Kapitel 15

Mein Mund blieb mir vor Erstaunen offen stehen.

„Wie jetzt?" Mehr brachte ich nicht über die Lippen.

„Sie sind mir früher über den Weg gelaufen, wenn ich das so sagen kann. Als die zwei noch verstecken und andere Elfenspiele gespielt hatten, also quasi Kinder waren, wurde zu der Zeit eine kleine „Kriegergruppe" gegründet. Jeder, der in diese Gruppe aufgenommen werden wollte, musste eine Mutprobe bestehen und die zwei Jungs waren sehr darauf aus, dort hineinzukommen. Eine Aufgabe bestand darin, mir die Essensvorräte zu stehlen, die ich immer in meinem Zelt zwischenlagere, um sie dann später den Köchen zu geben. Der Bengel war wendig und schnell und ist mir damals entwischt. Vielleicht lag es außerdem daran, dass er seinen Freund dabei hatte, den zweiten jungen Mann." Ferin machte eine Pause und starrte in die Flammen. Eleysa gab ihm ein Stück von ihrem Stockbrot, das er nahm und dann gedankenverloren in den Händen drehte.

„Und du bist nun immer noch sauer? So nachtragend kenne ich dich gar nicht?" Ferin drehte seinen Kopf zu mir, als er meinen neckenden Unterton bemerkte.

„Ja, vielleicht hätte ich ihnen auch verziehen, aber es waren nicht nur die Vorräte für die Köche, sondern auch Vorräte für meine Mutter und auch für dich!"

Ich hielt die Luft an.

„Sie haben die Vorräte gestohlen, die ich zu essen bekommen sollte?"

Er nickte leicht. „Du solltest die besten Beeren, essbaren Wurzeln und nur das kristallklarste Wasser zu trinken bekommen." Ich hörte die unausgesprochene Liebe hinter seinen Worten und war gerührt. „Und dann habe ich mich von zwei Buben einfach beklauen lassen und konnte sie noch nicht einmal dafür rügen. Ich wollte ihnen die Ohren noch länger ziehen", sagte er und ich zog die Augenbrauen hoch. So ein Verhalten hatte mein Vater noch nie an den Tag gelegt. „Unglücklicherweise wurde ich dann zu einer Mission geschickt und war einige Monate unterwegs. Danach sah ich sie zwar und verspürte immer noch das Bedürfnis ihnen die Leviten lesen zu müssen, aber das war zu dem Zeitpunkt, als ihr beschlossen hattet..." Sein Atem stockte und er kämpfte sichtlich mit den Worten. „Als ich beschlossen hatte, dass es besser wäre, sich nicht mehr zu sehen." Eleysa drückte mitfühlend seinen Arm und hauchte, an seine Schulter gelehnt, ein „Es tut mir so Leid!" Mein Vater strich ihr beruhigend über das Haar und küsste sie sanft auf die Stirn.

„Ich weiß."

„Papa, das hast du trotzdem toll gemacht", schaltete ich mich wieder ein. „Schau mich an, ich glaube ich habe keinen bleibenden Schaden davon getragen, dass sie dir die Vorräte stahlen. Aber wieso sollten sie denn ausgerechnet dich bestehlen?"

„Weil ich der Informant und die rechte Hand der Königin war und deswegen einen hohen Rang hatte. Anscheinend war das besonders reizvoll." Er schnaubte durch die Nase.

Nun wurde ich doch ein wenig neugierig.

„Papa, wer war es denn, der nun die Vorräte gestohlen hatte?"

„Er hat sich heute als Cen vorgestellt."

Ich unterdrückte einen Lachanfall. Cen hatte meinen Vater bestohlen, ich fasste es nicht.

Meine Mutter war mein gespielter Hustenanfall nicht entgangen und ihre Augen glitzerten amüsiert.

Als Ferin kurz zu einer Gruppe von Elfen ging, in der auch Bandalur war, rutschte ich zu meiner Mutter auf und umarmte sie.

„Danke, dass du die Vermittlerin gespielt hast. Du warst klasse!", lobte ich sie.

„Ich mag die zwei Jungs. So stelle ich mir immer den jungen Ferin vor. Er hatte sich garantiert an seine eigene Kindheit zurückerinnert gefühlt."

„Das mag sein." Eine Zeitlang sagte keiner mehr etwas und wir genossen nur die Wärme des Feuers und unser Stockbrot.

„Ich finde es toll, dass wir hier sind", sagte ich dann irgendwann. „Und ich glaube, Papa freut sich auch darüber!" Wir beide beobachteten wie Ferin lachte, nachdem ihm Bandalur etwas ins Ohr geflüstert hatte. Der Blick des Wachmanns klebte förmlich an Eleysa. Ekelhaft! Als hätte meine Mutter meine Gedanken erraten, meinte sie mit einem Schaudern in der Stimme: „Der Typ, dieser Bandalur, ist ein Ekel." Nickend pflichtete ich ihr bei.

„Er schaut dich an, als hätte er noch nie eine Menschenfrau gesehen, geschweige denn im Bett gehabt", rutschten mir die letzten Wörter heraus.

„Indira!" Eleysa schaute mich entsetzt an.

„Tschuldige, ist mir so herausgerutscht."

„Aber vermutlich hast du Recht", murmelte meine Mutter so leise, dass ich sie kaum verstand.

„Mach am besten einen großen Bogen um den Kerl!", riet ich ihr.

Grinsend blickte sie mich an. „Seid wann gibst du mir eigentlich Tipps zu Männern?" Ich zuckte etwas hilflos mit den Schultern. „Ich weiß nicht."

„Na gut, dann gebe ich dir jetzt auch einen: Verliere die zwei jungen Männer nicht aus den Augen. Sie heißen Cen und Henri, richtig?" Sie wartete meine Antwort erst gar nicht ab, sondern redete einfach weiter. "Solche Retter kannst du immer gebrauchen." Ich merkte, wie ernst es ihr war, und nickte deswegen verständnisvoll.

„Ich werde es mir merken, Mama!"

Eine Stunde später lag ich erschöpft in unserem Zelt und starrte an die Stoffdecke. Heute war so viel passiert, dass meine Gedanken kaum zur Ruhe kamen. So lag ich noch lange wach und lauschte dem Nachtleben des Waldes. Irgendwann schlief ich vom gleichmäßigen Atem meiner Eltern neben mir ein.

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