23. Déjà vu
"Granger!", rief Snape und Hermine konnte schon an seinem Tonfall ablesen, dass er wütend war und als sie den Blick von ihren Unterrichtsaufzeichnungen hob, um ihn anzusehen, während er quer durch den Klassenraum auf sie zu stürmte, konnte sie den Ärger auch offen in seinen Zügen lesen. Aber nicht nur er war wütend, auch sie war es. Wütend und verletzt, sollte wirklich er es gewesen sein, der ihre Erinnerung gestohlen hatte. "Severus", seufzte sie, "Was ist es diesmal?" Sie wollte erst einmal allgemein bleiben, vielleicht war er ja gerade deswegen wütend, weil er den Inhalt der Erinnerung kannte. Außerdem ärgerte es sie immer noch wie er sie zuletzt behandelt hatte. Sie hatte all ihre Erinnerungen nun wieder in ihrem Kopf, aber sie wusste trotzdem nicht welche genau fehlte. Dennoch hatte sie sie dort belassen, sie konnte nicht riskieren, dass noch eine verschwand. Die ganze Liebe die sie nun wieder durch die Träume für ihn fühlte, machte den potentiellen Verrat nur noch schmerzhafter.
"Das wissen Sie ganz genau!", fauchte Snape dunkel, baute sich vor ihr auf, stützte die Hände auf ihrem Pult auf und beugte sich ihr entgegen. Er wirkte bedrohlich, wie er sie von oben herab musterte, so dominant und er war damit eindeutig in der stärkeren Position. Unter anderen Umständen wäre sie dadurch wohl eingeknickt, aber sie straffte die Schultern, erhob sich, brachte sich auf Augenhöhe und sah ihn ungerührt an.
"Offensichtlich weiß ich es nicht", gab sie unbeteiligt und ein wenig herausfordernd zurück, verschränkte die Arme vor der Brust. Sie wusste, dass sie ihn damit wütend machen würde, aber vielleicht war das auch besser so.
"Stellen Sie sich nicht dumm, Granger, das passt nicht zu Ihnen", fuhr er sie an.
"Wie es in den Wald hineinruft, Severus", gab sie kühl zurück, "Ich denke du weißt wie es weitergeht."
Seine Augen wurden zu Schlitzen und er wirkte nun noch bedrohlicher als vorher, soweit dies überhaupt noch möglich war. Sie kannte diesen Gesichtsausdruck aus ihrer Schulzeit und darauf war nie etwas Gutes gefolgt. Dennoch funkelte sie ihn weiter herausfordernd an.
"Sie haben-", begann er, aber sie fuhr ihm dazwischen.
"DU! 'Du hast..' Hör auf mich wieder wie eine deiner Schüler zu behandeln!", forderte sie wütend, "Ich bin keine fünfzehn mehr und ich hasse es, dass du plötzlich wieder so tust als ob!"
"Und ich hasse es, wenn man einfach in meine Privatsphäre eindringt!", fuhr er sie aufgebracht an, "Dazu hattest du kein Recht!"
"Du aber schon?", schoss sie nun im Gegenzug zurück.
"Wann bitte habe ich deine Privatsphäre verletzt?", spie er ihr genervt entgegen. Das kann nicht sein Ernst sein!
"Wie bitte?", rief Hermine aus, "Jetzt stellst du dich dümmer als du bist!"
"Es liegt mir fern mich als dumm darzustellen", teilte er ihr mit, "Du solltest wissen, dass ich das nicht tue."
"Oh ja, ich vergaß, du bist immer gerne der Schlauste im Raum!", spottete sie.
"Und in den meisten Fällen will ich das nicht nur, sondern bin es tatsächlich, also erklär dich", forderte er sie ungeduldig auf.
"Du weißt es tatsächlich nicht", stellte sie plötzlich überrascht fest und sie fühlte wie die Wut abebbte. Aber wenn er es nicht war, wer war es dann?
"Offensichtlich nicht", stellte er klar.
"Aber du redest schon davon, dass ich dein Labor benutzt habe, oder?", fragte sie perplex.
"Mein- Wie bitte? Du warst in meinem Labor?", fragte er verwirrt.
"Bist du nicht deswegen wütend? Weil ich nicht um Erlaubnis gebeten habe?", fragte sie, "Ich habe mir einige Phiolen- Aber das ist ja jetzt auch egal."
Es sah aus als wollte Severus etwas sagen, tat es dann aber doch nicht. Sicher wollte er nicht zugeben, dass der Umstand, dass sie sein Heiligtum ohne zu Fragen betreten hatte, nicht einmal aufgefallen war.
"Wenn es nicht das ist-", begann Hermine, "-wovon sprichst du dann?"
"Du zuerst!", forderte er plötzlich wieder aufgebracht. Er verbirgt etwas, aber was?, fragte Hermine sich. Es schien ihm unangenehm zu sein, als wollte er es nicht zugeben. Allein das machte sie nur noch neugieriger.
"Nein", meinte sie entschieden, "Wenn du nicht- Ich wollte nicht, dass du es weißt, da werde ich es dir jetzt sicher nicht sagen", beharrte sie.
"Dabei redest du doch so gerne mit mir", stichelte Snape und so wie er das sagte verletzte es Hermine. Das hatte sie in Hogsmeade zu ihm gesagt, nachdem sie sich gegenseitig sehr persönliche Dinge anvertraut hatten. Und offensichtlich bedeutete ihm das nun nichts mehr.
"Es ist einfach Selbstschutz", gab sie zurück.
Snape runzelte die Stirn, er schien über etwas nachzudenken, dann ging ein Ruck durch ihn, er umrundete den Schreibtisch, bis er nur noch einen Handbreit von ihr entfernt stand. Sein Geruch erreichte sie und sie musste sich zusammenreißen ihn nicht genießerisch einzuatmen. Aber kam diese Reaktion von ihr selbst oder hatten das nun wieder die Träume zu verantworten?
"Sag es", seine Stimme war ruhiger geworden, samten, fast betörend und er tat das ganz bewusst. Augenblicklich fühlte sie ein Kribbeln in sich und dass ihr Herz schneller schlug. Aber sie rief sich zur Ordnung und wie sie sich dazu zwang, traf es sie wie ein Vorschlaghammer, wie ein Déjà vu. Sie hatte das hier schon einmal erlebt, genau so, allerdings nicht in wachem Zustand. In einem ihrer Träume war es genauso abgelaufen und sie musste sich stark zusammenreißen nicht zu zittern als sie daran dachte, wie der Traum geendet hatte. Es war der eine Traum gewesen, in dem sie nicht die Handlungsgewalt hatte, wo sie wie ferngesteuert gehandelt hatte. Diese Situation würde nicht so enden wie die im Traum, oder? Das war unmöglich!
"Du willst mir deins doch auch nicht sagen", hauchte sie nun fast schon und ihr ganzer Körper kribbelte aufgeregt. Seine plötzliche Nähe ließ ihr Innerstes nach wie vor verrückt spielen, die Erinnerung an den Traum tat ihr Übriges.
"Nicht bevor du mir deins sagst", gab er entschieden zurück, drang mit den Augen tief in ihre ein, schickte damit einen Schauer über ihren Körper.
Sie waren in einer Pattsituation gelandet, irgendjemand musste nun nachgeben. Seit heute morgen hatte er die Träume wieder und so nah bei ihr zu stehen ließ seinen Puls sich überschlagen. Es hatte einige Zeit gedauert, bis ihm aufgefallen war, dass er diese Situation in seinen Träumen schonmal erlebt hatte. Erst als sie von Selbstschutz sprach, hatte er es bemerkt. Und nun musste er wissen, ob diese Träume vielleicht doch so etwas wie die Zukunft zeigten. Dennoch war er auch wütend. Sie war die Einzige, die wusste, dass er sein Denkarium wieder benutzte und es fehlte eine der Erinnerungen und es wäre nicht das erste Mal, dass sie sich zu seinen Privaträumen unerlaubt Zutritt verschafft hatte. Aber wenn er an die Träume dachte und daran glauben würde, dass sie die Zukunft zeigten, dann verurteilte er sie gerade zu unrecht.
"Eine Erinnerung-", gestand sie schließlich, "sie fehlt." Severus Herz schlug ihm nun bis zum Hals. Es war bisher wirklich wie in seinem Traum. Und wenn ihr wirklich ebenfalls eine Erinnerung fehlte- Dieser Zufall war einfach zu groß. Immerhin hatte er ihre Erinnerung nicht gestohlen. Vielleicht war es bei ihnen beiden dieselbe Person. Aber wer?
"Worum ging es in dieser Erinnerung?", fragte Severus eindringlich. Im Gegensatz zu ihr schien er auf etwas hinauszuwollen, als ahnte er etwas, was sie noch nicht durchblickte. Dann erinnerte sie sich an weitere Einzelheiten des Traumes. Auch er hatte von einer verschwundenen Erinnerung gesprochen. War es möglich..
"Nein, jetzt bist du wieder dran", forderte sie aufgeregt. Wenn er nun sagen würde, es wäre eine Erinnerung.. Würde es bedeuten, dass die Träume tatsächlich die Zukunft zeigten? War es möglich, dass dieselbe Person sie beide bestohlen hatte und das ein abgekartetes Spiel war?
"Auch mir fehlt eine Erinnerung", gab er widerwillig zu, "Also, worum ging es in deiner." Sie atmete schwer und langgezogen aus. Oh mein Gott!
Sie hatte das Gefühl als wäre er ihr unbemerkt noch näher gekommen, was ihre Fähigkeit klar zu denken erheblich beeinträchtigte und das kam nicht oft vor. Bedeutete das Verschwinden ihrer Erinnerungen vielleicht sogar, dass sie die gleichen Träume hatten? Nein, diese Erinnerung könnte alles sein. Und offensichtlich hat er weder meine noch habe ich seine entwendet. Er weiß nicht, was meine Erinnerung enthielt und dabei soll es bleiben!
"Schämst du dich für deine Erinnerung?", fragte er dunkel und sie konnte seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht fühlen. Nein, sie schämte sich keineswegs für die Erinnerung, aber sie wäre dennoch niemals in der Lage ihm die Wahrheit darüber zu sagen, sie war dafür viel zu feige. Sie musste erst wissen, was er in seiner Erinnerung verbarg. Ihr war inzwischen egal ob sie sich an ihre Antworten aus dem Traum hielt, sie war ohnehin zu aufgeregt um sich noch weiter daran zu erinnern.
"Schämst du dich für deine?", gab sie nur interessiert zurück und er schien für einen Moment aus dem Konzept gebracht, bevor sein Blick anfing zu glühen und sein Mund sich leicht zu einem Grinsen verzog. Auch er konnte nun nicht mehr daran denken, ob der Traum und diese Situation eins zu eins zusammen passten, zu sehr lenkte ihre bloße Nähe ihn ab.
"Miss Granger, habe ich Ihnen je Anlass dazu gegeben, zu glauben, dass ich mich für irgendetwas schäme?", fragte er herausfordernd und sie fühlte wie sich die Stimmung verändert hatte; irgendwie aufgeladen, knisternd. Nachdem er das gesagt hatte, hatte sie zuerst gedacht, dass dem tatsächlich so wäre, ihr fiel zuerst kein Moment ein, da er sich je für irgendetwas, was er tat, offen geschämt hatte. Sie war sich sicher, dass er nicht frei von Scham war, aber er hatte es nie gezeigt. Doch dann schob sich eine Erinnerung in ihr Gedächtnis und es war nun an ihr triumphierend zu Grinsen, obwohl es sie gleichermaßen wieder wütend machte.
"Ja, mir fällt da ein Moment ein", rieb sie ihm unter die Nase.
"Tatsächlich?", fragte er mit einer Spur Überraschung in der Stimme.
"Es war dir mehr als peinlich, dass ich dich verletzlich gesehen habe", ließ sie ihn nicht ohne einen Hauch von Ärger wissen, "Du hast es gut versteckt, hinter deiner kalten, hämischen Art, aber du hast dich geschämt.. damals im Sankt Mungos."
"Habe ich das? Oder war ich es damals nur leid von meiner Schülerin bemuttert zu werden?", spielte er den Ball ohne mit der Wimper zu zucken zurück. Auch jetzt verbarg er es gut, aber sie kannte ihn inzwischen gut genug, dass ihr das kleine Flackern in seinem Blick nicht entgangen war. Es war ihm unangenehm, dass sie ihn durchschaut hatte.
"Nein, es war definitiv Scham", beharrte sie.
"Dennoch bedeutet das nicht, dass ich mich auch hierfür schäme", relativierte er ihre Aussage.
"Dann kannst du es mir ja sagen", hauchte sie und ihr Ton ließ ihn wissen, dass sie genau darauf hinaus gewollt hatte, sie hatte ihn ausgespielt. Es geschah selten, dass dies jemandem gelang und schon gar nicht ihr. Und ihm wurde plötzlich klar, dass er in die selbe Falle wie im Traum getappt war. Er hatte nicht einmal mehr darüber nachgedacht und unterbewusst wieder so gehandelt wie im Traum. Er hätte sich nicht so ablenken lassen dürfen! Ohne es selbst zu merken, hatte sich Severus noch weiter zu ihr gebeugt, ihre Nasenspitzen waren keine zehn Zentimeter mehr voneinander entfernt. Er versuchte einen distanzierten Gesichtsausdruck nach außen zu tragen und kramte in seinem Gehirn nach einer schlagfertigen Antwort, das konnte Hermine sehen, sie hatte ihn tatsächlich überrumpelt, genauso wie damals im Traum. Gleichzeitig bewies ihr diese Tatsache aber auch, dass sie nicht beide solche Träume haben konnten, denn hätte auch er hiervon geträumt, wäre er nie in die Falle getappt. Es musste in seiner Erinnerung also tatsächlich um etwas Anderes gehen. Aber Severus so nah vor sich zu haben ließ nun auch ihr Gehirn vollends aussetzen. Die Träume waren so präsent für sie, der Severus vor ihr war nicht der, den sie eigentlich begehrte, dennoch schlug ihr Herz wie nach einem Dauerlauf. Es war, als läge ein Prickeln in der Luft. Sie wollte den Kopf zurück ziehen, wollte Abstand zwischen sie bringen, auch wenn er es sicher als Aufgeben interpretieren würde, aber sie konnte das hier nicht. Die Grenze zwischen Traum und Realität schien wieder zu verschwimmen, vor allem da sie jetzt wusste, dass er sie nicht hintergangen hatte und das durfte auf keinen Fall geschehen. Aber sie konnte nicht reagieren, ihr Körper gehorchte ihr nicht. Stattdessen dachte sie nun wieder daran, was im Traum geschehen war und ganz von allein huschte ihr Blick zu seinen Lippen, die einen kleinen Spalt geöffnet waren, die so einladend aussahen. Dann wanderte ihr Blick wieder zu seinen Augen, die ihr noch nie so warm vorgekommen waren. Sie hatte immer gedacht sie wären schwarz, wie bodenlose Abgründe, aber sie waren von einem warmen, dunklen Braun, mit hellen bronzenen Sprenkeln um die Pupille.
Severus war der Blick auf seine Lippen nicht entgangen, ebenso konnte er sich der Anziehung, die sie auf ihn ausübte nicht entziehen. Er wusste, was im Traum nun geschehen war und gleichzeitig ersehnte er es und lehnte es ab. Er hatte Angst. Das hier war die Realität - gefährliches Terrain. Alles was jetzt geschah, wäre nicht beim Aufwachen nicht mehr wahr. Aber sie wollte es auch, oder nicht? Der Blick war eindeutig gewesen, oder nicht? Fühlte sie doch etwas? Selbst ohne die Träume hatte er sich zuletzt zu ihr hingezogen gefühlt, sollte er dem jetzt also nachgeben? Sollte er dieses Risiko eingehen? Sollte er es riskieren sich ein zweites Mal in seinem Leben ohne Sinn und Verstand zu verlieben, einer Frau sein Herz zu öffnen und ihr damit die Chance geben es zu zerreißen? War es das wert?
Hermine fühlte, dass irgenetwas in Severus rumorte, dass er mit sich kämpfte. Aber worum? Was ging in seinem Kopf vor? Warum entzog er sich nicht? Warum war er ihr immer noch so nah? Würde gleich tatsächlich das geschehen, was in den Träumen geschehen war? Aber er hatte ihr nie auch mur ansatzweise zu verstehen gegeben, dass er sie auf diese Art mochte. Eher das Gegenteil. Aber ihr wurde nun klar, dass sie sie es tat. Sie hatte sich in ihn verliebt, den echten Snape - nicht den Traum - ohne es zu wollen. Ohne es kontrollieren zu können und selbst ohne die Erinnerung an die Träume hatte sie es gespürt, dass da etwas war, das sie zu ihm hinzog. Aber er fühlte nicht das gleiche. Ihr Herz flatterte in ihrer Brust, ließ ihren Atem und die Hände zittrig werden, als ihr das alles komplett bewusst wurde. Sie liebte ihn, aber er würde sie niemals lieben. Denn wäre es anders, dann wäre doch bereits das geschehen, was auch im Traum geschah. Außerdem musste er ihren Blick gesehen haben, er musste ahnen, was sie wollte, aber er tat es nicht - weil er sie nicht wollte. Diese Erkenntnis tat weh, mehr als sie es sollte. Also musste sie hier weg, weg von ihm und dieser Situation, in der er ihr so nah war. Sie brauchte Abstand. Mehr Anstand als diese Gemäuer es zuließen. Noch bevor Severus seinen inneren Konflikt beendet hatte, seufzte sie tief, drehte sich auf dem Absatz um und floh regelrecht aus dem Klassenraum und ließ ihn zweifelnd zurück.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top