Kapitel 56
-Elias Naumann-
Pascal lag jammernd mit seinem Oberkörper gebeugt über den Tisch in der Zentrale. Jenny lachte ihn offen und unverhohlen aus. Ich musste auch schmunzeln.
Die Auftagszeremonie hatte viele aus dem Dorf die letzten Wochen voller Strapazen vergessen lassen. Hauptsächlich wegen dem Koboldgebrautem. Pascal hatte eine Punsch Schale geklaut und lachend zu der Gruppe Grenzwächter gebracht, die sich daraufhin lauthals über das Gebräu her machten. Pascal vorne mit dabei.
Nun lag der Blondschopf mit verkniffenem Gesicht und oberkörperfrei da, während ihn die jüngeren Grenzwächter leise auslachten. Sie nannten ihn alten Mann, was er versuchte knurrend zu unterbinden, aber jedes Mal, wenn er die Augen öffnete murrte er und ließ die Jüngeren machen.
Ich hatte dem Ganzen ein paar Minuten gegeben, während Jenny ihm ab und zu über den Rücken strich und ihm Wasser gab. Als wir aber wirklich langsam losmussten, zeigte ich kein Mitleid mehr und zog Pascal vom Tisch mit hoch.
„Hoch mit dir. Du hast dich für die Wettkämpfe angemeldet und die Anderen erwarten dich", sagte ich streng, aber jeder der mir ins Gesicht sah, sah meinen schmunzelnden Ausdruck. Nur Pascal nicht.
„Das ist mir egal! Ich hab die letzten Jahre genug gekämpft... Sollen sie doch ein Jahr mal ohne mich machen", nuschelte er jammernd, während er versuchte sich aus meinen Griff zu winden. Ich hielt seine Arme auf, die er jammernd nach Jenny oder eher gesagt den Tisch strecken wollte.
„Das hast du letztes Jahr auch gesagt. Aber spätestens, wenn Janik und seine Kumpels Witze über dich machen, wirst du freiwillig mitmachen", sagte ich, doch er schüttelte nur vehement den Kopf. Das sein Kater offensichtlich so viel schlimmer war, als die fiesen Spitzen seines geschworenen Feindes und Rivalen war, verwunderte mich. Aber wenn Pascal krank war oder auch eine Verletzung hatte, wurde er schnell zu einem Jammerlappen der nach Aufmerksamkeit und Pausen forderte. Doch zum Glück mochte Jenny diese Seite von Pascal auch nicht wirklich, sondern tolerierte sie nur in Maßen.
„Beweg deinen Arsch Pascal oder ich verbringe das Fest mit Janik! Ich will keinen faulen und jammernden Freund an meiner Seite!"
Jennys strenge Stimme, schaffte es Pascal die Augen öffnen zu lassen, aber der gequälte Ausdruck blieb. Murrend entzog er seinen Arm aus meinem Griff und stellte sich ordentlich hin. Er schnappte sich sein Shirt und zog es sich fluchend an.
„Wieso könnt ihr nicht mal ein bisschen Mitgefühl haben? Emotionslose Arbeitsmaschinen seid ihr! Nicht mal meine Freundin ist auf meiner Seite. Alle Frauen aus dem Dorf sorgen sich um ihre Männer und sind dankbar, wenn sie nicht die ganze Zeit weg sind!"
Jenny verdrehte die Augen, aber wir alle wussten das Pascal dies nur sagte, um seinen Frust Luft zu machen. Er liebte Jennys energievolle und manchmal auch ruppige Art. Wenn er ausgenüchtert war, würde er ihr wahrscheinlich danken das sie nicht zugelassen hatte, dass er sich vor den anderen Rudeln blamierte.
„Pass auf das er keinen Blödsinn anstellt", sagte Jenny verabschiedend und ich nickte ihr lachend zu. Pascal blickte böse zu uns, aber wehrte sich nicht. Mit weiteren fünf Grenzwächtern liefen wir zur Lichtung.
Janik und weitere Teilnehmer aus anderen Rudeln waren bereits auf der Lichtung verteilt. Morgens war noch nicht so viel los, da die meisten ihren Kater ausschliefen, aber diejenigen die sich für die Vorrunden der Wettbewerbe angemeldet hatten müssten morgens hier sein. Normalerweise würde der Alpha des veranstaltendem Rudels die Eröffnung der Wettbewerbe morgens übernehmen, aber da Helen und vor allem Alex mehr Engagement gefordert hatten, würde ich jeden Morgen aufstehen und die meisten Wettbewerbe leiten. Zum Glück hatte ich zusammen mit Pascal schon alle Schichten für die kommenden Tage geplant, ansonsten müsste ich jeden Abend zusätzlich eine weitere Stunde in die Zentrale.
Ich würde auch ziemlich wahrscheinlich an Alex Stelle in den Endrunden aller wichtigen Turniere teilnehmen. Also konnte ich es mir nicht leisten abends noch lange wach zu bleiben, wenn ich die kommenden Tage meinem Rudel Ehre bereiten wollte.
Bei der Sandgrube angekommen, zählte ich einmal alle Teilnehmer. Ein paar von den Kindern die schon früh auf waren saßen in der Nähe und beobachteten neugierig das Geschehen. Finn hatte schon angekündigt die kommenden Tage mich oft zu besuchen. Ich wusste das Katharina es sich nicht entgehen lassen würde auch ein paarmal vorbei zu kommen und sei es nur um dafür zu sorgen, dass ich etwas über den Tag aß.
Ich schnappte mir meine Mappe und rief alle Teilnehmer der Vorrunde zu mir. Es würden weitere Vorrunden veranstaltet werden, teilweise sogar parallel damit alle Interessierten auch teilnehmen konnten. Es gab auch einige vermischte Geschlechter Disziplinen wie das Spuren suchen oder Jagen, die würde ich teilweise gemeinsam mit Helen oder anderen Betas leiten. Die meisten Wettbewerbe unter den weiblichen Wölfen würde ich nicht leiten können, da ich mit den männlichen Wettkampfteilnehmern schon genug zu tun hatte, aber zum Glück hatte sich der weibliche Beta Paar Part von Sarahs und Tobias Rudel angeboten dies dieses Jahr zu übernehmen. In den späteren Runden würden dann auch die Alphas im Publikum anwesend sein, um zu schauen welches Rudelmitglied den Sieg nach Hause brachte.
Noch vor einigen Jahren hatte Alex selbst noch an den Turnieren teilgenommen. Teilweise um sich als Alpha zu beweisen und auch für den Spaß. Aber nachdem ein Alpha sich bewiesen und etabliert hatte überlässt er seinem Rudel den Vortritt. Die Beta nahmen nur teil falls der Alpha es verlangte. Sei es um die Stärke oder die Position des Rudels zu festigen. Leider hatte dies nur den Nachteil das die anderen Beta dann auch teilnahmen.
Wir wurden daraufhin zum inoffiziellen Kräftemessen der Alphas. An uns bemaß man wie stark das Alphapaar und Rudel war. Also musste ich nach diesen Regeln die meisten Siege holen, damit Alex sich wieder bestätigt fühlte und von meiner Loyalität überzeugt war. Erst vor ein paar Jahren hatte er von mir verlangt als sein Stellvertreter an allen Wettbewerben teilzunehmen, um wenigstens die Gerüchte und Befürchtungen unter den befreundeten Rudeln einzudämmen. Zwar war ich nicht wirklich der Meinung das ein Kräftemessen zwischen den Betas reicht um alle zu besänftigen, doch es war ein Anfang. Um Alex Laune zu besänftigen musste ich dieses Fest mit den meisten Siegen abschließen. Etwas anderes würde für Alex nicht infrage kommen.
Innerlich seufzte ich bei den Gedanken den ganzen Tag die Wettbewerbe zu leiten und dann ab übermorgen noch zusätzlich an den wichtigen teilnehmen zu müssen, aber jammern half nicht. Ich wusste spätestens mit dem Gespräch mit Helen, dass ich mich mehr anstrengen musste. Und das bedeutete auch abends nach den Wettkämpfen Kathis Freundinnen kennenzulernen. Ich würde dafür beten, dass niemand die Zeichen richtig deutete und verstand das ich auf Partnersuche war. Das würde nur alles um ein Vielfaches verschlimmern.
Ich ging die Liste durch und rief alle Namen auf, bevor ich die Regeln erklärte. Bei diesem Wettbewerb handelte es sich um den Ringkampf. Die wölfische Form und Hilfsmittel waren verboten. Es ging darum allein mit der Körperkraft den Gegner aus dem Ring zu bekommen oder ihn vorher bewusstlos zu schlagen. Aufgeben kam für niemanden in Frage.
Ich ging nochmal alle Notizen durch und sah das Helen notiert hatte, alle Wettkampf Teilnehmer über die medizinische Versorgung aufzuklären. Ich schielte zu Williams Pavillon und sah sie dort in einem Mantel und einem Kaffee in der Hand sitzen. Ich hätte nicht erwartet sie so früh dort sitzen zu sehen, aber es passte zu ihr.
„Bevor wir anfangen wollte ich nur alle Anwesenden daran erinnern, dass wir eine Rudelärztin vor Ort haben, die sich allen Verletzungen und Beschwerden widmen wird."
Ich sah schon die schmunzelnden Gesichter und hörte das empörte Schnauben.
„Sie wirkt keine heilende Magie und arbeitet auf Wunsch ohne magische Extrakte. Wenn ihr also aus den Wettkämpfen ohne Narben rauskommen wollt, lasst euch wenigstens die Wunden säubern und verbinden", fügte ich noch hinzu. Die meisten wirkten nicht mehr so abgeneigt, aber ich schätzte es würde dauern bis sie ihren Stolz ablegten und medizinische Hilfe annahmen. Das war vor allem für diese dominanten Wölfe komplettes Neuland.
Mein Blick schnellte nochmal zu Williams. Warum Helen Williams unbedingt die ganzen Wettkämpfe über hier draußen haben wollte, obwohl die meisten Wölfe ihre Arbeit bestimmt nicht in Anspruch nahmen, verstand ich nicht. Man sah ihr an das ihr die Herbstkälte definitiv mehr zu schaffen machte als uns. Ab den frühen Morgenstunden bis zum Abend hier zu bleiben, nur um anwesend zu sein, erschien mir nicht so sonderlich fair. Mitleid für die kommenden Tage empfand ich schon für die Hexe, die wahrscheinlich genauso viele extra Schichten, wie ich schieben durfte.
Ich forderte die Wettkampf Teilnehmer auf sich aufzuwärmen, falls sie dies nicht bereits getan hatten. Daraufhin entschied das Losverfahren, welche Teilnehmer gegeneinander antraten. Es waren dieses Jahr ein paar jüngere Wölfe mit dabei, die wahrscheinlich nicht weit kommen würden, aufgrund mangelnder Erfahrung, aber ich hatte Hoffnung das meine Schützlinge es wenigstens mit den anderen jüngeren Wölfen aus den anderen Rudeln aufnehmen konnten.
Ich hatte zusammen mit Pascal das Training der Jungwölfe optimiert und ihre Ruhelosigkeit vor allem in der Pubertät ausgenutzt und sie einem strickten Trainingsplan durchlaufen lassen. Die Trainingseinheiten mit den Älteren waren auch unüblich, aber ich hatte stets die Meinung gehabt das allein durch das Zusehen und Analysieren der älteren Mitglieder viel Wissen vermittelt werden konnte. Deswegen war meine Hoffnung sogar, dass einige sogar gegen die Älteren gewinnen könnten, wenn sie ihre Stärken richtig ausspielten und vor allem erkannten. Es war ein gutes Zeichen das einige der sehr fleißigen Jungwölfe da waren, um sich die Kämpfe mitanzusehen. Das würde ihre Analyse Fertigkeiten bestimmt herausfordern, auch wenn ich mir sicher war, dass sie wie jedes Jahr untereinander Wetten abschlossen. Vielleicht würde ich auch ein paar Mal heimlich mitmachen.
Ich rief die ersten Teilnehmer zu mir und schob Pascal zuliebe seinen Kampf etwas weiter nach hinten. Er hatte zwar einen jüngeren Gegner, aber nicht weniger motivierten erwischt. Wenn er nicht bis dahin wieder richtig wach wurde, konnte er sich mit einem schlampigen Kampfstil vor den Anderen auch blamieren. Diese Sticheleien gehörten dazu und motivierten meist nur alle untereinander, aber ich kannte Pascal. Er würde das persönlich nehmen, wenn er das Gefühl hatte zurecht kritisiert zu werden und das demotivierte ihn. Also ließ ich es nicht so weit kommen das er Fehler machte.
Die Kämpfe über den Vormittag verliefen wie zu erwarten. Durch die Masse an Teilnehmern, war nicht bei jedem Kampf eines meiner Rudelmitglieder dran, aber das machte es nicht weniger unspannend. Ich beobachtete fleißig wie die Teilnehmer sich im Vergleich zum letzten Jahr verbessert hatten und merkte mir vor allem bei den erfahreneren Teilnehmern die bevorzugten Taktiken und Schwächen. Es war nicht unwahrscheinlich das dieses Wissen mir später über die Wettkämpfe hinweghelfen würde.
Als Pascal seinem Gegner am späten Vormittag gegenüber stand war ich beruhigt zu sehen, dass er seinen Kater soweit ihm Griff wieder hatte. Er hatte seinen Gegner nach ein paar gezielten Schlägen im Schwitzkasten und schaffte es so, ihn bis an den Rand der Grube zu drängen.
Ein Spruch von Janik war dennoch zu hören. Doch Pascal ließ das nicht auf sich sitzen und verteilte brav Spitzen Richtung Janik, als dieser einen groben Fehler machte und fast das Gleichgewicht verloren hatte.
Ich musste schmunzeln. Als mein Bruder noch lebte saß ich genau wie die anderen Kids an dem Rand und feuerte die Älteren meines Rudels an. Ich kannte alle Tricks meines Bruders und hatte auch die von Alex durchs reines beobachten gelernt. Die gleiche Euphorie bei den anderen Jungwölfen zu sehen die ihre Verwandten und Freunde anfeuerten, ließen diese schönen Erinnerungen wieder hochkommen, die ich mir so selten zugestand.
Wie zu erwarten kamen Finn und Katharina vorbei als die Sonne hoch am Himmel stand und wieder mehr auf der Lichtung los war. Ich war mit den Vorbereitungen der nächsten Vorrundengruppe dran, als die beiden lächelnd auf mich zukamen. Finn ließ sich zu den anderen Jungwölfen nieder die ihn lachend in die Gruppe aufnahmen. Viele meiner eigenen Schüler kannten Finn gut und hießen ihn herzlich Willkommen.
Katharina ermahnte mich etwas zu essen, ehe sie mich wieder meinen Aufgaben nachkommen ließ. Dennoch entging mir nicht im Augenwinkel, wie sie sich gut gelaunt Richtung Williams bewegte und es sich daraufhin bei ihr bequem machte.
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