Kapitel 52
Schon seit heute Morgen hatte ich Unterleibsschmerzen, die über den kurzen Schultag hinweg nicht besser geworden waren. Zwar hatte ich meine Periode zwar schon seit drei Tagen und heute nur noch kaum, aber irgendwie verkrampfte sich in mir alles.
"Bin da!", stöhnte ich schmerzerfüllt und war froh, dass ich endlich in unserer Wohnung angekommen war.
Ich schlüpfte aus meinen Schuhen, ließ den Rucksack auf den Boden fallen und ging auf direktem Weg ins Schlafzimmer, wo ich mich aufs Bett legte und zusammenrollte.
"Elea, ist alles okay?", fragte Tine, die plötzlich im Türrahmen stand.
Sie schien im Wohnzimmer gesessen zu haben, da ich sie nicht gesehen hatte, als ich eigentlich an ihr vorbeigekommen war, während ich in dieses Zimmer gegangen war.
"Irgendwie habe ich Unterleibsschmerzen", murmelte ich und sah sie wehleidig an.
"Du auch?"
Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet und ich sah sie verwirrt an. Wir wussten zwar, dass sich unsere Monatsblutungen angegleicht hatten, aber trotzdem wunderte es mich, dass wir beide am selben Tag Schmerzen hatten.
"Kannst du dich zu mir legen?", bat ich sie stattdessen und sie kam meinem Wunsch sofort nach.
Ihr Körper schmiegte sich von hinten an mich. Einer ihrer Arme diente als Ablage für meinen Kopf und der andere umschlang meine Taille und legte sich vorsichtig auf meinen Bauch. Ich genoss unsere Zweisamkeit und ihren beruhigenden Atem, der meinen Nacken streifte.
"Wie war die Schule?", fragte ich und verschränkte beiläufig meine Finger mit ihren, die auf meinem Bauch lagen.
"Ganz okay. Die Schüler werden aber immer unruhiger und haben alle keine Lust mehr auf irgendwas, sondern wollen einfach nur nach Hause", erzählte sie und ich lächelte.
Das erinnerte mich sofort an mich selbst und meine ehemalige Klasse, die es in den letzten zwei Schulwochen immer geschafft hatte, die Lehrer zu einem Film oder Freiarbeit zu überreden.
"Ist das nicht vor jeden Ferien so?", fragte ich belustigt.
"Doch schon, aber vor den Winter- und Sommerferien ist es am schlimmsten."
Da hatte sie auf jeden Fall recht.
"Du hast auch nur noch diese und nächste Woche, oder?", wollte ich wissen.
"Ja, genau wie bei dir", hauchte sie und küsste meinen Nacken sanft.
Dann schwiegen wir wieder und ich spürte, dass Tine sich noch ein bisschen mehr an mich drückte. Ihr Körper wärmte meinen Rücken und ich genoss die Nähe zu ihr in vollen Zügen, auch wenn mein Unterleib immer noch wehtat.
"Du bist verspannt. Soll ich dir eine Wärmflasche machen?", stellte sie fürsorglich fest und stützte sich auf.
"Das wäre toll", murmelte ich und drehte mich zu ihr um.
Wir sahen uns für einen Moment in die Augen und sie lächelte mich liebevoll an. Dieser Moment war so perfekt, dass ich wollte, dass er niemals endete. Vor mehr als drei Jahren hätte ich mir nie vorstellen können, dass das mal mein Leben, meine Zukunft sein würde. Meine Zukunft mit Tine.
Dann küsste sie mich sanft und riss mich damit aus meinen Gedanken. Doch der Moment hielt nicht lange, denn sie löste sich von mir, um in die Küche zu gehen.
Ich vermisste sofort ihre Wärme und ich rollte mich noch mehr zusammen, während ich versuchte, einen guten Blick in die Küche zu bekommen. Ich sah jedoch nur bis zum Fenster und ließ meinen Kopf dann wieder enttäuscht auf die Matratze sinken. Währenddessen hörte ich, wie sie irgendwelche Sachen machte, die ich aber nicht zuordnen konnte.
"Da bin ich wieder", kündigte sie sich an, bevor sie kurz danach wieder im Schlafzimmer stand.
Sie hielt eine Tafel Schokolade und eine Wärmflasche in den Händen, eine zweite hatte sie sich unter den Arm geklemmt.
"Danke", lächelte ich ehrlich und nahm mir sofort das warme Gummi, das ich mir an den Bauch drückte.
"Kein Problem, ich habe mir auch gleich eine gemacht und sogar noch die restliche Schokolade gefunden, die von meinem Geburtstag übrig geblieben ist", grinste sie und reichte mir die Tafel.
Ich wickelte sie sofort aus dem Papier und der Aluminiumfolie und brach mir und Tine jeweils ein Stück ab. Ich reichte es ihr und sie nahm es dankend an, bevor sie sich hinter mich legte und die Wärmflasche zwischen uns einklemmte. Mein Rücken wurde sofort gewärmt und zusammen mit der Wärme an meinem Unterleib wurden meine Schmerzen erträglicher, aber auch schwächer.
"Danke", murmelte ich noch einmal ein bisschen erleichterter.
"Für dich immer gerne." Ich hörte das leichte Lächeln aus ihrer melodischen Stimme heraus.
Dann schloss ich meine Augen und genoss den ruhigen Atem an meinem Nacken. Die Wärme an meinem Bauch und unterem Rücken machte das Bett noch gemütlicher. Bevor ich irgendetwas dagegen tun konnte, war ich auch schon eingeschlafen.
"Elea?"
Tines sanfte Stimme holte mich aus meinem traumlosen Schlaf. Verwirrt blinzelte ich und sah die helle Kommode vor mir. Wir anscheinend lagen immer noch in derselben Position.
"Hm?", brummte ich fragend.
"Du bist wach." Sie schien sich zu freuen, dass ich nicht mehr schlief.
Ich löste mich von ihr und legte mich auf den Rücken, um mich ein bisschen zu bewegen und wach zu werden. Mein Zeitgefühl war komplett durcheinander und ich konnte nur am Licht erahnen, dass es schon später Nachmittag war.
"Ja. Weißt du, wie viel Uhr es ist?"
Sie drehte sich von mir weg und sah anscheinend auf den Wecker, denn kurz danach hatte sie eine Antwort parat.
"16:07 Uhr."
"So spät ist es gar nicht", meinte ich und drehte mich zu ihr.
Die Wärmflaschen waren inzwischen auf Zimmertemperatur abgekühlt und lagen verteilt auf dem Bett.
"Wir haben trotzdem fast vier Stunden geschlafen. Zumindest du. Ich bin schon vor einer halben Stunde aufgewacht."
"Dann sollten wir langsam mal aufstehen, sonst können wir heute Nacht nicht schlafen", schlug ich vor und setzte mich demonstrativ auf.
"Klingt nach einer guten Idee", lächelte sie und rutschte neben mich.
Kaum war sie bei mir, schon spürte ich ihre weichen Lippen auf meinem Hals. Mein Herz setzte einen Schlag aus und begann dann zu rasen. Die Stelle, die sie geküsst hatte, prickelte und ich bekam eine leichte Gänsehaut. Ich drehte meinen Kopf zu ihr, sah ihr für einen Moment in die Augen und legte dann meine Lippen auf ihre.
"Wollen wir vielleicht etwas essen? Ich habe schon Hunger", fragte sie mich, als wir unseren Kuss für einen Moment unterbrachen.
"Jetzt wo du es sagst", mein Magen knurrte wie auf Befehl, "denke ich, dass ich auch etwas vertragen könnte."
Sie lachte kurz, bevor wir gemeinsam aufstanden und in die Küche gingen. Die Wärmflaschen nahmen wir mit, gossen das Wasser in die kleine Gießkanne, die wir für die wenigen Topfpflanzen hatten, und durchforsteten dann die Schränke.
"Auf was hast du eigentlich Lust?", fragte Tine beiläufig, als sie in den Kühlschrank sah.
"Irgendwas Süßes", murmelte ich, als ich gerade eine Packung Linsen betrachtete, die mir zuvor noch nie aufgefallen war.
Sie schien für einen Moment zu überlegen und schob ein paar Sachen hin und her, als würde sie etwas suchen.
"Wie wäre es mit Pfannkuchen? Dafür hätten wir alles da und es geht schnell", schlug sie vor und sah mich abwartend an.
"Klingt perfekt, aber du musst sie machen. Mir verbrennen die immer und ich bekomme sie nicht gewendet", stimmte ich ihrem Vorschlag begeistert zu.
"Du bekommst es immer wieder hin, mir die ganze Arbeit zu überlassen", lachte sie und ich sah sie beleidigt an.
Es war nicht so, als könnte ich gar nichts kochen, aber ich tat es nicht gerne, weil immer irgendwas schiefging und ich die Hälfte wegschmeißen durfte. Deshalb überließ ich es lieber Tine. Sie hatte Spaß daran und konnte es zusätzlich auch noch sehr gut.
"Ich helfe dir gerne beim Teig", bot ich ihr an, damit sie nicht alles ganz alleine machen musste.
Eier zu öffnen, würde ich schon hinbekommen.
"Wie nett von dir", lachte sie.
Ich schnaubte bloß gespielt genervt und holte schon mal eine Schüssel, in der wir die Zutaten zusammenmischen konnten. Tine zog währenddessen ihr selbst gemachtes Kochbuch aus einem kleinen Regal, in dem verschiedene kleine Kochbücher standen. Dann blätterte sie darin und schien anscheinend das passende Rezept zu finden, denn sie legte es auf der Arbeitsfläche ab.
"Was brauchen wir?", fragte ich und warf einen forschenden Blick auf ihr kleines Buch, das karierte Seiten hatte, in die sie mit säuberlicher Schrift die Rezepte eingetragen hatte.
"Zuerst zwei Eier." Sie deutete auf die erste Zeile unter der Überschrift.
Ich ging sofort zum Kühlschrank und holte sie, während Tine irgendwas anderes zusammen mit einer Waage aus den Schränken holte.
"Fühlst du dich in der Lage, sie zu öffnen?", wollte sie belustigt wissen und ich stieß sie spielerisch von der Schüssel weg.
"Ja klar", behauptete ich selbstsicher.
Dann versuchte ich möglichst einfach die Eier am Rand aufzuschlagen und in die Schale zu befördern. Kaum dachte ich, dass ich das zweite Ei genauso problemlos wie das erste öffnen konnte, schon wurden meine Hoffnungen zerstört. Ein paar Schalestückchen landeten im Eigelb und ich seufzte frustriert.
"Ich denke, du wiegst beim nächsten Mal nur das Mehl ab", sie machte eine kurze Pause, um so zu tun, als würde sie überlegen, "wobei."
Dann lachte sie.
"Sei nicht so gemein", schmollte ich und fischte währenddessen die Schalen aus dem Ei.
Als ich endlich fertig war, waren meine Hände von durchsichtigem Schleim überzogen, den ich sofort im Spülbecken abwusch.
"Hey, das war nicht ernst gemeint", entschuldigte sie sich und ich wandte mich zu ihr um.
Ich legte meine Lippen kurz auf ihre, um ihr zu zeigen, dass ich ihr verzieh. Als wir uns lösten, musste ich grinsen und sie verzog ihre Lippen ebenfalls zu einem breiten Lächeln.
"Das weiß ich doch."
Es herrschte eine kurze Stille, in der wir uns einfach nur ansahen. Ich betrachtete ihre perfekten Gesichtskonturen, die markanten Wangen- und Kieferknochen, ihre leicht spitz zulaufende Nase und ihre ordentlichen Augenbrauen. Ihre Augen hatten diesen Glanz, den ich damals schon in Berlin bemerkt hatte. Nur wusste ich jetzt, was er bedeutete. Liebe.
"Soll ich den Rest machen und du setzt dich?", schlug sie mir vor und ich nickte, während ich ein Grinsen unterdrückte.
Ich setzte mich auf meinen Platz, drehte mich dann um, um mich rittlings auf dem Stuhl zu platzieren, damit ich meinen Kopf auf den Händen, die auf der Stuhllehne ruhten, abstützen und ihr zusehen konnte. Man konnte erkennen, dass es ihr Spaß machte. Ihre lockeren, tänzelnden Bewegungen verrieten sie.
Nach ein paar Minuten waren schon die ersten fertig, doch ich wartete, bis der ganze Teig aufgebraucht war und sie einen Stapel aus den Pfannkuchen gemacht hatte. Sie brachte ihn zusammen mit zwei Tellern, einem Löffel und einem Glas Erdbeermarmelade an den Tisch. Ich setzte mich sofort wieder richtig hin und nahm mir einen Pfannkuchen, noch bevor der Teller mit ihnen den Tisch berührte.
"Warte doch", lachte Tine und verteilte dann das Geschirr.
"Ich hab Hunger", verteidigte ich mich und legte meine Beute vor mir ab, um ein bisschen Marmelade darauf zu verteilen.
"Ich doch auch, trotzdem klaue ich mir keine Pfannkuchen", warf sie mir vor, setzte sich dann kopfschüttelnd mir gegenüber hin und verdrehte spielerisch die Augen, was mich zum Lachen brachte.
Dann aßen wir für eine Weile im Stillen, nur ich komplimentierte hin und wieder ihre Kochkünste. Ich war froh, dass sie den restlichen Teig zubereitet und in der Pfanne angebraten hatte. Bei mir wäre es sicher eine Katastrophe geworden.
"Was ich dich noch fragen wollte", begann Tine und legte den Löffel ab, was ein Klappern verursachte.
Sie wirkte aufgeregt und ein wenig schüchtern.
"Ja?" Ich legte meinen Pfannkuchen ab und war bereit zu hören, worum es ging.
"Also ... ich wollte dich fragen, ob du mit mir am Freitag zum Abschlussball gehst?"
Deshalb war sie so aufgeregt.
"Ja!", platzte es aus mir heraus, bevor ich überhaupt länger darüber nachdenken hätte können.
"Wirklich?"
"Ja, ich würde gerne mit dir zusammen da hingehen", lächelte ich überglücklich und legte meine Hand auf ihre, um mit dem Daumen über ihren Handrücken zu streicheln.
"Ich hatte Angst, dass du nicht wollen würdest, weil unser letztes Mal dort nicht so perfekt war, wie du es verdient hättest", erklärte sie ihre Sorge.
"Es war perfekt, weil du dabei warst und mit mir getanzt hast. Mehr wollte ich gar nicht", gestand ich ihr und sie lächelte.
Ihre Augen leuchteten bei meinen Worten und sie verschränkte unsere Finger miteinander.
Ich freute mich schon auf Freitag.
A/N: Ich muss euch leider mitteilen, falls ihr es noch nicht erahnt habt, dass das nächste Kapitel das letzte sein wird. Mir fällt es nicht wirklich leicht, dieses Buch nach all dieser Zeit zu beenden, aber es hat ein interessantes Ende, auf das ihr euch auf jeden Fall freuen könnt!
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