13. Rückkehr nach Hogwarts

Severus sah sich mit Willow noch einmal in den Räumen um, die einmal Horace Slughorn gehört hatten und die nun bald Hermine Granger bewohnen würde. Bereits morgen würde sie zurückkehren und er wusste nicht, was er diesbezüglich fühlte. Natürlich hatten die Träume nicht aufgehört, so oft er auch versucht hatte sie zurückzudrängen, aber wenn sie kamen, hatte er sich doch jedes Mal wieder in sie hineinfallen lassen, als hätte er plötzlich nicht mehr die Kraft sich dagegen zu wehren. Aber sicher würde er sich bald wünschen, er hätte die Kraft dazu gehabt. Diese Aufgabe von Minerva und dazu noch die Träume hatten sie viel zu präsent in seinen Gedanken gemacht, die ihn nun auch tagsüber nie ganz losließen. Immer wieder gab es kleine Details in seinem Tagesablauf, die ihn an sie denken ließen, oder jedenfalls die Traumversion von ihr. Dass Willow im Zuge ihrer Umgestaltung zusätzlich immer wieder seine Einschätzung zu bestimmten Dingen wie Farben und Stoffen haben wollte und forderte, sich in sie hineinzuversetzen, war auch nicht gerade hilfreich dabei gewesen. Am liebsten hätte er der kleinen Elfe gesagt, wie schwer sie es ihm damit machte, wenn sie sie immer wieder in seine Gedanken holte, aber er war davor zurückgeschreckt, ihr diese Schwäche zu offenbaren. Er war einer der besten Okklumentiker die es gab, er war im Stande gewesen den dunklen Lord auszusperren, einen der mächtigsten und dunkelsten Zauberer die es jemals gab, aber die Gedanken an sie konnte er nicht aussperren. Was sagte das also über seine Fähigkeiten aus? Wobei das viel größere Problem nicht seine Fähigkeiten sondern sein Herz war. Ohne es zu wollen, hatte er sich langsam aber sicher an sie gewöhnt, an ihre permanente Präsenz in seinen Träumen und seinen Gedanken und es fiel ihm zunehmends schwerer es zu leugnen, aber er hatte sich in dieses Bild von ihr, dass er in seinem Geist von ihr gezeichnet hatte, dass seine Träume von ihr heraufbeschworen hatten, verliebt. Dieses Gefühl, das in ihm aufstieg, wenn sie ihm im Traum begegnete und das auch nach dem Aufwachen noch in ihm nachhallte und sich immer wieder manifestierte, wenn er an die Träume zurückdachte, hatte er seit fast achtundzwanzig Jahren nicht mehr gefühlt, hatte nicht gewusst, dass er überhaupt noch dazu fähig war, es zu fühlen. Aber es war eindeutig und nicht mehr von der Hand zu weisen, so sehr es ihm auch missfiel.
"Ich hoffe es gefällt der Miss", sagte Willow, zupfte ein beiges Zierkissen auf der Couch zurecht.
"Du hast ganze Arbeit geleistet", sagte er anerkennend, "Sicher wird Miss Granger es mögen."
"Die neue Professorin ist Miss Hermine Granger?", fragte die Elfe plötzlich ganz aufgeregt, sodas selbst ihre Ohren leicht schlackerten, "Miss Granger ist es, die Sie nicht mehr loslässt in letzter Zeit?"
"Ja", gab er zu, "kennst du sie?"
"Willow glaubt kaum, dass jemand sie nicht kennt. Gerade, wenn er oder sie jemand wie ich ist. Sie hat für uns, die von den Zauberern immer als minderwertig angesehen wurden, gekämpft. Leider haben es wohl einige als Beleidigung aufgefasst. Aber für Willow ist sie eine Heldin."
"Also hast du sie kennengelernt?", konkretisierte er seine Frage, überlegte wie lange sie eigentlich breites in Hogwarts arbeitete.
"Nein, Willow hat die Miss nie getroffen", antwortete die Elfe, "Willow war damals noch sehr jung, als die Miss hier zur Schule ging und hat damals noch einer anderen Familie gedient."
Er sah das kleine Wesen lange an, fragte sich wie alt sie wirklich war. Den meisten Hauselfen sah man ihr Alter nicht an. Selbst Hauselfen die mit fast zweihundert Jahren fast das Ende ihrer durchschnittlichen Lebenserwartung erreichten, konnten trotz ihres leicht faltigen Gesichts noch sehr jung aussehen, ebenso verhielt es sich wohl mit sehr jungen Hauselfen, die durch ihre natürliche Physis viel älter wirkten als sie eigentlich waren. Zudem hatte er sie nie danach gefragt, wie sie befreit worden war und wie sie schließlich nach Hogwarts kam.
"Wie alt bist du?", fragte er sie daher und hoffte, dass er damit nicht etwas gefragt hatte, was eine Hauselfe beleidigen würde.
"Willow ist vor kurzem nunundzwanzig Jahre alt geworden", teilte sie ihm ohne zu zögern mit.
"Dann warst du erst zwölf, als Her- Miss Granger hier eingeschult wurde. Und du hast da schon einer Familie gedient?", fragte er überrascht. Er wusste zwar, dass für Hauselfen das Dienen einer Zaubererfamile über allem stand, aber dass sie so jung war, kam ihm furchtbar vor. Er konnte sich noch lebhaft an die Nörgeleien der Hauselfen erinnern, als Hermine versucht hatte sie alle zu befreien und damals hatte er es lustig gefunden, dass sie dafür sogar einen Verein gegründet hatte, aber jetzt wo er das von Willow hörte, kam es ihm keinesfalls mehr lächerlich vor. Sie war ein Kind gewesen und hatte bereits gearbeitet und ihr komplettes Sein aufgegeben, das kam ihm mehr als grausam vor.
"Nun, Willow hat mit ihrer Mutter zusammen für die ihr zugeteilte Familie gearbeitet. Sie ist noch immer bei dieser Familie und hat es nie verstanden, dass Willow, nachdem sie von Miss Grangers Bestreben durch andere Hauselfen gehört hatte, frei sein wollte. Sie nannte Willow eine Schande", berichtete sie ihm mit hängenden Ohren. Wie er sie so ansah tat sie ihm leid und er suchte fieberhaft in seinem Gehirn nach etwas, was er sagen konnte, damit es ihr besser ging. Ihm fiel nur eins ein und er hatte das bisher nicht vielen Menschen erzählt.
"Mein Vater hat das gleiche über mich gesagt, als klar wurde, dass ich ein Zauberer war. Ich verstehe dich, besser als du glaubst. Ich für meinen Teil denke, dass es mutig war und du keineswegs eine Schande bist", versuchte er sie zu trösten. Aber wie sehr er die kleine Hauselfe damit rührte, konnte er nicht einmal ahnen, nich einmal, als sie an ihn heran trat und sein Bein, das einzige Körperteil, das sie mit ihrer Größe von ihm erreichen konnte, umarmte.

*

Der Traum war diesmal anders, dachte Hermine als sie am Morgen ihrer Abreise nach Hogwarts aufwachte. Generell war kein Traum wie der Andere, sie schienen unzusammenhängend, immer ein anderer Ausschnitt eines ganzen Lebens, nie chronologisch aufeinander aufbauende Träume, aber doch war der Traum dieser Nacht nochmal eine komplett andere Kategorie von anders. In dieser Nacht hatte sie davon geträumt, wie die Beziehung zwischen dem Snape aus den Träumen und ihr selbst entstanden war. Begonnen hatte der Traum überraschenderweise sehr unharmonisch, was einen harten Kontrast zu all den anderen Träumen darstellte. Wobei unharmonisch dabei noch ein Euphemismus war, denn sie hatten gestritten und diesmal war sie nicht wie in allen anderen Träumen selbst diejenige, die die Kontrolle hatte, sondern wie ferngesteuert, die Worte, die aus ihrem Mund kamen waren nicht ihre eigenen, sondern die ihres Traumselbst, das war bisher anders gewesen. Erst ab einem bestimmten Punkt hatte sie die Kontrolle wieder zurückerlangt und sie fragte sich, warum dies so war. Sie ließ sich erneut in die Erinnerung an diesen Traum ziehen, ging ihn nochmal Wort für Wort, Aktion um Reaktion durch, um zu ergründen, was diesen Unterschied hervorgerufen haben könnte.

"Granger!", rief Snape und Hermine konnte schon an seinem Tonfall ablesen, dass er wütend war und als sie den Blick von ihren Unterrichtsaufzeichnungen hob, um ihn anzusehen, während er quer durch den Klassenraum auf sie zustürmte, konnte sie den Ärger auch offen in seinen Zügen lesen. Sie wollte fragen, was ihn aufgebracht hatte, aber kein Wort kam aus ihrem Mund, stattdessen antwortete ihr Traumselbst, ohne dass sie Einfluss darauf hatte. "Severus", seufzte sie, "Was ist es diesmal?" Die Stimme klang etwas genervt, was sie überraschte. Nie hätte sie früher so mit ihm gesprochen. Und seit wann duzte sie ihn, wo er sie doch offensichtlich sizte? Aber ihr Traumselbst schien es zu wissen, sie konnte aber nicht auf dieses Wissen zugreifen. Als wäre sie nur ein Beobachter, nicht selbst beteiligt.
"Das wissen Sie ganz genau!", fauchte Snape dunkel, baute sich vor ihr auf, stützte die Hände auf ohrem Pult auf und beugte sich ihr entgegen. Er wirkte bedrohlich, wie er sie von oben herab musterte, so dominant und er war damit eindeutig in der stärkeren Position. Unter normalen Umständen wäre sie dadurch eingeknickt, aber ihr Traumselbst straffte die Schultern, erhob sich, brachte sich auf Augenhöhe und sah ihn ungerührt an.
"Offensichtlich weiß ich es nicht", gab sie unbeteiligt und ein wenig herausfordernd zurück, verschränkte die Arme vor der Brust.
Was tat sie da? Das würde ihn doch erst recht wütend machen.
"Stellen Sie sich nicht dumm, Granger, das passt nicht zu Ihnen", fuhr er sie an.
"Wie es in den Wald hineinruft, Severus", gab sie kühl zurück, "Ich denke du weißt wie es weitergeht."
Seine Augen wurden zu Schlitzen und er wirkte nun noch bedrohlicher als vorher, soweit dies überhaupt noch möglich war. Sie kannte diesen Gesichtsausdruck aus ihrer Schulzeit und darauf war nie etwas Gutes gefolgt. Sie wollte sich entschuldigen für ihre Respektlosigkeit, ihn irgendwie besänftigen, aber ihr Körper gehorchte nicht, stattdessen funkelte sie ihn weiter herausfordernd an.
"Sie haben-", begann er, aber sie fihr ihm dazwischen.
"DU! 'Du hast..' Hör auf mich wie eine deiner Schüler zu behandeln!", forderte sie wütend, "Ich bin keine fünfzehn mehr und ich hasse es, dass du plötzlich wieder so tust als ob!"
"Und ich hasse es, wenn man einfach in meine Privatsphäre eindringt!", fuhr er sie aufgebracht an, "Dazu hattest du kein Recht!"
"Du aber schon?", fuhr sie ihn nun im Gegenzug an. Und Hermine hatte keine Ahnung wovon beide sprachen, was war hier nur los?
"Wann bitte habe ich deine Privatsphäre verletzt?", spie er ihr genervt entgegen. Auch er schien keine Ahnung zu haben, was ihr Traumselbst meinte.
"Wie bitte?", rief Hermine aus, "Jetzt stellst du dich dümmer als du bist!"
"Es liegt mir fern mich als dumm darzustellen", teilte er ihr mit, "Du solltest wissen, dass ich das nicht tue."
"Oh ja, ich vergaß, du bist immer gerne der Schlauste im Raum!", spottete sie.
"Und in den meisten Fällen will ich das nicht nur, sondern bin es tatsächlich, also erklär dich", forderte er sie ungeduldig auf.
"Du weißt es tatsächlich nicht", stellte ihr Traumselbst plötzlich überrascht fest und sie fühlte wie die Wut abebbte.
"Offensichtlich nicht", stellte er klar.
"Aber du redest schon davon, dass ich dein Labor benutzt habe, oder?", fragte sie perplex.
"Mein- Wie bitte? Du warst in meinem Labor?", fragte er verwirrt.
"Bist du nicht deswegen wütend? Weil ich nicht um Erlaubnis gebeten habe?", fragte sie.
Es sah aus als wollte Snape etwas sagen, tat es dann aber nicht. Sicher wollte er nicht zugeben, dass der Umstand, dass ihr Traumselbst sein Heiligtum ohne zu Fragen genutzt hatte, nicht einmal aufgefallen war.
"Wenn es nicht das ist-", begann Hermine, "-wovon sprichst du dann?"
"Du zuerst!", forderte er plötzlich wieder aufgebracht. Er verbirgt etwas, aber was?, fragte Hermine sich. Es schien ihm unangenehm zu sein, als wollte er es nicht zugeben. Jetzt wo ihr Traumselbst nicht wusste, was er dachte, dass sie es nun wüsste. Höchst seltsam.
"Nein", meinte sie entschieden. Auch sie selbst schien etwas verbergen zu wollen. "Wenn du nicht- Ich wollte nicht, dass du es weißt, da werde ich es dir jetzt sicher nicht sagen", beharrte sie.
"Dabei redest du doch so gerne mit mir", stichelte Snape und offensichtlich bezog er sich auf etwas, was sie einmal zu ihm gesagt hatte, seit sie zusammen in Hogwarts arbeiteten.
"Es ist einfach Selbstschutz", gab sie zurück.
Snape runzelte die Stirn, er schien über etwas nachzudenken, dann ging ein Ruck durch ihn, er umrundete den Schreibtisch, bis er nur noch einen Handbreit von ihr entfernt stand. Sein Geruch erreichte sie und sie musste sich zusammenreißen ihn nicht genießerisch einzuatmen, sich dadurch nicht zu sehr an die Träume zu erinnern. Aber kam diese Reaktion von ihr selbst oder ihrer Traumversion? Aber wie konnte man im Traum Träume haben? Also kam es vielleicht doch von ihr selbst.
"Sag es", seine Stimme war ruhiger geworden, samten, fast betörend. Augenblicklich fühlte sie ein Kribbeln in sich und dass ihr Herz schneller schlug. Aber sie rief sich zur Ordnung.
"Du willst mir deins doch auch nicht sagen", hauchte sie fast schon. Seine plötzliche Nähe ließ ihr Innerstes verrückt spielen.
"Nicht bevor du mir deins sagst", gab er entschieden zurück, drang mit den Augen tief in ihre ein, schickte damit einen Schauer über ihren Körper. Sie waren in einer Pattsituation gelandet, irgendjemand musste nun nachgeben.
"Eine Erinnerung-", gestand sie, "sie fehlt."
Hermine war komplett verwirrt durch die Worte ihrer Traumversion, wie konnte ihr eine Erinnerung fehlen? Und wenn das der Fall war, warum wusste sie das sie fehlte? Das ergab keinen Sinn. Es sei denn, kam es ihr in den Sinn, sie benutzte ein Denkarium. So musste es sein, ansonsten ergäbe diese Aussage keinen Sinn.
"Worum ging es in dieser Erinnerung?", fragte Severus eindringlich. Im Gegensatz zu ihr schien er zu wissen, worauf sie anspielte.
"Nein, jetzt bist du wieder dran", forderte ihre Traumversion.
"Auch mir fehlt eine Erinnerung", gab er widerwillig zu, "Also, worum ging es in deiner."
Sie hatte das Gefühl als wäre er ihr unbemerkt noch näher gekommen, was ihre Fähigkeit klar zu denken erheblich beeinträchtigte und das kam nicht oft vor. Die Tatsache, dass sie dies nun registrierte, machte sie stutzig, immerhin war sie bis eben irgendwie von ihrem Körper abgekoppelt gewesen, aber jetzt wusste sie was geschehen war und sie wurde abrupt rot. Sie hatte eine der Träume als Erinnerung im Denkarium abgelegt und diese, so war ihr gestern aufgefallen, war nun verschwunden. Außer ihm und Minerva wusste niemand von dem Denkarium also hatte sie als erstes ihn im Verdacht gehabt, denn die Schulleiterin würde wohl kaum in ihre Räume eindringen und eine Erinnerung stehlen. Zudem kannte er ihr Passwort, denn sie hatte es, entgegen ihres ursprünglichen Plans, nicht mehr geändert.
"Schämst du dich für deine Erinnerung?", fragte er dunkel und sie konnte seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht fühlen. Nein, sie schämte sich keineswegs für die Erinnerung, die einen äußerst romantischen und teilweise doch erotischen Traum mit ihm in der Hauptrolle enthielt, aber sie wäre niemals in der Lage ihm die Wahrheit darüber zu sagen, sie war dafür viel zu feige.
"Schämst du dich für deine?", gab sie nur interessiert zurück und er schien für einen Moment aus dem Konzept gebracht, bevor sein Blick anfing zu glühen und sein Mund sich leicht zu einem Grinsen verzog.
"Miss Granger, habe ich Ihnen je Anlass dazu gegeben, zu glauben, dass ich mich für irgendetwas schäme?", fragte er herausfordernd und sie fühlte wie sich die Stimmung verändert hatte; irgendwie aufgeladen, knisternd. Nachdem er das gesagt hatte, hatte sie zuerst gedacht, dass dem tatsächlich so wäre, ihr fiel zuerst kein Moment ein, da er sich je für irgendetwas was er tat offen geschämt hatte. Sie war sich sicher, dass er nicht frei von Scham war, aber er hatte es nie gezeigt. Doch dann schob sich eine Erinnerung in ihr Gedächtnis und es war nun an ihr triumphierend zu Grinsen, obwohl sie sie gleichermaßen wütend machte.
"Ja, mir fällt da ein Moment ein", rieb sie ihm unter die Nase.
"Tatsächlich?", fragte er mit einer Spur Überraschung in der Stimme.
"Es war dir mehr als peinlich, dass ich dich verletzlich gesehen habe", ließ sie ihn nicht ohne einen Hauch von Ärger wissen, "Du hast es gut versteckt, hinter deiner kalten, hämischen Art, aber du hast dich geschämt.. damals im Sankt Mungos."
"Habe ich das? Oder war ich es nur leid von meiner Schülerin bemuttert zu werden?", spielte er den Ball ohne mit der Wimper zu zucken zurück. Auch jetzt verbarg er es gut, aber sie kannte ihn inzwischen gut genug, dass ihr das kleine Flackern in seinem Blick nicht entgangen war. Es war ihm unangenehm, dass sie ihn durchschaut hatte.
"Nein, es war definitiv Scham", beharrte sie.
"Dennoch bedeutet das nicht, dass ich mich auch hierfür schäme", relativierte er ihre Aussage.
"Dann kannst du es mir ja sagen", hauchte sie und ihr Ton ließ ihn wissen, dass sie genau darauf hinaus gewollt hatte, sie hatte ihn ausgespielt. Es geschah selten, dass dies jemandem gelang und schon gar nicht ihr. Ohne es selbst zu merken, hatte sich Severus noch weiter zu ihr gebeugt, ihre Nasenspitzen waren keine zehn Zentimeter mehr voneinander entfernt. Er versuchte einen distanzierten Gesichtsausdruck nach außen zu tragen und kramte in seinem Gehirn nach einer schlagfertigen Antwort, das konnte Hermine sehen, sie hatte ihn tatsächlich überrumpelt. Aber Severus so nah vor sich zu haben ließ nun auch ihr Gehirn vollends aussetzen. Die Träume waren so präsent für sie, der Severus vor ihr war nicht der, den sie eigentlich begehrte, dennoch schlug ihr Herz wie nach einem Dauerlauf. Es war, als läge ein Prickeln in der Luft. Sie wollte den Kopf zurück ziehen, wollte Abstand zwischen sie bringen, auch wenn er es sicher als Aufgeben interpretieren würde, aber sie konnte das hier nicht. Die Grenze zwischen Traum und Realität schien zu verschwimmen und das durfte auf keinen Fall geschehen. Aber sie konnte nicht reagieren, ihr Körper gehorchte ihr noch immer nicht ganz. Stattdessen huschte ihr Blick zu seinen Lippen, die einen kleinen Spalt geöffnet waren, die so einladend aussahen. Dann wanderte ihr Blick wieder zu seinen Augen, die ihr noch nie so warm vorgekommen waren. Sie hatte immer gedacht sie wären schwarz, wie bodenlose Abgründe, aber sie waren von einem warmen, dunklen Braun, mit hellen bronzenen Sprenkeln um die Pupille.
Dann plötzlich ging ein Ruck durch ihren Körper und auch durch seinen. Sie wusste nicht mehr wer zuerst gezuckt hatte, aber das war auch egal, als seine Lippen endlich die ihren trafen und sie wieder die völlige Kontrolle über ihren Körper übernahm und die Hände in seinem schwarzen Haar vergrub, ihn noch näher an sich zog und den Kuss vertiefte - Einen Kuss, der sich so verheißungsvoll anfühlte, als würde ein neues Kapitel beginnen.

Dieser Traum war näher an der Realität als alle anderen. Sie hatte dort versucht zu verbergen, dass sie diese Träune hatte. Es war, als wäre dieser hier etwas, das tatsächlich würde passieren können. Aber wenn dieser Traum theoretisch Realität sein könnte, was würde das über die anderen Träume aussagen? Würde das bedeuten, dass auch sie noch wahr werden könnten? War es doch möglich, dass er ihr Gegenstück war? Wollte Walter, von dem sie inzwischen tatsächlich dachte, dass er ihr diese Träume sandte, wie auch immer das möglich war, ihr das damit sagen? Hermine strich sich über die Lippen, meinte sie könnte diesen Kuss, an den sie sich nun erinnerte, tatsächlich noch fühlen. Aber er war nicht echt, es war nur ein Traum gewesen - und das würde er auch immer bleiben, auch wenn er sensationell war. Ob der echte Snape nur annähernd so küssen konnte, wie der in ihren Träumen? Sie schüttelte den Kopf, versuchte den Gedanken und ihr flatterndes Herz zu beruhigen. "Sei nicht albern", tadelte sie sich selbst, "Diese Träume machen dich noch ganz wuschig." Es war töricht nur darüber nachzudenken. Sie und er, das würde niemals passieren. Zum einen weil sie nach wie vor sauer war, zum anderen, weil es außerhalb ihrer wildesten Träume einfach niemals funktionieren würde.

*

Severus stand in seinem Wohnzimmer in Hogwarts und stierte in die Flammen, dachte an den seltsamen Traum, den er in dieser Nach hatte. Er war anders gewesen als alle bisher. Er hatte nicht von Anfang an die Kontrolle oder alle Informationen gehabt, er war wie ferngesteuert gewesen, bis zu dem Moment, als ihre Lippen seine trafen. Erst da hatte er die Kontrolle wiederbekommen, alle Erinnerungen und Gedanken, die ihn bis dahin hatten handeln lassen, wie er es getan hatte. Nur um sofort darauf die Kontrolle wieder zu verlieren, sich in dem Kuss und ihrem Geruch und den weichen Lippen zu verlieren. Es war ein sonderbarer Traum gewesen, sonderbarer als alle je zuvor, weil er sehr viel näher an der Realität war, da sie ja nun wirklich in Hogwarts einziehen würde. Nach dem heutigen Tag würde sie seine Kollegin sein, würde mit ihm auf Augenhöhe sein und so musste er sie auch behandeln. Sie wäre nicht mehr nur die Frau, die er vor einer Bar fast mit der Tür erschlagen hatte, nicht mehr die Schülerin aus seiner Erinnerung, nicht die junge Frau, die ihn im Sankt Mungos besucht hatte, als es kein anderer tat und die er dafür mit unfairen Worten bestraft hatte und nicht die, mit der er im Ministerium gestritten hatte. Sie würde ihm gleichgestellt sein, ihm jeden Tag über den Weg laufen, sie wäre so präsent, wie die Frau aus seinen Träumen. Es würde ihm schwer fallen sie einfach ganz normal zu behandeln, wie Minerva, Aurora oder Poppy, das wusste er bereits jetzt schon, immerhin ließen sich diese Träume, in denen sie inzwischen Nacht um Nacht wieder die Hauptrolle spielte, nicht mehr so leicht ausblenden wie bisher. Aus einer seltsamen Gegebenheit nach ihrem Zusammenstoß vor dem tropfenden Kessel, die er zuerst zu verdrängen und zu vergessen gesucht hatte, war eine Zuflucht geworden, wie ein Leuchtfeuer in der Dunkelheit, das nun erlöschen musste - zwangsläufig. Wie sollte er ihr sonst gegenüber treten können? Er hatte sich immer dafür gerühmt, dass er persönliche Empfindungen von Pflichten trennen konnte, aber das hier war etwas anderes. Diese Träume hatten an Macht gewonnen, hatten ihn Dinge fühlen lassen, die er nicht fühlen wollte und die er gleichzeitig ersehnte, Begehren geweckt, die so lange geschlafen hatten. Es war zum Haare raufen. Er sehnte sich nach ihr wenn er wach war und wenn er schlief wollte er sie nicht mehr gehen lassen. Sein Herz überschlug sich, wenn er an diese Träume und die Hermine seiner Träume dachte, was würde geschehen, wenn erst die echte hier wäre? Würde es sich komisch anfühlen wenn sie ihm gegenüber stünde, weil sie ihn an diese wunderbaren Stunden im Schlaf erinnern würde, oder würden ihm die Träume danach nicht mehr die Zuflucht bieten, die sie jetzt waren? Würde ihre Gegenwart sie entzaubern, sowie er es einst hoffte und sich jetzt dafür hasste, es sich je gewünscht zu haben? Würden Traum und Realität kollidieren und in einer Supernova verbrennen? Würden sie überhaupt noch bleiben, wenn sie erst hier war?

*

Hermine schlug das Herz bis zum Hals als sie in Hogsmeade apparierte, die Augen aufschlug und das Schloss in all seiner Pracht vor ihr emporragte und sie sofort ein Gefühl von Zuhause spürte, von Sicherheit und Wärme. Dennoch vermochte dieses Gefühl ihre Nervosität nicht zu verdrängen. Sie fragte sich, wie viele von ihren Ideen Minerva tatsächlich in so kurzer Zeit umgesetzt hatte und sie machte sich Sorgen, dass sie als Lehrerin versagen könnte, immerhin war das Unterrichten komplett neu für sie, wenn man davon absah, wie häufig sie Harry und Ron den Schulstoff erklärt hatte und davon, dass sie im Ministerium die Neuen in der Abteilung angelernt hatte. Aber das hier war etwas völlig Anderes als frische Uni-Absolventen oder Freunde zu unterrichten. Hier würde sie es mit unterschiedlichsten Chraktereigenschaften zu tun haben, mit introvertierten und extrovertierten Schülern, mit fleißigen und faulen, mit übermäßig und durchschnittlich intelligenten und zudem könnte sie auf Ablehnung stoßen. Die Nachwirkungen der Hauserrivalitäten, ebenso wie die zwischen Muggelgeborenen, Halbblütern und Reinblütern war auch durch den Krieg vor so vielen Jahren nicht gänzlich verschwunden. Noch immer herrschten Vorurteile und Desinformation innerhalb der Erziehung und es war nun an ihr diese aufzubrechen. Es lag ein großes Stück Arbeit vor ihr, aber sie hatte es nicht anders gewollt. Mit neuem Mut atmete sie tief durch, straffte die Schultern und machte sich auf den Weg hinauf zum Schloss. Sie hatte ganz vergessen wie schön Hogwarts im Winter war, wenn es von weißem Puderzuckerschnee eingehüllt war. Auf halbem Weg hinauf musste sie bereits feststellen, dass sie nicht die Einzige war, auf die der Schnee eine Faszination ausübte, sondern dass einige Schüler das ähnlich sahen und sich bereits vor dem Frühstück hier draußen eine Schneeballschlacht lieferten, der sie um ein Haar zum Opfer gefallen wäre. Ein Schneeball verfehlte ihr Gesicht nur um einen Handbreit. Aber sie lächelte nur und führte ihren Weg unbeirrt fort, sie freute sich über die Ausgelassenheit der Schüler.
Am Portal erwartete sie bereits, in ihren üblichen mit Schottenkaro gezierten Roben, Minerva McGonagall. "Ich freue mich so sehr Sie zu sehen, mein Kind", begrüßte sie sie freudig.
"Es fühlt sich an, als würde ich nach Hause kommen", sagte Hermine lächelnd.
"Und Sie werden feststellen, dass sich nicht viel verändert hat", gab Minerva grinsend zurück, "Weder im Kollegium, noch bei den vorwitzigen Ideen der Schüler."
"Ich hatte nichts Anderes erwartet", sagte Hermine, "Ich hoffe sehr, dass meine neuen Ideen nicht zu viel frischen Wind aufkommen lassen. Ich möchte niemandem zu nahe treten, indem ich hier auftauche und alles durcheinander bringe."
"Keines Wegs, Hogwarts hat nur darauf gewartet sich einmal ordentlich vom Wind einer neuen Zeit durchpusten zu lassen", meinte Minerva vergnügt, "Selbst Professor Snape, der ursprünglich ebenfalls hier sein sollte um Sie zu begrüßen, immerhin hat er auch Ihre Räume für Sie vorbereitet, war durchaus angetan von den neuen Ideen." Aus irgendeinem Grund war es ihr unangenehm, dass gerade Snape ihre Räume hergerichtet hatte, aber sie überging diese Information vorerst.
"Angetan?", fragte sie daher, "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Professor Snape jemals von irgendetwas angetan gewesen wäre." Jedenfalls nicht von etwas, was mit mir im Zusammenhang stand, fügte sie im Geiste hinzu.
"Er war der gleichen Meinung wie ich, dass es für mehr Verständnis sorgen kann, dass es zu mehr Zusammenhalt beitragen kann", erklärte sie, "Wo ist er nur? Es sieht ihm nicht ähnlich sich zu verspäten."
"Nun, Sie kennen doch Professor Snape. Er ist nicht gerade der Typ für Willkommenspartys", witzelte Hermine nervös. Ihre innere Unruhe war inzwischen auf ein Maximum gestiegen, fast fürchtete sie sich vor dem Zusammentreffen mit Snape.
"So, welcher Typ bin ich denn dann, Miss Granger?", drang eine tiefe, sonore Stimme von hinter ihr an ihr Ohr. Schlagartig errötete sie, verzog das Gesicht für einen Moment peinlich berührt, ehe sie sich langsam zu ihm umdrehre, nur um zu sehen wie Snape mit fast anmutig wirkenden, langen Schritten durch das große Schlossportal trat. Sein Anblick ließ eine vielzahl von Emotionen in ihr aufsteigen und keine davon trug dazu bei, dass ihre innere Unruhe, die sie seit der Ankunft in Hogsmeade fühlte, sich irgendwie beruhigte.
"Entschuldige meine Verspätung, Minerva, einige Schüler haben trotz des Verbotes die Eisfläche am schwarzen See betreten." Was Minerva darauf antwortete bekam Hermine nicht mit, sie war gefesselt von seinem Blick, der sich nun wieder in ihren bohrte und sie erwartungsvoll musterte. Bilder aus ihren Träumen zuckten durch ihren Geist und unwillkürlich verglich sie die beiden Versionen miteinander. Ihr war nie aufgefallen, welch eindrucksvolle Erscheinung er wirklich war und ihr war vor allem nie aufgefallen, wie attraktiv er eigentlich war. Aber war er das objektiv gesehen oder lag dieses empfinden an den Chrakterzügen, die der Traum-Snape hatte? Immerhin gab es mehr Faktoren, als nur das Äußere, die jemanden attraktiv machten.
"Nun, Miss Granger, würden Sie mir meine Frage beantworten? Welcher Typ Mensch bin ich Ihrer Ansicht nach?"

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