Kapitel 53

-Gwen Williams-

Ich glaubte ihm nicht vollkommen. Aber ich hatte keine Gründe ihm zu misstrauen. Helen hatte sich ganz normal mir gegenüber verhalten, sich nicht für Elias entschuldigt und auch Katharina hatte nichts mir gegenüber erwähnt.

Elias wandte sich mit der Axt in seiner Hand von mir ab und wollte sich zum Baum zuwenden. Mein Herz schlug immer noch schnell und ich musste mir meine schweißigen Hände an meiner Hose abwischen.

„Das wars? Das ist alles was du mir zu sagen hast?", fragte ich zerknirscht. Ich hatte die ganze Woche Ausschau nach ihm gehalten für das? Für diese Antwort und das Desinteresse an einem Gespräch?

Er wandte sich mir wieder seufzend zu. Es war schon etwas dämmrig, aber selbst ich konnte bei den Lichtverhältnissen den leichten Schweißfilm auf seiner Haut erkennen und kam nicht umhin an den Moment von eben zu denken wo er mich so nah an seinen Körper gepresst hatte. Zwar hatte er mich sofort wieder losgelassen, aber er war deutlich sanfter mit mir umgegangen als ich erwartet hatte. Und irgendwie wollte ich mir nicht eingestehen, das dieser Idiot auch eine zärtliche Seite haben konnte.

„Was willst du von mir hören, Gwen? Das es mir leid tut und ich es bereue? Ja, es tut mir leid und ich hätte mich eher bei dir entschuldigen sollen. Aber wie du siehst war ich die letzten Tage beschäftigt."

Überrascht zog ich die Brauen hoch.

„Du bereust es?", fragte ich spöttisch.

„Warum hast du dich dann die letzten Wochen wie der letzte Arsch aufgeführt? Wieso musstet du es so übertreiben und mich zwingen dir von meinem Zustand zu berichten? Erklär mir, wieso bist du jetzt auf einmal nett zu mir, statt mich einen Parasiten zu nennen?"

Die Wut und der Frust der letzten Wochen koch in mir über. Elias war das perfekte Ventil um all meine Emotionen freien Lauf zu lassen. Tief im Inneren wusste ich das ich nicht so sauer auf ihn war, wie einige wahrscheinlich fälschlicherweise annahmen. Denn er hatte recht. Ich war nicht daran interessiert mich in das Rudel zu integrieren und beraubte ihnen ihr hart verdientes Geld für wenig Arbeit, damit ich nebenbei weiterhin auf Arbeitssuche gehen konnte.

Auf perfide Art und Weise war ich genau der Parasit den er beschrieben hatte. Doch ich war sauer auf diese Welt. Den Fakt das ich mich dafür rechtfertigen musste magielos zu sein und das Bedauern von Elias nun so offen gezeigt zu bekommen. Mit Verachtung und weniger Fürsorge wäre ich besser klargekommen. Er sollte nicht nett sein und mich vor fallenden Bäumen retten. Er sollte in mir weiterhin die eingebildete Hexe und Ärztin sehen, die er nicht respektierte und nicht die bemitleidenswerte Mischlingsfrau die nirgendswo anders einen Arbeitsplatz ergattern konnte.

Er sah mich einen Moment nachdenklich an und strich sich dann etwas peinlich berührt über den Nacken. Ich hatte mit genauso viel Wut gerechnet. Sie mir sogar erhofft. Als einzige, so emotional schnaufend, da zu stehen kam mir falsch vor. Beinah schon hysterisch

„Es tut mir ehrlich leid dich verletzt zu haben. Ich kann verstehen, dass es für dich nicht nachvollziehbar oder ehrlich erscheint. Und wahrscheinlich würde ich genauso handeln wäre ich wieder in derselben Situation. Aber es liegt nicht an dir persönlich oder deinen Kompetenzen", versuchte er zu erklären, doch ich schnaufte genervt.

„Ach, jetzt wo du also weißt das ich keine Magie wirken kann, wirke ich auf dich also nicht mehr wie eine Bedrohung? Ist es das was du mir sagen willst? Das mein Charakter und mein Beruf egal sind, solange ich harmlos bin und jederzeit überwältigt werden kann?"

Ich sah wie er seinen Mund öffnete, um etwas zu erwidern, aber ihn wieder schloss. Enttäuscht schüttelte ich den Kopf. Hätte ich mir doch denken können. Ich war nur aufgrund seines Mitleids noch im Rudel und nicht verpfiffen worden.

„Das ist mir Antwort genug. Ich hätte nicht gedacht unter Wölfen genauso voreingenommene Wesen zu finden sind. Aber es scheint so, dass man egal wo man hingeht als magielos wohl nur als minderwertig betrachtet wird", gab ich bitter von mir.

Elias lief zwei Schritte auf mich zu, doch ich hob die Hand.

„Spar dir deinen Atem. Ich werde deine Entschuldigung nicht annehmen, aber habe sie gehört. Solange du niemanden davon berichtest, werde ich auch meine Klappe gegenüber Alex und Helen halten und so tun als wäre dieses Gespräch vor meiner Hütte nie geschehen."

Ich bemerkte das er nicht zufrieden war. Er hat einen angespannten Zug um die Mundwinkel und seine Stirn war gerunzelt. Aber zu meinem Erstaunen nickte er. Erleichtert schloss ich kurz die Augen.

„Gut. Da wir das nun geklärt hätten, mache ich mich zurück auf den Weg ins Dorf", sagte ich seufzend. Das Gespräch war überfällig, aber wie zu erwarten total unangenehm gewesen.

„Soll ich dich zurück ins Dorf begleiten?", bot auf einmal Elias an. Ich blickte zu ihm hoch und wusste nicht ganz wie ich das zu deuten hatte. War das sein Friedensangebot?

Ich schüttelte leicht den Kopf.

„Nein, ich kenn den Weg zurück."

Ich wollte mich schon wortlos auf den Weg machen, doch nach einem Blick auf den gefällten Baumstamm haderte ich. Wieso musste ausgerechnet er mich retten und so emotional aufgelöst vorfinden? Ich hätte ihm lieber nicht total verschwitzt und voller Adrenalin gegenübergestanden und dieses Gespräch geführt.

„Danke übrigens. Wegen dem Baum", sagte ich zaghaft, bevor mich der Mut verließ. Überrascht blickten Elias blaue Augen zu mir hinab.

„Ähm, gern geschehen."

Ich nickte und lief dann wieder Richtung Wald. Wollte uns beide von dieser unangenehmen Situation befreien und war dankbar über diesen neugewonnenen Frieden zwischen uns. Er war wacklig und zerbrechlich und könnte mit einem Fehler von dem jeweils anderen sofort wieder gebrochen sein, doch ich hoffte das wir beide es schaffen würden für die kommenden zwei Monate uns nicht im Weg zu stehen. Und sei es auch nur damit mein verräterischer Körper nicht mehr so entzückt von seiner halbnackten Erscheinung war.

...

Als mich am Sonntagmittag Katharina auf der Lichtung mit Mara, Helens Assistentin, den Pavillon aufbauen sah, bot sie sofort Unterstützung an. Ich hätte nicht gedacht das zwei Personen so große Probleme bekommen könnten, wenn es um den Aufbau eines Pavillons ging. Doch Katharina hatte trotz fehlender Anleitung schnell den Überblick und dirigierte uns und half dann das Gerüst auch noch an die Nähe der Bäume zu stellen, wo es hoffentlich den Wettbewerben und Veranstaltungen der kommenden Woche nicht im Weg stehen würde.

Als die Plane befestigt war und das Gerüst relativ stabil stand, verabschiedete Mara sich. Zum Glück blieb aber Katharina, die nach eigener Aussage nur kurz vorbeigekommen war, um bei den Aufbauarbeiten behilflich zu sein. Sie erzählte das die Konditorei für die ganze Woche Kuchen und Torten für die Gäste und das Rudel beisteuerten. Sie berichtete außerdem freudig von den verschiedenen Glasuren und den Früchten die sie noch in guter Qualität auftreiben konnte.

Ich lächelte, als sie mir so ungezwungen von all den Vorbereitungen erzählte und war dankbar, dass sie mir half einige Kisten in den Pavillon zu tragen. Zum Glück hatten wir nicht allzu viel zur Lichtung schleppen müssen. Für die richtige und ausführlichere Krankenversorgung würde ich in die Praxis gehen, aber die Erstversorgung wie das Desinfizieren von Wunden oder verbinden konnte ich problemlos hier durchführen. Mir kam schon der Gedanke hoch das Helen es extra geplant hatte mich mitten ins Geschehen zu platzieren, in der Hoffnung das mehr Rudelmitglieder auf mich zugehen würden und ich mehr von der Kultur mitbekam. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.

Als wir die beiden Campingstühle aufstellten auf die wir uns sofort plumpsen ließen, seufzte ich erleichtert. Ich hatte noch eine Liege für hier draußen organisieren können, aber die stand noch zusammengeklappt neben den Kisten und würde erst morgen aufgestellt werden.

„Endlich Pause", sagte Katharina mit zufriedenem Ausdruck und linste zu mir hinüber. Ich musste grinsen.

„Es sieht aber nicht so aus, als würden die anderen bald eine Pause bekommen", sagte ich und deutete mit den Kopf Richtung Alex und Helen. Das Alphapaar dirigierte Helfer von A nach B, die sofort ihren Aufforderungen nachkamen. Schon seit den frühen Morgenstunden waren sie hier.

„Ach das vertragen die schon", sagte Katharina abwinkend und ich musste schmunzeln. Ich widersprach ihr nicht. Alex und Helen schienen wirklich in ihrem Element zu sein. Keiner wirkte abgehetzt oder genervt. Sie sprachen professionell und wirkten sehr konzentriert. Erst als Elias die Lichtung mit einer Gruppe Wölfe die Lichtung betrat, bemerkte ich wie gekonnt Alex Elias ignorierte, während dieser sich an Helen wandte. Wahrscheinlich gingen die beiden sich aufgrund von Alex Bestrafung aus dem Weg. Das war jedenfalls meine Einschätzung. Doch nach Katharinas besorgten Blick auf ihren Schwager zu urteilen, konnte es auch andere Gründe geben.


„Alles gut?", fragte ich an sie gewandt. Sie zuckte ein wenig erschrocken zusammen und schüttelte beruhigend den Kopf.

„Alles gut. Ich war nur in Gedanken", sagte sie abwehrend. Bevor ich weiter nachfragen konnte, fragte sie ob ich noch weiter Hilfe benötigte. Als ich verneinte verabschiedete sie sich umarmend und lief auf Elias zu um bei den Aufbauarbeiten zu helfen. Dafür das sie eben nach einer Pause geradezu gelechzt hatte, wunderte mich ihre neu gewonnene Motivation. Hatte ich etwas was Falsches gefragt?

Ich beobachtete wie sie zu Elias aufschloss. Kurz glitt sein Blick von Katharina zu mir, doch genauso schnell wandte er den Blick wieder ab. Wir hatten uns schon den ganzen Tag ignoriert und damit kam ich gut zurecht. Es gab keine bösen Blicke oder Kommentare mehr, wenn er mich in Katharinas Nähe sah und wahrscheinlich erleichterte das Katharina enorm. Immerhin, so schien es mir, wollte sie so viel Stress wie möglich mit Elias vermeiden.

Ich blieb noch einige Minuten sitzen und beobachtete wie Elias und seine Truppe an Helfern einige Baumaterialien aus dem Wald herbrachten und staunte nicht schlecht. Ich wusste um die Kraft die die Werwölfe auch in ihrer menschlichen Form hatten, aber sie dennoch allein oder zu zweit Baumstämme tragen zu sehen, als wäre es das normalste der Welt, war doch etwas überraschend. Die Bäume waren zwar schmaler, als der Baum der mich fast erschlagen hätte, aber bestimmt genauso lang.

Weiter hinten auf der Lichtung sah ich wie eine Grube ausgehoben wurde. Laut Maras Erklärung diente es für die Ringkämpfe. Sand würde heute noch aufgefüllt werden. Und etwas weiter würden wirklich Wettkämpfe zum Baumstammwerfen stattfinden. Ich hätte nicht gedacht sowas mal zu sehen, aber nachdem mir Mara von all den Wettkämpfen, Jagden und Ritualen erzählte, erwischte ich mich, wie ich ihr immer mal wieder neugierig Fragen stellte. Ich huldigte zwar der Göttin Luna nicht so innig wie die Wölfe, konnte aber ihre Magiequelle erspüren. Auf meine Frage hin, ob sie Magie mit den Ritualen hervorbeschworen, konnte mir Mara keine Antwort liefern, aber sie erzählte von einer Schamanin, die aus einem der Dörfer mitanreiste und die Zeremonien leitete. Laut ihren Erzählungen war sie keine Werwölfin, aber die Gefährtin eines anderen Wolfs und war eine Nachfahrin der Seher.

Es erstaunte mich das sie erzählte, das vereinzelt auch andere Wesen anreisen würden. Einige Nymphen aus dem Wald und die nicht wölfischen Gefährten aus den anderen Rudeln. Es machte mich zwar etwas nervös zu wissen, das reintheoretisch Wesen auf dem Gelände anwesend waren die mich als Halbmensch identifizieren konnten, aber ich versuchte mir das nicht anmerken zu lassen. Ich würde hauptsächlich hier am Rand des Geschehens sein und kaum auffallen. Solange ich mich nicht mitten in die Festivitäten begab, sollte ich unentdeckt bleiben.

Seufzend erhob ich mich aus dem Stuhl und klappte ihn wieder zusammen. Nachdem ich alles sicher platziert hatte und die letzte Plane an der Frontseite befestigt und geschlossen hatte, machte ich mich auf den Weg zu Helen. Nach dem ich ihr Bescheid gegeben hatte, dass ich mit allem fertig war, wünschte sie mir einen schönen Feierabend und erinnerte mich daran am morgigen Tag bei der Eröffnungszeremonie anwesend zu sein. Nach ihrer Aussage wollte sie mich einigen Wölfen vorstellen. Nickend verabschiedete ich mich von ihr und auch von Alex, ehe ich mich Richtung Wald begab. Auf dem Rückweg sah ich nochmal kurz über die Schulter zu Katharina und Elias, die die Baumstämme schon längst abgelegt hatten und nun halfen die Grube mit Sand aufzufüllen. Elias dirigierte gekonnt seine Helfer und forderte einen Sack voller weißem Sand nach dem anderen.

Ich wandte den Blick wieder ab. Ich sollte mir lieber Gedanken um meine eigenen Probleme machen, statt auf die anderer zu achten.

...

Hallo meine Lieben,

ich weiß ihr musstet ein wenig länger auf dieses Kapitel warten und das ist mir auch bewusst. Mein Privatleben fordert den letzten Monat viel meiner Zeit und ich kann nicht versprechen das sich das bis zum Ende des Jahres ändern wird. Ich helfe nämlich, zusäztlich zum neuen Semester welches bald wieder anfängt, bei der Pflege eines Familienmitglieds und das hat Vorrang.

Um die Wartezeit für euch etwas abzumildern, habe ich mir überlegt, wenn sich die Lage bei mir beruhigt hat, eine Lesenacht zu veranstalten und damit einige Kapitel nachzuholen. Wenn ich wieder einige Kapitel vorgeschrieben habe, werde ich das auch zügig umsetzen. Ich kann nur leider nicht versprechen das die Lesenacht dieses Jahr noch stattfinden wird. Das kann ich nur spontan entscheiden. 

Liebe Grüße Myra


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