Kapitel 21

Die letzten anderthalb Wochen lagen mir noch schwer im Magen, als am Montag nach dem Frühlingsfest der Wecker klingelte. Doch es war nicht irgendein Montagmorgen, sondern der von Tines Geburtstag. Ich setzte mich auf und sah meine Freundin verliebt an, die sich unter der Bettdecke streckte.

"Alles Gute zum Geburtstag, Schatz", lächelte ich und sie drehte sich mit einem fragenden Ausdruck auf dem Gesicht zu mir.

"Danke, aber Schatz? Sind wir jetzt bei Kosenamen angekommen?", lachte sie und gähnte dann kurz.

"Ich kann dich auch Hase, Süße, Liebling, Babe, Maus oder Baby nennen, such's dir aus", kicherte ich und verdrehte die Augen spielerisch.

"Dann ist mir Schatz doch lieber", meinte sie gespielt genervt und setzte sich auch auf.

Ich ging nach einer kurzen Weile zum Schrank und suchte mir mein Outfit aus. Eine dreiviertel Jeans, die an meinen Oberschenkeln eng war, aber ab den Knien bis zum Saum weiter wurde, in Kombination mit einem weißen T-Shirt sollte passen. Dann ging ich in die Küche, um uns Kaffee zu kochen und Brötchen aufzubacken, während Tine noch aus dem Bett kam. Eigentlich war es ansonsten immer umgekehrt, weil sie früher aufstehen musste, aber heute wollte ich ihr einen Gefallen tun.

Ein paar Minuten später stand sie in einer hellblauen Jeans und einer schwarzen Bluse in der Küche und lächelte mich an. Sie setzte sich und ich holte die Brötchen aus dem Ofen. Die Zeit hatte leider nicht gereicht, um irgendetwas Aufwendigeres wie Waffeln, Pfannkuchen oder selbst gemachte Croissants zuzubereiten.

"Ich habe übrigens noch ein Geschenk für dich", erwähnte ich nebenbei und sah sie abwartend an.

"Ich dachte schon, du hättest nichts für mich."

"Da kennst du mich aber schlecht", lachte ich und stand auf, um ins Schlafzimmer zu gehen, wo ich vor ein paar Tagen eine kleine schwarze Schachtel zwischen der Unterwäsche versteckt hatte, die ich jetzt holte.

Tine betrachtete sie interessiert, bevor sie sie öffnete und den Inhalt fragend betrachtete. Sie stellte die Box auf dem Tisch ab und zog vorsichtig eines der schwarzen Satinbänder hervor. Dann schien sie zu realisieren, wofür sie waren und dass sie sie sogar schon mal gesehen hatte.

"Ernsthaft?", fragte sie noch einmal nach und ließ die Fesseln durch ihre Hände gleiten.

"Ich dachte, es würde dir gefallen, sie mal auszuprobieren", sagte ich anzüglich und ein verlangender Ausdruck blitzte für einen Moment in ihren kastanienbraunen Augen auf.

"Können wir uns ja für heute Nachmittag aufheben", schmunzelte sie und legte das Band zurück in die Schachtel, die sie danach wieder schloss.

"Heute Nachmittag haben wir schon etwas vor."

"Ach ja?", fragte sie überrascht und sah mich direkt an.

"Lass dich überraschen. Wann genau bist du zu Hause?", erkundigte ich mich, weil ich noch einiges vorzubereiten hatte.

"So, wie ich meine Kollegen kenne, werde ich am Nachmittag von irgendwem noch auf einen Kaffee nach der Schule eingeladen. Also wahrscheinlich so gegen halb drei."

Das sollte passen und ich nickte. Sie schien zum Glück nicht zu ahnen, was ich vorhatte, und legte auch nichts daran, es herauszufinden. Dafür war ich ihr wirklich dankbar, denn sonst hätte ich mich sicher verraten.

Nachdem wir fertig gegessen hatten, machte sie sich langsam auf den Weg. Ich gab ihr noch einen Abschiedskuss, bevor die Tür hinter ihr zufiel. Ich ging in die Küche, um schon mal die Sachen vorzubereiten, die ich heute brauchen würde. In meiner Mittagspause würde ich nämlich wieder herkommen, um den Rest fertigzumachen. Eine dreiviertel Stunde sollte reichen und selbst wenn nicht, hatte ich nach der Schule noch ungefähr eine Stunde Zeit, bis Tine nach Hause kommen würde.

Fast wäre ich zu spät zur Schule gekommen, wenn ich nicht rechtzeitig auf die Uhr gesehen hätte. Ich war so vertieft in mein Tun gewesen, dass ich nicht gemerkt hatte, wie schnell die Zeit verstrichen war.

"Da bist du ja, wir hatten schon gedacht, dass du nicht kommst. Dann hätte ich das schwere Teil umsonst herumgeschleppt", beschwerte sich Mareike und reichte mir den Picknickkorb.

Ich hatte gestern Abend bei meinen Freunden herumgefragt, ob irgendjemand einen hatte, denn ich wollte keine Einkaufstasche nehmen, damit ich heute Nachmittag den Flair eines Picknicks erzeugen konnte.

"Dankeschön, der macht es perfekt", lächelte ich und umarmte sie dankbar.

Währenddessen bekamen wir seltsame Blicke von unseren Mitschülern zugeworfen. Ich konnte sie verstehen, man sah schließlich nicht immer jemanden mit Picknickkorb in der Schule herumlaufen.

Während des Unterrichts konnte ich mich kaum konzentrieren und sah ständig auf die Uhr, nur um zu sehen, dass gerade einmal drei Minuten vergangen waren. Umso erleichterter war ich, als es endlich zur Mittagspause klingelte und ich nach Hause konnte. Dort angekommen achtete ich darauf, dass ich mit dem Korb in meiner Hand nirgendwo anstieß und ihn damit kaputtmachte.

In der Küche machte ich mich sofort daran, Tomaten, Fetakäse und Avocados zu zerschneiden, um sie zusammen mit Chia Samen zum frischen Salat zuzumischen. Meine Freude auf den Nachmittag motivierte mich und so schnitt ich noch ein paar Scheiben Brot ab, die ich zusammen mit einem kleinen Glas Frischkäse und einem Bündel Trauben einpackte. Dazu brachte ich noch eine Flasche Weißwein unter. Das Besteck, das wir brauchten, war zum Glück schon im Korb und schien dazuzugehören. Ich hatte mir vor Ewigkeiten mal eine dieser typischen rot-weiß karierten Picknickdecken gekauft, die witzigerweise dasselbe Muster hatte wie der Stoff im Inneren des Korbs.

Als der Wecker klingelte, den ich mir gestellt hatte, um wieder rechtzeitig in der Schule zu sein, sah ich erschrocken auf und ging zurück, nur, um wieder aufgeregt auf meinem Stuhl im Klassenzimmer zu sitzen, darauf wartend, dass die Zeit endlich um war.

Als um 13:30 Uhr endlich der letzte Block Deutsch vorbei war, den ich normalerweise allein wegen unserer niedlichen Lehrerin genoss, machte ich mich auf den Weg nach Hause. Ich musste mich bloß duschen, umziehen und ein wenig schminken, da ich mit dem Essen ja schon in der Mittagspause fertig geworden war.

Das warme Wasser, das über mich rann, entspannte mich ein wenig und ließ meine Gedanken zur Ruhe kommen. Ich benutzte ein Duschgel, das roch, als hätte man den Sommer zusammen mit dem Frühling in eine Flasche gepackt. Ich fühlte mich in diesem Moment einfach nur wohl und wäre am liebsten nie mehr aus der Dusche gekommen, aber der Gedanke an Tine hielt mich davon ab.

Der Nachmittag würde perfekt werden. Draußen war es inzwischen schon so warm, dass man ohne Jacke mit einem T-Shirt rausgehen konnte, ohne zu frieren. Deshalb hatte ich mich entschieden, dass ich eine luftige, weiße Bluse zu einer eng anliegenden Jeans, die mir bis zur Hälfte der Oberschenkel reichte, tragen würde. Meine Haare band ich zu einem hohen Zopf, flocht aber eine Strähne, bevor ich sie mit einem Haargummi befestigte. Das Make-up hielt ich sehr schlicht, da ich wusste, dass Tine es bevorzugte, wenn ich keines trug, also benutzte ich bloß Wimperntusche zusammen mit einem Abdeckstift, um meine Augenringe und ein paar Unreinheiten zu kaschieren.

Als es kurz vor halb drei war, hörte ich, wie der Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde und die Tür sich kurz darauf öffnete.

"Bin wieder da", meinte Tine mit erhobener Stimme und ich kam aus dem Schlafzimmer, um sie zu begrüßen.

"Wie war die Schule?", fragte ich und gab ihr einen kurzen Kuss.

"Gut, ich habe einen Haufen Schokolade geschenkt bekommen. Ich weiß, was wir die nächsten Tage essen", lachte sie und öffnete ihren schwarzen Rucksack, in dem ich einige Verpackungen entdecken konnte.

"Eher gesagt ich. Du weißt, wie sehr ich Schokolade liebe."

"Ja gut, aber an deine Besessenheit komme ich niemals ran", gab sie sich geschlagen und stellte die Tasche ab, um sich wieder mir zuzuwenden. "Also, was hast du geplant, das du mir nicht verraten wolltest."

Ich ging in die Küche und holte den Korb, bei dem sie große Augen machte.

"Ich würde dich gerne auf ein Picknick einladen", erläuterte ich ihr meinen Plan für die folgenden Stunden.

"Dieses Angebot kann ich dir nicht ausschlagen. Ich gehe mich noch schnell umziehen, dann können wir aber sofort los." Sie drängte sich an mir vorbei und ging ins Schlafzimmer, um sich etwas anderes anzuziehen.

Allein an dem unübersehbaren Leuchten in ihren Augen hatte ich erkennen können, dass sie begeistert von meiner Idee war. Genau diese Reaktion hatte ich bei ihr erzielen wollen, was mich zufriedenstellte, auch wenn wir noch nicht einmal losgefahren waren.

Wenige Minuten später war sie wieder bei mir in einem luftigen, weißen Sommerkleid, das ihr bis zur Mitte der Waden reichte. Zur Vorsicht nahm sie eine Jeansjacke mit, damit ihr nicht kalt wurde.

"Wo gehen wir überhaupt hin?", erkundigte sie sich, als wir im Treppenhaus waren.

"Verrate ich dir nicht", neckte ich sie und sie seufzte gespielt genervt, aber gab sich mit der Antwort zufrieden.

"Und warum gehen wir in den Keller?"

"Wir holen die Fahrräder", teilte ich ihr mit und sperrte unseren Kellerraum auf, der ziemlich leer war.

Gemeinsam trugen wir sie nach oben und ich keuchte schwer, weil ich ein ziemlich massives Damenrad hatte. Noch dazu hatte ich den Picknickkorb in meinen Fahrradkorb gelegt, der das Ganze nicht gerade einfacher machte. Tine sah mich nur an und schüttelte dann lachend den Kopf. Sie war um Längen sportlicher und aktiver als ich, wobei sie in den letzten Wochen meinetwegen eher seltener dazu gekommen war, Sport zu machen. Ab und zu ging sie in der Früh joggen, während ich weiterschlief.

Draußen war es warm, beinahe heiß, aber noch aushaltbar und ein leichter Wind wehte, was uns beim Fahren ein wenig abkühlte. Die Vögel sangen in den Bäumen und die Atmosphäre war einfach nur wunderschön. Unser Ziel blieb jedoch nicht lange ein Geheimnis, denn spätestens als wir auf den kleinen Pfad an der Donau bogen, bemerkte sie, dass wir zum Baggersee fuhren. Sie sagte jedoch nichts, weil sie wusste, dass ich es wusste.

Nach ungefähr zehn Minuten kamen wir auf dem Parkplatz des Seehauses an. Dort stellten wir unsere Fahrräder ab und schlossen sie an einen Metallständer. Dann machten wir uns Hand in Hand auf den Weg, um einen Platz zu finden, an den wir uns in Ruhe setzen konnten. Das konnten wir zum Glück auch, als wir eine Weile gegangen waren und einen entlegenen Bereich des Sees erreicht hatten.

"Dort vorne sieht es gut aus", meinte Tine und deutete mit ihrer freien Hand auf eine Stelle, an der man nah am Ufer auf einer grünen Wiese saß.

"Ja, lass uns hingehen."

Der Platz war perfekt. Das hohe Schilf raschelte leicht im Wind und die Vögel zwitscherten. Alles war in goldenes Licht getaucht und wir setzten uns in die idyllische Landschaft an das dunkle Wasser, nachdem ich die Decke auf dem Gras ausgebreitet hatte. Für einen Moment verlor ich mich im Anblick der Szenerie, bis mich Tine anstupste.

"Was hast du dabei?", fragte sie mich neugierig.

"Einen Salat, Brot, Frischkäse und natürlich Wein", zählte ich auf, während ich den Picknickkorb öffnete und die ersten Sachen hervorzog.

"Klingt fantastisch", lächelte sie und holte ein paar Teller raus, die sie vor uns auf der Decke platzierte.

Ich verteilte das Essen und sie nahm sich sofort etwas von dem Salat, den ich wirklich gut hinbekommen hatte, was sich nach meinem ersten Bissen bestätigte.

"Was ist da alles drinnen?", wollte sie wissen.

"Normaler Salat, Avocado, Tomaten, selbst gemachtes Dressing, oh, und Chia Samen."

"Solltest du öfter machen, es schmeckt wirklich gut", lobte sie mich und ich lächelte breit.

"Gefällt es dir denn?", erkundigte ich mich nach einiger Zeit.

"Ja, es ist so schön, dass du dir solche Mühe gegeben hast. Matthias hätte mich wie jedes Jahr einfach nur in ein Restaurant ausgeführt. Am Abend hätten wir dann irgendeinen Film angeschaut und Sex gehabt."

Es machte mich glücklich, dass ich es besser machte, als er.

"Ist doch gar kein Problem. Ich liebe dich", tat ich das Ganze ab.

"Ich dich auch", lächelte sie und legte sich auf den Rücken.

Ich legte mich neben sie und schloss die Augen. Der Wind, die Vögel, das Rascheln des Schilfs und mein Atem waren das Einzige, was man hören konnte. Keine Autos, Gespräche anderer Menschen oder das Geschreie von Kindern. Einfach nur naturbelassene Stille.

Nach einer langen Zeit konnte ich Tines Hand an meiner spüren und sie ließ langsam ihre Finger zwischen meine gleiten. Ich rutschte ein wenig näher zu ihr und unsere Oberarme berührten sich leicht, was bei mir eine Gänsehaut verursachte. Sie war jedoch keines Falls unangenehm, sondern genau das aufregende Kribbeln, das ich immer spürte, wenn sie mich berührte.

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