Kapitel 51
-Gwen Williams-
Nachdem Alex die Rudelversammlung für beendet erklärt hatte, liefen einige Wölfe genau wie ich auf Pascal und das Alphapaar zu, um Details für das kommende Erntedankfest zu besprechen.
Doch ich hatte kein Interesse an Helen oder Alex. Stattdessen wartete ich bis Pascal fertig war und fing ihn an einen der Ausgänge ab, bevor er den Saal verlassen konnte.
„Hey Pascal, hast du zufällig eine Minute?", fragte ich und er sah etwas gehetzt zu seiner Uhr am Handgelenk.
„Nur wenn es wirklich eine Minute dauert. Ich muss nämlich eigentlich direkt weiter."
Ich lächelte dankend und begleitete ihn die paar Meter bis zum Rudelhausausgang.
„Ich wollte eigentlich nur wissen, wo Elias ist? Ich muss mit ihm was besprechen."
Pascal bremste abrupt ab und sah etwas erschrocken zu mir.
„Ist alles in Ordnung? Ist irgendetwas zwischen euch vorgefallen?", fragte er sofort und ich wich etwas überrascht zurück. Wow. Mit solch einer heftigen Reaktion hätte ich nicht gerechnet.
„Ähm, nein. Es ist alles gut. Ich wollte bloß mit ihm über meine Patienten sprechen. Helen meinte ich bräuchte seine Erlaubnis, wenn ich fremde Wesen innerhalb des Rudels behandeln will", log ich. Pascal atmete erleichtert aus und blickte erneut auf seine Uhr, bevor er die Tür öffnete.
„Ich weiß gerade nicht wo Elias ist. Komm einfach am besten unterhalb der Woche mal in der Zentrale vorbei, da solltest du gute Chancen haben."
Nickend wollte ich schon nachfragen, ob ich ihn nicht früher irgendwo erwischen konnte oder er mir Elias Telefonnummer geben konnte, aber bevor ich nur dazu kam diesen Gedanken laut auszusprechen unterbrach mich Pascal und verabschiedete sich kurz angebunden. Danach lief er schnell Richtung Zentrale, während er mich in der Herbstkälte zurückließ.
Seufzend machte ich mich auf den Weg zu meiner Hütte. Ich hatte nur noch wenige Optionen. Entweder fragte ich Katharina und sorgte damit das sie von der ganzen Sache erfuhr oder ich versuchte es mit Glück in der Zentrale. Mir blieb wahrscheinlich nichts anderes übrig als auf die Zentrale zu hoffen.
...
Als meine Tränen zum Stillstand kamen und mein Atem sich beruhigte, wurde ich mir des Umstandes, immer noch in den Armen dieses Wolfes zu sein, bewusster. Mit glühenden Wangen schob ich ihn sanft von mir und wischte mir über die Wangen.
„Danke", nuschelte ich leise, bevor ich es wieder wagte zu ihm hinauf zu blicken. Er lächelte sanft und nickte mir zu. Dabei beließ er es auch zum Glück. Ich musste nichts weiter erklären und war dankbar dafür, dass er es so stillschweigend akzeptierte.
„Und? Wollen wir weiter?", hakte ich nach und zum Glück bejahte der dunkelhaarige Mann. Zusammen liefen wir weiter. Immer noch durch diese undurchdringliche weiße wabernde Schicht aus Nebel die so allumfassend war. Doch nach kurzer Zeit spürte ich Erde unter meinen Füßen und Gestrüpp.
Kleine Äste gesellten sich dazu und sorgten dafür, dass es immer wieder leise knackte. Der Nebel begann sich von unten her immer weiter zu lichten und ich erkannte Waldboden.
Dicke Baumwurzeln schlugen durch die Erde und bald schon sah ich die dicken Baumstämme. Ich atmete tief durch. Roch den Wald und die kühle Abendluft. Es wurde zunehmend dunkler und ich suchte instinktiv mit der Hand nach der Hand meinen Begleiters. Fest hielt ich seine große Hand und blickte kurz auf unsere ineinander verschränkten Hände. Störte ihn das vielleicht? Er hatte sie nicht zurückgezogen und es zugelassen das ich nach ihr griff.
Ich blickte zu ihm hinauf, konnte aber nichts aus seiner Miene herauslesen. Er manövrierte uns ganz natürlich durch den dunklen Wald, bis ich irgendwann die Umrisse von Hütten in der Ferne zwischen den Bäumen erkannte.
Dieser Ort kam mir bekannt vor. Ich lief weiter und zog nun meinen Begleiter hinter mir her, während ich mich mit meiner freien Hand an den Bäumen abstütze. Die Äste auf dem Boden waren trocken und zerbrachen ganz einfach wie Zunder. In der Ferne erkannte ich Lichter und wollte schon instinktiv darauf zulaufen. Doch mein Begleiter stoppte urplötzlich. Verwirrt drehte ich mich zu ihm herum.
„Was ist los?"
Sein Blick wanderte an mir vorbei und fixierte etwas weiter hinter mir. Er nahm einen tiefen Atemzug und schloss danach mit zitterndem Atem die Augen. Er ließ meine Hand los und strich damit übers Gesicht.
„Wir sollten nicht weiter", sagte er und ich zog verwirrt die Brauen zusammen. Ich blickte mich nochmals um, konnte aber nichts ungewöhnlich feststellen.
„Wieso nicht? Was ist denn los?", fragte ich ahnungslos, doch bevor er antworten konnte, hörte ich plötzlich Schreie. Laute schmerzverzerrte Schreie und eine plötzliche Hitze die sich mir bis ins Mark fraß.
Erschrocken wandte ich mich von meinem Begleiter ab und lief in die Richtung aus der die Schreie kamen. Hinter mir hörte ich, wie er mich immer wieder bat nicht zu gehen und mir hinterherlief, doch irgendetwas in mir Zwang mich dazu meine Schritte zu verschnellern und nach der Ursache der Schreie zu suchen. Vielleicht brauchte jemand meine Hilfe!
Ich sprang über Baumwurzeln, wich Stämmen aus und ignorierte die Rufe hinter mir. Immer mehr und mehr erkannte ich den Wald und die Hitze wurde immer stärker, bis ich endlich aus dem Teil des Waldes mit den eng stehenden Bäumen trat und sich mir ein Dorf offenbarte.
Ein Dorf mitten im Wald. Welches hellauf erleuchtet war. Von Flammen die bis in die Baumkronen reichte und die Bewohner aus ihren Hütten vertrieb.
...
Träume von Flammen hatten mich die letzten Nächte heimgesucht. So hohe Flammen das sie beinah die ganze Welt zu verschlucken schienen und damit auch meine Ruhe. Ich hatte weder die Chance, während ich schlief Ruhe zu finden, noch, wenn ich wach war.
Ich hatte es geschafft ein paar neue Patienten anzuwerben und einen Termin mit ihnen für diesen Donnerstag vereinbart. Es zwang mich, mich mit Elias auseinanderzusetzen und bot mir eine gute Ausrede, um die Zentrale am Montag betreten zu können.
Als ich am besagten Tag vor dem Gebäude stand und tief durchatmete, machte mir eine breitlächelnde Wölfin die Tür auf. Sie hatte ihre dunklen Haare zu einem lockeren Dutt hochgesteckt und trug nur ein Tanktop und eine kurze Shorts. Verdutzt starrte ich vielleicht zwei Sekunden zu lange auf ihre langen und sportlichen Beine, bevor sie sich mir als Jenny vorstellte.
„Gwen Williams mein Name. Ist zufällig ihr Chef da? Ich muss was mit ihm besprechen", fragte ich höflich. Sie nickte und deutete mir ihr zu folgen.
Ich lief ihr hinterher und betrat einen großen runden Raum. Vorne waren viele Monitore an der Wand angebracht, die die aktuellen Aufnahmen aus dem Dorf und Wald zeigten. In der Mitte des Raumes war ein großer Tisch mit mehreren Stühlen, an denen sich ein paar Wölfe tummelten. An den Seiten gab es mehrere Türen und auch einige Spinde. Mit einem Seitblick registrierte ich die fein säuberlich zusammen gelegten Klamotten Haufen.
Jenny führte mich an den Tisch vorbei und ich wich einem großen auf dem Boden liegenden und anscheinend schlafenden Wolf aus. Die Wölfe in Menschengestalt warfen einige neugierige Blicke zu uns herüber und ich nickte ihnen zu, obwohl mir die teilweise fehlenden Kleidungsstücke und damit sehr offene Körperkultur auffiel. Etwas was für die Werwölfe hier so natürlich wie das Atmen war, da es sich bei der Zentrale um einen Ort handelte in dem man sich schnell wandeln musste.
Nervös schluckend wandte ich mich ab und sah zu Jenny die auf einen blonden Mann zulief, der vor der Wand aus Monitoren stand und sich mit ein paar weiteren Wölfen austauschte.
„Pascal, du hast Besuch", sagte Jenny lächelnd und gab Pascal einen Kuss auf die Wange, bevor sie sich winkend von mir verabschiedete und sich in einen der umliegenden Räume verkroch.
Pascal sah erstaunt zu mir herüber. Ich seufzte schon instinktiv.
„Lass mich raten. Er ist nicht hier?"
Pascal sah entschuldigend zu mir herüber. Er sagte noch etwas zu seinen Kollegen und führte mich dann in die kleine Küche der Zentrale, wo er mir Tee anbot. Dankend lehnte ich ab.
„Wann wird er denn wieder hier sein?", fragte ich frei heraus, nachdem Pascal die Tür hinter sich geschlossen hatte. Auch wenn ich wusste das die Wölfe mit ihrem Gehör alles auch hinter geschlossenen Türen hören konnten, begünstigte ich Pascals Versuch von Privatsphäre.
„Wenn ich das wüsste, wären aktuell nicht so viele auf mich sauer", sagte er nuschelnd und ich zog die Braue hoch. Was hatte das denn zu bedeuten?
„Hören Sie, solange Elias nicht hier ist, bin ich für seine Aufgaben verantwortlich. Alles was Sie mit ihm besprechen wollen, können Sie auch mit mir besprechen", erklärte er und instinktiv wollte ich schon verneinen. Ich konnte mit ihm nicht über alles sprechen. Egal wie höflich Pascal war und wie viel lieber es mir wäre mit ihm zusammen zu arbeiten statt mit Elias, so musste ich doch einige Dinge von Elias persönlich erfahren.
„Es tut mir leid, aber Helen meinte ich solle mich nur an sie oder Elias wenden, wenn ich Patienten von außerhalb in die Praxis einlade", sagte ich mit Bedauern in der Stimme. Zum Glück stimmte das. Ich wusste zwar nicht, ob Pascal alle Befugnisse wie Elias in seiner Abwesenheit hatte, aber ich hoffte mit dieser Aussage, dass Pascal etwas über Elias Standort preiß gab. Ich konnte nur schwer glauben, dass der Beta ohne Ankündigung das Rudelgelände verlassen hatte. Also musste etwas anderes dahinterstecken. Womöglich hatte er sich irgendwelche Ausreden einfallen lassen, um mir nicht mehr über den Weg laufen zu müssen. Es war ungewöhnlich, aber seit unserem Gespräch hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Also musste es bestimmt etwas mit mir zu tun haben.
Pascal seufzte und strich sich durch die Haare.
„Ich verstehe ihr Problem. Aber dann sollten Sie sich womöglich an Helen wenden oder den Termin verschieben. Ich kann aktuell diese Woche nicht für Elias Anwesenheit in der Zentrale garantieren", erklärte Pascal und verwirrt legte ich den Kopf schief.
„Wo ist er denn? Ich kann diese Woche Helen nicht stören. Sie steckt mitten in den Arbeiten für das Erntedankfest und ich kann den Termin am Donnerstag nicht verschieben. Am Freitag helfe ich in der Schule aus und die Woche darauf ist das Erntedankfest, da will ich Patienten von außerhalb nicht auf das Rudelgelände einladen."
Pascal nickte.
„Ich verstehe. Blöde Situation, aber ich kann Ihnen wirklich nicht sagen, wann Elias wieder da sein wird. Aktuell übernehme ich alle organisatorischen Arbeiten, bis er von seiner Arbeit in Wald zurückkommt. Ich könnte Ihnen anbieten falls er bis Mittwoch nicht zurückkommt, in ihren Namen bei Helen nachzufragen."
Sein Angebot war nett, aber es half mir nicht Elias zu treffen. Ich seufzte.
„Ich will Helen wirklich nicht stören. Gibt es keine Möglichkeiten ihn nach dieser Arbeit im Wald, was auch immer das bedeutet, anzutreffen?"
„Ich fürchte nein. Er hat einen Auftrag von Alex bekommen und übernachtet auch solange im Wald, wenn ich richtig informiert bin. Ich bekomme auch nur sehr unregelmäßig Updates von ihm. Wahrscheinlich ist er die meiste Zeit in seiner Wolfsgestalt und daher nur schwer erreichbar. Wenn er wieder hier ist lasse ich ihn gerne wissen, dass sie nach ihm gefragt haben. Soll ich trotzdem vorsorglich mit Helen reden, falls er bis Mittwoch nicht wieder im Dorf sein sollte oder wollen sie das selber übernehmen?"
Ich nahm sein Angebot dankend an und leitete ihm die Daten der Patienten weiter. Alles andere wäre auffällig und unvernünftig gewesen. Ich bemerkte, dass er mir nicht mehr erzählen würde und nachdem wir alles Nötige besprochen hatten, verlies ich die Zentrale mit einem mulmigen Gefühl.
Der Beta des Rudels musste über eine Woche im Wald arbeiten und kam abends nicht mal nach Hause zurück? Was hatte Alex damit zu tun? Pascal hatte angedeutet es wäre ein Auftrag vom Alpha gewesen. Hatte Elias also doch mit ihm gesprochen und es kam wegen mir zu einer Art Bestrafung? Hätte dann Helen mir nicht etwas davon erzählt? Oder wollen sie nur so zu meinem Schutz handeln?
Die darauffolgenden Tage zogen sich. Ich hatte jeden Abend nach meiner Arbeit einen Abstecher in der Zentrale gemacht und bin entweder Jenny oder Pascal begegnet. Am Mittwoch versprach mir Pascal die Erlaubnis von Helen für mich einzuholen. Doch auch nach dem Donnerstag Termin, war ich nochmal bei der Zentrale und dem Trainingsfeld, in der Hoffnung ihm da über dem Weg zu laufen. Sollte ich vielleicht aufhören nach ihm Ausschau zu halten? Vielleicht war Alex Auftrag gar keine Bestrafung und Elias kam bewusst nicht zum Dorf zurück, um mich zu meiden.
Nach dem Unterricht am Freitag, beschloss ich das ich irgendwie den Kopf frei bekommen musste. Ich hatte genug davon mir ständig Sorgen machen zu müssen und mich wie eine Betrügerin fühlen zu müssen. Ich schnappte mir also meine Drahtlosen Kopfhörer, zog mir meine Sportklamotten und eine Fleecejacke an, und beschloss nach Monaten mal wieder Joggen zu gehen.
Wenn ich schon im Dorf nicht viel mit meiner Freizeit anzufangen wusste, und mir nur Gedanken machte, konnte ich diese Zeit auch gut dazu nutzen meinen Körper wieder fit zu kriegen.
...
Hoffe das Kapitel hat euch gefallen. Und keine Sorge, dass nächste Kapitel ist aus Elias Perspektive ;)
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