Kapitel 13

„Wo gehen wir hin?", fragte ich etwas überrascht.

„Lass dich überraschen." Sein Griff um meinen Arm ließ keinen Widerstand zu und wenn ich ehrlich war, war ich neugierig, was er mit mir vorhatte.

Wir gingen ein Stück zwischen Bäumen hindurch.

An einer kleinen Gruppe Fichten blieb er stehen und ließ mich los. Er machte einige Schritte und war dann zwischen den dichten Nadeln verschwunden. Ich folgte ihm.

„So, hier wären wir." Ich drehte mich um meine eigene Achse.

„Äh, was genau, willst du mir zeigen?"

Er runzelte die Stirn und sagte: „Ich will dir nichts zeigen. Ich brauchte nur einen Platz, wo wir ungestört reden können." Jetzt runzelte ich die Stirn.

„Über was willst du reden?" Ich trat etwas unschlüssig auf der Stelle. Mir war unbehaglich zumute. Ich wusste nicht, was auf mich zukam und das machte mich nervös.

„Über dich."

Ich blinzelte überrascht.

„Über mich?"

„Ja, genau." Er strich sich durch die Haare und wirkte auf einmal etwas verunsichert und zerstreut, so als wüsste er nicht, weshalb er das alles überhaupt tat. Dann schüttelte er leicht den Kopf und legte los: „Was ist los mit dir? Wieso hast du dich vorhin so bescheuert benommen?"

„Ich? Ich habe mich nicht bescheuert benommen? Was meinst du überhaupt?"

„Du weißt genau, was ich meine! Wieso schaust du Cecilia so an, als würdest du sie hassen, obwohl du sie gar nicht kennst. Das ist unfair ihr und mir gegenüber!"

Ich dachte, ich hätte mich verhört. Das war wohl alles ein schlechter Scherz, oder?

„Du willst mit mir jetzt ernsthaft über das Mädchen reden?" Ich schaute ihn fassungslos an. Er schaute trotzig zurück.

„Ja, das möchte ich!", sagte er mit verschränkten Armen.

„Gut, wie du willst. Ich finde sie ..." Ich rang mit mir und meinen Worten. „Keine Ahnung. Ich hatte einen verdammt langen Ritt hinter mir, musste Stunden auf meinen Vater warten, du hast mich davon abgehalten auf Toilette zu gehen und bist dann einfach spurlos verschwunden..." Ich redete mich um Kopf und Kragen, aber einen fahrenden Zug konnte niemand aufhalten. „Was fällt dir eigentlich ein, immer so zu verschwinden? Das ist unhöflich. Wir waren noch gar nicht fertig mit unserem Gespräch und dann haust du einfach so ab, wenn mal einer von meiner Familie das Wort erhebt. Ich meine, die kennst du ja noch gar nicht. Mein Vater ist erst seit ein paar Stunden wieder bei uns und hat schon sein Leben riskiert, um uns herzubringen. Weil keine-Ahnung-wie-die-Typen-heißen hinter uns her sind und mir das Leben schwer machen. Ich fühle mich quasi immer verfolgt. Aber keiner erzählt mir ja was, inklusive dir! Dann dachte ich, wenn ich hier her komme, ist alles gut und ich bin in Sicherheit. Aber nein, da musste ich erst einmal an einem unverschämten Wachmann vorbei, der meiner Mutter schöne Augen machte und mich fast zum Würgen brachte. Wegen dem Typen soll nicht meine Familie zerbrechen. Denn hasse ich auch. Danach wollte ich ein wenig das Lager erkunden und schon schleppt mich Henri mit zu dem Lagerfeuer, wo tausend Elfen sind und was passiert mir? Ein dummer Patzer! Ein Wunder, dass sie mich nicht alle ausgelacht haben. Und zum krönenden Abschluss sehe ich dich mit dieser Cecilia, die tausend Mal schöner ist als ich und vermutlich auch deutlich klüger. In solchen Momenten merke ich wieder, was ich bin: nämlich nur eine Halbelfe. Nichts ganzes und nichts halbes." Ich holte tief Luft und ließ sie wieder zitternd entweichen. So langsam verrauchte die Wut. Es tat gut, sich alles einmal von der Seele geredet zu haben. Nun starrte ich auf den braunen Waldboden. Ich erschrak heftig, als Cen meine Hände in seine nahm.

„Indira." Er hauchte meinen Namen fast. „Es tut mir Leid, wirklich. Ich möchte nicht, dass du leidest."

„Ich möchte mich nur einmal in meinem Leben sicher fühlen, nicht angelogen werden und ein bisschen von der Wahrheit mitbekommen. Ich möchte irgendwo dazugehören und nicht komisch angeguckt werden, nur weil meine Ohren nicht so spitz oder rund sind wie die der meisten." Ich schluchzte nun und es lösten sich einige Tränen aus meinen Augen. Ich wischte sie ärgerlich weg.

Ganz vorsichtig, als wäre ich aus Glas, nahm Cen mich in seine Arme und strich mir beruhigend über meinen Rücken.

„Entspann dich. Du bist jetzt in Sicherheit. Weit weg von den Männern mit den Umhängen, Verfolgern oder schrecklichen Wachen. Selbst wundervolle Elfenfrauen können uns hier nicht sehen." Ich ließ mich auf ihn ein und legte meinen Kopf auf seine Brust. Die ersten Muskeln in meinem verspannten Rücken lockerten sich und ich schloss seufzend die Augen. Ich hatte nicht gedacht, dass ich so dringend jemanden zum Anlehnen brauchte.

„Tut mir Leid", meine Stimme klang träge und ich brauchte einen Moment, bis ich den nächsten Satz bilden konnte. „Ich will mich dir nicht aufdrängen und eigentlich mag ich es nicht..."

„...wenn man dich anfasst. Ich weiß, Indira. Ich habe es heute mitbekommen. Aber ich dachte mir, meinem Charme kannst du dich nicht entziehen." Er lachte leise und ein tiefes Brummen und Vibrieren entstand in seinem Brustkorb. Ich lächelte. „Du Blödmann!", sagte ich, aber ich meinte es eher im Scherz.

Sein Atem kitzelte an meinem Ohr und er sagte mit gesenkter Stimme: „Sie ist übrigens meine Schwester. Hast du nicht die hohen Wangenknochen und die vollen Lippen gesehen? Genauso wie bei mir. Aber ich fand es sehr amüsant, wie du dich in deine Eifersucht gesteigert hast."

Ich hob ruckartig meinen Kopf von seiner Brust und starrte ihn geschockt an.

„Was hast du gesagt?"

Er hüllte sich in Schweigen und schaute mich nur ruhig an.

„Sie ist deine Schwester", flüsterte ich ungläubig und dann lachte ich erleichtert aus.

„Oh Gott, ich bin so doof!" Ich schlug mir gegen die Stirn.

Cen lachte schallend und ich boxte ihm gegen den Oberarm. Es störte ihn nicht im Geringsten.

„Soll ich dir noch ein Geheimnis verraten?" Er kam wieder näher und nahm eine Haarsträhne zwischen seine Finger, so wie es mein Vater letztens gemacht hatte.

Mir stockte der Atem. „Gerne", flüsterte ich.

„Ich stehe nicht so auf rote Haare." Er schaute meine braune Strähne eindringlich an. „Ich mag lieber braun."

Mein Bauch begann zu kribbeln und ich lächelte leicht. „Gut zu wissen. Dann muss ich dir auch ein Geheimnis verraten: In der Sonne schimmern meine Haare einen Stich rot. 

Cen ließ ein "Hmm" verlauten. Er betrachtete meine Haare, als würde er überlegen, ob ich die Wahrheit sagte.

„Wirklich", beteuerte ich. „Meine Großmutter hatte früher rote Haare."

Nun lächelte er und sagte leise: „Ich weiß."

Ich holte überrascht luft. „Du kanntest meine Oma?" Er ließ mein Haar los. „Ja." Nun wirkte er wieder kurz angebunden, als hätte er zu viel verraten. „Ich habe sie mal gesehen."

„Aber woher wusstest du, dass sie meine Oma war?"

Er schaute nun in die Ferne und nicht mehr in meine Augen.

„Ich hatte es vermutet, aber danke, dass du meine Vermutung bestätigt hast." Seine Augen suchten wieder meine und er grinste leicht.

Ich glaubte ihm nicht und verzog mein Gesicht.

„Erzählst du mir irgendwann die Wahrheit?"

Seine Augenbraue wanderte nach oben. „Wenn du dich benimmst."

Ich schnaubte.

Dann schaute er mich wieder ganz ernst an. „Indira, ich schaffe es irgendwie mein Gelübde zu brechen und dir zu sagen, wer dir dein Leben schwer macht. Du wirst bald deine Antworten bekommen, ich verspreche es dir. Ich möchte ehrlich zu dir sein, du verdienst es! Gedulde dich und lass mir noch ein wenig Zeit, ich kann dir nichts erzählen, noch nicht. Aber bald!"

Das klang sehr gut!

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