Kapitel 4

Ein nervtötender Piepton weckte mich auf und ich stöhnte genervt in das weiche Kissen, auf dem mein Kopf gebettet war. Neben mir ertönte ebenfalls ein lautes Ausatmen und kurz darauf ein Schlag, woraufhin das Piepsen verstummte.

Gerade eben wollte ich mich wieder in die Decke kuscheln und weiterschlafen, da fiel mir ein, dass ich weder eine Mitbewohnerin noch einen Wecker hatte. Verwirrt drehte ich mich um und erblickte eine Frau, die auf der Bettkante saß und sich streckte.

"Elea?", fragte sie und mir fiel innerhalb von Sekunden ein, was gestern Abend passiert war.

"Tine?" Sie hatte sich inzwischen zu mir gedreht und meine Augen blieben sofort an ihren Brüsten hängen. Da bemerkte ich, dass ich ebenfalls nackt war.

"Willst du Kaffee?"

Perplex von ihrer Frage schnellten meine Augen zu ihren und ich überlegte einen Moment. Wollte ich Kaffee?

"Ähm, ja ich denke schon. Aber mit viel Milch und Zucker", bat ich sie, woraufhin sie nickte und aus dem Zimmer verschwand, aber nicht ohne sich ein Shirt, eine Unterhose und einer kurzen Hose aus dem Schrank zu nehmen.

Der Anblick, der sich mir dabei bot, raubte mir für einen Moment den Atem und ich warf einen Blick auf die Anzeige auf dem Wecker. Es war sechs Uhr morgens und ich hatte die erste Stunde um acht Uhr. Von hier aus brauchte ich wahrscheinlich gerade einmal zehn Minuten zu Fuß in die Schule. Doch jetzt war ich wach und musste wohl oder übel aufstehen.

Ich sammelte gerade meine Kleidung vom Boden auf, da stand Tine schon gekleidet in eine kurze, graue Stoffhose und einem weißen Shirt im Türrahmen und sah mich mit einem müden Lächeln an.

"Du kannst gerne etwas von mir nehmen, die Sachen sollten dir passen." Kaum hatte sie das gesagt, schon verschwand sie wieder in der Küche und hantierte an der Kaffeemaschine herum, die kurz darauf ein Brummen von sich gab.

Ich tat wie gesagt und öffnete den Kleiderschrank. Eine endlose Auswahl an Kleidungsstücken erstreckte sich mit und ich wusste nicht, was ich anziehen sollte. Die meisten Sachen waren entweder grau, beige oder weiß, was vielleicht ein wenig zu hell für meinen Stil war, doch am linken Ende fand ich einen schwarzen Cardigan, den ich zu einem grauen Shirt kombinierte. Danach öffnete ich wieder die Schublade, in der ihre Unterwäsche einsortiert war, und suchte mit meinen Fingerspitzen zwischen ihren Unterhosen und BHs, bis ich etwas Schlichtes gefunden hatte. Es war erstaunlich, dass wir dieselben Größen hatten.

In der Küche klapperte Tine währenddessen mit ein wenig Geschirr und Besteck. Ich zog mich schnell an und ging dann durch die Tür, hinter der Tine innerhalb von Minuten den Tisch gedeckt hatte. Ich entdeckte ein paar Scheiben Vollkornbrot in einem kleinen Korb, Marmelade, ein wenig Butter und natürlich unsere Tassen und Teller.

Tine wandte sich zu mir um und schenkte mir ein Lächeln, das ich zögerlich erwiderte. Ich hätte mir niemals vorstellen können, jemals gemeinsam mit ihr zu frühstücken, und nun stand ich an einem Montagmorgen in ihrer Küche.

"Wann musst du los?", fragte sie mich nebenbei, als wir gemeinsam am Tisch saßen und schweigend unseren Kaffee tranken.

"Ich habe um acht Uhr meine erste Stunde und versuche immer so gegen zehn vor dort zu sein, damit ich mich noch ein bisschen mit den anderen unterhalten kann. Also sollte ich so um kurz nach halb acht zu gehen", antwortete ich ihr und hoffte, dass ich den Weg von hier aus finden würde.

"Okay, ich werde um kurz nach sieben von hier wegfahren, damit ich in der Schule noch ein wenig den Unterricht vorbereiten kann. Ich hoffe, es ist in Ordnung für dich, wenn du dann schon gehst?" Ich merkte, dass es ihr ein wenig unangenehm war, mich früher wegzuschicken, aber ich konnte verstehen, dass sie nicht wollte, dass ich alleine in ihrer Wohnung war.

"Ist gut, die Schule hat ja schon früher offen", meinte ich und nahm einen großen Schluck Kaffee, der mich ein wenig wach machte.

Zwischen uns herrschte eine Weile betretenes Schweigen, bevor sie das Wort ergriff. "Was machst du derzeit eigentlich?"

"Ich mache meine Ausbildung zur Erzieherin", erzählte ich ihr und bemerkte, dass sie kaum etwas über mich wusste, ich hatte ihr damals bloß erzählt, dass ich etwas Kreatives machen wollte.

"Hört sich gut an", war das Einzige, was sie dazu sagte, bevor sie sich ihrem Marmeladenbrot zuwandte.

Wir hatten uns mehrere Jahre nicht gesehen und wussten trotzdem nicht, über was wir reden sollten. Ich war ein wenig nervös und wackelte mit meinem Knie auf und ab, bevor die Frau mir gegenüber mir einen musternden Blick zuwarf und mich damit aufforderte, mein Bedenken auszusprechen.

"Wie wird das mit uns jetzt weitergehen?", fragte ich sie beinahe flüsternd und starrte den Löffel an, mit dem ich meinen Kaffee umrührte, obwohl das nicht nötig war.

Schon wieder herrschte eine lange Stille, in der sie zu überlegen schien, was sie sagen sollte. Meine Gedanken begannen währenddessen zu rasen und ich stellte mir die unterschiedlichsten Antworten vor, die sie mir geben konnte. Ich wollte am liebsten für immer bei ihr bleiben, aber was war, wenn sie das nicht wollte, auch wenn es gestern anders gewirkt hatte.

"Elea", ein Seufzen kam über ihre Lippen und sie stand auf, um zu mir zu gehen und sich vor mich zu stellen, "ich weiß nicht genau, was in Zukunft alles passieren wird, aber ich will, dass wir es gemeinsam erleben. Ich will meine Fehler von damals wieder gut machen und dich nie wieder gehen lassen, so wie ich es nach deiner Abschlussfeier getan habe. Also mach dir keine Sorgen, wir bekommen das schon hin."

Ein Lächeln zierte ihr Gesicht. Ich stand mit nach oben gezogenen Mundwinkeln und Tränen in den Augen auf und legte meine Lippen auf ihre. Der Kuss schmeckte nach Kaffee und ich schloss meine Augen, als sie ihn erwiderte. Sie hatte recht, ich musste mir keine Sorgen machen, denn wir bekamen das schon hin, weil Liebe immer einen Weg fand.

Irgendwann lösten wir uns voneinander und sahen uns in die Augen. Ob sie mein Stahlblau genauso schön fand wie ich ihr Kastanienbraun?

"Ich liebe dich", flüsterte ich und genoss diesen intimen Moment.

"Ich dich auch", erwiderte sie lächelnd und löste sich dann von mir.

Ich wünschte mir sehnlichst, dass dieser Moment niemals enden würde, doch irgendwann warf Tine einen Blick auf die Uhr und meinte schweren Herzens, das sie sich noch schnell umziehen und den Tisch abräumen musste, bevor sie in die Arbeit musste.

"Wenn du willst, räume ich für dich ab", schlug ich ihr vor und sie nickte dankend, bevor sie im Schlafzimmer verschwand.

Mein Blick wanderte kurz durch die Küche und ich fand neben dem Waschbecken eine Spülmaschine, die sich unter der Arbeitsplatte befand. Das Geschirr und Besteck sammelte ich als Erstes ein und während des Einräumens kam mir der Gedanke daran, ob Tine wohl noch in meiner alten Schule arbeitete.

"Tine, arbeitest du eigentlich noch auf derselben Schule wie vor zwei Jahren?"

"Ja, warum fragst du?", kam es aus dem Schlafzimmer.

"Wollte ich einfach so wissen", meinte ich und schloss die Spülmaschine wieder. Eigentlich war es nicht einfach nur so, ich wollte wissen, wie es den Lehrern aus meiner Schulzeit ging und ob sie alle noch an der Schule unterrichteten.

Von ihr kam nichts mehr, bis sie angezogen zurück in die Küche ging, wo ich gerade das Brot in den dafür gedachten Brotkasten räumte. Ich drehte mich um und bewunderte für einen Moment ihr Outfit, das aus einem schlichten dunkelgrauen Pullover, unter dem sie ein Hemd trug, dessen Kragen man sehen konnte, und einer hellen Jeans bestand. Obwohl es wirklich simpel war, fand ich sie darin um Längen schöner, als wenn ich ein Kleid trug.

Sie kam zu mir und presste mich gegen die Küchenzeile, gegen die ich gelehnt stand, und platzierte ihre Hände links und rechts neben meiner Hüfte. Ihr warmer Atem traf auf meine Haut und ihre Haare kitzelten leicht meine Wangen und meinen Hals. Ich konnte meinen Blick nicht vollständig von ihren Lippen abwenden, weshalb er ständig zwischen ihnen und ihren Augen wechselte. Sie schenkte mir ein leichtes Lächeln, bevor sie mich keine Sekunde später endlich küsste. Ich hätte es keinen Moment länger ausgehalten und vergrub meine Hände in ihren Haaren, um sie noch näher zu ziehen.

"Elea, ich würde ja noch gerne länger bei dir bleiben, aber ich muss langsam zur Arbeit", sagte sie, als unsere Lippen sich voneinander lösten.

"Okay", lächelte ich und realisierte, dass auch ich jetzt gehen musste.

Sie löste sich von mir und wir gingen in den Flur, wo wir unsere Jacken und Schuhe anzogen, bevor Tine ihren Schlüssel vom Schlüsselbrett nahm. Ich verließ vor ihr die Wohnung und wartete auf sie, bis sie zugesperrt hatte. Sie hatte sich einen schwarzen Rucksack über die rechte Schulter gehängt, den sie vor zwei Jahren auch schon gehabt hatte. Erneut bemerkte ich, wie wenig sie sich in der ganzen Zeit verändert hatte.

Gemeinsam gingen wir nach unten in den Hausflur und sie sperrte die Tür auf, damit wir nach draußen kamen, wo wir von der kalten Morgenluft begrüßt wurden, die mich kurz frösteln ließ. Ich hatte zum Glück eine dicke Winterjacke und Tine schien sich in ihrer Steppjacke wohlzufühlen.

"Wann sehen wir uns wieder?", sprach ich das aus, wovor ich Angst hatte, obwohl sie mir vorher versichert hatte, dass wir uns nicht mehr verlieren würden.

"Willst du vielleicht heute Abend vorbeikommen? Ich könnte etwas für uns kochen", schlug sie vor und ich musste schlagartig lächeln.

"Gerne." Ich versuchte, nicht allzu sehr zu grinsen, auch wenn mein Herz gerade vor Funken sprühte.

"Hast du irgendeinen Wunsch, was du essen möchtest?", fragte sie und schien sich sichtlich darüber zu freuen, dass ich ihr zugesagt hatte.

"Ich esse vegetarisch, ansonsten lasse ich mich gerne von dir überraschen", meinte ich und konnte es gar nicht erwarten, sie wiederzusehen.

"Okay, ich würde sagen, dass du um sechs Uhr vorbeikommen kannst", ich nickte bloß aufgeregt und sah sie erwartungsvoll an, bevor sie mich an sich zog und ehe sich unsere Lippen miteinander vereinten, hauchte sie noch, "dann haben wir jetzt ein Date."

Ich realisierte erst, nachdem wir uns nach einigen Minuten voneinander gelöst hatten, dass wir noch nie ein Date miteinander gehabt hatten, und ich war aufgeregter denn je darüber sie wiederzusehen.

Nach einem letzten Abschiedskuss liefen wir in verschiedene Richtungen. Und ich merkte mir den Straßennamen und Hausnummer, damit ich heute Abend wusste, wo ich hinmusste.

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