28. In unseren wildesten Träumen

Nervös sah Hermine in das Denkarium vor sich. Sie hatte sich damit in ihr Zimmer zurückgezogen, während alle anderen noch ihre heiße Schokolade austranken oder sich bereits um den Vortritt im Bad stritten, um sich für das Essen zurecht zu machen. Welchen Traum würde die Phiole wohl enthalten? Langsam entkorkte sie sie und gab die Fäden in die klare Flüssigkeit des Denkariums. Sie holte tief Luft und tauchte in die Erinnerung ein.

Sie befand sich im Festsaal des Ministeriums. Es sah nach dem jährlichen Weihnachtsball aus, zu dem sie auch jedes Jahr eine Einladung erhielt und jedes Jahr war sie allein dort hingegangen. Nur Arthur, Harry, George und Ron hatten ab und an mit ihr getanzt und sonst hatte sie sich damit begnügen müssen, ihren Freunden beim Tanzen zuzusehen. Sie hatte diese Veranstaltung immer gehasst, denn sie zeigte ihr nur jedes Jahr wieder, wie allein sie tatsächlich war. Auch dieses Jahr würde es am zweiten Weihnachtstag, also morgen, diesen Ball geben und wieder wäre sie allein. Aber nicht so in dieser Erinnerung, denn sie konnte sich tanzend zwischen den Paaren ausmachen. Sie trat näher und sah auf sich und Severus, die komplett in den Augen des Anderen versunken waren. Sie hatte diese Träume noch nie aus dieser Perspektive gesehen, sie noch nie von außen betrachtet. Denn als sie bemerkt hatte, dass eine Erinnerung fehlte, hatte sie sich nicht damit aufgehalten, sie sich der Reihe nach nochmal im Denkarium anzusehen, sondern sie direkt zurück in ihren Kopf gesteckt, wo sie sicher waren.
Sich selbst so mit ihm zu sehen war schmerzhaft, sie wirkten glücklich und in gewisser Weise sahen sie wirklich gut zusammen aus. Sie sahen aus wie Yin und Yang, wie zwei Gegensätze, die zusammen aber ein stimmiges Ganzes ergaben. Ihre leicht gebräunte Haut gegen seine Blässe und das helle, fast weiße Kleid, das sie trug, gegen seinen schwarzen Anzug - ihre weichen Bewegungen im Kontrast zu seinen präzisen und eher steifen Bewegungen. Dennoch fiel ihr auf, dass Severus ein sehr viel besserer Tänzer war, als sie es war. Seine Bewegungen wirkten trotz der steifen Haltung ganz natürlich, wo hingegen ihre eher ungeübt wirkten, eingerostet. Dabei hatte sie früher viel und gerne getanzt, vor allem im Wohnzimmer mit ihrem Vater.
"Du tanzt gut", sagte Severus zu Hermine und drehte sie einmal um sich selbst.
"Und du lügst gut", gab sie belustigt zurück, schielte kurz auf ihre Füße, bevor sie ihm wieder in die Augen sah.
"Und du bist die hübscheste hier", fuhr er fort.
"Jetzt weiß ich, dass du lügst", gab Hermine kichernd zurück, versteckte ihr Gesicht an seiner Brust.
Wie sehr wünschte Hermine sich, dass es auf dem Ball morgen genauso wäre wie in diesem Traum.
Severus löste die Hand an ihrem Schulterblatt und legte sie unter Hermines Kinn, sodass sie wieder zu ihm aufsehen musste. "Für mich bist du das schönste Wesen im gesamten Universum", schwor er ihr und sie konnte sehen, wie sie selbst unter seinen Worten dahinschmolz. Wie könnte sie auch nicht, bei diesen Worten? Was würde sie dafür geben, diese Worte wirklich einmal von ihm zu hören?
"Du bist das beste Weihnachtsgeschenk, das ich jemals bekommen habe", hörte sie sich selbst sagen und sah, wie sie sich ihm entgegenstreckte. Er kam ihr ganz selbstverständlich entgegen und küsste sie sanft, schlang die Arme um ihren zarten Körper. Sie hatten aufgehört zu tanzen und offensichtlich auch alles Andere um sich herum vergessen. Tränen traten in Hermines Augen. Sie konnte sich das hier nicht weiter ansehen, sie wollte auch gar nicht wissen, wie es weiterging. Das hier war einer ihrer Träume, auch wenn sie sich nicht mehr aktiv an genau diesen erinnerte und mehr musste sie nicht wissen. Es würde reichen, dass sie sich wieder daran erinnerte, wenn er wieder in ihrem Kopf war. Aber sie konnte ihn  so nicht  noch einmal durchleben, sich das alles von außen ansehen, das hielt ihr Herz einfach nicht aus. Es schmerzte ohnehin schon, also zwang sie sich, sich abzuwenden und aus dem Denkarium wieder aufzutauchen.

Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und atmete geräuschvoll ein und aus, versuchte sich wieder zu beruhigen. Dass es so sehr weh tun würde, das hatte sie nicht erwartet. Wie konnte ihr bis vorgestern nicht aufgefallen sein, wie tief ihre Gefühle wirklich waren? Weil ich mich selbst einfach zu gut belogen habe. Dabei hatte sie nie ein großes Talent für das Lügen gehabt, aber ob man sich selbst oder Andere belog waren offensichtlich zwei verschiedene paar Schuhe. Sie zog ihren Zauberstab und löste damit die Erinnerungsfäden aus dem Denkarium, dann flüsterte sie leise die Zauberformel und führte den Zauberstab an ihre rechte Schläfe. Es war ein seltsames Gefühl, als die Erinnerung sich wieder in ihr Gedächtnis einflocht, viel seltsamer als all die Male davor, auch dauerte der Prozess so viel länger als sonst, bis sie wieder Zugriff auf diese Erinnerung hatte. Irgendwas war diesmal anders, aber warum? Es dauerte noch einige Sekunden, bis die Erinnerung sich eingenistet hatte und plötzlich erkannte sie den Fehler. Denn mit der Erinnerung kamen nicht nur die Bilder, sondern auch die Gefühle zurück und diese Gefühle passten nicht zu ihren, sie waren anders, fühlten sich fremd an, als würden sie nicht zu ihr gehören und als sie die Augen schloss und die Bilder vor ihrem inneren Auge herauf beschwor, sah sie nicht Severus' Gesicht vor sich, sondern ihr eigenes. Ein Gefühl von grenzenloser Zuneigung durchströmte sie, dazu ein Hauch von Zweifel, aber auch Dankbarkeit. Sie ließ sich weiter auf die Gefühle ein, versuchte ihren Ursprung zu ergründen, aber sie hatte nur bedingt Zugriff darauf, denn sie gehörten tatsächlich nicht zu ihr, daher fehlte ihr die parallele zu anderen Gedanken, Erinnerungen und Gefühlen. Sonderbar, dachte sie und fragte sich, was diese Erinnerung so verfälscht haben konnte. Hatte derjenige, der sie gestohlen hatte, sie verändert? Aber wie war das möglich? Konnte man überhaupt die Erinnerungen eines Anderen derart verändern? Das konnte doch nur derjenige selbst, oder nicht? War es dann überhaupt ihre eigene Erinnerung? Natürlich, das muss sie sein, niemand sonst.. Und dann kam ihr ein Gedanke, der sie erzittern ließ.  Was wenn das hier wirklich nicht ihre eigene Erinnerung an diesen Traum war, was, wenn sie Severus gehörte? Was wenn das, was sie fühlte, seine Gefühle waren und dass es seine Augen waren, durch die sie sich nun selbst sah? Oh mein Gott. Sie glitt tiefer in die Erinnerung, fühlte den Stoff ihres Kleides unter seinen Händen, die Wärme ihres Körpers an seinem und fühlte wieder diese tiefe Zuneigung und fast schon Ehrfurcht, als er in ihre Augen sah. Sie spürte die Freude, als er sie über seine Worte kichern sah und spürte diesen tiefen Zweifel in sich, als sie ihm gesagt hatte, dass er das beste Weihnachtsgeschenk wäre, das sie je bekommen hatte. Aber das Gefühl wich sofort, als er die Augen schloss und sie ihren Kuss auf seinen Lippen fühlte. Es war wie ein Inferno, ein Feuersturm der in ihr wütete und den ganzen Körper erfasste. Keuchend öffnete sie wieder die Augen, fühlte noch dieses sengende Verlangen in sich nachhallen, das eindeutig nicht ihr eigenes war, ihrem aber sehr ähnlich war, wenn sie an andere Träume aus früheren Nächten dachte. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken und sie musste sich erst einmal setzen. Hatte sie gerade wirklich durch seine Augen gesehen? Hatte sie wirklich seine Gefühle für sie gespürt? Bedeutete das, dass er die ganze Zeit die gleichen Träume hatte wie sie? Bedeutete das, dass er womöglich nun ebenfalls fühlte, was sie fühlte? Wie sie das dachte weiteten sich ihre Augen. Bei Merlin, nein! Wenn ich seine Erinnerung habe.. Hat er dann womöglich meine bekommen? Was wenn die Träume nicht das gleiche in ihm ausgelöst hatten wie in ihr? Würde er wissen, dass sie auch in der Realität so für ihn fühlte? Würde er ahnen, dass sie vorgestern von ihm gesprochen hatte? Sie musste mit Ginny sprechen, sie würde sonst noch durchdrehen. Mit wackeligen Knien stand sie auf und lief zur Tür, davor stand bereits Ginny, eine durchsichtige Kleiderhülle in der Hand. "Du bist schon fertig?", fragte sie überrascht, "Ich wollte dich nicht stören, nur das Kleid für morgen an deine Tür hängen, bevor Albus oder James.." Ginny stockte mitten im Satz als sie Hermines Reaktion auf das Kleid sah. Sie war kreidebleich.
"Ist etwas falsch mit dem Kleid?", fragte sie unsicher und sah Hermine besorgt an. Hermine schüttelte den Kopf, konnte nur das Kleid in der Hülle anstarren, das einen so besonderen Schnitt hatte, dass es kein Zufall sein konnte. Es war bodenlang und leicht körperbetont mit nur einem Träger und einem Schlitz am Bein, der bis zum Knie reichen würde, dazu kamen die feinen elfenbeinfarbenen Stickereien am Oberteil. Das kann doch nicht.. Nein, das ist jetzt einfach zu viel, dachte sie. Es war das selbe Kleid, das sie gerade in ihrem Traum getragen hatte. Wie konnte das möglich sein? Sie hatte Ginny gebeten, ihr ein Kleid von sich zu leihen, damit sie sich nicht extra ein neues würde kaufen müssen und ihr dabei die freie Auswahl gelassen, welches sie ihr mitbrachte. Und dann war es genau das? Sie hatte das nicht einmal selbst unterbewusst beeinflussen können, zudem kannte sie dieses Kleid überhaupt nicht, Ginny hatte es nie in ihrer Gegenwart getragen. Ihr kam wieder die Situation mit Severus in den Sinn, als ihr Streit genau so verlief wie in ihrem Traum, bis auf ein wichtiges Detail. Waren diese Träume also vielleicht doch so etwas wie eine Version der Zukunft? Wäre der Streit vielleicht anders ausgegangen, hätte sie nicht dazu entscheiden wegzulaufen? "Hermine?", fragte Ginny wieder besorgt, als sie noch immer nicht reagierte. "Ich.. Oh mein Gott, ich muss mit Severus sprechen", brachte sie hervor und wollte sich schon kurzentschlossen an Ginny vorbeidrängen, als sie sie zurück hielt.
"Im Pyjama?", fragte sie belustigt und erst jetzt fiel Hermine auf, dass sie sich noch nicht umgezogen hatte. Nein, so wollte sie Severus dann doch nicht unter die Augen treten. Aber sie musste mit ihm sprechen, am liebsten sofort, daran führte kein Weg vorbei.
Auf dem Absatz drehte sie sich um und stürzte wieder ins Zimmer und wühlte in ihrer Reisetasche nach dem Strickkleid, dass sie für heute eingepackt hatte. Ginny folgte ihr, hängte das Ballkleid von innen an die Tür und schloss diese, damit Hermine sich in Ruhe umziehen konnte.
"Was zum Teufel hat sich durch diese Erinnerung verändert?", fragte Ginny und deutete auf das Denkarium.
"Alles", stieß sie hervor, "Einfach alles. Es ist nicht meine Erinnerung, es ist seine."
"Seine..", murmelte Ginny verwirrt, "Oh Merlin, du meinst die von Snape? Und du glaubst er hat nun deine?"
"Es muss so sein", sagte Hermine, warf das dunkelrote Stickkleid auf ihr Bett und schälte sich ihren Pyjama in Windeseile vom Körper und zog danach die schwarze Strumpfhose über die Füße, "Aber es ist die gleiche, Ginny! Er hat die gleichen Träume, anders kann man es nicht erklären."
"Moment.. Er träumt auch von dir?", fragte sie überwältigt, "Aber Mine, was wenn.."
"Das muss ich eben herausfinden", sagte sie gehetzt und zog sich das Kleid über den Kopf, zerzauste den unordentlichen Dutt von vorher nur noch mehr. Sie fluchte etwas Unverständliches vor sich hin und versuchte das Haarband aus den strubbeligen Haaren zu lösen. "Komm lass mich, sonst reißt du dir noch büschelweise die Haare aus", sagte Ginny kichernd und trat hinter sie, entwirrte mit geschickten Fingern ihre Haare und schließlich auch das Haarband. Dann zog sie ihren Zauberstab und richtete sie auf das Chaos auf Hermines Kopf. Die Struktur ihrer Haare wurde seidiger und die Locken fielen ihr wieder definiert über die Schultern. "Danke, Ginny", bedankte sie sich überschwänglich und schlüpfte schon in ihre Schuhe, die sie sich passend zu dem Kleid eingepackt hatte - schwarze, flache Lederhalbschuhe zum Schnüren, in die kleine Muster hineingegerbt waren.
"Okay, jetzt schnapp dir deinen Professor", lachte Ginny und schob sie zur Tür, "Ich werde mich um Mum kümmern."
"Vielen, vielen Dank", sagte sie noch einmal, stürmte die Treppe hinunter. Den Zauberstab bereits gezogen, riss sie ihren Mantel von der Garderobe und war keine drei Sekunden später schon zur Tür raus.
"Wo ist Mine denn so plötzlich hin?", fragte Ron perplex, der nur die Tür hinter ihr zufallen gesehen hatte.
"Ihren Freund abholen", sagte Ginny und grinste in sich hinein.

*

Sein schwarzer Umhang bauschte sich hinter ihm auf, als er den verschneiten Weg nach Hogsmeade hinunter stürmte. Heute war der seltsamste Morgen in seinem ganzen Leben gewesen. Und seit er diese Träume hatte, waren sie schon seltsam genug. Nicht nur, dass der Traum diesmal anders war, immerhin hatte er auch nach dem Erwachen noch diese Stimme gehört, die ihm Mut zusprach, nein, er hatte zudem auch, wie er dachte, überraschend seine gestohlene Erinnerung zurück bekommen. Verpackt wie ein Weihnachtsgeschenk lag sie auf seinem Couchtisch im Wohnzimmer. Was diese Erinnerung ihm aber eröffnete, damit hatte er nie im Leben gerechnet. Die ganz Zeit über hatte er sich getäuscht, dabei lag die Wahrheit direkt vor ihm. Diese Träume waren die ganze Zeit so viel mehr, als er sich erlaubt hatte zu glauben - und zu wissen, dass Hermine sie ebenfalls hatte, hatte schließlich alles verändert. Sich selbst durch ihre Augen zu sehen, zu fühlen, was sie gefühlt hatte und zu denken, was sie gedacht hatte, hatte ihn nachhaltig erschüttert. Er musste nun jedes ihrer Worte und Taten neu bewerten, hatte er doch mit einer anderen Ausgangssituation gerechnet. Auch jetzt noch hatte er Angst, immerhin kannte sie nun vermutlich auch seine Gedanken und Gefühle aus dem Traum, aber die Art und Weise wie sie ihn gesehen hatte, gab ihm Mut. Außerdem musste er immer wieder an ihre Worte in dem Traum von letzter Nacht denken. Würde er jetzt nicht zu ihr gehen und mutig sein, würde er es vielleicht irgendwann bereuen. Wenn er als alter Mann, voller bedauern, sterben würde und er diese Chance vertan hätte, das würde er sich nie verzeihen. Sie würde jetzt bei den Weasleys sein und der Gedanke, dort in die Feierlichkeiten hineinzuplatzen, war nicht besonders ermutigend für sein Vorhaben, aber es konnte auch nicht länger warten. Er musste Klarheit haben, er musste sie sehen, in ihre Augen blicken und dann würde er hoffentlich alles verstehen.
Die ersten Häuser von Hogsmeade waren hinter den Baumkronen zu sehen und kaum, dass sein Fuß die gepflasterte Straße berührt hatte, fühlte er, dass die Schutzzauber um Hogwarts nicht mehr bis hierher reichten und ohne zu zögern drehte er sich auf der Stelle.

Er landete hundert Meter vor dem Fuchsbau, der auch nach so vielen Jahren noch durch ähnliche Schutzzauber wie Hogwarts geschützt wurde und wurde unvermittelt durch einen starken Rempler und einen erschrockenen Ausruf begrüßt. Ganz automatisch legte er leicht die Hände um die Schultern der Person, die in ihn hineingerannt war und bewahrte sie beide davor das Gleichgewicht zu verlieren. Ein Blick nach unten und er war überrascht, dass es gerade Hermine war, die mit einem Affenzahn in ihn hineingerannt war. Ein leichtes Lächeln bildete sich auf seinen Zügen, hatte doch ein solcher Zusammenstoß damals doch erst alles ins Rollen gebracht und gleichzeitig war er erleichtert, nicht bei den Weasleys an die Tür klopfen zu müssen.
"Severus", flüsterte sie, als auch sie aufblickte und ihr Blick sich in seinen verhakte.
"Wolltest du-", setzte sie an, sich fragend, was wohl in seinem Kopf vor ging.
"Ich wollte zu dir", beantwortete er ihre angefangene Frage.
"Und ich wollte zu dir", gab sie zu und würden ihre Hände nicht noch an seiner Brust ruhen, würden sie jetzt sicher anfangen zu zittern. Ihr Herz schlug wie wild in ihrer Brust und sie konnte spüren, dass es ihm nicht anders ging. Auch er schien irgendwie aufgeregt, aber das konnte auch vom Apparieren stammen. Auch jetzt noch hatte sie Angst wirklich an ihre Theorie zu glauben, auch wenn der Beweis als Erinnerung in ihrem Kopf herumschwirrte.
"Was wolltest du von mir?", fragte sie und sie beide bemerkten gar nicht, dass sie sich noch immer in dieser halben Umarmung befanden.
"Ich muss etwas wissen", eröffnete er ihr.
"Und was?", wollte sie mit zittriger Stimme wissen.
"Ob ich mich vielleicht gleich lächerlich mache", brachte er heraus und wollte noch etwas sagen, als sie ihn lächelnd unterbrach.
"Es liegt dir sicher fern, dich lächerlich zu machen. Ich weiß nicht einmal ob du dazu in der Lage wärst."
"Dieses Mal liegt es aber nicht in meinen Händen", sagte er. "Deine Erinnerung.. Ging es dabei um mich?", brachte er nun schließlich nervös heraus und Hermine musste allen Mut zusammenfassen um zu nicken. "Du hast sie gesehen", stellte sie fest.
"Nicht nur das", konkretisierte er, "Ich habe durch deine Augen gesehen."
"Es war ein Traum..", begann sie, war drauf und dran sich aus der Sache rauszureden, denn auch jetzt noch hatte sie Angst. Sie konnte es nicht erklären, warum sie wieder davor zurückschreckte, obwohl sie es so sehr ersehnte. "Auch Träume können der Wahrheit entsprechen", übernahm er es nun mutig zu sein, "Meine tun es inzwischen." Dieses Geständnis war nicht einfach für ihn, aber die fremde Stimme in seinem Kopf, die er bereits heute Morgen gehört hatte, hatte ihm den letzten Mut gegeben. Hermines Augen weiteten sich und er wusste nun, dass sie tatsächlich, ebenso wie er die Ihre, seine Erinnerung gesehen hatte. Es war alles wahr, sie hatten die ganze Zeit über die selben Träume gehabt. Aber was dachte sie darüber? Anders als er? Würde sie sich ihm nun wieder entziehen und all der Mut, den er hatte aufbringen müssen, war umsonst gewesen?
Sein Geständnis hatte eine Flut an Emotionen in ihrem Inneren ausgelöst und es verschlug ihr die Sprache. Die ganze Zeit über hatte sie das tatsächlich alles falsch verstanden. Er fühlte genauso. Sie dachte an den Weihnachtsball aus ihren Träumen und daran, dass dieser Traum nun wahr werden könnte, ebenso wie all die anderen und sie wollte nicht mehr als das.
"Wie steht es um deine Träume?", fragte er zweifelnd, als sie nicht reagierte und ihn nur weiter wie ein Reh im Scheinwerferlicht ansah. Hermines Emotionen kochten über und die Tränen schossen ihr in die Augen. Sie konnte es noch immer nicht fassen, dass die Erfüllung all ihrer Träume nun offen vor ihr lag, zum Greifen nah, sie müsste nur endlich ihre Sprache wiederfinden. Aber kein Mucks kam über ihre Lippen.
"Wenn du nicht so fühlst, dann sag es mir und ich werde sie auch nie wieder ansprechen, wenn du das wünschst. Ich kann das aushalten..", versprach er ihr und wusste selbst, dass es eine Lüge war.
"Sie sind wahr", kam es schließlich endlich geflüstert über ihre Lippen und sie spürte unter ihren Fingern, dass Severus' Herzschlag sich beschleunigte. "Es tat so weh das zu begreifen und zu glauben, dass du nicht so fühlst", erklärte sie und senkte den Blick auf ihre Finger auf seiner Brust. Eine warme Hand legte sich an ihre Wange, brachte sie dazu ihn wieder anzusehen.
"Ich hatte Angst", gestand er ihr, "Was solltest du auch an mir- Ich dachte einfach, nach allem was war, dass du mich niemals lieben könntest."
"Gerade nach allem was war", sagte sie nun mit festerer Stimme, "Ist es so viel einfacher dich zu lieben." Ohne Vorwarnung trafen seine Lippen stürmisch auf ihre und ihnen beiden war sofort klar, dass ihr Mut sich ausgezahlt hatte. Der Kuss war so verzweifelt und so voller Leidenschaft, erzählte vom Sehnen der letzten Tage und Hermine wünschte sich, er würde niemals wieder enden. Es fühlte sich so richtig an, seine Lippen nun auch tatsächlich zu spüren und zu wissen, dass eine wunderbare Zukunft vor ihnen lag, in der ihre wildesten Träume wahr werden könnten. Dennoch musste der Kuss irgendwann einmal enden und Severus Daumen strich sanft über ihre Wange. 
"Jetzt bleibt nur noch eine kleine Sache", sagte Hermine, sah ihn mit glühendem Blick an.
"Deine Lüge wahr zu machen?", fragte er grinsend und entlockte ihr ein leises Kichern. Erneut trafen seine Lippen ihre, diesmal sanft und wie ein Versprechen. Dieses Jahr würde sie nicht allein am Kindertisch sitzen, sondern der Mann den sie liebte neben ihr und so würde es ab jetzt jedes Jahr sein. Sie hatte ihr Gegenstück gefunden und würde es nie wieder gehen lassen.

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