Kapitel 54

-Gwen Williams-

Das Dorf platzte aus allen Nähten. Und das war noch gelinde ausgedrückt. Ich sah viele Wölfe in wölfischer Gestalt, die aus allen Richtungen kamen. Einigen trugen Gurte und Taschen um den Rücken gebunden, während andere ohne Gepäck anreisten und den mir mittlerweile bekannten Jogginganzug aus dem Dorf ausliehen.

Es gab sogar einige die mit Wohnwagen oder dem Auto angereist sind. Das waren wie es mir schien meist die Familien mit Jungwölfen oder diejenigen die mehrere Tage blieben. Nicht weit vom Dorf entfernt im Wald hatten viele angefangen Zelte aufzubauen, während ich nebenbei aufgeschnappt hatte, dass viele Wölfe auch bei Familie oder Freunden in den Hütten unterkamen. Aber es schien den meisten Wölfen recht egal zu sein wo sie schliefen. Ich sah viele Wolfsleiber nebeneinander im Wald liegen und dösen, nachdem sie die Wanderung hierher angetreten sind.

Der Rudelladen war sehr voll und selbst Mathilda hatte alle Hände voll in ihrem Restaurant, obwohl es rund um die Uhr ein großes Büffet im Rudelhaus für alle Gäste gab. Von dem hatte mir Katharina berichtet. Dort lieferte sie auch ihre Torten aus.

Selbst neben meiner Hütte entdeckte ich Wölfe die sich lachend unterhielten und ihre Zelte aufbauten. Ich störte mich nicht daran, solange sie mein Auto in Ruhe ließen. Aber sie schienen in meiner Anwesenheit kein Problem zu sehen und liefen gegen mittag Richtung Lichtung, wo die meisten Feierlichkeiten stattfanden.

Es liefen auch viele Kinder umher. Der Hort würde hauptsächlich die jüngeren Kleinkinder betreuen, damit die Eltern auch etwas von den Festivitäten genießen konnten. Deswegen waren alle Kinder, die älter als sechs waren, überall im Dorf oder Wald unterwegs.

Ich saß bis zum Mittag in meiner Hütte oder auf der Veranda, und sah dabei zu wie die Wölfe hierher pilgerten, bevor ich einen kurzen Abstecher ins Dorf tätigte und danach Richtung Lichtung lief.

Zwischen den Bäumen sah ich Wölfe und andere Wesen die lachend zu der Lichtung liefen und ich staunte nicht schlecht, als ich die letzten Bäume hinter mir gelassen hatte. Seit meinem letzten Aufenthalt am Vortag hatte sich viel verändert. Es gab eine große Lagerfeuerstelle, die fast genauso auch im Dorf errichtet wurde, ein paar einfach eingerichtete Stände wo man sich Getränke holen konnte und in der Mitte der Lichtung eine leicht erhöhte Bühne, wo das heutige Ritual stattfinden sollte. Von dem Pavillon aus, sah ich den hinteren Teil der Bühne, weil der Pavillon näher bei den Wettkampfbereichen platziert war.

Es gab viele Lichterketten und Fackeln am Rand, die für schöne Stimmung sorgten und in der Nähe des Lagerfeuers saßen bereits lachende Wölfe mit Waldnymphen zusammen die ein Lied lautstark zusammen sangen, während zwei weitere mit einer Gitarre und Trommel für den passenden Rhythmus sorgten.

Ich musste schmunzeln. Ich hätte am Anfang nicht gedacht, dass sie es über die Nacht noch schaffen würden alles so schön zu dekorieren. Es war zwar genauso rustikal wie ich es erwartet hatte, aber sehr heimelig. Kinder liefen lachend umher und es hatten sich viele Personengruppen gebildet, die laut miteinander lachten oder sich lächelnd in die Arme fielen.

Es erstaunte mich auch, wie viele der Baum und Wiesennymphen sich aus der Umgebung hier befanden. Sie fielen durch ihre Rindenhaut und ihre dunkelgrünen Haare aus Blättern auf. Die spitzen Ohren und ihre langgliedrigen Finger gingen beinah unter, bei ihrer exotischen Erscheinung. Doch noch erstaunter war ich über die zarte Gestalt die in der Nähe der Bühne stand und sich in einer wölfischen Gruppe befand. Neben ihr standen auch Alex und Helen.

Als ich näher lief, konnte ich die Person besser erkennen. Sie hatte sehr blasse Haut, die Augen geschlossen und eine sehr zierliche Gestalt. Sie stand neben einem Mann der wahrscheinlich in Alex Alter sein konnte. Von ihr ging eine ganz natürliche Ruhe aus, die mich beinah magisch anzog. Wenn sie sprach, hörten ihr alle gebannt zu. Sie hatte ein weißes Kleid mit fast dursichtigem Stoff an, welches sich an ihren Füßen bauschte. Dazu hatte sie einen Schleier über ihr Haupt, der mit silberner Stickerei versehen war. Als sie die Arme verschränkte und ihr Standbein wechselte, konnte ich ihre helle Haut unter den Stoffbahnen erahnen. Sie war barfüßig und drehte nur den Kopf zu der Person die sprach, statt die Augen zu öffnen.

Auch wenn ich noch nicht die Bestätigung hatte, wusste ich das es sich bei ihr um die Nachkommin der Seher handeln musste. Wahrscheinlich hatte sich irgendwann auch noch ein Feenwesen in ihren Stammbaum geschlichen, anders konnte ich mir die feinen Gesichtszüge und die anmutige Haltung nicht erklären.

Die Gruppe lachte laut auf und die Nachkommin lächelte höflich, statt laut mit zu lachen. Der Mann neben ihr lächelte liebevoll auf sie hinab.

Ich wollte mich schon abwenden, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, doch zu meinem Unglück hatte Helen mich bereits gesehen. Laut rief sie nach mir, sodass automatisch die Köpfe der in der Nähe stehenden zu mir wanderten. Ich setzte ein höfliches Lächeln auf mein Gesicht, bevor ich mich wieder zur Gruppe wandte und auf sie zulief. Die Nachfahrin hatte ihren Kopf Richtung Helen gewandt, doch als sie meine Schritte hörte, lächelte auch sie höflich wie die anderen aus der Gruppe.

Neben Alex, Helen und der Nachfahrin mit ihrem Gefährten, gab es noch drei weitere Paare. Ihre Ausstrahlung nach konnte ich von hochrangingen Wölfen ausgehen. Die Männer waren auch wahre Muskelpakete, doch wenn ich es mit Elias oder Alex vergleichen würde, hätte ich bei einem Kampf auf Elias und Alex setzen.

Helen zog mich zu der Gruppe und platzierte mich neben sie.

„Darf ich euch unseren neusten Zuwachs vorstellen? Das ist Doktor Gwen Williams, die uns seit einem Monat nun begleitet und als Rudelärztin zur Seite steht. Sie übernimmt dieses Jahr die Position des alten Heilers und versorgt unsere Verletzten ohne magische Zusätze, in der Hoffnung das mehr Wesen zur Besinnung kommen."

Ich blickte von der Seite zu Helen und Alex die freudestrahlend von mir berichteten, als wäre ich eine Art Trophäe. Wollten sie etwa mit mir angeben? Auch Alex schien stolz zu sein und hatte seine Hand um Helen gelegt. Das sie meine Behandlungsmethode so offen ansprachen, war mir zwar unangenehm, aber ich wusste das sie dies wahrscheinlich nur sagten um den Wölfen ein besseres Gefühl zu vermitteln. Also versuchte ich das nicht so kleinlich zu sehen und lächelte in die Gruppe.

„Gwen, dies sind Elana und Mathias. Das Alphapaar des nächstgelegenen Rudels", stellte mich Alex den jüngsten Paar der Gruppe vor. Sie nickten mir höflich zu und griffen nacheinander nach meiner Hand. Sie sah sehr sportlich und gerade wie Anfang zwanzig aus, während ihr Partner vielleicht in meinem Alter sein konnte. Wie mir schien ist er erst vor kurzem von seinem Jungalpha posten befördert worden.

„Das sind Sarah und Tobias. Langjährige Freunde unserseits, die erst vor kurzen ihren dritten Sohn bekommen haben. Sie haben alle drei Jungs mitgebracht und verbringen die ganze Woche bei uns", erklärte Helen, als ich dem nächsten Paar die Hände schüttelte. Sie schienen älter und eher in Helens und Alex Alter zu sein. Tobias war ziemlich groß und breit gebaut, während seine Gefährtin zwar wesentlich kleiner, aber kurviger war mit einem schönen dunklen Teint, auf den ich ein wenig neidisch war. Sie hatte das wärmste Lächeln in der Runde und sagte das sie viel positives gehört hätte.

„Das Rudel von Mark und Anna ist seit Generationen mit dem unseren verbündet und hat selbst in den Rudelkriegen an unserer Seite gekämpft. Es gibt viele von unseren Verwandten und Rudelmitgliedern die dort ihre Familien gegründet haben, genauso wie andersherum."

Mark schien eher kurzangebunden, ähnlich wie seine Gefährtin Anna. Sie hatten von allen eine sehr dominante Ausstrahlung und ergänzten sich Äußerlich perfekt mit ihren dunklen Haaren und braunen Augen, doch das Verhältnis schien nicht so freundschaftlich wie zwischen Tobias, Sarah, Helen und Alex.

Als ich mich dann der Nachfahrin und ihrem Gefährten zuwandte, blickte ich direkt in zwei sehr ruhige und warm lächelnde Gesichter. Auch wenn die beiden vom Äußerlichen nicht unterschiedlicher hätte sein können, ergänzten sich ihre Ausstrahlung. Der Mann reichte mir als erstes die Hand. Er hatte genauso dunkle Haare und ähnliche Gesichtszüge wie Mark und stellte sich dann als Tim vor. Marks jüngeren Bruder.

„Das ist meine Gefährtin, Lucilla. Sie wird die diesjährigen Zeremonien leiten."

Lucilla wandte ihren Kopf zu ihren Gefährten und verzog ein wenig die Brauen.

„Das hat sie wahrscheinlich längst gewusst, mein Schatz", sagte sie verschmitzt und ich hätte schwören können Tims Ohren wurden rot. Doch statt sich von ihrem Gefährten beirren zu lassen, wandte sich Lucilla mir wieder lächelnd zu und hob ihre Hände.

„Gib mir deine Hände, damit ich dich auch wirklich sehen kann", bat sie. Tim nickte mir auffordernd zu, also zögerte ich nicht länger und legte meine Hände in ihre.

Ich spürte das altbekannte Prickeln auf meiner Haut, wenn Magie in der Luft war. Spürte geradezu, wie sie mich mit ihrer Magie studierte und vor ihrem inneren Auge sah. Meine alte Meisterin war damals nicht so sanft zu mir gewesen und zwängte die Magie geradezu in meinen damals kindlichen Körper hinein, während Lucilla wie ein Windhauch sanft über meinen Körper glitt. Es war etwas Intimes zwischen uns und als sie ihre Augen öffnete, verschlug es mir den Atem.

Ihre Pupillen waren genauso weiß, wie ihre Augäpfel, was auf den ersten Blick etwas gruselig erschien, aber es passte zu ihr. Ich hatte das Gefühl, als würde sie mich studieren und als sie ihren Kopf schief legte und anfing zu lächeln, musste ich dieses ehrlich erwidern.

Es war selbst unter den Hexen ein Privileg und eine Seltenheit Nachfahren alter Wesen und Völker begegnen zu dürfen, da sie von ihren Familien meistens als eine Art Heiligtum behandelt wurden. Ich wusste das man sie treffen konnte, wenn man eine hochrangige Position innehatte und für einen Segen bitten wollte. Deswegen erwartete ich eigentlich nur eine höfliche Begrüßung von ihr, doch als sie den Mund öffnete und meine Hände in ihren faltete, war ich überrascht.

„Auch wenn dein Geist und dein Körper nicht eines von Lunas Kindern ist, hast du ihren Segen an deiner Seite. Bleibe so wie du bist, denn dein Geist wird noch oft dir und anderen in deinem Umfeld eine große Hilfe sein."

Ihr Blick wanderte kurz zu Helen und Alex.

„Ihr tut gut daran euch gut mit ihr zu stellen. Sie könnte euch zum Erfolg führen oder euch einen großen Verlust bescheren. Das könnt nur ihr beeinflussen."

Ich sah an Alex Blick eine Art Triumph aufblitzen, während Helen eher beunruhigt über den zweiten Teil wirkte, doch die Nachfahrin strich mir sanft über die Hand und bedeutete mir ihr weiter zuzuhören.

„Verfolge deine Träume und höre gut zu. Dann wirst du das erfahren, wonach du dich so lange sehnst."

Ihr Lächeln wirkte aufrichtig und sie schloss die Augen wieder, bevor sie meine Hände los lies.

„Ihr habt euch die richtige Hexe ins Dorf geholt. Vor allem mit fähigen Händen."

Gerade der letzte Teil, sorgte dafür das ich sie als sympathisch empfand. Tim erklärte mir schnell das seine Gefährtin, in den Wesen Botschaften für die Zukunft erkennen konnte, aber nichts festgeschrieben war und ich mich nicht von ihrem Gesagten beunruhigen lassen sollte. Doch ich bemerkte die interessierten Blicke der Anwesenden und die nachdenklichen Ausdrücke in ihren Gesichtern. Doch gerade Alex schien mit dem Gesagten sehr zufrieden zu sein. Vor allem das seine Entscheidung vor allen Anwesenden so offen gelobt wurde.

Ich wandte mich höflich zu Lucilla, bedankte mich für ihre Botschaft mit einer leichten Verbeugung, während sie mir lächelnd zunickte. Eine Etikette die bei den Hexen normal war, aber wahrscheinlich für alle Anwesenden zu formell wirkte. Ich scherrte mich nicht darum, denn Lucilla verstand das ich wirklich dankbar war, das sie jemanden wie mir eine Botschaft zukommen ließ.

Ich verabschiedete mich danach höflich von den Anderen, mit den Worten das ich zu meinem Pavillon gehen musste. Sie ließen mich ohne Widerstand gehen, wofür ich echt erleichtert war.

Ich bemerkte wie die Gruppe sich wieder schnell in Gespräche verwickelte und besonders Alex von den Anderen angestupst und gelobt wurde. Meine Augen blieben aber wieder bei Lucilla hängen, die mit einem wissenden Lächeln ihren Kopf in meine Richtung wandte und sich mit einem Nicken von mir verabschiedete.

Ihre Worte beflügelten mich irgendwie. Natürlich konnten die Botschaften von Nachfahren sehr individuell und ihren Göttern passend ausgelegt werden, aber das ich meine Ziele weiter verfolgen sollte und so bleiben sollte wie ich war, bestärkte mich und meine Pläne für die Zukunft. Ich würde genauso hartnäckig bleiben und weiterhin alles dafür tun, um eine erfolgreiche Ärztin zu werden.

...

Und wie glaubt ihr hat Lucilla ihre Botschaft gemeint? Und haben sie Gwen und Alex auch wirklich verstanden? Ich bin auf eure Meinungen gespannt :)

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top