso alten Song. Eine mürrische Frau, die dem Klischee einer schlecht gelaunten Barbesitzerin nicht nur entsprach, sondern es vermutlich begründet hatte, putze die Ablage, welche klinisch rein war. In einer besonders verrauchten Ecke saßen zwei Typen, welche die lateinamerikanische Version der Protagonisten aus Pulp Fiction darstellten.
Die beiden Gestalten glichen bis auf ein Haar ihrem Gegenüber und dennoch ging von jedem von ihnen eine unterschiedliche Aura der Gefahr aus.
Der eine rauchte eine dicke kubanische Zigarre und trug einen Hut, auf den Al Capone neidisch gewesen wäre. Der Schatten der Kopfbedeckung ließ sein Gesicht noch gefährlicher wirken, als es dank der hohen Wangenknochen und der dicken Augenbrauen schon wirkte. Doch das was bei seinem Anblick tatsächlich den Angsttropfen in der Hose auslöste, war sein wahnsinniger Blick, den er durch den Raum schweifen ließ, als ob er sich gerade ein Opfer aussuchen würde. Er schien nicht mal zu zwinkern.
Sein Ebenbild ließ seine kurzen schwarzen Haare frei an die krebserregende Luft. Sein Gesicht wurde als Ersatz für den Schatten mit einer Sonnenbrille verziert, die ihm eine höchst zwielichtige Ausstrahlung verlieh. Das Prachtstück glänzte im Licht der alten Glühbirne mit geschätzter Energieklasse F. Der Rahmen wie auch die Gläser erstrahlten in einem hochpolierten Silberton. Der ganze Mann an sich strahlte und zwar wortwörtlich, doch es war kein angenehmes Lächeln sondern eines, wodurch sich einem die Nackenhaare aufstellten.
"Wann?", fragte der Hutträger ungeduldig und nahm dafür nicht die Zigarre aus seinem Mund.
Das Lächeln des anderen verschwand und er fuhr mit einer Hand in die Innentasche seines Jackets. Er kramte für einen Augenblick und legte dann ein vergilbtes Blatt Papier auf den Tisch, auf dem ein Gebäudeplan aufgedruckt war. Dann zog er seinen einwandfreien schwarzen Ärmel zurück und blickte auf die darunter liegende silberne Casio. Vermutlich tat er das zumindest, denn man konnte seine Augen nicht erkennen.
"In einem Tag und zwei Stunden", erwiderte der Brillenträger ruhig aber bestimmt.
Der andere rümpfte übertrieben seine Nase.
„Na dann, worauf warten wir?", sagte die raue Stimme des Hutträgers.
„Sag du es mir", entgegnete der andere.
Als Erwiderung stand sein Ebenbild auf, drehte sich zur Barfrau und schrie „Habt ihr hier Pulque?".
Die ältere Dame schrie in einem heiseren texanischen Ton zurück, „Sehe ich aus wie der verdammte mexikanische Akzteken-Verein? Wenn ihr kein richtigen Alkohol wollt, könnt ihr euch auch bei Taco Bell gegenüber reinsetzten".
Während der Brillenträger ein heiteres Lachen von sich gab, korrigierte der Raucher die falsche Aussprache des Worte „Azteken", was die offensichtlich ausländerfeindliche Barbesitzerin zur Weißglut brachte. Kurz bevor die Situation eskalierte, stand der Vernünftige ebenfalls auf und legte dem anderen eine Hand auf die Schulter.
„Gnädigste Frau, wir geben uns auch mit einem Tequila zufrieden."
Ebenjene Frau nickte mürrisch und machte sich hinter dem Tresen zu schaffen.
„Bruder", flüsterte der nun nicht mehr grinsende Brillenträger und drehte diesen zu sich. „Übertreib es nicht. Wir werden heute noch einmal einen schönen Abend in einer abgeranzten Bar haben und ab Morgen sind wir die bestaussehendsten Bankräuber von den ganzen verfickten vereinigten Staaten."
Sein Zwilling verzog erst das Gesicht und nickte dann.
„Ja. Ja verdammt. Lass uns darauf trinken!", kam es tief aus seiner Kehle und er blickt zu der fremden hassenden Alten, die ihnen gerade ihre Flaschen und Gläser auf einem besudelten Tablett brachte. Sie stellte alles ab, wobei sie das Glas des Rauchers ganz besonders auf den Tisch donnerte und ging dann wieder mit dem leeren Tablett. Die beiden Brüder griffen sich ihre Flaschen und hoben sie an.
„Auf uns", sprach der Brillenträger grinsend und sein Bruder erwiderte dasselbe.
Klirrend stießen die Flaschen zusammen und besiegelten somit ihren Plan, die größte Bank ihrer Zeit auszurauben.
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