Kapitel 46
-Elias Naumann-
„Williams hat uns darüber informiert, dass sie nicht heilende Magie wirken kann", sagte Helen schnell erklärend, doch ich hob die Braue.
„Du hast meine Frage falsch verstanden. Sie kann auf keine Magiequelle zugreifen. Warum habt ihr das verschwiegen?"
Helen öffnete schon den Mund, um zu antworten doch Alex hob die Hand. Sein Blick verfinsterte sich, als er ihn auf mich richtete.
„Was soll diese Frage Elias? Es ändert nichts an Williams Stellung im Dorf"
„Es ändert etwas für mich!", sagte ich mit Nachdruck und Alex schüttelte enttäuscht den Kopf. Er wusste wieso ich so dachte, warum überraschte ihn meine Antwort noch?
„Das sollte es aber nicht. Es sollte dir gleich sein. Wenn Helen und ich entscheiden das sich jemand unser Vertrauen verdient hat, dann hat er das auch. Egal ob magiebegabt oder nicht!", sagte er, als wären seine Entscheidungen Göttergegeben. Doch ich wusste es besser. Wusste das Alex wie wir alle Fehlentscheidungen traf, aber in Gegensatz zu anderen nicht einsah.
„Dein Vertrauen wurde schon einmal von diesen Wesen missbraucht. Wer sorgt dieses Mal für die Schadensbegrenzung? Sollen entweder Helen oder ich für dein zu schnell verschenktes Vertrauen den Kopf hinhalten?", fragte ich provokant. Ich traf einen Nerv. Und zwar einen gewaltigen.
„Elias!", fuhr mich Helen empört an, doch Alex schüttelte wütend den Kopf.
„Nein Helen. Lass ihn aussprechen. Soll er mir doch mal ehrlich sagen was er von mir und meinen Entscheidungen hält. Das konnte er ja immerhin noch nie gut", knurrte Alex böse in meine Richtung.
Ich blieb stumm. Wenn ich ihm jetzt recht gab würde er mir das auf ewig vorhalten. Doch ich konnte auch nicht lügen. Also sagte ich lieber nichts. Doch das machte anscheinend alles schlimmer. Alex deutete wütend mit dem Finger auf mich und platzte dann regelrecht damit heraus was er sich zuvor nie getraut hatte mir gegenüber anzusprechen.
„Gib doch einfach zu, dass du mir immer noch am liebsten die Schuld für Marks Tod geben würdest! Sag doch, dass du lieber mich im Feuer hättest sterben sehen, statt deinen Bruder der sich dafür entschieden hatte ins Feuer zu gehen, um mich zu schützen! Hilft dir das? Kannst du nun endlich aufhören jeden und alles zu hassen? Kannst du nun endlich den Magiebegabten wieder Vertrauen schenken, nachdem du einen Sündenbock gefunden hast, den du für dein Schicksal die Schuld zuschieben kannst?"
Mein Atem setzte aus und ich sah mit geweiteten Augen zu Alex, der mit geröteten Gesicht Helen abschüttelte.
„Alex hör auf!", versuchte sie es, doch er ließ sich nicht beirren.
„Warum sollte ich? Ich weiß das er so denkt! Sonst hätte er längst widersprochen. Er will nicht verzeihen! Will sich nicht mit der Vergangenheit auseinandersetzen und hat immer noch Probleme unser Haus zu betreten. Er tut doch regelrecht alles dafür, dass jeder bemerkt wie sehr er das alles hier nicht ausstehen kann. Er wehrt sich gegen seine Pflichten eine Frau zu finden, ekelt jeden Ausstehenden aus unserem Dorf oder macht es ihnen unmöglich ohne riesigen Sicherheitsaufwand unser Dorf zu betreten und terrorisiert eine unschuldige Ärztin, seit dem ersten Schritt den sie auf unser Land getan hat."
Irgendwas in mir riss bei diesen Worten. Es stimmte. Ich wollte nie Beta sein. Nie in der Position sein den Job meines Bruders übernehmen zu müssen. Er war ein perfekter Beta gewesen. Geliebt, gelobt und Alex bester Freund. Er hatte sich nie gegen ihn oder seine Worte gewehrt, geschweige sie infrage gestellt, und sogar Katharina auf seinen Befehl hin kennengelernt. Er hat all das getan, was ich nie konnte.
Ich hatte mich noch nie zu hundert Prozent wohl in meiner neuen Rolle gefühlt. Ich hatte sie nur aufgrund eines schrecklichen Opfers erhalten, dass mein Bruder mit seinem Leben bezahlen musste, um Alex zu schützen. Die letzten zehn Jahre war ich damit beschäftigt tief in mir drinnen den Hass den ich auf die beiden Männer empfand, die mir das angetan hatten, zu mindern, aber Alex hatte ihn dennoch gespürt. Ich hasste diese Situation. Das sie beide es so weit kommen gelassen und mich am Ende allein mit all der Verantwortung gelassen hatten.
Alex war ein Wrack gewesen als mein Bruder starb und ich musste stark für ihn sein, obwohl es mein Bruder war der durch ihre Fahrlässigkeit gestorben war. Er konnte es mir jetzt nicht vorhalten, dass ich solche Gefühle ihm gegenüber empfand, denn meinem toten Bruder konnte ich es ja schlecht verübeln. Ja, Alex war mein Cousin und meine Familie. Doch seit ich sein Beta war, hatte er mich noch nie so wenig davon spüren lassen.
Ich richtete mich auf, als all der Frust und die Wut der letzten Jahre in mir tosende Wellen schlugen. Er wollte das ich glücklich meine Pflichten erfüllte und zu allem Ja sagte? Dann hätte er sich wesentlich früher an mich richten sollen und mich nicht quasi zwei Jahre allein das Rudel führen lassen sollen, dass unter seiner Depression fast dahingeschieden wäre.
„Du hast Recht. Ich komme meinen Pflichten nicht so nach wie du es gerne hättest. Aber ich bin nicht Mark. Ich springe nicht, wenn mich jemand verpflichtet eine Wildfremde zu schwängern, nur damit endlich Nachwuchs da ist. Ich heiße nicht alle Fremden mit offenen Armen willkommen, weil das letzte Mal als ihr das tatet mein Bruder tot war und mein Neffe schwer krank! Und ja, ich habe Vorurteile und Hass gegenüber Wesen die ihre Kräfte missbrauchen und Dörfer anzünden, nur um auf eine unnötige Revolution aufmerksam zu machen! Ja, ich habe Williams das Leben schwer gemacht. Habe ihr Böses unterstellt, weil ich bei jedem verfickten Wesen das Magie in sich trägt Angst habe meine Liebsten nicht beschützen zu können! Angst habe erneut einem unlöschbaren Feuer gegenüber zu stehen und hilflos auf Andere warten zu müssen, die sich irgendwann dazu erbarmen in ein weit entlegenes Dorf zu reisen um es zu retten! Tut mir ehrlich Leid, wenn mich das alles zu einem schlechteren Beta als Mark machen sollte! Aber vielleicht kann ich von der Vergangenheit nicht loslassen, weil du derjenige bist der sie verdrängt und so tut als wäre sie nie geschehen!"
Der Schlag von Alex kam schnell. Ich hätte mich wahrscheinlich rechtzeitig ducken können, doch ich tat es nicht. Spürte die Reaktion meiner Worte mit voller Macht auf meinem Gesicht niederprasseln. Der Schmerz war stechend. Ich taumelte leicht von der Wucht des Schlages und hielt mir die blutende Nase. Es hatte verräterisch geknackt, doch sie schien nicht durchgebrochen zu sein. Er hatte sich zurückgehalten.
Helen schrie und zog Alex zurück der wütend knurrte.
„Wag es nicht!", fauchte Alex, doch ich wischte mir bloß das Blut von der Nase.
„Was? Die Wahrheit zu sagen?", knurrte ich, doch Helen schob sich zwischen uns.
„Keine Gewalt verdammt nochmal! Ihr seid keine Jugendlichen die sich einfach so die Köpfe einschlagen können!", fauchte sie nun wutentbrannt, was dafür sorgte das Alex wütender Blick zurück auf seine Gefährtin schweifte. Sie war die Harmoniebedürftigste und für sie würde er sich in den Griff kriegen. Soweit er es jedenfalls konnte.
„Er ist derjenige der mit nichts abschließen kann und mich für all seine Probleme verantwortlich macht! Warum sollte ich mir das gefallen lassen?"
„Weil du sein Alpha bist!", sagte Helen bestimmt, doch Alex sah daraufhin wieder zu mir.
„Das macht doch für ihn keinen Unterschied. In seinen Augen bin ich für all diese Feuer Teufel verantwortlich gewesen und all das Leid das wir durchleben mussten! Du hast ihn doch gehört! Er hatte es nicht einmal abgestritten!", brachte Alex empört hervor.
„Vielleicht solltet ihr euch dann einen neuen Beta suchen, wenn ihr mit mir so unzufrieden seid", gab ich spöttisch von mir und Alex knurrte frustriert auf, während Helen demonstrativ die Augen verdrehte.
„Elias hör auf weiter zu provozieren! Wir wissen alle, dass das nicht geschehen wird!"
Beinah hätte ich enttäuscht aufgelacht. Es wäre eine Erleichterung, wenn sie mich einfach rausschmeißen würden und mir damit die Last abnehmen würden. Doch das Rudel und die beiden waren von meiner Arbeit abhängig. Von der Position die ich einnahm. Es gab niemand Dominaten genug der an mich heranreichen würde, um meine Position einzunehmen. Das Rudel würde sich von innen heraus um diesen Posten bekriegen, bis nur noch ein dominanter Wolf übrig war. Und das wollten Helen und Alex unter allen Mitteln vermeiden. Es gab genug Unruhen aufgrund eines fehlende Jungalphas. Ohne mich als letzte schützende Instanz und Hoffnung, wären Helen und Alex der ganzen Kritik allein ausgesetzt.
„Tut nicht so, als hättet ihr das nicht schon mal in Erwägung gezogen. Ich weiß das ihr vor vier Jahren einen Streit wegen mir hattet. Das wissen viel mehr, als ihr denkt", gab ich trocken von mir was Alex panisch zu Helen blicken ließ.
Vor ein paar Jahren, als Alex die 50 erreicht hatte, gab es unter den Rudelanführern eine Versammlung. Die meisten hatten ihre Söhne oder Töchter dabei um ihre Jungalpha vorzustellen. Alex hatte keinen, obwohl er das Alter erreicht hatte, um einen Jungalpha auszubilden. Die Fragen häuften sich und damit der gesellschaftliche Druck von außerhalb und innerhalb des Rudels. Er war seiner Pflicht nicht nachgekommen und hatte nach dieser Versammlung über Wochen einen offenen Streit mit Helen geführt.
Über die Zukunft des Rudels, seine Stellung und ob es irgendwann einen Aufstand geben würde. Großer Inhalt des Streites war ich. Statt mit mir zu reden, hatte Alex es meist Helen überlassen empfindliche Themen, wie eine Partnerin mir gegenüber anzusprechen. Wenn es um normale Arbeit und die Organisation innerhalb des Rudels ging funktionierten wir super. Aber wenn er sich in mein Privatleben einmischte, machte ich dicht. Zu groß waren unsere Differenzen und das Misstrauen beiderseits. Ihn nun so offen über meine Unzulänglichkeiten sprechen zu hören, war bisher nie passiert. Er hatte es immer hinter meinen Rücken getan und Helen auf mich angesetzt. Er hatte es auch die letzten Wochen nicht schaffen können ein ordentliches Gespräch mit mir über Williams zu führen. Er wusste, dass das Problem viel tiefer saß und er nicht bereit war diese große Wunde erneut zu öffnen, da Alex wusste das mein Verhalten auf seine vergangenen Aktionen zurückzuführen waren. Deswegen musste Helen über die Jahre immer wieder Schadensbegrenzung übernehmen.
„Wie hast du das mitbekommen?", fragte Alex grimmig und ich schnaubte.
„Ihr streitet nicht leise. Ihr wart im Rudelhaus für eine Geburtstagsfeier und hattet in eurem Büro gestritten. Viele der Gäste hatten es mitbekommen und mich darum gebeten mich darum zu kümmern. Helen kann es bestätigen. Sie hat mich vor der Tür stehen sehen, als sie aus dem Büro kam. Ihr hattet sehr interessante Themen. Mein Sex und Beziehungsleben zum Beispiel. Ich erinnere mich dran, dass du etwas in der Art erwähnt hattest, dass ich meine Affären doch wenigstens zu etwas Guten nutzen sollte und gleich ein paar Wölfinnen schwängern könnte, wenn ich nicht schon nach einer festen Partnerin suche."
Alex Gesichtszüge entglitten, als er sich an das Gespräch zurückerinnerte. Es war ein runder Geburtstag eines unserer älteren Rudelmitglieder gewesen und das halbe Rudel war anwesend gewesen. Sie hatten Teile des Streites gehört und gehofft das ich die Wogen glätten könnte.
Ich erinnerte mich noch gut an das Gespräch. Helen war die die versucht hatte mich zu verteidigen, was Alex nicht schmeckte. Sie versprach ihm in Laufe dieses Streites, dass sie mich einigen Frauen regelmäßig vorstellen würde. Ein Kompromiss, um mich als Beta nicht zu verlieren und Alex Wunsch nach einem Jungalpha entgegen zu kommen. Ich wusste von dieser Vereinbarung. Nicht weil sie es mir erzählt hatten, sondern weil Helens drängen ernster wurde und sie verzweifelter wurde. Ich ging zu all diesen Treffen, wenn es die Arbeit zuließ, um Helen entgegen zu kommen. Sie warf sich oft schützend vor mich, wenn Alex wütend auf mich wurde. Ich hatte das dankend zur Kenntnis genommen und ihr versucht mit meinem Einlenken etwas von der Last zu nehmen.
Doch wie es schien war auch das nicht ausreichend gewesen. Alex war sauer und enttäuscht. Vielleicht nicht nur auf mich, sondern auch auf Helen die ihm nichts von dieser Begegnung vor dem Büro erzählt hatte. Es war für ihn der Beweis das seine Gefährtin ihm Dinge verschwieg. Ein Umstand der dafür sorgte, dass Alex Blick verschlossener wurde und er enttäuscht Helen von sich schob, die sich bereits entschuldigte.
„Ich wollte es dir nicht vorenthalten! Ich dachte ich könnte mich um die Sache allein kümmern, da du dir schon so viele Sorgen gemacht hattest. Elias und ich hatten nie über das Gespräch gesprochen. Ich wusste nicht mal was er alles mitbekommen hatte."
Doch Helens Worte drangen nicht mehr zu Alex durch. Er schüttelte Helen von sich ab und wollte sich schon abwenden, als ich intervenierend dazwischentrat. Wenn Helen und Alex sich wieder öffentlich vor dem Rudel mieden oder stritten würde es nur Probleme geben. Vor allem kurz vor den Festivitäten, wo eine gute Kommunikation zwischen den beiden notwendig war.
„Zieh Helen da nicht mit rein, wenn ich derjenige bin der Mist gebaut hat. Ihr solltet jetzt nach dem Sturm und kurz vor dem Fest nicht streiten", versuchte ich das erste Mal in diesem Gespräch die Wogen zu glätten. Alex Blick wurde düsterer, als ich ihn an den Grund für dieses Gespräch zurückerinnerte.
Er atmete tief durch und strich sich genervt durchs Gesicht. So hatte er sich seinen Abend sicherlich nicht vorgestellt.
„Du wirst bis zum Fest die Aufräumarbeiten im Wald alleine übernehmen. Keine zusätzlichen Helfer oder Überstunden für deine Mitarbeiter. Du sollst das gefälligst selbst machen! Vielleicht wird dein Kopf in den zwei Wochen wieder etwas klarer und du wirst dir deines Fehlverhaltens gegenüber Williams und mir bewusst!"
Er lief Richtung Treppe, doch er blieb nochmal kurz stehen.
„Wir werden über die Themen nochmal zu gegebener Zeit sprechen. Aber jetzt gerade will ich dich für die kommenden Wochen nicht mehr sehen. Und du wirst dich bei Williams für dein Verhalten entschuldigen und ihr aus dem Weg gehen, haben wir uns verstanden?"
Sein Blick richtete sich auf Helen.
„Ich will heute alleine schlafen. Morgen können wir gern wieder reden, aber nicht mehr heute", mit diesen Worten verabschiedete er sich und lief träge die Treppen zu seinem Schlafzimmer hinauf.
Seine Scham hatte nicht dafür gesorgt, dass er sich entschuldigte oder mit mir dieses Gespräch weiter fortführen wollte, sondern hatte ihn dazu veranlasst dem Gespräch zu entfliehen. Ich war mir unsicher, ob ich dankbar sein sollte das es vorbei war oder enttäuscht das sich Alex so schnell aus der Situation rauszog, um keine Verantwortung für seine damaligen Worte übernehmen zu müssen.
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