Kapitel 7
-Gwen Williams-
"Wir danken Ihnen für ihre Bewerbung, aber wir haben mittlerweile jemand Passenderes gefunden."
"Klar, das verstehe ich. Danke für ihren Rückruf. Schönen Tag noch."
Das Bild des Gnoms verschwand über meinem Tisch und ich ließ den Kopf polternd auf die Tischplatte fallen.
"Von wegen jemand besseren gefunden! Ich wette, ich finde die Stellenanzeige noch nächste Woche!", grummelte ich vor mich her.
Diese magischen Siegelverbindungen waren schon praktisch, da sie jedermann benutzen konnte und nicht geortet werden konnten. Man konnte die Anfrage, den man erhielt, jederzeit ablehnen, aber für Geschäftssachen oder zum Austausch privater Daten war es immer noch das Beste, was die magische Welt zu bieten hatte. Man musste nur den Namen von der gewünschten Person nennen und das Siegel sorgte dafür, dass das Siegel der gewollten Person aufleuchtete. Wenn man die Anfrage annahm, projetzierte sich das Bild der Person und man konnte ein Gespräch führen.
Am liebsten gefiel es mir jedoch, dass dieses Siegel auf jeden Gegenstand übertragen werden konnte. Ich habe es vor Jahren an ein silbernes Armband legen lassen, welches ich gerne trug. In den letzten Tagen leuchtete es nicht mehr so oft. Ich war nicht mehr auf Abruf für Patienten zuständig und erhielt nur selten Anfragen, wenn ich von den tausend Bewerbungen, die ich verschickte, mal eine Anfrage erhielt.
In den letzten Gesprächen war es immer dasselbe. Kaum hatte das Siegel demjenigen gegenüber meinem Gesicht offenbart, ruderten sie mit ihren Fragen zurück, behaupteten, sie hätten einen falschen Namen genannt oder urplötzlich doch einen besseren für den Job gefunden.
Ich war kurz davor, wieder zu Professor Andrew zu gehen, doch wenn ich weiter bei ihr bettelte, würde sie mir nur Hausverbot erteilen.
Müde entfernte ich die Klammer aus meinen Haaren und sah wie meine braunen Haare einen Schleier vor mein Gesicht bildeten. Sah ich denn derzeit so schrecklich aus, dass sich selbst Kobolde und Gnome so schnell in die Flucht schlagen ließen?
Ich richtete mich wieder auf und ging zu meiner Kommode, um mir frische Sachen herauszusuchen. Die Bluse, die ich nun seit mehreren Tagen trug, war knittrig und roch nicht mehr angenehm. Mit frischen Sachen in der Hand ging ich in mein kleines Bad.
Als ich mein Spiegelbild sah, musste ich das Gesicht verziehen. Ich hatte kaum Falten im Gesicht und so etwas, was Menschen als "Babyface" bezeichnen würde. Viele würden nicht annehmen, dass ich schon näher an der dreißig statt an der zwanzig war.
Meine langen hellbraunen Haare reichten mir bis zur Mitte meines Rückens und waren aufgrund meiner sporadischen Haarpflege gerne schnell verknotet und wirkten in dem fahlen Licht eher matt als glänzend. Nicht das erste Mal hatte ich mir überlegt, sie zu kürzen, hatte es aber aus sentimentalen Gründen sein lassen. Die seltenen Male, als jemand männliches an mir Interesse gezeigt hatte, waren ihnen zuerst meine langen Haare aufgefallen und meine "ansehnliche" Oberweite.
Doch wenn sie nun die dunklen Augenringe unter meinen Augen sehen würden und die blasse Haut die seltene Sonne abbekam, würden sie sicherlich wieder Abstand suchen.
Nicht mal meine Augenfarbe wies etwas Magisches oder gar Besonderes auf. Damals als Kind war ich sehr stolz auf meine blassgrünen Augen, da meine Mutter überzeugt war, dass sie große Macht versprachen. Doch auch dies stellte sich als grober Fehler heraus. Zwar hatten meine Mutter und ich dieselben Augen, aber definitiv nicht dieselbe Macht.
Ich zog mich schnell aus und stieg in die Dusche. Das kalte Wasser half mir meine Gedanken etwas zu sortieren und mich wieder ein wenig aus dem Loch zu ziehen, in dem ich mich seit zwei Wochen befand. Zwei Wochen ohne Kontakt zu Sophia.
Ich hatte auf meinem Handy nachgesehen und nicht einmal hatte sie mir bei den vielen Momenten, in denen sie online war, geschrieben. Ich erhoffte mir etwas aus dem Fakt, dass sie mich nicht blockiert hatte, aber ich konnte nicht abschätzen, ob sie das Nachholen würde, wenn ich sie anschrieb.
Mittlerweile war ich so einsam, dass ich ihr zuliebe sogar meine Entschuldigung vortäuschen würde. Aber das würde sie durchschauen und ich hatte mir geschworen, Abstand zu suchen. Obwohl ich diesen Entschluss im betrunkenen Zustand getätigt hatte.
Auch wenn ich derzeit sehr verzweifelt war und erst letzte Woche meine Miete zahlen musste, versuchte ich mich wieder aufzuraffen. Zu viele Abende saß ich alleine auf meiner Couch und stopfte mich mit Chips und alkoholischen Getränken voll. Wirklich sehr reif und erwachsen von einer Ärztin. Deswegen hatte ich beschlossen, heute eine Runde in der menschlichen Innenstadt zu joggen. Da würde mir niemand merkwürdige Blicke aufgrund meines Aussehens zuwerfen und ich würde endlich mal wieder etwas Gutes für meinem Körper tun.
Nach dem Duschen zog ich mir meine graue Leggings mit dem passenden Sport-BH an. Darüber zog ich noch ein bequemes Shirt an. In meiner Tasche fand ich dann noch meine Kopfhörer. Mit Schlüssel und Handy verließ ich meine Wohnung.
Ich wohnte sehr am Rande des magischen Viertels und konnte super zwischen den beiden Welten pendeln. Ein Portal, welches als solches gekennzeichnet war, brachte mich in eine kleine Gasse direkt in die menschliche Innenstadt.
Joggend lief ich aus der Gasse und steuerte den Park an, während ich mir passende Musik raussuchte. Nachdem ich was gefunden hatte, steckte ich das Handy in eine kleine Tasche, die in der Leggings vernäht war.
Das Wetter war gut und die Anstrengung beim Laufen machte mir den Kopf frei. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht und ich grüßte andere Jogger auf ihren Weg. Das letzte Mal, als ich laufen war, musste Monate her sein. Dementsprechend wunderte es mich nicht, dass ich wieder reinkommen musste und öfter kleine Ruhepausen einlegte.
Doch der Schweißfilm auf meiner Haut und meine schnellen Atemzüge befreiten mich. In der Nähe eines größeren Spielplatzes pausierte ich etwas länger und band mir die Schuhe neu.
Ein Kerl in Sport Klamotten lief auf mich zu und sprach mich an. Verwirrt nahm ich meine Kopfhörer ab und fragte:" Entschuldige, habe Sie nicht verstanden."
Er lächelte mich freundlich ab und winkte ab.
"Kein Ding. Was hörst du denn Schönes?"
Ich sah auf mein Handy und antwortete: "Ach, irgendein Work-out Remix, den ich mir mal heruntergeladen hatte."
"Achso, das kann ich gut verstehen. Höre ich auch gerne beim Laufen. Mein Name ist übrigens Tobias. Läufst du die Strecke zufällig öfter?"
Ich zog lächelnd die Augenbraue hoch. Der Typ wollte mit mir flirten? Ich richtete mich etwas auf und nickte einfach.
"Ja ab und zu, wenn ich Zeit habe. Das ist meine liebste Strecke."
"Cool, wenn du Interesse hast, kannst du gerne mit mir und meinen Leuten mitlaufen. Wir suchen immer neue Leute, mit denen wir zusammenlaufen können", er deutete mit seiner Hand auf eine Gruppe junger Männer, die wahrscheinlich einfach nur Mädels kennenlernen wollten.
"Danke fürs Angebot, aber vielleicht ein anderes Mal", sagte ich daher ausweichend.
"Dann vielleicht ein anderes Mal. Magst du mir wenigstens deinen Namen verraten, nicht das ich dich die nächsten Male immer nur mit du anspreche?", fragte er lachend und ich bemerkte seine gut getarnte Nervosität. Da ich seinem Ego nicht schaden wollte, antwortete ich lediglich: "Ich heiße Gwen."
"Schöner Name. Hoffe man sieht sich noch mal Gwen", sagte er dann verabschiedend, bevor er zu seinen Leuten lief, die zusammen weiter joggten.
Auch wenn dieser Tobias nicht mein Typ war, so hatte er mich doch wenigstens dazu inspiriert, was ich heute Abend tun würde. Denn wer hatte gesagt, dass ich unbedingt alleine den Abend bleiben musste?
...
Ich war lange nicht mehr in einer Bar gewesen. Jedenfalls in einer, die für Menschen angelegt war. Viele junge Menschen waren hier und auch einige in meinem Alter. Die meisten waren in Gruppen unterwegs. Ich beobachtete sie, während ich frisch gestylt und wie eine reife Frucht auf jemanden wartete, der Interesse an mir zeigte.
Mit ein wenig Make-up hatte ich es geschafft, meine Augenringe verschwinden zu lassen und mir mehr Farbe auf den Wangen zu verleihen. Die Haare hatte ich hochgesteckt, da ich keine Lust hatte, sie offen zu tragen. Ich trug dasselbe weinrote hochgeschlossene Oberteil wie an dem Tag im Club und versprach mir von dem Teil einiges. Es zeigte zwar keinen Ausschnitt, lag aber eng an und deutete auf meine Oberweite.
Ich hatte mich definitiv schon begehrenswerter gefühlt, aber ich hatte mir genug Mühe gegeben, damit es für einen menschlichen Mann ausreichte. Menschliche Liebhaber hatte ich während meiner Teenagerphase und auch später gehabt. Aber es war nie so gut wie mit magischen Wesen. Der einzige Nachteil war, das wenige aus der magischen Kultur Interesse an mir hatten oder die, die es doch taten, besaßen meist sehr grenzüberschreitende Fetische und erhofften sich, diese bei Mischlingen ausleben zu können. Doch ich hatte gelernt, davon Abstand zu suchen und lieber Single zu sein, als mich als Blutkonserve oder Sexsklave ausnutzen zu lassen. Da war mir schlechter Sex bei den Menschen wesentlich lieber.
Es war über ein Jahr her, das ich mit jemanden geschlafen hatte und ich hatte nicht vor nüchtern mich wieder in dieses Terrain zu wagen. Am besten war es, jemanden zu finden, der ganz passabel aussah und bei dem ich die Nacht verbringen konnte. Ich würde zwar sicherlich nach dem Sex einfach direkt verschwinden, aber ich hatte gelernt, dass Sex im Bett dennoch angenehmer war als eine schnelle Nummer auf dem Klo. Also war mir das Risiko, bei einem Fremden in die Wohnung zu gehen, lieber.
Ich saß an der Bar und hatte mir schon einen starken Drink bestellt. Mein Hexenblut reicht noch so weit, dass ich mehr Alkohol vertrug als Menschen. Dennoch war ich nicht imstande, gebrauten Kobold Alkohol zu konsumieren. Also musste ich mir aussuchen, ob ich viel menschlichen Alkohol in mich hineinkippte, der wenig Wirkung erzielte oder ich durfte nur eine geringe Menge von dem Kobold Zeug trinken, bevor ich eine Überdosis erlitt. Meinem Körper konnte man es anscheinend auch nicht recht machen.
Seufzend sah ich mich in der Bar um. Sophia war gerne unter den Menschen gewesen und hatte sich oft kichernd über deren Verhaltensmuster geäußert, als wäre sie ein Touri aus einem fremden Land. Doch wenn ich all diese Leute hier sah und mir vor Augen führte, dass ich auch ein Teil von ihnen war, kräuselten sich meine Nackenhaare. Ich hatte zwar viele Jahre unter den Menschen gelebt, hatte mich aber eher zu der magischen Gemeinschaft hingezogen gefühlt. Manche würden behaupten, das menschliche Blut in meinem Adern sorgte dafür, dass die Magie wie eine Sucht auf mich wirkte. Aber selbst wenn es so war, kümmerte es mich nicht groß. Ich war bloß froh, nicht mehr unter den Menschen leben zu müssen.
Ich wandte mich um, als ich hörte, wie jemand neben mir einen Barhocker zurückschob. Es war ein blonder Mann, der wahrscheinlich wenige Jahre jünger war als ich. Ich sah keine Freunde um ihm herum und auch keine Frau als Begleitung. Er hatte einen Dreitagebart, legere Klamotten und war vollkommen menschlich. Er sah ganz gut aus, aber das war nichts wirklich Besonderes.
Ich exte mein Glas leer und schob es von mir. Wenn er auch auf der Suche nach einer Begleitung für die Nacht war, würde ich mich nicht sträuben. Ich öffnete die Haarklammer, ließ meine Haare über die Schultern fallen und fuhr mit meiner Hand kurz hindurch.
Ich musste darauf vertrauen, dass meine Flirtsprüche nicht allzu eingerostet waren. Als sein Blick zu mir huschte, drehte ich ihm leicht meinem Oberkörper zu, ließ aber den Kopf in eine andere Richtung gedreht. Wenn ihn große Brüste ansprachen, würden ihn meine wahrscheinlich zusagen.
Ich seufzte tief und blickte auf meine Uhr. Eine Frau, die an der Bar sitzen gelassen wurde und Trost brauchte, sprach man für gewöhnlich lieber an.
"Entschuldige, darf man dir einen Drink spendieren oder wartest du zufällig auf jemanden?"
Jackpot! Am liebsten hätte ihm grinsend geantwortet, aber ich blieb in meiner Rolle und sah ihn aus großen Augen an.
"Oh nein, ich warte nicht mehr. Wurde anscheinend versetzt", sagte ich seufzend. Der Mann vor mir lächelte mir aufmunternd zu.
"Dann lass mich doch deine Laune mit einem guten Drink wieder aufpäppeln. Was hältst du davon?", fragte er schmeichelnd und nun konnte ich mein Lächeln nicht mehr verstecken. Ich hatte meinen Partner für die Nacht gefunden.
"Dazu sag ich nicht nein."
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