Kapitel 41

-Elias Naumann-

Der Nebel war so dicht, dass ich die Brünette schnell aus den Augen verlor, als sie neben mir aufstand um sich umzusehen.

Doch ich war dankbar für die kurze Pause. Die nagende Angst vor dem Feuer und dem Rauch begleitete mich und hatte dafür gesorgt, dass ich wieder in mein Schweigen abgetaucht war. Ich konnte kaum etwas wahrnehmen, bis die Brünette mich angesprochen hatte.

Und auch jetzt fiel es mir schwer auf das hier und jetzt zu achten, während ich die Zeit verstreifen ließ. Wie lange sie wohl schon weg war? Sollte ich nach ihr sehen? Ich hörte keinen Mucks. Sie musste also weit weg sein, oder der Nebel verschluckte jeden Laut.

Ich erhob mich und sah mich um. Doch wie zu erwarten fand ich nichts. Der Nebel verschluckte meine Füße und sorgte dafür das ich nur wenige Meter weit sehen konnte.

„Hey! Wo bist du?" rief ich, doch es kam keine Antwort. Verwirrt runzelte ich die Stirn und lief einfach weiter. Es würde sicherlich nichts bringen zu meinem Sitzplatz zurückzukehren. Bei dem Nebel würde ich ihn eh nicht wiederfinden. Da war die Wahrscheinlichkeit größer sie aus Zufall zu finden.

Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, als ich ganz leise ein Schluchzten wahrnahm. Mein Herzschlag beschleunigte sich, während ich versuchte zurückzuverfolgen woher das Schluchzten kam.

Nachdem der Nebel sich langsam lichtete und ich die Silhouette einer Frau wahrnahm wollte ich schon erleichtert ausatmen, doch dann hörte ich wie die Frau auf einmal anfing laut zu schimpfen.

„Wie kann das möglich sein?", kam es hysterisch.

Ich verlangsamte meine Schritte und betrachtete verwirrt den Rücken einer dunkelhaarigen Brünetten die ein dunkles Kostüm trug.

„Wie ich Ihnen bereits sagte, sind unsere Tests immer korrekt. Die Steine können nicht lügen und das wissen Sie genauso gut wie ich."

Die Frau stemmte ihre Hände auf ein dunkles Pult hinter dem sich ein älterer Mann verbarg. Neben der Frau, kau, wahrnehmbar, versank ein kleines Mädchen in dem geradezu übergroßen Stuhl und weinte ganz bitterlich. Es hickste sogar und handelte sich damit einen bösen Blick von der Frau neben ihr ein.

„Man hat mir gesagt sie kann fünf Magiequellen erspüren! Warum speichert sie dann nicht einen Funken Magie?"

Der Mann seufzte tief und lehnte sich zurück.

„Bei Mischlingen ist es nicht unüblich, dass sie keine Magie speichern können. Die Gene des Menschen verhindern das sich der Körper des Kindes weiterentwickelt. Es ist in eine Art Zwischenstadium gefangen, mit dem es vielleicht über die Jahre rauswachsen wird, aber die Wahrscheinlichkeit ist gering."

„Das weiß ich doch alles längst!", fauchte die Frau nichtsdestotrotz und das Kind neben ihr zuckte zurück.

„Wenn Sie mir nicht die Ergebnisse liefern die ich brauche suche ich mir jemand anderen! Es kann doch nicht sein das ein Kind mit solch einem Potenzial keine Magie speichern kann!"

Der Mann richtete sich auf, als die Frau nach dem Arm des Kindes griff.


„Es tut mir leid, dass Sie nicht die Antworten erhalten haben die Sie wollten. Aber ich würde davon abraten es zu erzwingen. Lassen Sie das Kind erstmal älter werden und sehen Sie ob der Körper lernt mit der Magie in seiner Umgebung zu kooperieren."

Ohne etwas darauf zu erwidern zog die böse drein guckende Frau das kleine Mädchen mit. Verwirrt lief ich einige Schritte hinter den beiden hinterher.

Doch bevor ich auch nur nach meiner Begleiterin fragen konnte, lösten die beiden sich in dunklen Rauch auf. Dieser verformte sich und kräuselte wild in der Luft herum ehe er ein neues Bild ergab.

Der Nebel lichtete sich und machte der dunklen Masse Platz die plötzlich einen neuen Raum darstellte. Ich sah eine kleine Bibliothek und die Frau von eben die genervt im Raum umherwanderte.

„Und?", kam es fordernd von ihr. Sie sah zu einer älteren Frau die an einem Tisch gegenüber einem jungen Mädchen saß. Ich erkannte das Mädchen von eben wieder, aber nun deutlich älter. Vielleicht um die zehn Jahre alt.

„Es wird nicht besser, wenn Sie weiterhin unsere Sitzung stören", murmelte die weißhaarige Frau, während sie mit geschlossenen Augen die Hände des Mädchens hielt. Diese verzog das Gesicht schmerzverzerrt, doch gab sie keinen Mucks von sich, während die dunkelhaarige Frau genervt schnaubte.

„Wozu bezahle ich Sie überhaupt? Ich habe keine Nerven mehr mir das mitansehen zu müssen. Ich fahre ins Ministerium und hole meine Arbeit nach", brummte die Frau genervt und schnappte sich ihre Tasche vom Tisch.

„Die Tür ist da. Tun Sie sich keinen Zwang an", sagte nur die ältere Frau ruhig. Die dunkelhaarige Frau sah aus blitzenden Augen zu ihr nieder und rümpfte die Nase, bevor sie ohne eine Verabschiedung aus dem Raum verschwand. Man hörte es noch aus der Ferne schallen, als hätte sie eine Tür zugeschlagen.

Mein Blick wanderte wieder zu dem Mädchen, welches zittrig ausatmete und die Zähne zusammenbiss.

„Du hast es gleich geschafft. Nur noch ein paar Sekunden", sagte die Frau beruhigend, doch das Mädchen schüttelte schnell den Kopf.

„Ich kann nicht mehr... Es tut zu sehr weh", kam es abgehackt und zerknirscht und ehe ich mich versah zog das Mädchen wie von der Tarantel gestochen ihre Hände zurück und sackte in sich zusammen.

„Wie oft müssen wir das noch machen?", kam es keuchend von ihr, während die alte Frau den Kopf schief legte und ihre Hände zurückzog.

„Du weißt das ich dir diese Frage nicht beantworten kann. Wahrscheinlich so lange bis deine Mutter aufgibt."

„Das wird sie nie. Dafür ist sie zu stolz", gab das Mädchen zerknirscht von sich, ehe sie sich wieder etwas im Stuhl aufrichtete.

„Das ist was Wahres dran", sagte die Alte nur zustimmend. Immer noch keuchend sah das Kind zu der Frau hinauf.

„Seien Sie ehrlich mit mir. Diese neue Therapie wurde in unterschiedlichen Studien verwendet. Wie hoch war die Erfolgsrate?"

Sie weißhaarige Frau blieb stumm, doch das Mädchen seufzte genervt.

„Wenn Sie es mir nicht sagen, werde ich in Mutters Laptop nach den Antworten suchen", sagte das Mädchen mit verschränkten Armen. Die Frau seufzte tief und sah das Mädchen mit mitleidigen Augen an.

„Du weißt das die Ergebnisse nicht immer aussagekräftig sind...", fing die Alte an, doch das Mädchen sah mit hochgezogener Braue zu ihr.

„Wie viele Patienten konnten danach Magie speichern?", fragte sie fordernd und die Frau lächelte mild auf sie hinab.

„Weniger als 1%", gab sie schließlich zu und das Mädchen seufzte theatralisch.

„Wow. So nötig hat es meine Mutter mittlerweile, dass sie sich an solch vielversprechenden Therapien versucht", sagte das Mädchen ironisch und Augen verdrehend, doch die Alte griff nach ihren verschränkten Händen, um das Mädchen zu zwingen in ihre Augen zu sehen.

„Du weißt genauso gut wie ich das du mehr Potenzial hast, als alle anderen Patienten vor dir. Und wir sehen doch die ersten Fortschritte. Vielleicht wirst du nicht in der Lage sein Magie zu wirken, aber durch dem stetigen Aussetzen gewöhnt sich dein Körper an die Magie und entwickelt eine Immunität."

Das Mädchen sah nicht beeindruckt aus.

„Wir machen das seit einem halben Jahr und es tut immer noch weh! Ich sehe keinen Sinn darin meinen Körper dieser Magie auszusetzen, wenn es nur dafür sorgt das es weh tut und ich vielleicht irgendwann dagegen immun sein kann! Mutter erwartet das diese Therapie anschlägt und nicht so wie sie es bisher tut. Sie will sichtbare Ergebnisse. Will sehen wie ich am besten drei Magiequellen gleichzeitig benutzen und nicht nur erspüren kann."

Die Alte frau nickte seufzend.

„Ich weiß mein Kind. Ich weiß. Aber vergiss nicht welche Fortschritte wir die letzten Jahre gemacht haben", versuchte sie das Mädchen aufzumuntern. Doch diese sah nicht gerade überzeugt aus.

„Wow, ich kann nun spüren wo die Magiequellen wirken und wann sie Einfluss auf mich nehmen. Aber mir wird es nichts bringen zu bemerken welche Magie mir weh tut, wenn ich nicht lerne sie aufnehmen zu können."

Die Frau sprach weiterhin auf das Kind ein, ehe dieses nachgab und einwilligte eine weitere Sitzung, wie sie es nannten, zu absolvieren. Ich trat näher zu den beiden. Sie bemerkten mich nicht, während sie die Hände ineinander verschränkten.

Ich spürte wie mich eine Gänsehaut überzog und mein Blick heftete sich wie selbstverständlich auf die Hände der Alten, als ich spürte wie sie Magie wirkte. Magie des Mondes und der Nacht.

Das Kind knirschte mit den Zähnen und verzog schmerzerfüllt das Gesicht.,


„Atme den Schmerz weg. Bleib ruhig und lass zu das der Schmerz über deine Arme hinaus weiterwandert", sagte die Alte murmelnd, was das Kind zur Kenntnis nahm.

Immer wieder nahm sie tief Luft und versuchte im Takt zu atmen, doch immer wieder sog sie scharf die Luft ein. Ich blieb eine Weile, sah zu wieder das Kind immer wieder die Hände der Alten ergriff, verschiedene Namen der Götter nannte und danach später schwitzend und mit starkem Herz rasen auf dem Stuhl zusammensackte.

Ich ging einen Schritt auf sie zu und öffnete den Mund um die beiden daran zu hindern weiter zu machen, doch eine Stimme von rechts hielt mich auf.

„Das wird nichts bringen. Die hören dich nicht."

Mein Kopf schnellte zu meiner brünetten Begleiterin. Sie saß in den Schatten des Raumes mit den Rücken zu mir auf einen der teuer aussehenden Lesesessel und sah hinauf zu den hohen Bücherregalen. Ich lief auf sie zu und wollte fragen wo sie gewesen war, doch ihr geistesabwesender Blick ließ mich innehalten.

„Ich habe diese Bibliothek, als Kind gehasst", kam es heiser aus ihrer Kehle, ehe ihre kalten grünen Augen sich auf mich richteten.

„Du hast lange gebraucht. Was hast du noch gesehen?"

Ich zog die Brauen hoch und sah zurück zu dem Kind.

„Ich weiß nicht so ganz was ich da sah. Und ich weiß nicht, ob ich das wissen will", sagte ich ehrlich und ein kleines Schmunzeln schlich sich auf das Gesicht der Frau. Sie sah zu mir nach oben und legte den Kopf schief.

„Vergiss am besten was du gesehen. Ist besser für die Psyche", sagte sie mit dem Blick auf das Kind. Ich konnte förmlich die Melancholie in ihren Blick spüren. Ich setzte mich auf den Sessel ihr gegenüber, so dass sie zu mir sehen musste.

„Weißt du was die Frau da mit dem Kind tut?", fragte ich vorsichtig. Sie nickte kurz angebunden und sah dann seufzend zu mir.

„Sie macht nur ihren Job und investiert viel zu viel von ihrer verbliebenen Lebenszeit in einen hoffnungslosen Fall. Sie hat sich diese Arbeit nicht freiwillig ausgesucht, aber hat sie gut gemacht", verriet sie. Ich konnte meinen Blick nicht von ihrem Gesicht abwenden. Zu gefangen war ich von ihren trostlosen Augen, die immer wieder zu der alten Frau wanderten.

„Was ist mit der Alten geschehen?", fragte ich zaghaft. Ihre grünen Augen verharrten einen weiteren Augenblick bei der Frau, ehe sie sich seufzend erhob.

„Sie ist gestorben", sagte sie und reichte mir ihre Hand.

„Lass uns weg hier. Ich kann diese Bibliothek nicht mehr ertragen."

Ich nahm ihre Hand an und stand auch auf. Sie zog mich bestimmt an den Rand des Raumes, wo der Nebel wieder auf uns zu warten schien. Doch bevor auch mich der Nebel verschluckte sah ich zurück zu dem Kind, dessen große und grünen Augen auf mich gerichtet waren.

...

„Elias! Verdammt Elias wach auf!"

Ich schreckte sofort auf, als Pascal in den kleinen Schlafraum der Zentrale stürmte und alle Lichter anmachte.

„Was ist los?", fragte ich verwirrt und richtete mich bei seinem panischen Blick sofort auf.

„Es gab einen Unfall auf der Patrouille! Tom ist von einem Baum getroffen worden!"

„Was?", ich folgte Pascal nach draußen und sah schon wie Wölfe aus der Zentrale und der nahen Umgebung aufgescheucht umherliefen. Es war sehr dunkel und der angekündigte Sturm für die Nacht tobte immer noch über unseren Köpfen.

„Wie ist das passiert und wo ist Tom?", fragte ich Pascal, als er mich rennend ins Dorfinnere brachte. Der Regen prasselte auf uns nieder und der Wind zog stark an meiner Jogginghose die ich vor dem Schlafen gehen schnell übergezogen hatte.

„Zwanzig Kilometer nordwestlich von uns. Der Wind hat einen Baum entwurzelt und Tom war von einem Blitzeinschlag abgelenkt und hat es nicht rechtzeitig geschafft auszuweichen. Sein linker Arm ist halb zertrümmert."

Ich rannte neben Pascal und fluchte lautstark, als er mir von Tom berichtete. Tom war ein echt junger Wolf der seit ein paar Monaten erst auf die Zwei Personen Patrouille ging. Der Sturm musste ihn wohl überfordert haben.

„Wo ist er jetzt?", fragte ich Pascal laut, der Mühe hatte durch den aufgeweichten Boden nicht auszurutschen.

„Alex meinte er soll sofort zum Rudelhaus gebracht werden", sagte er schnaufend, kurz bevor das Rudelhaus in Sicht kann. Mein Herz beschleunigte sich um das Dreifache und ich rannte so schnell ich konnte und ließ damit Pascal hinter mir im strömenden Regen zurück, während ich die Türen des hellbeleuchtenden Rudelhausflurs ansteuerte. Angst übernahm meinen Körper, als ich die aufgelöste Lucy im Flur weinen sah. Toms Patrouillenpartnerin.

Sie stand da allein weinend, während ich aus dem Augenwinkel sah wie meine Truppe aus der heutigen Patrouille einen dunklen Wolfsleib trug. Ich rannte zu ihnen und hob den schweren Körper des Wolfes der bei meinem Griff anfing zu winseln.

„Wir brauchen Tische um ihn hinzulegen", wies ich meine Leute an. Zwei lösten sich von Tom, um in das nächstgelegene Büro zu stürmen und Platz zu schaffen.

Doch bevor sie überhaupt fertig waren damit die Tischinhalte wegzubringen, spürte ich Alex Anwesenheit im Nacken. Synchron wanderten die Köpfe aller Anwesenden zu unserem Alpha der die Tür für eine total durchnässte und in kurzen Pyjama tragende Williams öffnete. Einen Pyjama der nur fahrlässig von einem Mantel verdeckt wurde und so gut wie alles entblößte was sie die letzten Wochen versteckt hatte.

„Bringt ihn hinunter in den Flur! Und schiebt den Tisch und die Liege zusammen!", forderte Alex und Williams Blick blieb schockiert an mir hängen. Sie schien etwas überfordert von meiner Anwesenheit, doch Alex gab uns beiden keine Zeit zum Nachdenken.

„Tragt ihn schnell, aber vorsichtig rein. Und schiebt den Tisch neben die Liege!", forderte ich donnernd von den freilaufenden Wölfen die sofort handelten. Mein Blick huschte nochmals zu Williams die mit großen Augen geschockt auf das tropfende Blut sah, doch sie folgte uns ohne zu zögern als wir in das Innere des Rudelhauses liefen.

Jemand öffnete uns scheppernd die Tür zu Williams Praxis ohne auf das Schloss zu achten. Sofort wurden die Sachen von ihrem Tisch achtlos runtergeschoben und der Tisch und die Liege zusammengeschoben.

Wir legten den winselnden Tom behutsam auf die zusammengeschobenen Möbel, während Williams hinter uns nach Platz forderte. Schnell desinfizierte sie ihre Hände und forderte von ein paar freilaufenden Wölfen Handtücher und warmes Wasser.

Ich stand weiterhin über Tom gebeugt und sah Williams eindringlich an.

„Bekommen Sie das hin?", fragte ich grollend, während sie mir einen genauso ernsten Blick zuwarf.

„Wenn sie kooperieren"

...

Tut mir leid um die Verzögerung. Aber ich hoffe das längere Kapitel hat die Wartezeit wenigstens wett gemacht. Ich persönlich muss gestehen, dass die kommenden Kapitel schon lange in meinen Kopf existiert haben und die Szenen eine wichtige Wendung in der Geschichte symboliseren, weshalb die Korrektur etwas mehr Zeit in Anspruch genommen hat. Hoffe ihr seid positiv gespannt auf die nächsten Kapitel :)

PS: Sternchen nicht vergessen ;)

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