Kapitel 47
-Elias Naumann-
Helen wirkte wie erstarrt, als ihr Gefährte sie einfach im Wohnzimmer stehen ließ. Doch sie riss sich wieder zusammen und deutete mir ihr nach draußen zu folgen. Ich folgte ihr ohne Widerworte. Alex Worte saßen tief und arbeiteten in uns beiden weiter. Das Helen so gefasst auf seine Abweisung reagierte, bewies mir erneut wie schlecht es um die beiden stand.
Helen hielt mir die Tür nach draußen auf. Ich hechtete geradezu aus dem Haus und nahm einen tiefen Atemzug der nach nassem Moos und Kiefern roch. Dieser Streit hatte uns allen die Energie geraubt. Und das eigentliche Thema wurde dabei total außen vorgelassen. Die beiden hatten mir nicht erklärt warum sie es mir vorenthalten hatten. Stattdessen war es zu einem längst überfälligen Streit ausgeartet.
Helen strich sich seufzend durchs Gesicht. Ich wollte sie instinktiv trösten, ahnte aber, dass sie mich nach draußen gebeten hatte, um das Gespräch weiterzuführen.
Ich folgte ihr schweigend in den Wald hinein. Sie hielt sich absichtlich von dem Dorfinneren fern und begann mit mir das Dorf langsam zu umrunden. Mein Puls hatte sich wieder beruhigt und meine Nase hatte aufgehört zu bluten. Doch sie pochte immer noch verräterisch. Es würden bestimmt bis morgen Spuren zu sehen sein.
Nach einigen Minuten der Stille wandte sich Helen mir zu.
„Auch wenn es keinen Unterschied machen sollte, wollte ich dich wissen lassen, dass wir nicht wussten das Williams auf keine Magiequelle zugreifen kann. Sie hat uns darüber informiert, dass sie keine Heilerin ist und ihr Hexergrad nicht hoch sei. Wir sahen uns nicht in der Position nachzuhaken, da es für uns keinen Unterschied gemacht hätte. Sie war uns gegenüber in allen Belangen ehrlich gewesen. Wir haben sie geradezu überreden müssen hierher zu kommen. Alex hatte große Hoffnungen in sie gesetzt und wollte dir und dem Rudel beweisen, dass er seine Aufgaben immer noch sehr ernst nimmt."
Nickend seufzte ich.
„Ich weiß das Williams nichts Böses geplant hat"
Helen schnaubte und sah mich mit hochgezogener Braue an.
„Was hast du angestellt? Irgendwas muss doch zwischen euch passiert sein, damit du deine Meinung so plötzlich änderst."
Wie sehr sie damit den Nagel auf den Kopf traf. Ich blickte nach oben in die Baumkronen und wünschte mir Helen nicht gleich von meinem Verhalten beichten zu müssen. Doch ich sollte versuchen Buße zu tun und wenigstens ihr gegenüber ehrlich sein, wenn ich es nicht bei Alex schaffte.
Ich blickte zu ihr hinab.
„Erinnerst du dich daran, wie Alex mir erlaubt hatte ihre Dokumente anzusehen? Ich habe daraufhin Will und Max aufgetragen hinter eurem Rücken nach weiteren Informationen Ausschau zu halten."
Helen spürte wohin das führte und schüttelte enttäuscht den Kopf.
„Oh Elias. Wir haben dich doch darum gebeten es nicht zu tun", sagte sie etwas vorwurfsvoll, doch nicht im Mindesten überrascht. Das war nach heute Abend nicht die schockierendste Enthüllung.
„Ich hatte ein ungutes Gefühl bei ihr. Aus irgendeinem Grund verstand ich einfach nicht wie eine erfolgreiche Medizinabsolventin, mit offensichtlichen Karriere Ambitionen, bei uns hier im Rudel arbeiten wollte. Also sorgte ich dafür das Will weiter nachhakte, während ich Williams mit meinen Fragen konfrontierte. Sie sagte, sie würde gerne eine Auszeit von der Stadt nehmen und erwähnte schlechte Erfahrungen mit der vorherigen Arbeitsstelle. Das gab mir zu denken. Die ehemaligen Arbeitgeber verfluchten sie regelrecht am Telefon und sagten uns das wir uns von ihr lieber fernhalten sollten."
Helen lauschte gespannt meinem Geständnis und lief weiter mit mir leise durch den Wald.
„Will schaffte es, sich Zugang zu ihren vorherigen Bewerbungen zu verschaffen. Es war erschreckend und schockierend zugleich."
Ich blieb stehen und sah Helen in die Augen.
„Sie hatte über zwei Monate an verschiedene Einrichtungen Bewerbungen geschickt mit all ihren Unterlagen und hat jedes Mal eine Absage erhalten. Auf jede einzelne Bewerbung."
Helens Augen weiteten sich und ich sah Unsicherheit in ihren Augen aufflimmern. Verstand sie vielleicht nun mein Handeln? Ich seufzte und strich mir nervös durch die Harre.
„Ich konnte schlecht weiter nachforschen und irgendwann gab es einfach nichts mehr zu finden. Will bemerkte aber, dass die Hexerlizenz fehlte und fand einen möglichen Weg diese im Ministerium zu erhalten. Dort gab es erneut Andeutungen darüber, dass es bei Williams eine offensichtliche Schwachstelle gab."
Langsam bewegte ich mich weiter.
„Ich beobachtete sie und wurde durch den Vorfall im Hort immer aufmerksamer. Hatte sie vielleicht mit Magie sich Zutritt verschafft und eine Wölfin eingesperrt? Was waren ihre Motive um hier zu sein? Ich glaubte an diese angebliche Auszeit nicht, nachdem ich all diese Absagen gesehen hatte. Sie war hier, weil ihr keine andere Möglichkeit geblieben war. Doch wieso? Hatte sie irgendwer dazu angestiftet hierher zu kommen und unser Dorf zu beschatten?"
Helen sah besorgt zu mir hinauf, als ich ihr von meinen Sorgen berichtete.
„Ich war wütend auf euch und Katharina, weil ihr in mir den Bösen saht, während Williams tausende Wechselscheine ausgab, um eine Praxis aufzubauen von der ich nicht wusste, welchen Zweck sie auf lange Sicht hatte. Ich beobachtete sie, bedrohte sie sogar offen das, wenn sie einen falsch Tritt tat, ich der erste sein würde der sie eigenständig aus dem Dorf schmeißen würde. Sie verteidigte sich und ihre Arbeit und erlangte irgendwie Katharinas Vertrauen. Ich war verzweifelt und dann sauer, als ich bemerkte wie sie Tom ohne eine Wimper zu zucken leiden ließ und Alex nichts Erklärendes dazu beitrug. Er stand einfach still da, hat sie machen lassen und mir die ganze Zeit nicht erklärt, dass sie keine heilende Magie wirken kann, während ich sie angefleht hatte endlich ihre Magie einzusetzen."
Helens Miene trübte sich, als sie an die letzte Nacht dachte und dann seufzte.
„Du bist dageblieben als wir gingen. Du warst die ganze Nacht da, stimmts?
Ich nickte.
„Ich hatte eine Vorahnung. Eine die alles und zugleich nichts erklären würde. Und ich wollte nicht warten bis du oder Alex dazu bereit wart mir eine Antwort zu geben und hab sie von ihr gefordert."
„Sie hat dir gesagt, dass sie keine Magie wirken kann?"
„Ich habe sie dazu gedrängt es zuzugeben, damit ich die Bestätigung hatte. Sie hatte nicht einmal in der ganzen Zeit hier gezaubert oder mit Magie gedroht. Es hätte mir früher auffallen sollen, doch ich hatte keine Ahnung und wurde mit ihrem Auftauchen hier ins kalte Wasser geschmissen. Es war der einzige Weg den ich gesehen hatte, ohne erneut mit euch in einem Streit zu geraten."
Helen blieb stehen und strich sich seufzend übers Gesicht.
„Wer weiß noch darüber Bescheid?"
„Pascal hat mitbekommen wie ich die Nachforschungen trieb. Das Williams keine Magie wirken kann weiß außer uns nur noch Will. Aber der wird dichthalten."
„Weiß Williams etwas von den Nachforschungen?"
„Nein, nicht das ich wüsste."
Helen seufzte erleichtert und strich sich nachdenklich über die Stirn.
„Ich hoffe du hast alles was auf deine Nachforschungen schließen kann entsorgt?"
„Will kümmert sich morgen darum."
„Gut. Du wirst wie Alex angefordert hat, dich bei Williams für dein Verhalten entschuldigen und lass die Nachforschungen dabei aus. Sie muss nicht wissen das du mehrfach ihre Privatsphäre verletzt hast. Und versuche sie die nächste Zeit zu meiden. Sie wird wahrscheinlich außer sich vor Wut sein und ihre Zeit brauchen, um sich zu beruhigen. Ich hoffe für dich, dass sie sich nach deiner Entschuldigung beruhigt und nicht kündigt. Grund hätte sie allemal"
Ich nickte erneut. Helen sah mich müde an.
„Ich hoffe dir ist klar, dass du das Ganze gegenüber Alex nicht erwähnen wirst? Er wird nur noch wütender werden und das bringt uns nicht weiter. Der Schaden ist bereits angerichtet."
Dieses Mal musste ich nicht nicken. Helen und ich wussten das ich den Teufel tun würde, Alex alles zu erzählen.
Wir hatten die Hälfte des Dorfes umrundet, als ich erneut das Schweigen brach.
„Seit wann ist die Situation zwischen euch beiden so angespannt?", traute ich mich endlich zu fragen und Helen sah mich etwas verzweifelt an.
„Elias, seid wir wissen das eine Schwangerschaft bei mir ausgeschlossen ist, haben wir Probleme. Das kam nicht erst gestern. Seit fünfzehn Jahren müssen wir uns tagtäglich der ganzen Kritik auszusetzen, ohne Kompromisse anbieten zu können. Wir vertrösten seit vielen Jahren das Rudel und ich versuche wirklich für jeden Verständnis zu haben, aber du besserst unsere Situation nicht. Ich weiß das du jung warst, als du in deine neue Rolle gezwungen wurdest, aber du hast uns einen Eid geleistet und geschworen alles für das Rudel zu tun. Deine nicht vorhandene Bereitschaft in manchen Belangen hilft nicht gerade."
Den Spruch hatte ich wohl verdient. Es stimmte, ich sah wie sie kämpften. Schon bevor ich Beta wurde, sah ich die Last die Helen und Alex auf ihren Schultern trugen und die sie damals bereitwillig auf Marks Schultern erweitert hatten. Er hatte ihnen Finn geschenkt, der sich nach Marks Tod leider für Helen und Alex als Enttäuschung herauskristallisierte. Es war vielleicht eine Trotzreaktion gewesen, nicht aktiv nach einer Partnerin zu suchen, da ich es schwer verstehen konnte wie sie Finn der wie ihr eigenes Kind behandelt wurde, plötzlich fallen lassen konnten.
„Das erklärt aber nicht, wieso er heute so ausgeartet ist", gab ich von mir und Helen blieb seufzend stehen.
„Elias, denk doch mal nach. Du und Alex hattet nie ein klärendes Gespräch über das was vorgefallen ist. Ihr habt Mark und das Feuer für Jahre lang totgeschwiegen. Seine Gedanken dir gegenüber sind nicht ungerechtfertigt. Du hast oft eine andere Meinung als er, tust was du für richtig hältst und verschweigst ihn offensichtlich Sachen. Du hast in all den Jahren keine ernsthafte Beziehung geführt die darauf hätte deuten können, dass du die Suche nach einer Partnerin ernst meinst und damit Alex Wünsche. Irgendwann musste er seinen Frust entladen. Es war abzusehen, dass er dich für dein Verhalten offen kritisieren würde."
„Wieso war er dann die Jahre zuvor nie ehrlich zu mir? Ich habe eure Streitereien mitbekommen und wusste das er ein Problem mit mir hat, aber er hat es nie angesprochen. Wie hätte ich sonst wissen sollen, dass er so unter Druck steht?"
Helen seufzte tief, bevor sie mich traurig ansah.
„Er sieht in dir ein Risiko, da du für ihn unkontrollierbar bist. Er weiß nicht wo er mit dir ist. Wir sind komplett von dir und deinen Entscheidungen abhängig, ob du das einsehen willst oder nicht. Wir können es uns nicht leisten dich zu verlieren, oder viel schlimmer noch dich gegen uns aufzubringen", erklärte sie ernst und mir wurde jetzt erst bewusst, was sie damit die ganze Zeit andeuten wollte.
„Ich würde doch nie gegen euch rebellieren", sagte ich sofort.
Hatte sich Alex wirklich nie getraut mich gegen sich aufzubringen, aufgrund dieser Angst? Für mich war der Gedanke unvorstellbar Alex seinen Posten streitig zu machen.
„Ich weiß das. Doch woher soll er das wissen? Du bist jünger und durch das Training der letzten Jahre auch stärker geworden. Würdest du dich gegen uns richten, wären viele der Rudelmitglieder auf deiner Seite. Du könntest das ganze Rudel spalten, wenn du es wolltest oder schließlich durch eine Revolte selbst Oberhaupt werden. Das weiß Alex. Mit jedem Aufbegehren deinerseits wird seine Sorge größer, dass du all den Respekt vor ihm verlierst und ihn schließlich herausfordern könntest. Ob du es selbst siehst oder nicht, du untergräbst seine Autorität indem du seine Befehle nicht umsetzt. Du solltest dir langsam bewusstwerden, wem deine Loyalität gebührt. Ich weiß dir sind deine Familie und das Rudel wichtig, aber Alex Worte sollten für dich genauso an Gewicht haben. Er ist der Repräsentant und das Oberhaupt unseres Rudels und hat für sein Fortbestand Verantwortung zu tragen. Du musst anfangen, dass zu respektieren und seine Handlungen nicht als Angriff gegen dich und deine Familie werten."
Ich schwieg eine Weile. Ließ mir all ihre Worte durch den Kopf gehen. Das war doch zum Haare rausreißen. Seufzend strich ich mir übers Gesicht.
„Und was soll ich jetzt machen, damit er mir vertraut?"
Sie sah mir ernst ins Gesicht.
„Du solltest langsam anfangen seine Befehle umzusetzen und deine Loyalität beweisen. Werde dir bewusst wem du dienst. Dir selber oder dem Rudel? Wenn du das weißt fang an ihm zu beweisen, dass du alles für den Fortbestand des Rudels tun würdest. Und damit meine ich wirklich alles!"
Helens Ausdruck war ernst. Sie wollte das ich verstand in was für einer Situation ich mich befand. Ich war der Dreh und Angelpunkt in ihren Augen und konnte für den Untergang oder den Fortbestand des Rudels verantwortlich sein.
Ich schluckte den dicken Kloß in meinen Hals hinunter und nickte ihr zu. Sie nahm es zur Kenntnis und deutete mir daraufhin, dass ich gehen sollte.
„Kümmere dich um deine Nase und sorg dafür das niemand davon Wind bekommt das du und Alex aneinandergeraten seid. Das würde die Gerüchteküche nur weiter einheizen."
...
Hallo Leute,
ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen. Ich wollte an dieser Stelle nur kruz auf meinen Instagram Account myra_paints aufmerksam machen. Diese Woche werden nämlich die Charakterkarten veröffentlicht die ich für MrsJaquelyneMiller und ihr Buch DawnFall angefertigt habe (eine sehr bekannte Wattpad Autorin). Würde mich freuen ein paar von euch dort in der Kommentarsektion zu finden :)
Wünsche euch noch eine schöne Woche, LG Myra
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