4. Ein anderes Leben

Er hätte schwören können, dass er am Vorabend anders eingeschlafen war, nicht hier, nicht so und vor allem allein. Aber ohne seine Augen zu öffnen, spürte er den warmen Körper neben sich, dicht an ihn gekuschelt, leise und gleichmäßig atmend. Es war ein seltsames Gefühl, fremd und doch wie immer. Er schlug die Augen auf und sah an die Decke, wartete darauf, dass seine Augen sich an das Licht gewöhnten. Er blinzelte, trotz dessen, dass das Licht nur gedämpft war, dauerte es einen Moment, bis er scharf sehen konnte. Das Licht des Wintermorgens wirkte anders als sonst, wie es durch die halbdurchsichtigen Gardienen am Fenster schien. Irgendwie erschien es ihm leuchtender und wärmer als sonst.

Sein Blick wanderte nun an seinem Körper hinab und an dem zweiten Körper, der unter den Laken dicht an ihn gekuschelt war. Er sah helle, makellose Haut und kastanienbraune Locken, die sich über seine nackte Brust verteilten, wie flüssige Schokolade auf Vanilleeis.
Angestrengt versuchte er sich zu erinnern, was geschehen war, wie er hier her gekommen war, beziehungsweise, immerhin war es sein Haus, wie die Frau in sein Bett kam. Irgendetwas in ihm sagte ihm aber, dass es normal wäre, dass sie neben ihm lag. Warum, das war ihm nicht klar. Welch seltsamer Morgen, dachte er. Warum kam ihm das alles so fremd vor? Hatte ihn jemand Obliviiert? Hatte er am Vortag zu viel getrunken? Wobei dafür der typische Kater fehlte. Was war hier los? Er erinnerte sich noch, dass er allein ein paar Gläser Whiskey getrunken hatte und dann, als er nach Hause wollte, in Miss Granger hineingerannt war. Wobei das nicht ganz richtig war, er hatte sie fast mit der Tür erschlagen. Sie hatte sich übergeben, direkt auf seine Schuhe, auch daran erinnerte er sich noch lebhaft und wie er sie nach Hause gebracht und umständlich ins Bett gesteckt hatte. Zu guter Letzt hatte er auch einen Schmerztrank für sie bereitgestellt und war, nachdem sie tief und fest schlief, wieder verschwunden. Aber war das wirklich erst gestern gewesen? Es kam ihm vor wie ein Traum, zu weit weg, wie etwas das Jahre zurück lag, an das man sich nur noch schemenhaft erinnert. Es konnte nicht erst gestern gewesen sein und wenn doch, wie kam er dann in genau diese Situation? Was war danach noch passiert? Er konnte sich nicht erinnern.
Severus beschloss die junge Frau zu wecken. Er erhob die linke Hand und stutzte für einen Moment. Ein goldener Ring blitzte an seinem Ringfinger auf. War er verheiratet? Ja, er war verheiratet, irgendetwas tauschte da in seinen Erinnerungen auf, aber er wusste gleichzeitig, dass das nicht stimmen konnte, was seltsam war, als wären zwei verschiedene Leben in seinem Kopf. Er war allein, er war immer allein gewesen und doch konnte er sich an eine Hochzeit erinnern. Mit gerunzelter Stirn fuhr er in seinem ursprünglichen Plan fort und rüttelte ein wenig an der Schulter der Frau, die seelenruhig schlief und deren Gesicht er nun gerne sehen würde. Vielleicht würde dann alles zurückkehren. Vielleicht würde dann alles Sinn ergeben. "Hey.. Miss? Sie müssen aufwachen", flüsterte er. Ein leises Grummeln, gefolgt von einem tiefen Seufzen war zu hören und er spürte das Vibrieren ihrer Brust an seinen Rippen. Langsam bewegte sie sich, strich mit der Hand über seine Brust, streckte die Beine und sah schließlich lächelnd zu ihm auf.

Ein Schock fuhr ihm durch den Körper und Panik zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.
Einige Male blinzelte er, fragte sich ob er halluzinierte oder gar träumte. Wie war sie in sein Bett gekommen. Und was hatten sie in der Nacht angestellt? Er fühlte, dass er eine Hose trug und er fühlte zusätzlich zwischen ihrem und seinem Körper Seide. Sie waren also angezogen. Aber wie kam sie hier her? Warum lag sie an ihn geschmiegt und warum lächelte sie ihn so herzerwärmend an, als wäre neben ihm wach zu werden das Normalste auf der Welt?
"Guten Morgen", flüsterte Hermine ihm zu, richtete sich etwas auf, stützte sich neben seinem Oberkörper auf die Ellenbogen und schob sich zu ihm hinauf. Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen, der ihn endlich aus seiner Schockstarre riss und sie verwirrt ansehen ließ.
"Was ist los, Liebster?", hörte er sie besorgt fragen, sah, wie sich eine Falte zwischen ihren Augenbrauen bildete, als sie die Hand ausstreckte und ihm durch die Haare strich, "Hast du schlecht geschlafen?"
"Was-", er wusste nicht, was er zuerst fragen sollte, griff nach ihrer Hand und löste sie aus seinem Haar. Wieder erstarrte er für einen Moment, als er auch an ihrem Finger einen goldenen Ring sah. Er war seinem sehr ähnlich, nur etwas schmaler.
Hermine Granger, die kleine Besserwisserin, Gryffindor und seine ehemalige Schülerin lag in seinem Bett. Welcher obskuren Fantasie entsprang dieses Bild? Vor allem wo sie doch scheinbar beide verheiratet waren. Oder, Merlin bewahre, waren sie etwa miteinander verheiratet? Warum sonst würde sie ihn 'Liebster' nennen? Wie konnte er nicht wissen, was hier geschah? Das musste doch ein Traum sein, dem war er sich nun fast sicher. Vermutlich hatte sein Alkoholumnebeltes Gehirn von der Begegnung mit ihr verrückt gespielt und bescherte ihm nun dieses absurde Bild. Er ließ ihr Handgelenk los und klopfte sich selbst mit der flachen Hand gegen die Wangen. Das Bild blieb, er wachte nicht auf.
"Hey", sie hielt seine Handgelenke fest, hinderte ihn daran sich weiter selbst zu schlagen und setzte sich auf, "Du machst mir Angst. Was ist denn los?"
Er sah in ihr besorgtes Gesicht, fühlte ihren warmen Blick in seinen dringen, dann, wie ein Stromstoß durchfuhr es ihn und er meinte wieder alles zu wissen. Das hier war wirklich seine Frau. Sie hatten vor einiger Zeit geheiratet und wohnten nun zusammen hier, im Haus seiner verstorbenen Eltern. "Ich- Ich glaube ich habe wirklich nur schlecht geträumt", stammelte er, sah zu, wie sich ihr Gesicht aufhellte. Ein Gefühl von Zuhause und Geborgenheit und Liebe durchzog ihn, je länger er sie ansah. Erneut fühlte es sich völlig normal an, aber ein kleiner Zweifel blieb in seinem Kopf zurück. Es kam ihm unwirklich vor. Aber warum? Er erinnerte sich doch, wie sie neben seinem Krankenbett gesessen hatte, als er nach der Schlacht und dem fast tödlichen Angriff von Nagini, erwachte. Wie sie ihm half wieder ins Leben zurückzukehren und seine Proteste und spitzen Worte geflissentlich ignorierte und wie sich irgendwann langsam verliebten. Dennoch kam ihm irgendetwas falsch vor.

Hermine sah derweil auf den Wecker und seufzte. "Selbst an Weihnachten kannst du nicht ausschlafen", lachte sie.
Weihnachten? Heute war Weihnachten? Wäre nicht heute erst der erste Advent?
"Ich mache uns mal Kaffee und Frühstück. Danach können wir es uns im Wohnzimmer gemütlich machen und die Geschenke auspacken", verkündete die zierliche Frau und schälte sich aus den Laken. Erstmals bekam er ihren Körper ganz zu sehen und er musste zugeben, dass sie wunderschön anzusehen war. Schlank und Kurven an genau den richtigen Stellen. Die helle, makellose Haut und die wilden Locken, die ihr inzwischen bis zur Mitte des Rückens reichten und den tiefen Rückenausschnitt des knappen weißen Nachthemdes fast komplett verdeckten. Sie langte nach einem Stück Stoff auf dem Boden, was sich als Oberteil eines seiner Pyjamas herausstellte und zog es sich über. Sie lächelte ihm noch einmal zu und verließ dann mit schwingenden Hüften das Schlafzimmer. Diese Frau war eine Augenweide geworden, fähig jeden Mann, der sie so sah, um den Verstand zu bringen. Wann war sie zu solch einer Schönheit herangereift? Und sie war sein? Das alles ging ihm nicht in den Kopf. Für einen Moment ließ er sich zurück in die Kissen sinken, sah nachdenklich an die Decke. Überlegte, warum ihm das alles so seltsam vorkam. Weil du sie nicht verdienst, schlug eine Stimme in seinem Kopf vor. Weil du kein Glück verdienst, setzte sie noch nach. Er nickte sich selbst zu. Ja, das stimmte. Er hatte nichts davon verdient, keinen Frieden, keine Liebe und schon gar nicht eine Frau wie sie. Zudem noch eine ehemalige Schülerin, eine Kriegsheldin, die intelligenteste junge Hexe ihres Jahrgangs, und viel zu gut für ihn. Welcher Teufel musste ihn geritten haben, das zuzulassen. Allein die Tatsache, dass er fast doppelt so alt war wie sie, machte das alles mehr als absurd. Er hatte sie sechs Jahre lang unterrichtet, hatte sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit runtergemacht und seine Machtposition als Lehrer ausgenutzt und jetzt hatte er sie auch noch geheiratet. Wie verdorben war er eigentlich? Wenn dies doch ein Traum war, dann ein sehr absurder. Aber im Zuge seines investigativen Wesens, beschloss er erstmal mitzuspielen, er würde schon herausfinden, was hier vor sich ging. Ob das nur eine Täuschung, ein Traum oder ein sonstiger blöder Streich war. Es würde jedenfalls nicht helfen, wenn er sich für Hermines empfinden wie ein dementer und verwirrter Mann aufführte. Er seufzte und schlug die Laken zurück, erhob sich aus dem Bett und schlurfte ins Bad. Dort sah er in den Spiegel und erkannte sich kaum selbst. Er sah so verändert aus, irgendwie jünger, mit kürzeren Haaren, so wie sie in seiner Jugend und im Studium gewesen waren. Seine Haut hatte einen wärmeren Ton angenommen, nicht mehr dieses ungesunde weiß, sondern eher wie Vanilleeis. Sein Blick glitt zum Waschbecken, auf dem er sich aufgestützt hatte. Auf dessen Ablage standen zwei Zahnputzbecher, einer mit einer grünen und einer mit einer gelben Zahnbürste, die sicher Hermine gehörte. Daneben fand er einen Cremetiegel, den er öffnete und daran roch. Zitronenmelisse und irgendetwas Blumiges, definitiv auch ihre. Er fuhr in seiner Durchsuchung fort, nichts wies darauf hin, dass Hermine erst seit kurzem bei ihm war, überall fand er Spuren ihrer Anwesenheit in seinem Haus. Ihre Kleidung im Schrank, dass Haarshampoo in der Dusche, ihre Schmuckschatulle auf der Kommode, ein Bild ihrer Eltern auf dem Nachttisch.

Irgendwas stimmt nicht mit dir, redete er sich selbst ein, warum kannst du dich an alles erinnern und gleichzeitig an nichts? Hatte jemand seine Erinnerungen manipuliert? Talentiert genug wäre sie dafür jedenfalls. Er musste noch mehr herausfinden.
Aus dem Kleiderschrank zog er sich eine schwarze Stoffhose und einen dunklen Pullover, aus der Kommode kramte er Socken und Unterwäsche und verzog sich ins Bad und dort unter die Dusche. Während das warme Wasser auf seinen Körper herabprasselte, ließ er die Gedanken weiter schweifen. Alles deutete darauf hin, dass dies ein ganz normaler Tag war, in seinem Leben nach dem Krieg, ein Leben, in dem er endlich frei war. Warum konnte er diesen Umstand nicht akzeptieren? Wenn er ehrlich war, dann hatte er doch offenbar alles, was sich ein Mensch wünschen konnte für sein Leben. Es herrschte Frieden, er hatte eine wunderschöne intelligente Frau an seiner Seite und heute war Weihnachten. Und genau das war der Punkt, der ihn stutzig machte, es war zu perfekt um wahr zu sein.

In seinen Gedanken versunken bekam er gar nicht mit, wie Hermine die Tür öffnete und hereinkam, sich ihres Nachthemdes entledigte und den Duschvorhang etwas beiseite schob. Erst als sie splitterfasernackt zu ihm in die Dusche stieg, kam er wieder im Hier und Jetzt an. Für einen Moment ergriff ihn Scham. Er war nicht gerade eine Augenweide. Seine Figur war zwar durchaus gut und er trieb regelmäßig Sport, aber seine Haut war übersät von Narben, die die Geschichte eines Lebens voller Leid erzählten und sicher den ein oder anderen Menschen abstoßen würden. Zudem war er ihr Lehrer gewesen, sie war für so viele Jahre seine Schutzbefohlene gewesen, als sie geboren wurde, hatte er bereits sein Studium angefangen. Es war moralisch verwerflich, verheiratet hin oder her. Dennoch konnte er sich nicht davon abhalten ihren Körper zu mustern, ihn ehrfürchtig anzustarren, wie das Werk eines alten Meisters. Aber besonders weit kam er mit seiner Bestandsaufnahme nicht, denn Hermine trat ohne Umschweife nah an ihn heran, schlang die Arme um seine Mitte und bettete den Kopf auf seiner Brust. Zuerst hatte er den Impuls die von sich zu stoßen, denn sie war ihm viel zu nah und dann noch unbekleidet, zudem zierte er sich ihren nackten Körper anzufassen, dazu kam noch eine leise Regung in bestimmten unteren Regionen, die ihm die Schamesröte ins Gesicht trieb. Sie war unglaublich attraktiv, und wie sie ihre nackten Brüste gegen seine Haut drückte und seine Mitte mit ihrer Hüfte streifte, brachte ihn fast um den Verstand. Hermine kicherte, als sie die besagte Regung zwischen seinen Beinen bemerkte. Ungeniert löste sie eine Hand von seinem Rücken und strich darüber, was ihm ein keuchen entlockte. Sofort versuchte er seinem Körper zu signalisieren, dass dies völlig unangebracht war und er es in keinster Weise genießen durfte, aber sein Körper gehorchte ihm nicht, er drängte sich ihr und ihrer Hand entgegen und seine Augen fielen zu. Ein Stöhnen entfleuchte seiner Kehle und ein dunkles Brummen, als sie sich in die Hocke begab und ihn mit ihren Lippen umfing, sanft mit den Händen an seinen Schenkeln auf und ab strich und seine beachtliche Härte immer wieder in ihre Mundhöhle gleiten ließ. Obwohl er wusste, dass er sich dafür hassen würde, konnte er ihr nicht widerstehen. Diese Frau war die Versuchung auf zwei Beinen und er tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie ja offensichtlich verheiratet waren und sie das alles freiwillig tat. Warum, das war ihm schleierhaft, aber es war auch nicht die Zeit darüber nachzudenken. Ergeben ließ er den Kopf in den Nacken fallen und griff erregt in ihr Haar, fühlte die Bewegungen ihres Kopfes, auf ihn zu und von ihm weg. Es war göttlich und viel zu lange her, dass er etwas derartiges gefühlt hatte, einer Frau so nah gewesen war. Wobei, ihm schob sich eine Erinnerung in den Kopf, von der er schwören konnte, dass sie nicht echt war, wie sie sich lustvoll unter ihm wandt. Wie er mit der Zunge ihre Brustwarzen neckte und sich immer wieder in ihr versenkte, bis sie beide ihre Erlösung fanden. Dieses Bild erregte ihn zunehmend und er warf nun wirklich alle Bedenken und Moral über Board, griff nach den Schultern der jungen Hexe, zog sie zu sich hinauf und presste seine Lippen verlangend auf ihre. Seine Hände wanderten zu ihrem wohlgeformten Hintern, kneteten ihn und kniffen leicht hinein. Seine Berührungen belohnten ihn mit einem genüsslichen Seufzen ihrerseits.
Seine Hände wanderten ein Stück tiefer, legten sich auf die Verbindungsstelle zwischen Po und Oberschenkeln und als wäre sie leicht wie eine Feder hob er sie hoch, automatisch schlang sie ihre Beine um seine Mitte und quietschte erschrocken auf, als sie die kalten Fliesen der Dusche im Rücken spürte, gegen die er sie drückte. Aber ihr kurzer Protest brach sogleich ab und wich wieder genussvollen Lauten, als er die Haut an ihrem Hals mit seinen Lippen attackierte, schließlich mit einer Hand zwischen sie griff und seine Männlichkeit in sie eindrang, sie immer wieder dehnte und in höhere Sphären erhob, bis sie irgendwann nicht mehr an sich halten konnte und alle Erregung über ihr zusammen brach und ihn mit sich zog.
Als er sie wieder auf ihre wackeligen Beine stellte zierten ihre Gesichter ein seliges Lächeln und er zog sie wieder an sich, genoss für einen Moment das warme Wasser, das auf seinen Rücken prasselte und die Weichheit ihrer Haut auf seiner. Es fühlte sich an, als gehöre sie genau dort hin, zu ihm, an seine Seite und in seine Arme. Für einen Moment vergaß er, dass er sich eben noch unwohl gefühlt hatte, mit ihrem nackten Körper an seinem, vergaß, dass das hier weder die Realität noch irgendein Zauber sein musste, denn nichts hatte sich je richtiger angefühlt.

Nach einer ausgiebigen Dusche fand er sich mit ihr in der Küche wieder, wo sie ein hervorragendes Frühstück gezaubert hatte. Pancakes mit Schokolade und Obst, Rührei, Brötchen und Speck. Dazu Kaffee und Orangensaft.
Ein wenig fühlte er sich wie in einer dieser furchtbaren Sitcoms der Muggel, wo alle ein Bilderbuchleben führten und alles einfach nur makellos war. So kam ihm der gesamte, durchaus noch junge Tag, bereits vor. Alles war irgendwie zu viel, zu leuchtend, zu schön, um wahr zu sein. Am liebsten wollte er sie fragen, ob dies ein normaler Tag für sie war, aber das käme ihm doch reichlich seltsam vor, immerhin hatte es sie schon irritiert, wie verwirrt er am Morgen war. Oder war dies ein abgekartetes Spiel? Hatte sie ihm diese Erinnerungen eingeimpft und spielte ihm das Eheglück nur vor? Aber welchen Grund hätte sie dafür? Würde sie nur heile Welt spielen wollen, dann sollte sie das mit Weasley machen, immerhin war er doch seit dem Weihnachtsball im vierten Jahr in sie verliebt gewesen.
"Hast du keinen Hunger?", fragte Hermine ihn und klang ein wenig gekränkt, dass er das Essen nicht anrührte. Als wolle sie testen, ob es ihm nur nicht schmeckte, nahm sie hastig einen Bissen von ihrem Pancake, seufzte genüsslich und runzelte die Stirn. Ihr schien es wohl zu schmecken.
Ihm kam das alles hier reichlich kafkaesk vor. Er konnte sich rational nicht daran erinnern jemals in seinem Leben wirklich etwas wie diesen Tag erlebt zu haben. Da war keine derartig vollkommene Harmonie gewesen. Aber das stimmte nicht, oder? Wieder schoben sich Bilder in seinen Kopf, Hermine in einem bezaubernden, schlichten, weißen Kleid und Schleierkraut im Haar, eine Strauß aus Pfingstrosen in der Hand, wie sie langsam und überglücklich lächelnd auf ihn zukam. Auf dieses Bild folgte eines von ihnen in einer gemütlichen Hütte, aneinander gekuschelt auf dem Sofa, jeweils ein Buch in der Hand, ein knisterndes Feuer im Kamin und bedächtig fallender Schnee vor dem Fenster. Er schüttelte den Kopf. Diese Bilder waren so real, wie all seine anderen Erinnerungen, genauso lebendig, ebenso wie diese an den Schmerz seine Mutter zu verlieren, an Folter durch den dunklen Lord und die Erinnerungen an Lily und seine Kindheit. Er konnte keinen Unterschied feststellen, dennoch war er sich sicher, dass diese Erinnerungen nicht echt waren. Dass er das alles nie wirklich erlebt hatte.

"Was ist los?", fragte Hermine besorgt und mit Nachdruck, legte ihr Besteck beiseite, stand von ihrem Stuhl auf und trat zu ihm. Als sie ihre Hände an seine Wangen legte durchflutete ihn ein Gefühl von Zuneigung und Geborgenheit, eine Wärme, die sich ausgehend von ihren Händen durch seinen ganzen Körper fraß. Es war unleugbar, dass er die Frau vor sich liebte und wenn er nicht schon komplett verwirrt wäre, wäre er es durch diese Erkenntnis umso mehr.
"Ich- Irgendwie bin ich heute ein wenig durcheinander", gestand er ihr, sah sie flehend an, als könne sie ihm eine Antwort auf all seine Fragen geben. Als könnte sie sie erahnen und ihm das alles nehmen.
"Was ist es, was dich verunsichert?", fragte sie verwundert, legte den Kopf ein wenig schräg, sah ihn mit diesem verständnisvollen Blick an, den sie sonst immer nur für ihre Freunde übrig hatte. Ernsthaft, was wollte sie von ihm?
"Du liebst mich?", fragte er das erste was ihm in den Sinn kam und was ihm am schleierhaftesten war. Warum zum Teufel war sie so freundlich zu ihm, suchte seine nähe, gab sich ihm hin. Er war kein guter Mann, das wusste sie, aber warum sah sie ihn dann an, als gäbe es für sie keinen liebenswerteren Menschen auf der Welt als ihn.
Ihr Blick wurde, soweit das noch möglich war, noch weicher. Sie bedeutete ihm mit dem Stuhl ein wenig vom Tisch anzurücken, was er auch tat und setzte sich auf seinen Schoß, als wäre es die normalste Sache der Welt. Ein wenig versteifte er sich, bis ihm einfiel, dass eine ehemalige Schülerin auf seinem Schoß sitzen zu haben, nicht das verwerflichste war, was er an diesem Tag getan hatte. Er hatte mit ihr geschlafen, welche Steigerung sollte es da noch geben? Richtig, erinnerte er sich selbst, ich habe sie offenbar geheiratet.
"Ja, Severus Snape, ich liebe dich", hauchte sie ihm entgegen, unterstrich die Worte mit einem flüchtigen Kuss auf seine Lippen, riss ihn aus seinen wirren Gedanken.
"Warum?", fragte er schlicht und völlig überwältigt von ihrer Aussage. Sie kicherte, schüttelte verwirrt von seiner Frage den Kopf. "Weil du der mutigste, loyalste, klügste und liebevollste Mann bist, den ich kenne. Aber das weißt du doch", meinte sie bestimmt, legte die Arme um seinen Hals und strich durch die Haare in seinem Nacken.
"Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich weiß", meinte er zweifelnd. Ihre Nähe trug nicht gerade zu einem klaren Gedanken bei. "Ich habe dich so viele Jahre unmöglich behandelt, habe dich und deine Freunde allein dafür bestraft, dass ihr existiert, ich war ein Todesser, ich-", zählte er auf, wurde dann aber von ihr unterbrochen.
"Ja, du warst!", stellte sie klar, "Sev, wir haben darüber schon so oft gesprochen. Wo kommen diese Zweifel auf einmal wieder her?", fragte sie, "Ist es wegen Weihnachten?"
"Warum sollte es deswegen sein?", stellte er eine Gegenfrage.
"Ich weiß, dass dir das Fest nicht in guter Erinnerung war, bevor der Krieg vorbei war. Aber ich dachte du.. Ich dachte das liegt hinter dir." Sie war nun ehrlich besorgt, das konnte er fühlen.
"Nein, das ist es nicht", meinte er, wobei sie schon recht hatte. Weihnachten war nie besonders schön gewesen. Sein Vater hatte diesen Tag immer als Möglichkeit gesehen, sich noch hemmungsloser zu betrinken, als sonst. Immerhin musste er über die Feiertage nicht arbeiten. Aus gerade diesem Grund, glich das Weihnachtsfest für ihn immer einem Spießrutenlauf. Keine Sekunde, außer wenn er schlief, hatte er Ruhe vor ihm gehabt. Immer hatte er seine abwertenden Sprüche, seinen stechenden Blick und mit unter auch seine Prügel einstecken müssen. Seine Mutter hatte irgendwann, auf sein Drängen hin, aufgehört dazwischen zu gehen, um selbst nicht auch noch in sein Blickfeld zu geraten. Denn auch vor ihr machte seine Grausamkeit nicht halt. Warum sie trotz allem bei ihm blieb, war ihm immer ein Rätsel gewesen. Vielleicht aus Trotz ihren Eltern gegenüber, die sie wegen der Heirat ausgestoßen hatten, wer wusste das schon. Er zwang sich die Erinnerung zu verdrängen und konzentrierte sich wieder auf die Frau vor sich. Was sollte er ihr sagen, wie sollte er ihr erklären, wie er sich fühlte. Wie konnte er rausfinden, ob all das hier überhaupt real war. "Ich kann einfach nicht glauben, dass du über all das hinwegsehen kannst", gab er zu. "Auch nach all den Jahren nicht?", fragte sie, lächelte nun wieder ein wenig, "Ich habe es dir in den letzten sechs Jahren immer wieder gesagt und ich werde es bis zu unserem Lebensende tun, wenn es nötig ist. Du bist nicht so wie du denkst. Du musstest so sein um zu überleben. Und ich verstehe das. Ich sehe dich, so wie du wirklich bist und das ist genug, mehr als genug." Erneut beugte sie sich vor, legte ihre Lippen auf seine, diesmal aber nicht nur flüchtig, sondern intensiv, wie ein Versprechen. Ein Versprechen, dass sie ewig an seiner Seite sein würde und ihm helfen würde, die Dämonen der Vergangenheit hinter sich zu lassen, ihm nur Liebe und Verständnis entgegenzubringen, was viel mehr war, als er jemals dachte zu verdienen.

Als sie sich von ihm löste und ihn ansah, hatte er das Gefühl als könne sie wirklich ihn sehen, könnte bis in seine Seele blicken und sie liebte, was sie sah. Ihn überkam der Wunsch genau das zu sein, was sie glaubte zu sehen. Er wollte genau der Mann sein, der eine solche Frau wie sie verdienen würde. Es kam ihm absurd vor, dass er sie immer verachtet hatte. Dass er sie und ihre besserwisserische Art, ihr Helfersyndrom, als störend empfunden hatte. Er brauchte jemanden wie sie, es war, als würde sich seine geschundene Seele danach sehnen, nach ihr sehnen. Als wollte sie dadurch wieder ganz werden. Er beschloss es darauf ankommen zu lassen. Was auch immer das hier war, es fühlte sich unendlich gut an. Es war wie Balsam für seine tiefen seelischen Wunden und er würde es zulassen. Wohin es ihn auch führen mochte. Selbst wenn sie ihn verhext haben sollte, das war in dem Moment egal. Er schob seine Hände von ihren Hüften ihren Körper hinauf, beobachtete jede Regung in ihrem Gesicht. Sah, wie ihre Augen aufzuleuchten schienen und sich ein herzerwärmendes Strahlen auf ihre Züge legte. Als seine Hände an ihren Wangen angekommen war, war er es, der die Initiative ergriff, der sie zu sich zog und verlangend küsste, wie ein ertrinkender, dem man einen rettenden Ring zuwarf.

Am Ende war das Frühstück kalt, aber bereuen tat das keiner von beiden. Sie schlangen dennoch den kalten Pancake hinunter und in dieser Atmosphäre kam es ihm doch wie das Köstlichste vor, was er jemals gegessen hatte. Nach dem Essen spülten sie gemeinsam das Geschirr und Hermine zog ihn ins Wohnzimmer. Mit jeder Minute die verging, schwand sein Zweifel an der Wahrhaftigkeit dieser Situation. Fast als wollte er nicht mehr Zweifeln, als wolle er wirklich, dass es wahr wäre. Er entzündete ein Feuer im Kamin und mit einem Wink ihres Zauberstabes fingen die Lichter am Tannenbaum an zu funkeln. Es war gemütlich, wie ein echtes Zuhause, mehr als es das Zeit seines Lebens jemals war. Aber es war nicht die Dekoration, die ihm dieses Gefühl gab, es war Hermine, ihre bloße Gegenwart verwandelte das Haus, das ihm sonst so kalt vorgekommen war, in ein Zuhause.
Er setzte sich zu ihr auf die Couch, ließ es zu, dass sie sich an ihn kuschelte und einfach den Moment genoss. Zufrieden den Baum ansah, sich vom Feuer wärmen ließ, der die Kälte der Nacht langsam aus dem Zimmer vertrieb. Er wusste nicht, wie lange sie so dasaßen und nur die Nähe genossen, es konnten Minuten, oder auch Stunden sein. Ganz egal, es war genug.
"Willst du deine Geschenke auspacken?", fragte sie nach einiger Zeit, in der sie nur still dagesessen hatten. "Geschenke?", fragte er. Niemals, abgesehen von seiner Mutter und Albus' fürchterlichen selbstgestrickten Socken, die das gesamte Kollegium traditionell bis zu seinem Tod erhalten hatte, hatte ihm jemals jemand etwas geschenkt, nicht einmal Lily. "Natürlich", lachte sie, "Was wäre ich für eine Ehefrau, wenn ich dir nichts besorgt hätte." Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und sprang leichtfüßig von der Couch auf und auf den Baum zu. Einen Moment suchte sie, dann kam sie mit einem kleinen, grün eingeschlagenem Päckchen wieder, was sie ihm aufgeregt entgegen hielt. Er lächelte sie dankbar an und löste dann vorsichtig das Papier. Ein kleines, alt aussehendes Holzkästchen kam zum Vorschein und er hob bedächtig den Deckel. Im inneren fand er Watte vor und darauf eine antik aussehende Taschenuhr. Vorsichtig nahm er sie aus der Schachtel und öffnete die Verschlussklappe und erhaschte einen Blick auf das dahinter liegende Uhrwerk und die Innenseite des Verschlusses. Omnia vincit Amor, konnte er dort lesen. "Liebe überwindet alles", flüsterte er und Hermine legte eine Hand auf seine.
"Auch die Vergangenheit und die hässlichsten Dämonen, die schwärzeste Nacht", sagte sie und lächelte, "Die Uhr hat meinem Großvater gehört, sie ist das einzige, was ich noch von ihm habe. Du weißt ja, wie sehr ich an ihm gehangen habe. Jetzt möchte ich, dass du sie bekommst. Und vielleicht eines Tages unser Sohn oder unsere Tochter." Wie sie das sagte, sah er auf und beobachtete wie eine Hand zu ihrem Bauch wanderte und sanft darüber strich. Er war wie von Donner gerührt. Was wollte sie ihm sagen? Wollte sie ihm zu sämtlichem Schock des heutigen Tages auch noch mitteilen, dass er Vater werden würde? Jetzt war er sich sicher, dass er träumen musste. "Du-?", er wusste nicht was er sagen sollte. Er sollte Vater werden? Welch grausamer Streich war das? Es konnte nicht wahr sein. Niemals konnte er so viel Glück erleben. Denn er war sich sicher, dass es das war, was sich da in ihm ausbreitete, ein Glücksgefühl. Vollkommenes Glück. Wie sollte es möglich sein, dass er an einem Tag all seine Wünsche, die er als Kind einmal hatte erfüllt bekam? "Ja, wir werden Eltern", hauchte sie selig.

Bevor er aber noch irgendetwas dazu sagen konnte oder er dieses Gefühl in sich einordnen konnte, ertönte ein lauter Knall, ließ ihn zusammen und in seinem Bett in die Höhe fahren.

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