Kapitel 12

Das Wochenende war leider viel zu schnell vorbei. Das Darauffolgende konnte ich leider nicht mit ihr verbringen, weil ich auf Mareikes Geburtstagsparty eingeladen war. Wir würden wahrscheinlich einfach bei ihr Zuhause sitzen, viel Alkohol trinken und Musik hören - natürlich nur so laut, wie es die Nachbarn erlaubten. Eigentlich freute ich mich wirklich darauf, denn richtig feiern war ich sonst immer nur in den Schulferien, wenn ich nicht gerade irgendwo jobbte. Aber ich würde Manuela wiedersehen und das bereitete mir Sorgen. Ich wollte ihr nicht den Abend verderben und damit auch den anderen, denn dann würde es nur um ihre und meine Trennung gehen und nicht um den Geburtstag, den wir eigentlich feierten.

Trotzdem wollte ich gehen. Schließlich waren das meine einzigen Freunde und ich wollte unter keinen Umständen Mareikes Geburtstag verpassen. Ich hatte ihr eine Karte gebastelt, auf der viele Farbkleckse, Pinsel und Alkoholmarker zu sehen waren, und einen zwanzig Euro Gutschein für ein Kunstgeschäft in der Innenstadt dazugelegt. Sie war wirklich die talentierteste von uns und hatte sogar einen eigenen Account für ihre Kunst bei diversen Social Media Seiten. Außerdem wollte ich ihr noch eine Flasche Sekt schenken, denn sie trank ihn ziemlich gerne.

Wir hatten schon seit Wochen außerhalb der Schule nichts mehr unternommen, weshalb ich mich umso mehr freute, als ich Samstag Mittag aufstand. Wir würden zwar erst gegen 18 Uhr anfangen, aber ich hatte weder die Karte noch den Gutschein oder den Sekt eingepackt. Obwohl ich wie immer alles viel zu früh eingekauft hatte, hatte ich es noch nicht geschafft, die Sachen mit Geschenkpapier einzuwickeln. Aber anders kannte ich es von mir gar nicht.

Mein Outfit für den Abend war schnell gewählt. Es war ein schwarzer, enger Rollkragenpullover, zu dem ich einen langen Rock tragen würde, der grün-schwarz kariert war und mir fast bis zu den Knöcheln reichte. Er fiel geradlinig ab meiner Hüfte hinab, was die Konturen meiner Beine verdeckte. Ich war zwar inzwischen viel sicherer mit meinem Aussehen, aber meine Oberschenkel bereiteten mir immer noch Unwohlsein. Daran hatten bis jetzt selbst Manuela und Tine nichts mit ihren Komplimenten, wie gut ich denn aussah, ändern können.

Die Gedanken an dieses Thema ließen mich erst los, als ich mir unachtsam fast in den Finger geschnitten hatte, als ich die Geschenkpapierstücke anpasste. Ich sollte mich definitiv lieber darauf konzentrieren und nicht auf meine negativen Gedanken. Als ich mit dem Einpacken fertig war, band ich noch eine Schleife aus Paketband um die Geschenke. Ich hatte leider nichts anderes da und so kurzfristig bekam ich auch kein Geschenkband mehr.

Als ich dann endlich losfahren konnte, damit ich nicht zu überpünktlich war, seufzte ich erleichtert auf. Ich freute mich auf meine Freunde und dass ich den Rest des Tages nicht alleine in meiner Wohnung verbringen musste. Seitdem ich mit Tine für ein Wochenende zusammengewohnt hatte, fühlte ich mich in meiner eigenen Wohnung einsamer als je zuvor. Als ich noch mit Manuela zusammen war, war es zwar ähnlich, aber nicht so schlimm wie jetzt.

Während der Fahrt zu Mareikes Wohnung, in der sie zusammen mit ihrem Freund Finn wohnte, schaltete ich das Radio an. Es lief irgendein Lied, dessen Namen ich nicht kannte, aber die Melodie war ganz in Ordnung, weshalb ich es anließ und dazu mit meinen Fingern auf das Lenkrad trommelte. Ich würde ungefähr zwanzig Minuten brauchen, bis ich ankam, die sich durch die Musik zum Glück nicht so lange zogen.

Mareike wohnte in einer ruhigen Wohngegend, in der sich viele Familien niedergelassen hatten, weshalb ich um die Häuser schleichen musste, um kein Kind zu überfahren. Zum Glück gab es dafür genügend Parkplätze am Rand der Straße, die zwischen ein paar Bäumen lagen. Ich parkte in der Nähe ihres Hauses, in dem Mareike zusammen mit ihren Eltern lebte - sie im ersten Stock und ihre Eltern im Erdgeschoss. Diese waren zum Glück derzeit im Urlaub, weshalb wir ein bisschen lauter als gewöhnlich sein konnten.

Ich stieg aus, nahm die Geschenke mit und klingelte an ihrer Haustür, die in einen Flur führte, von dem aus eine Treppe in das obere Geschoss führte. Kurz darauf stand mir Mareike gegenüber, die einen Partyhut aufhatte, auf dem eine große zwanzig stand.

"Hey", begrüßte sie mich strahlend und umarmte mich herzlich.

"Alles Gute zum Geburtstag", lächelte ich in ihre Halsbeuge.

"Du bist witzigerweise ausnahmsweise nicht die Erste. Manuela war vor dir da."

Das verwunderte mich, denn sie war ansonsten immer ein bisschen zu spät. Fairerweise musste man aber sagen, dass sie nur am anderen Ende des Örtchens lebte.

"Wer kommt eigentlich alles?", fragte ich sie, weil das Thema gerade irgendwie aufgekommen war.

"Also du, Manuela, Tiffany, Ben, Finn und ich", zählte sie auf und ich nickte.

Ben war Tiffanys Freund und Finn der von Mareike. Letztere wohnten zwar nicht zusammen, aber es wirkte so, denn jedes Mal, wenn ich Mareike besuchte, war Finn gerade dort oder erst vor Kurzem gegangen. Sie waren seit der zehnten Klasse in der Realschule ein Paar, was schon eine ziemlich lange Zeit war.

"Hey", kam es einstimmig von Manuela und Finn, die auf der Couch saßen und sich zu uns drehten.

Von der Treppe aus kam man in das Wohn-Ess-Zimmer, welches das größte Zimmer der Wohnung war, von dort aus führte ein Türrahmen in die Küche, die hinter der Wand im Treppenhaus lag, und auf der linken Seite in ihr Badezimmer, neben dem das Schlafzimmer lag. Es wirkte ein wenig gedrungen, was durch die Dachschräge nicht gerade verbessert wurde. Alles war in recht natürlichen Tönen gehalten - viel Holz und gedeckte Grün- und Blautöne. Es war nicht besonders modern, da ihre Eltern das Haus noch vor ihrer Geburt gebaut hatten, aber das wurde durch die Gemütlichkeit des Kamins, der im Wohn-Ess-Zimmer lag, wieder ausgeglichen.

"Hey, wie geht es euch?", begrüßte ich sie und umarmte meine Freunde nacheinander.

"Echt super", sagte Finn, der Mareike an sich drückte und ihr einen langen Kuss auf die Lippen drückte.

"Mir auch ganz gut", antwortete Manuela.

Sie sah besser aus als am Samstag vor zwei Wochen, wo wir uns das letzte Mal gesehen hatte. Zwar immer noch ein wenig erschöpft, aber noch lange nicht so fertig und ihre Augenringe waren zusammen mit der Schminke gar nicht mehr zu erkennen. Ich schenkte ihr ein ehrliches Lächeln, das sie erwiderte, und hoffte, dass es nicht nur eine Lüge war, um nicht über ihre Probleme reden zu müssen.

"Finn, kommst du kurz mit in die Küche, den Kuchen und die ganzen anderen Sachen holen?", bat Mareike ihren Freund, der sich über die Lehne der Couch schwang und im nächsten Moment mit ihr verschwand.

Ich nutzte die Gelegenheit aus und wandte mich Manuela zu, mit der ich jetzt alleine auf der Couch saß. Im Hintergrund hörte ich ein Klappern und das Öffnen verschiedener Schranktüren, sowie das Brummen einer Kaffeemaschine.

"Ist wirklich alles gut?", hakte ich nach. Ich wollte sichergehen, dass es ihr wirklich besser ging.

"Es ist besser, aber ich vermisse dich", sagte sie mit gedämpfter Stimme und zwang sich zu einem kurzen Lächeln.

"Das ist immerhin etwas. Ich hoffe, dass du verstehst, dass ich nicht mit dir schreibe, damit du vielleicht besser über mich hinwegkommst. Es wäre sicher nicht gut, wenn du jeden Tag Kontakt mit mir hast und ich ständig in deinen Gedanken bin."

"Ja, das dachte ich mir schon."

"Ist es denn okay für dich, wenn ich hier bin? Ich meine, ob du das schaffst und dir nicht den Abend verdirbst."

"Das geht schon. Außerdem will ich nicht, dass du dich in irgendwas einschränkst, immerhin ist das hier Mareikes Geburtstag und wir haben einen gemeinsamen Freundeskreis", versicherte sie mir und ich nickte bestätigend.

"Kannst du mir noch einen Gefallen tun?", bat ich sie und hoffte, dass sie ihn mir tun würde, wenn das Thema denn aufkommen würde.

"Kommt darauf an, welchen."

"Kannst du ihnen nichts von mir und du weißt schon erzählen? Ich möchte das gerne machen, wenn sie dabei ist und wir nicht gerade einen Geburtstag feiern", erklärte ich ihr und musste bei meinem letzten Satz leicht schmunzeln.

"Geht klar, ich werde schweigen wie ein Grab", versprach sie mir und ich lächelte sie dankbar an.

"Danke."

Kaum hatte ich das gesagt, kamen die beiden zurück aus der Küche zusammen mit Tellern, Tassen, einer Kanne, in der wahrscheinlich Kaffee war, und eine Glasplatte, auf der ein Bienenstich, jedoch ohne Mandeln, thronte. Tiffany hatte nämlich eine Mandelallergie und ich selbst aß Nüsse nicht allzu gerne, weshalb sie wahrscheinlich weggelassen worden waren.

Ich nahm Finn sofort die Teller ab und verteilte sie auf dem ovalen Tisch. Den Rest machten er und Mareike, die nach einem kurzen Blick auf ihr Handy Bescheid gab, dass Tiffany und Ben in den nächsten Minuten ankommen würden.

"Ich nehme an, der Kuchen ist von dir?", fragte ich Manuela lachend, die belustigt nickte.

Egal auf welcher Feier sie eingeladen war, sie wurde um einen Kuchen oder eine Torte gebeten, was sie liebend gerne mitbrachte. Deshalb hatte sich das Nachfragen, wer den Kuchen mitgebracht hatte, zu einem Running Gag entwickelt.

Wir lachten jedoch nicht lange, denn plötzlich klingelte es und wir wussten, dass der Rest angekommen war. Voller Vorfreude stand ich auf und warf mich nach Mareike zuerst an den Hals von Tiffany und drückte Ben danach kurz.

Als sich unsere Aufregung ein bisschen gelegt hatte, setzten wir uns verteilt auf das grau-blaue Wildledersofa und die zwei Sessel, die dieselbe Optik hatten. Mareike schnitt den Kuchen an und es wurde Kaffee ausgegossen. Es war wirklich schön, endlich wieder mit meinen Freunden an einem gemütlichen Nachmittag, ein wenig zu reden.

"Pack doch endlich mal die Geschenke aus", forderte Tiffany Mareike auf.

"Okay", gab diese geschlagen von sich, denn sie hatten die Diskussion schon während des Kuchenessens geführt.

"Aber unseres als Erstes!", bestand die junge Frau, die schon nach den Geschenken griff, die sie und ihr Freund ausgesucht hatten und zwischen ihren Füßen auf dem Boden standen.

Mareike nahm sie an und begann sie auszupacken. Es war ein großer Stapel an verschiedenen Mangas und die erste Staffel von irgendeiner Serie. Ihre Augen wurden groß und sie umarmte Tiffany, die fast zerquetscht wurde. Wir lachten daraufhin kurz, bevor wir mit Manuela weitermachten.

Sie hatte zwei Flaschen mit verschiedenen Weinen dabei und eine mit Wodka, der wohl für etwas später gedacht war, und natürlich eine Karte.

Dann packte sie meinen Sekt zusammen mit der Karte und dem Gutschein aus. Sie freute sich wirklich über alles, was mich wiederum glücklich machte, weil es ihr gefiel.

Früher, als mein Freundeskreis noch etwas größer gewesen war, hatte ich viele Geburtstage vergessen, weil ständig irgendjemand hatte. Außerdem waren die meisten Freundschaften ziemlich oberflächlich, was der Grund war, weshalb ich sehr oft nicht wusste, was die Person wirklich haben wollte. Seitdem es aber bei unserer kleinen Gruppe geblieben war, fiel es mir immer leicht, etwas Passendes zu finden.

Als der Nachmittag ein wenig vorangeschritten war und zum Abend wurde, entschlossen wir uns, dass wir irgendeinen Film sehen wollten. Bei unserer Gruppe war das jedoch ziemlich schwer, da jeder etwas anderes mochte. Manuela stand auf Musicals, ich auf Liebesfilme, Mareike und Tiffany liebten Animes und ihre Freunde, die seitdem sie sich das erste Mal gesehen hatten, die besten Kumpel waren, konnten nicht genug von Horrorfilmen bekommen.

"Wie wäre es mit irgendwas witzigem, wie 'Scary Movie' oder 'Der Schuh des Manitu'?", schlug ich vor.

"Oder 'Die fantastische Welt von Oz'?", kam es von Manuela, die sich davor kaum an der Debatte beteiligt hatte.

"Oh mein Gott, wisst ihr noch als wir den zusammen auf deinem Geburtstag in der siebten Klasse gesehen haben?!", kam es begeistert von Tiffany, die aufgeregt mit den Armen wedelte.

"Das war der beste Abend meines Lebens", schwärmte ich, obwohl das teilweise gelogen war. Trotzdem war es ein wirklich schöner und lustiger Geburtstag gewesen, der definitiv zu den Besten gehörte.

"Ich hab den zwar noch nie geschaut, aber wenn ihr den gut findet, dann will ich ihn sehen", stimmte Ben zu.

"Finde ich auch", meinte Finn und wir suchten schnell die DVD in einer ganzen Schublade voller Filme.

"Gefunden!", kam es kurz darauf von Mareike.

Gemeinsam holten wir bloß noch ein paar Tüten Chips, Salzstangen, Gläser und Saft, den wir brauchten, um den Wodka zu vermischen.

Alles war viel besser gelaufen als gedacht. Keine Probleme mit Manuela und auch keine Fragen zu meiner mysteriösen Freundin. Einfach nur wir, die sich auf der Couch betranken, während der 'Die fantastische Welt von Oz' lief.

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