Kapitel 49
-Gwen Williams-
Selbst zwei Nächte nach dieser Katastrophe, schaffte ich es nicht mich zu beruhigen. Mein ganzer Körper stand unter Strom und ich bemerkte wie meine Gedanken regelmäßig abdrifteten und ich mich wieder dabei erwischte, wie ich anfing an meinen Nägeln zu kauen. Eine Angewohnheit die ich gehofft hatte, nach dem Auszug aus meinem Elternhaus, los zu sein. Doch der Stress blieb und ich schaffte es nicht mich übers Wochenende mit Arbeit abzulenken, was sonst immer half.
Fluchend klappte ich den Laptop zu. So konnte es nicht weitergehen. Ich verhielt mich ja schon wie ein wildes Tier im Käfig und lief in meiner Hütte auf und ab, wenn ich nichts zu tun hatte.
Mein Blick huschte zum Handy und ein weiteres Mal an diesem Morgen haderte ich. Ich hatte heute früh die Daten von Finns Blutentnahme bekommen und hatte ein paar passende Impfungen für ihn gefunden. Ich müsste zwischen ihnen immer zwei Wochen Zeit lassen, aber was mir eher Sorgen bereitete war ein ganz anderer Fakt. Sollte ich diesen Idioten anrufen so wie wir vereinbart hatten? Nichts würde ich lieber tun als ihm ewig aus dem Weg gehen und zu beten das er unser Gespräch totschwieg, aber ich hatte mit ihm und Katharina abgesprochen ihm wegen Finns Untersuchungen Bescheid zu geben. Aber ich wollte nicht! In mir sträubte sich alles, wenn ich nur an ihn dachte.
Ich hatte die Nächte nicht gut geschlafen. Albträume aus meiner Kindheit verfolgten mich und hinterließen ein unangenehmes Gefühl in meiner Brust. Die Angst erneut wegen meinen nicht vorhandenen Fähigkeiten angesprochenen zu werden war urplötzlich und mit einer Urgewalt in meinen Kopf zurückgekehrt.
Wieso verhielt ich mich bloß so? In der Stadt gab es so viele Wesen die auf dem ersten Blick gespürt hatten, dass ich ein Mischling und dazu magielos war und nun nahm mich das urplötzlich wieder mit? Ich verstand mich selbst nicht mehr.
Hatte ich mich vielleicht die ganze Zeit nur in Sicherheit gefühlt, da ich wusste das niemand hier es erspüren konnte? Hatte ich echt gedacht ich wäre sicherer, wenn die Anderen mich aufgrund von Fähigkeiten respektierten die nicht vorhanden waren? Sie hatten mich nie Magie wirken sehen. Früher oder später würden sie es eh wissen, aber davor würde ich hier weg sein.
Nur dessen konnte ich mir nicht mehr sicher sein. Wer weiß wem Elias das alles schon erzählt hatte? Nach dem Gespräch im Rudelhaus wo man mir unterstellte Alena mit Magie ausgetrickst zu haben, schien das ganze Rudel in dem Glauben gewesen zu sein, ich könne Magie wirken. Sogar Alex und Helen schienen sich dessen nicht sicher gewesen zu sein. Würden sie mich nun doch früher rausschmeißen, weil ich es ihnen vorenthalten hatte?
Fuck!
Frustriert stand ich auf, schnappte mir mein Handy und zog mir meinen Mantel über. So konnte es nicht weiter gehen. Das Gedankenkarussell in meinem Kopf war unmöglich aufzuhalten, also musste ich selbst in die Initiative gehen und versuchen herauszufinden wo ich stand!
Schnell schrieb ich Katharina das Finns Ergebnisse da waren und wir ab Mittwoch mit den Impfungen anfangen konnten. An dem Tag würden die Impfstoffe ankommen.
Als nächstes versuchte ich Helen anzurufen. Wenn mir eine Person eine Antwort darauf geben konnte, ob ich hierblieb oder nicht, dann würde es die Luna des Rudels sein!
Nach dem zweiten Tuten nahm sie zum Glück auch schon ab, als ich gerade meine Hütte abschloss.
„Ah Williams! Schön das Sie anrufen, ich hatte eh vor mich gleich bei Ihnen zu melden", sagte Helen zu meiner Überraschung erfreut am Telefon klingend.
„Das trifft sich gut. Ich wollte auch mit Ihnen reden."
Ich hörte es im Hintergrund rascheln und dann eine Tür zuschlagen, als hätte sie den Raum verlassen.
„Würde es Ihnen vielleicht etwas ausmachen zum Rudelhaus zu kommen und mich in meinem Büro zu treffen? Ich komm heute nicht mehr so schnell hier raus", sagte sie, bevor ich überhaupt anfangen konnte. Und da ich nicht unhöflich sein wollte, bejahte ich und machte mich daraufhin zügig Richtung Rudelhaus. Falls sie mich wirklich loswerden wollten, würde sie dies zwar sicher nicht am Telefon machen wollen, aber sie hatte sich zu nett angehört. Was würde sie nur von mir wollen?
Keuchend öffnete ich die schwere Tür zum Rudelhaus und kam nicht umhin auf den sauber gewischten Boden zu starren, wo vor zwei Nächten Toms Blut den Boden benetzt hatte. Zum Glück hatte der behandelnde Arzt in der Klinik mit mir gestern telefoniert, sodass ich auf dem neusten Stand war. Er würde mit Tom und seiner Familie auch ein paar Medikamente schicken, zur Sicherheit, falls wir hier nicht genug hatten. Es würde keine lange Pause für Tom sein, aber es würde wahrscheinlich dennoch schwer werden einen Werwolf dafür zu sensibilisieren seine Knochen zu schonen, wenn sich für ihn alles wieder gut anfühlte.
Als ich durch das Rudelhaus lief bemerkte ich das sehr viele heute hier waren. Selbst in der Halle für die Versammlungen, wuselten sie herum. Verwirrt blickte ich einem sehr gehetzt wirkenden Wolf der aus der Richtung von Helens und Alex Büro kam, nach. Waren die Sturmschäden so gewaltig gewesen? Ich hatte am Wochenende nur eine Nachricht von Helen erhalten, dass ich mich nach dieser turbulenten Nacht schonen sollte und eine von Katharina, die mich fragte, ob bei mir alles in Ordnung war und ich mich erstmal nicht weit vom Dorf entfernen sollte, wegen der akuten Fallgefahr der Bäume.
Kurz vor Helens Büro fiel mir einmal mehr, dass rege Treiben heute auf. Im Hintergrund suchten andere Rudelmitglieder in den Regalen nach bestimmten Ordnern oder standen um Helens großen Tisch herum und brüteten über ein paar verteilten Unterlagen.
Helen sagte noch schnell was zu ihrer linken, bevor sie lächelnd zu mir blickte und ihre dunklen blonden Haare hinters Ohr strich.
„Williams, schön das sie so schnell kommen konnten. Wir gehen besser in die Küche, da ist nicht so viel los", sagte sie höflich, als sie auf mich zulief und mich schon Richtung Mitarbeiterküche dirigierte.
„Ich wusste nicht das noch so viel Arbeit wegen den Aufräumarbeiten anfällt. Kann ich denn irgendwie helfen?", fragte ich sofort mit einem schlechten Gewissen. Sie hatte offensichtlich noch so viel Arbeit zu erledigen und ich hatte Angst, um meinen eh nur drei Monate anhaltenden Job.
Sie winkte mit der Hand und öffnete mir die Tür zu der kleinen Küche.
„Ach nein. Um die restlichen Aufräumarbeiten kümmert sich Elias. Wir sind aktuell in den Vorbereitungen für das Rudeltreffen und das Erntedankfest in zwei Wochen. Das ist auch der Grund, weshalb ich mit ihnen sprechen wollte. Ich habe nämlich auf ihre Mithilfe gehofft."
Mein Kopf rauschte, als ich erleichtert feststellte, dass mir keine Kündigung drohte. Sie wollte mich sogar... weiter in das Rudel intergieren? Ihre nächsten Worte bestätigten meinen Verdacht.
„Wir werden nächstes Wochenende alle bisherigen Vorbereitungen für das kommende Fest beim Rudeltreffen besprechen. Ich hätte gern das sie wieder dabei sind und bis dahin eine Liste erstellen, die alle Materialien auflistest, die sie für das Erntedankfest benötigen."
Verwirrt setzte ich mich auf einen Stuhl, während sich Helen an die Theke lehnte.
„Wie meinen Sie das? Was soll ich denn bei dem Fest genau machen?", fragte ich etwas dümmlich. Ich war mir der wölfischen Traditionen nicht gänzlich bewusst. Ich wusste das unter den Menschen das Erntedankfest Anfang Oktober stattfand, doch hier in der magischen Gesellschaft war es anscheinend Ende Oktober. Was auch an sich sinnig war, da viele Pflanzen durch Magie eine verlängerte Ernte und Wachstumszeit hatten. Doch was ich genau bei wölfischen Festivitäten zu suchen hatte, war mir nicht ganz klar.
„Ich vergaß, dass Sie sich nicht mit unseren Gebräuchen auskennen", sagte Helen entschuldigend, während sie sich Kaffee einschenkte und mir auch einen anbot. Dankend lehnte ich ab, ehe sie sich wieder an mich wandte.
„Das Erntedankfest ist bei uns ein einwöchiges Fest, wo wir unserer Göttin huldigen. Dieses Jahr halten wir das Fest hier bei uns ab und laden dazu zwei befreundete und nicht weit entfernte Rudel ein. Einige übernachten hier für die Zeit oder reisen für bestimmte Tage an. Wir jagen gemeinsam, übergeben Opfergaben an unsere Göttin, veranstalten kleinere Wettkämpfe und feiern die Nächte lang mit unseren Freunden und Verwandten. Es gibt natürlich am Anfang und Ende des Festes Zeremonien, aber hauptsächlich sieht der jüngere und dominante Teil der Rudel darin eine Chance sich unter Freunden und Rivalen zu messen. Die Alpha und die Dominantesten in den Rudel rufen zu freundschaftlichen Wettkämpfen auf, die manchmal etwas... wie soll ich es nennen? Ausarten können? Sie verstehen sicher was ich damit meine."
Überrascht hob ich die Brauen. Die Feste unter den Hexen waren nach den Erzählungen meiner alten Lehrerin nicht so... ausartend? Eher ehrfürchtig. Aber das lag wohl an den unterschiedlichen Kulturkreisen. Jede Wesensrasse hatte ihre eigenen Rituale, ihren eigenen Gott und Magiequelle die sie huldigten. Das sollte mich nicht im Geringsten überraschen.
„Und ich soll wohl ihr Sanitäter vor Ort sein, falls es zu sehr ausarten könnte. Habe ich recht?", fragte ich mit hochgezogener Braue.
Sie nickte.
„Wir werden auf der Lichtung über den Tag die Wettbewerbe abhalten. So haben alle die Chance im Dorf sich auszuruhen und die kleineren Kinder bekommen nicht all zu viel von dem Trubel mit. Wir hatten uns vorgestellt, dass sie vor Ort vielleicht ein Zelt bekommen um dort zu Not erste Hilfe leisten können."
Etwas überrascht war ich schon darüber das sie so weit plante, aber auch das die Wölfe sowas erlauben würden.
„Wie haben sie bei früheren Festen Verletzungen behandelt?", fragte ich.
„Wir hatten normalerweise einen Heiler vorsorglich für die Tage organisiert, aber die meisten haben seine Dienste nicht in Anspruch angenommen. Die Wölfe waren zu stolz sich von jemanden heilen zu lassen und wollten keine Schwäche vor den Anderen zeigen", sagte sie ehrlich und ich nickte.
„Und wieso glauben Sie sie würden es zulassen, dass ich sie behandle?"
Helen legte den Kopf schief.
„Sie heilen nicht. Die meisten Wölfe wollen ohne Magie und von selbst heilen. Wenn sie aber da sind und ihnen mit Medikamenten und Verbänden aushelfen, wird es ihr Stolz vielleicht zulassen."
Auch wenn es nicht beabsichtigt war, tat es irgendwie weh zu wissen, dass die Wölfe sich nur von mir behandeln lassen würden, da ich sie nicht heilen konnte. Ich seufzte. Helen wusste selber nicht, ob sie sich darauf einließen, aber sie wollte verständlicherweise zur Sicherheit jemanden vor Ort wissen, der im Notfall handeln konnte. Und dafür müssten sie keinen zweitklassigen Heiler bezahlen, wenn sie eine ausgebildete Ärztin schon hier hatten.
„Ich helfe selbstverständlich. Am besten teilen Sie mir mit wie viele Wölfe an den Wettkämpfen teilnehmen und auf welche Verletzungen ich mich vorsorglich vorbereiten kann."
Helen klatschte begeistert in die Hände.
„Super! Danke das Sie das machen Williams. Ich schicke ihnen gleich eine meiner Assistenten zu, die mit ihnen die Details durchgehen wird. Bis zum Rudeltreffen am Samstag sollte die Liste mit Materialien bestenfalls fertig sein, damit wir das in die Planung weitergeben können. Haben Sie ansonsten noch etwas was sie besprechen wollen? Ich müsste nämlich gleich zur nächsten Besprechung", sagte Helen mit einem Blick auf die Uhr an ihr Handgelenk und ich schüttelte etwas überfordert den Kopf. Würde ich ihr jetzt sagen, dass ich eigentlich gekommen war um zu überprüfen, ob sie von meinen fehlenden Fähigkeiten wusste und mich demnach kündigen wollte, würde das sicher nicht gut ankommen. Ich hatte zwar dem Gespräch nicht entnehmen können, ob sie darüber Bescheid wusste oder nicht, aber sie verhielt sich wie immer. Hatte Elias ihr vielleicht doch nichts erzählt?
Helen verabschiedete sich erleichtert und versicherte mir sofort einen Mitarbeiter aus ihrem Team zu schicken, während ich immer noch etwas perplex in der Küche zurückgelassen wurde. Ich würde wirklich die nächsten zwei Monate noch hierbleiben. Irgendwie konnte ich es noch nicht so ganz fassen. Ich hatte gestern wie verrückt Mails geschrieben, nach Anzeigen gesucht und sogar schon Laborarbeit in Betracht gezogen, bis ich mir was Besseres organisieren konnte. Doch das war alles nicht nötig.
Erleichtert ließ ich mich in den Stuhl fallen. Was hatte Elias erzählt? Oder hatte er dichtgehalten? Bei seinem Hass auf mich hätte ich ihm alles zugetraut, aber sein erschrockener Ausdruck ließ mich nicht mehr los. Er hatte es doch drauf angesetzt und es wahrscheinlich längst geahnt, warum war er dennoch so geschockt von meiner Beichte? Es hatte sehr wahrscheinlich nicht sein Bild von mir -ein Parasit der sein Rudel zu infiltrieren versucht- bereinigt. Und ich werde ihm wahrscheinlich noch viel mehr auf dem Schlipps treten, wenn ich die ganze Woche des Erntedankfestes vor seiner Nase im Zelt verbrachte.
Oh Götter, das konnte doch nur schief gehen!
Als mein Handy aufblinkte und mir die Nachricht von Katharina präsentierte, war ich für einen Moment abgelenkt. Es gab definitiv wichtigere Dinge, um die ich mir Sorgen machen musste, statt meine Gedanken an einem dunkelhaarigen und viel zu gutaussehenden Idioten zu verschwenden!
...
Tut mir leid, dass es ein wenig später als sonst wurde. Ich war letztes Wochenende auf ein Festival und kam nicht mehr dazu das heute früh Kapitel hochzuladen. Aber ich hoffe euch hat das Kapitel dennoch gefallen :)
PS: Wer MrsJaquelyneMiller kennt und ihre Bücher mag, sollte mal bei mir auf den Instagram Account myra_paints vorbeischauen. Da sind die meine gemalten Charakterkarten veröffentlicht worden, die es zu jeder E-Book Vorbestellung für ihr kommendes Buch Dawnfall geben wird ^^
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