Kapitel 32
Die restlichen Tage waren schnell vergangen und am Samstag bereiteten Tine und ich uns zum Ausgehen vor. Mein Kleid war schwarz, eng anliegend und hatte einen silbernen sowie weißen Seitenstreifen. Es war dasselbe Kleid, das ich auch auf dem ersten gemeinsamen Bild mit mir und Tine getragen hatte. Die Ärmel gingen mir bis zur Hälfte der Unterarme und ich wusste jetzt schon, dass ich darin schwitzen würde. Dafür ging es mir nur bis zur Mitte der Oberschenkel, aber immerhin der Ausschnitt war weit oben. Tine hatte sich gegen ein Kleid entschieden und trug lieber eine weiße Bluse zu einer Dreivierteljeans. Dazu hatte sie silberne Anzugschuhe angezogen, die definitiv auffälliger als mein kurzes Kleid und ebenfalls auf besagtem Bild zu finden waren. Ich hatte sie aber nicht dazu überreden können, sie auszuziehen.
"Wie lange brauchst du noch?", fragte meine Freundin, deren Kopf gerade im Türrahmen aufgetaucht war.
"Bin gleich fertig", murmelte ich konzentriert, als ich meinen zweiten Eyeliner zog.
"Du weißt, dass du auch ohne Schminke sehr schön bist?"
"Ja", meinte ich gespielt genervt.
Diese Konversation hatten wir schon so oft gehabt, aber ich schminkte mich nun mal gerne. Vor allem, wenn ich feiern ging. Heute hatte ich mich sogar zurückgehalten und nur meine Augeninnenwinkel mit Silber betont. Den Rest hatte ich bei den Grundlagen belassen und lediglich der Eyeliner war aufwendig gewesen.
"So, wir können los", gab ich motiviert Bescheid und sah zu Tine, die sich vom Türrahmen abstieß.
"Dann komm, wir sind schon fast ein bisschen zu spät", meinte sie bloß und ich folgte ihr schnell in den Flur.
Dort hängte ich mir schnell meine schwarze Tasche um, in die ich nur mein Handy und Tines Geldbeutel gesteckt hatte. Sie hatte nämlich keine Hand- oder Umhängetasche, nur eine Clutch, Sporttaschen und diverse Rucksäcke. Zu meinem Outfit hatte ich mir schwarze Stöckelschuhe angezogen, weshalb ich ein Stück größer als sie war.
Kurz darauf stöckelte ich über das Kopfsteinpflaster, was schon eine Herausforderung für sich war, denn es war schwer, dabei nicht umzuknicken oder zu stolpern. Ich hatte mich bei ihr eingehakt und sie gab mir damit ein bisschen Halt. Es war zwar schon kurz vor 21 Uhr, aber draußen war es noch hell und angenehm warm. Das und der Fakt, dass wir nur knapp zehn Minuten zum Klub brauchten, war der Grund dafür, dass ich mir keine Jacke mitgenommen hatte. Tine trug ihren dunkelblauen Blazer über der weißen Bluse aber ich war mir sicher, dass sie ihn später zusammen mit meiner Umhängetasche bei der Garderobe abgeben würde.
Als wir schließlich in die Seitengasse einbogen, in der der 'Club Roxy' lag, konnte ich aus der Ferne schon das pinkfarbene Neonschild sehen. Ich musste lächeln und erinnerte mich an den Abend meines 19. Geburtstags, den ich dort verbracht hatte. Es war wirklich schön gewesen und ich freute mich auf den Abend, weil ich seitdem nicht mehr dort feiern gewesen war.
"Sind es die drei da vorne?", fragte Tine und deutete auf ein Grüppchen, das sich vor dem Eingang versammelt hatte.
Plötzlich winkte uns eine der Frauen zu und ich konnte an den wilden Haaren erkennen, dass es Tiffany war. Die hochgewachsene Frau daneben identifizierte ich deshalb sofort als Manuela und die letzte musste Mareike sein.
"Ja, das sind sie", lächelte ich und winkte ihnen mit meiner freien Hand zu.
Die letzten Meter überwanden wir schnell. Ich umarmte meine Freundinnen fröhlich nacheinander und Tine tat es mir gleich. Es war so schön, sie alle wiederzusehen.
"Wollen wir gleich rein? Ihr habt sicher genug gewartet", fragte Tine.
"Ach, so lange war das gar nicht", tat Mareike das Ganze ab.
"Ja, sicher nur so ein paar Minuten", stimmte Tiffany ihr zu und Manuela nickte bloß.
Wir gingen schnell rein und gaben an der Garderobe im Eingangsbereich unsere Sachen ab, nachdem wir den Eintritt bezahlt hatten. Schon in diesem Bereich waren an den dunkelblauen, fast schwarzen Wänden kreuz und quer grüne, gelbe und pinkfarbene Neonröhren angebracht. Diese Beleuchtung zog sich das ganze Treppenhaus nach unten, bis in den großen Partyraum im Keller.
"Lasst erst mal was trinken gehen", schlug Tiffany vor.
Die Musik war nicht so laut, als dass sie schreien musste, aber trotzdem musste sie ziemlich laut reden, damit wir sie verstehen konnten.
"Klingt gut", meinte ich noch, bevor wir uns auf den Weg machten, der uns über die Tanzfläche auf die andere Seite des Raumes führte.
Die Bar war hell mit den bunten Neonröhren erleuchtet und es saßen einige Leute auf den Hockern. Ein Barkeeper mixte gerade kunstvoll einen Drink zusammen und ich sah ihm für ein paar Sekunden begeistert zu. Das konnte ich aber nur, weil die Tanzfläche gerade nicht so voll war. Wir steuerten vier Plätze an, die an der abgerundeten Ecke lagen. Es war zwar ein Stuhl zu wenig, aber besser als nur zwei oder drei Stück.
"Ich stehe", meinte Tine, als wir uns alle setzen wollten.
"Nein, ich kann stehen", meinte ich und sie sah mich überrascht an.
"Mit den Schuhen?", fragte sie mich und ich gab mich geschlagen, indem ich mich hinsetzte.
"So die Damen, was darf ich euch bringen?", fragte uns plötzlich der junge Mann, der an der Bar arbeitete.
"Habt ihr eine Karte?", erkundigte sich Tiffany freundlich, da wir keine Ahnung mehr hatten, was es hier alles gab.
"Ja, natürlich", lächelte er und reichte uns einen Moment später drei kleine Bücher, für die wir uns bedankten.
Ich entdeckte einen Cocktail, der mir sofort zusagte, als wir durch die Seiten blätterten. Er war mit verschiedenen Fruchtsäften und Sirupen gemischt, die alle in zwei langen Zeilen unter dem Namen aufgelistet waren. Meine Freunde schienen sich auch langsam entschieden zu haben, denn sie legten die Karten beiseite.
"Habt ihr etwas gefunden?" Der junge Mann hatte sich wieder uns zugewandt und sah uns abwartend an.
Ich warf einen Blick in die Runde und wartete, dass jemand als Erstes das Wort ergriff.
"Für mich bitte einen Sex on the Beach", bestellte Tine plötzlich und ich sah sie verwundert an.
Der Rest teilte seine Auswahl gleich mit, aber ich starrte meine Freundin immer noch an. Das war eigentlich mein Drink und von ihr hatte ich erwartet, dass sie sich wie immer ein Glas Rotwein bestellen würde.
"Einen Fruitpunch bitte", bestellte ich nebenbei.
"Ich wollte mal wissen, warum du so verrückt danach bist. Also hör' auf, so zu schauen", lachte Tine und nahm gerade ihr Geld aus der Hosentasche, das sie zuvor an der Garderobe aus ihrem Geldbeutel genommen hatte.
"Muss man nicht verstehen", lachte Mareike plötzlich und schon waren wir in einer kleinen Diskussion darüber, was der beste Drink war und warum es nicht Sex on the Beach sein konnte.
Nach kurzer Zeit hatten wir uns zwar immer noch nicht geeinigt, aber unser Gespräch wurde vom Barkeeper unterbrochen, der unsere Drinks vor uns abstellte. Nachdem er kassiert hatte, nahmen wir unsere Gläser, um anzustoßen.
"Auf diesen Abend!", rief Tiffany.
"Auf diesen Abend!", stimmte ihr der Rest jubelnd zu und das Klirren der Gläser klang wie Musik in meinen Ohren.
Wir nahmen alle einen Schluck und die Süße des Cocktails ließ mich meine Augen zusammenkneifen. Fast hätte man den Alkohol nicht herausgeschmeckt, aber auch nur fast.
"Also ich finde den echt nicht schlecht", meinte Tine plötzlich zu mir und hob ihr Glas kurz.
"Habe ich jemals etwas anderes behauptet?", fragte ich sie neckend und sie verdrehte die Augen.
Dann legte sie ihren Kopf leicht in den Nacken, stellte sich ein bisschen auf die Zehenspitzen und ich verstand, was sie wollte. Meine Lippen lagen einen Moment später auf ihren und ich schmeckte einen Hauch von Sex on the Beach.
"Wir sind auch noch da!", lachte Tiffany und ich löste mich grinsend von Tine.
"Echt ekelhaft", meinte Manuela trocken und ich sah sie gespielt schockiert an.
"Vergiss nicht, dass du diejenige warst, die vor ein paar Monaten noch dasselbe gemacht hat", tadelte ich sie und sie hatte anscheinend nicht mit so einem Konter gerechnet, denn sie hatte keine Antwort parat.
Triumphierend nahm ich noch einen Schluck von meinem Drink, Mareike lachte bloß und Manuela trank beleidigt von ihrem Wodka mit Orangensaft. Zum Glück bekamen wir uns alle gleich wieder ein und redeten ein bisschen über das Klassentreffen am nächsten Abend, zu dem wir alle kommen würden. Bis jetzt hatten nur zwei Leute abgesagt, was erstaunlich wenige dafür waren, dass wir in der Klasse insgesamt 23 Leute gewesen waren.
"So, nachdem wir alle getrunken haben, können wir endlich tanzen gehen", sagte Tiffany erleichtert und wir standen auf, um auf die Tanzfläche zu gehen.
Der gesamte Raum war durch die Neonröhren hell erleuchtet und auch die quadratischen Bodenplatten der Tanzfläche leuchteten in Grün, Gelb und Pink. Die Musik hatte einen schnellen Rhythmus und gerade wurde ein Remix gespielt. Es traf zwar nicht genau meinen Geschmack, aber man konnte es sich anhören und vor allem mit meinen Freunden machte es Spaß.
Wir hatten einen kleinen Kreis gebildet und tanzten ausgelassen. Manchmal bildeten sich auch Pärchen, in denen wir uns abwechselten. Jede tanzte mit jeder. Es war so schön, dass wir uns alle verstanden und meine Freundinnen sich langsam auch daran zu gewöhnen schienen, dass ihre ehemalige Lehrerin jetzt zu uns gehörte. Besser konnte es nicht laufen.
"Leute, ich bekomm' Durst. Wollen wir noch was trinken?", fragte ich in die Runde und alle stimmten mir zu.
Ein wenig außer Atem setzte ich mich neben Mareike an die Bar und ließ meine Beine für einen Moment baumeln. Der Rest hatte sich in eine der Sitzecken verzogen und uns beiden Geld für ihre Drinks mitgegeben. Diesmal holte ich mir einen Sex on the Beach und brachte Tine ein Glas Rotwein zusammen mit einem kleinen Wasser mit. Manuela und Tiffany wollten irgendeinen Cocktail und Mareike bestellte sich ein Glas Sekt. Dazu bekamen wir noch eine Runde Shots mit einem Tablett, auf dem wir dann noch zwei der Drinks abstellen konnten. Wir bezahlten schnell und gingen dann zu den anderen zurück, die uns schon sehnsüchtig erwartet hatten.
"Da seid ihr ja", begrüßte uns Tine begeistert und nahm mir sofort den Rotwein und das Wasser aus der Hand.
Die Sitzmöglichkeiten am Rand des Raumes waren ein wenig weiter entfernt von der Tanzfläche, damit die Musik nicht so laut war und man sich gemütlich unterhalten konnte. Die große, beige Couch bestand aus irgendeiner Art Leder, das man wahrscheinlich gut abwischen konnte, weil es so glatt war, und keine verschütteten Drinks oder Ähnliches aufsaugen konnte.
"Ihr glaubt gar nicht, wie schwer es war, den Rest hier freizuhalten. Ständig wollten sich irgendwelche hinsetzen", lachte Tiffany, als Mareike und ich die Getränke verteilt und dann Platz genommen hatten.
Als Antwort lachten wir nur und ich nahm einen kurzen Schluck von meinem Sex on the Beach, bevor ich ihn wieder auf den leuchtenden Würfel vor uns stellte, der als eine Art Couchtisch diente.
"Wie wäre es mit einem Shot?", fragte Manuela in die Runde und ich nahm mir sofort zwei, von denen ich einen behielt und den anderen an Tine weitergab.
"Muss ich?", fragte sie und ich nickte lachend.
Dann stießen wir an und kippten den Wodka schnell runter. Sofort danach trank ich ein bisschen von meinem Cocktail, um den Geschmack des starken Alkohols zu vertreiben. Die Wirkung des ersten Getränks hatte schon lange eingesetzt und wurde durch den Shot und den Cocktail nur noch verstärkt. Aber das ging nicht nur mir so, denn meine Freunde waren auch schon angeheitert, alberten herum und lallten ein bisschen.
"Ich geh' schnell auf die Toilette. Passt ihr bitte auf meine Sachen auf?", fragte Tine und ich sah zu ihr.
"Ich komm' mit", gab ich schnell Bescheid und schloss mich ihr an.
"Bis gleich, aber macht keine versauten Sachen", schmunzelte Manuela wissend, bevor wir uns schnell abwandten und zu den Toiletten gingen, die nicht weit weg lagen.
Ein schmaler Gang führte zu zwei Türen, die sich gegenüberlagen. Die Wände waren ebenfalls mit Neonröhren geschmückt und tauchten den Flur in ein angenehmes Licht.
"Musst du wirklich auf die Toilette oder wolltest du einfach nur mit mir alleine sein?", fragte Tine mich plötzlich mit einem wissenden Blick und blieb vor der Tür des Damenklos stehen.
"Wer weiß?" Ich lachte und taumelte ein bisschen.
Plötzlich zog sie mich an der Hand, an der sie mich gehalten hatte, zu sich und drückte mich dann an die Wand. Ein Keuchen entwich mir und ich lächelte sie glücklich, aber erregt an.
"Auch, wenn du manchmal viel trinkst, reicht es für heute langsam", bestimmte sie und ich verdrehte meine Augen.
Dann schüttelte sie leicht den Kopf und lächelte dabei, bevor sie mich küsste. Ihre Lippen lagen fordernd auf meinen und ich sog ihren berauschenden Duft ein. Für einen Moment ließ ich mich fallen und genoss ihre Berührungen an meiner Taille und Hüfte. Meine Hände wanderten immer weiter zu ihrem Hintern.
"So", Tine ließ von mir ab und trat einen Schritt zurück, "ich gehe jetzt auf die Toilette."
Ich blieb verwirrt stehen, als sie mich alleine ließ und durch die Tür verschwand. Obwohl ich ein wenig beleidigt und enttäuscht von ihrer Aktion war, wartete ich brav auf sie und kehrte mit ihr zusammen zu meinen Freunden zurück.
"Wir dachten schon, ihr kommt nie zurück", grinste Tiffany, die inzwischen mehr lag, als saß.
"Das hättet ihr euch jetzt gewünscht", sagte ich belustigt und ließ mich neben Tine nieder.
"Dann hätten wir hier nicht zusehen müssen, wie ihr euch antatscht", argumentierte Manuela und schürzte dabei ihre Lippen.
Provozierend drehte ich mich zu Tine und legte ihr meine Beine quer über den Schoß, während ich ihr einen Kuss auf die Wange drückte. Das wurde nur mit einem Lachen abgetan, bevor wir ein wenig über Mareikes Urlaub und Manuelas Trip nach Ungarn redeten und dabei unsere Drinks austranken.
Nachdem wir noch mal eine Runde tanzen gegangen waren, beschlossen wir, dass es langsam Zeit wurde, nach Hause zu gehen, und wir machten uns auf den Weg nach draußen. Es war kühler geworden und ein paar Wolken waren aufgezogen, weshalb ich es bereute, keine Jacke dabeizuhaben. Jetzt musste ich wohl oder übel ohne sie auskommen.
"Machen wir unbedingt noch mal", lächelte Tine, während wir noch kurz draußen vor dem Klub standen.
"Ja, klingt gut", stimmte ihr Tiffany zu.
Dann umarmten wir uns zum Abschied und gingen in verschiedene Richtungen. Meine drei Freundinnen zu einem Parkplatz, wo sie Finn, der extra aufgeblieben war, abholen und nach Hause bringen würde und Tine und ich zu unserer Wohnung.
Der Weg war zwar nicht weit, aber nach wenigen Straßen fühlte es sich an, als würde ich erfrieren und meine Füße mich umbringen. Zudem war es schwer, betrunken in Stöckelschuhen über Kopfsteinpflaster zu laufen und dabei nicht umzuknicken.
"Tine, können wir kurz stehen bleiben?", bat ich meine Freundin, die sofort meinem Wunsch nachkam.
"Was ist?", fragte sie und sah mich leicht besorgt und verwirrt an.
Ohne ihr zu antworten, löste ich meine Hand von ihrem Arm und stieg aus meinen Schuhen, die ich bei den Absätzen in die Hand nahm.
"Elea, du erkältest dich. Zieh die wieder an", versuchte sie, mich zu überreden, aber ich blieb stur.
Dann seufzte sie, zog ihren Blazer aus und legte ihn mir über die Schultern. Mir wurde sofort wärmer, aber mein Blick fiel sofort auf Tine, die jetzt nur noch die dünne Bluse hatte.
"Aber du frierst jetzt", meinte ich und wollte mir schon fast wieder den Blazer ausziehen, aber sie hielt meine Hand fest.
"Wir haben es nicht mehr weit, ich überlebe das." Sie klang in diesem Moment so viel nüchterner als ich, also hielt ich meinen Mund.
Für Außenstehende musste diese Szene wahrscheinlich ziemlich süß gewirkt haben. Zwei Frauen, die vom Feiern kamen und beide erschöpft waren. Trotzdem lieh eine der anderen ihren Blazer, um sie ein wenig warmzuhalten. Ich hatte so ein Glück, diese Frau bei mir zu haben.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top