Kapitel 36
-Elias Naumann-
Keuchend kam ich an der Zentrale an und verwandelte mich in meine menschliche Gestalt zurück. Nickend grüßte ich die anderen, die sich noch in der Zentrale befanden und zog mir meine Sachen über.
Nachdem ich überprüft hatte, ob alles fürs Wochenende vorbereitet war, wollte ich bei Will und Max anklopfen, doch jemand hielt mich auf.
"Die sind nicht da", kam es von hinten und ich drehte mich erstaunt zu Pascal um, der aus einem der Schlafräume heraustrat. Verwirrt sah ich zur Tür unserer IT und Elektroabteilung.
"Weißt du wann sie wieder kommen?"
Pascal zuckte die Schultern und strich sich gähnend durch die verwuschelten Haare.
"Soweit ich weiß, sind sie zum Rudelhaus, um neue Steckdosen zu verlegen. Aber kein Plan wann die wieder kommen", sagte er, ehe er zum kleinen Kühlschrank lief und dort nach Essbaren suchte. Etwas genervt seufzte ich und machte mich auf den Weg.
Pascal sah nochmal kurz auf und schien noch was ergänzen zu wollen, beließ es aber dabei.
Die letzten Tage als ich versuchte Will und Max aufzusuchen, fehlte immer einer der beiden. Max erklärte, dass er ein paar Mal vor Ort im Rudel arbeiten musste und dementsprechend die Recherche nicht die ganze Zeit weiterverfolgen konnte. Besorgt war ich aber dennoch. Williams war nun seit drei Wochen hier und ich wollte sie, wenn möglich, nicht mehr allzu lange hier haben.
Das ich mich bei ihr bedankt hatte, war nur dem Fall zu verschulden, dass ihr die Dinge im Hort aufgefallen waren und sie trotz unserer Differenzen Finn nichts davon spüren ließ. Ich war froh, dass sie unsere Streitereien so gut für sich behalten hatte, auch wenn die meisten im Rudel Wind davon bekommen hatten.
Müde strich ich mir durchs Gesicht und lief Richtung Rudelhaus. Ich musste Will unbedingt treffen und erfahren, ob er was über die Hexerlizenz herausgefunden hatte. Langsam regten sich zwar sehr leise Zweifel in mir auf, was diese Informationsbeschaffung anging, aber auch wenn Williams sich bisher hier um ihre Aufgaben gekümmert haben sollte, hieß das nicht das sie keine zwielichtigen Gedanken hegte oder mit einer dritten Person unter der Decke steckte. Es war doch auffällig, dass sie die erste sein gewesen sein sollte, die nach einem Jahr sich bei Alex und Helen meldete und dann plötzlich zusagte.
Großstadtwesen wie sie kamen nicht ohne Hintergedanken in den Wald. Irgendwas wollte sie und ich musste herausfinden was.
Als ich durch den Flur des Rudelhaus lief und nach Will und Max Ausschau hielt, musste ich feststellen das meine Mitarbeiter sich ausgerechnet dort befanden, wo ich sie am allerwenigsten erwartet hatte.
"Was soll das denn werden?", fragte ich verwirrt, als ich Will und Max mit Spachtelmasse in den Händen herumhantieren sah. Max brummte kurz zu Begrüßung und überließ es Will, der sich grinsend an mich wandte, zu sprechen.
"Wir arbeiten. Wonach sollte es sonst aussehen?"
Erstaunt hob ich die Brauen und betrat den Praxisraum von Williams. Viele Möbel waren von der Wand weggeschoben worden und standen wild im Raum.
"Das sehe ich, ich frage mich nur warum."
Will spachtelte eine offene Stelle an der Wand zu.
"Williams wollte ein paar Steckdosen haben. Und da wir schlecht nein sagen können, sind wir jetzt hier", meinte er schulterzuckend. Immer noch verdutzt sah ich den beiden beim Arbeiten zu.
"Aha. Und wann seid ihr hier fertig?", fragte ich und Max wandte sich mir zu.
"Wahrscheinlich noch eine Stunde. Wenn du aber was zu sagen hast, sags. Williams ist nicht hier", brummte er und ich musste ein Schmunzeln unterdrücken. Ich schloss die Tür hinter mir und setzte mich auf einen der Stühle im Raum.
"Hast du schon was Neues bezüglich der Hexerlizenz herausbekommen?", fragte ich an Will gewandt, der mit dem Kopf nickte.
"Ja, das wollte ich dir spätestens morgen erzählen. Ich habe einen Antrag an das Ministerium gestellt und hab auch schnell eine Antwort erhalten. Sie durften mir nicht die richtige Lizenz zuschicken, da Williams sie direkt anfordern müsste. Wir haben aber sowas wie einen vorläufigen Schein erhalten. Eine Bestätigung das sie im Hexerregister registriert ist und damit legal im Land ist", fasst er kurz zusammen und ich seufzte.
"Mehr konntest du nicht herausfinden?", fragte ich etwas hoffnungsvoll und Will drehte sich kurz zu mir um.
"Nichts Handfestes. Bei einem Telefonat mit einer Mitarbeiterin hatte sie etwas Komisches angedeutet. Sie meinte, wenn wir wirklich wissen wollen, wie hoch ihr Hexergrad wäre, müssten wir sie nur damit konfrontieren und wir hätten schon unsere Antwort. Ganz komische Sache, wenn du mich fragst", erklärte er selbst etwas verwirrt und ich nickte.
"Sonst noch was?"
Max hob den Kopf.
"Ich habe herausgefunden, dass es bei Hexern nicht unüblich ist, sich im Familienregister anzumelden, wenn der Hexer einer bekannten Ahnenlinie entstammt. Ich habe eine Weile gebraucht, aber festgestellt, dass Williams Mutter eine angesehene Person im, Ministerium ist und in England angestellt ist. Aber außer im Familienregister wird in den Medien und co nicht ein Wort von Emilia Williams Tochter verloren. Ich schätze, sie haben sich zerstritten oder so", fuhr Max fort und ich nickte anerkennend. Sie hatte also potenziell Kontakte zu anderen Organisationen. Aber das Ministerium würde in einem solchen Fall doch nicht wirklich auf die Tochter einer Mitarbeiterin zurückgreifen, oder?
"Was ist mit dem Vater? Und weiterer Familie?", hakte ich nach und Will sah wieder zu mir.
"Vom Vater keine Spur. Genauso wenig von anderen Verwandten. Emilia Williams war ein Einzelkind, genauso wie Gwen. Ob sie alleinerziehend war oder der Vater sich nie registriert hat, ist unbekannt. Da können wir nichts machen. Aber Emilia hat wohl seit ein paar Jahren einen neuen Mann an ihrer Seite. Einen erfolgreichen Hexer Anwalt in London."
Grübelnd lehnte ich mich in den Stuhl zurück.
"Und wie machen wir jetzt weiter?"
Will erhob die Brauen.
"Wie meinst du das?"
"Ich meine was ihr von mir braucht um weiter arbeiten zu können? Oder seid ihr noch nicht mit der Recherche fertig?"
Max und Will sahen sich verwirrt an.
"Elias, es gibt nichts mehr zu suchen. Alles, was auf dem Papier steht, war wahrheitsgetreu. Wir wissen nicht, warum sie keiner einstellen wollte oder ob uns ihre Hexerlizenz wirklich weiterhelfen würde. Wir haben zwar keinen Grund an ihrem Motiv hier leben zu wollen zu glauben, aber auch keinen Grund ihr zu misstrauen", sagte Will vorsichtig und mein Blick verfinsterte sich.
"Es muss einen Grund für all die Absagen geben. Sie war nervös als ich sie danach ausfragte und war ausweichend. Hatte gelogen und meinte, sie hätte sich bewusst für das Rudel entschieden, obwohl Alex und Helen die einzigen waren, die sie einstellen wollten. Sag mir nicht, dass ihr das nicht beunruhigend findet", sagte ich ernst und Max seufzte tief.
"Wir widersprechen dir doch da nicht. Doch auch wir haben unsere Grenzen. Wenn du so dringend wissen willst, was mit ihr nicht stimmt, frag Alex oder Williams direkt. Vielleicht hast du Glück und sie antworten dir."
Ich schnaubte belustigt.
"Ach und wie soll das gehen? Soll ich Alex einfach sagen das im E-Mail-Verlauf seiner frisch angestellten Ärztin abartig viele Absagen waren und er mir bitte erklären soll, warum er sie dennoch angestellt hat?"
Max musste sich ein Augenrehen verkneifen und Will sah bedeutend zu mir.
"Wenn nicht Alex, dann Williams direkt. Sie ist nett, wenn man sich mit ihr auseinandersetzt und wirkt nicht so, als würde sie sich für irgendwas schämen. Sie hatte mir auch ganz ungezwungen von den Differenzen zwischen ihrer alten Chefin berichtet. Wer weiß vielleicht hat ihre alte Chefin mit den Absagen etwas zu tun", spekulierte Will und ich konnte kaum glauben was ich hörte.
"Du glaubst ihr also einfach?", hakte ich verwundert nach. Will zuckte unschuldig mit den Schultern.
"Wieso nicht? Alex und Helen tun das immerhin auch und alles, was sie mir gegenüber erwähnt hatte, stimmt mit dem überein was wir bisher herausgefunden hatten", sagte er und ich musste ein Kopfschütteln unterdrücken, als Max mir einen bedeutungsschweren Blick zuwarf.
"Überleg dir zweimal, wie weit du noch gehen möchtest. Wir verstehen zwar, dass dir die Sicherheit des Rudels wichtig ist und unterstützen dich auch darin, wenn wir derselben Meinung sind. Aber derzeit können wir nichts mehr machen. Wir haben schon über Alex Eingeständnissen hinaus gehandelt. Ich weiß nicht, wie viel er dir noch verzeiht, bevor es ernsthafte Konsequenzen für dich nachzieht. Beobachtete Williams am besten so lange wie sie hier ist und suche keinen Streit. Wenn sie sich wider Erwarten auffällig verhalten sollte oder etwas anstellt, kannst du deine Erkenntnisse immer noch mit Alex teilen."
Ich wollte einfach schon aus Prinzip widersprechen, als ich vom Flur aus klackernde Schritte hörte.
Max und Will sahen zu mir und deuteten an das das Gespräch hier beendet war und spachtelten fleißig weiter, als neben mir Williams die Tür öffnete.
Sie hatte ihre Haare zu einem lockeren Dutt hochgesteckt und war überraschend leger mit einem dicken Wollpulli und einer dunklen Jeans bekleidet. Verwundert blickte sie zu mir hinab.
"Herr Naumann?", kam es fragend und ich rückte mit meinem Stuhl zur Seite, damit die Hexe in den Behandlungsraum eintreten konnte, um sich die Arbeit der beiden zu besehen. Immer noch etwas perplex sah sie aus dem Augenwinkel zu mir und stellte daraufhin ein paar Tüten auf den Holztisch.
"Lassen Sie sich nicht von Elias stören. Er wollte nur überprüfen, ob wir auch wirklich arbeiten", sagte Will witzelnd, um die Situation aufzulockern. Williams sah zwar nicht gänzlich überzeugt aus, doch sie nickte einfach.
"Ok, wenn dem so ist. Ich war eben in der Stadt und hab ein paar Sachen von der Konditorei besorgt. Katharina lässt grüßen", sagte sie und hielt die Tüten hoch die Will gierig betrachtete.
"Richten Sie ihr unseren Dank aus", sagte Max milde lächelnd. Williams Blick schweifte kurz zu mir.
"Sie können sich auch bedienen, wenn Sie wollen", sagte sie höflich. Ich musste zunächst überrascht blinzeln, bevor ich mich daran erinnerte zu reagieren. Nickend nahm ich das Angebot zur Kenntnis.
"Danke, aber ich muss auch schon wieder weiter", sagte ich kurz angebunden und wollte mich abwenden, als Williams kurz die Hand hob.
"Warten Sie. Ich begleite Sie bis nach draußen."
Verwirrt blieb ich stehen und wartete bis Williams zu den anderen sagte, sie wäre gleich wieder da und dann zu mir aufschloss. Seufzend lief ich den Flur mit ihr entlang und musste es unterdrücken zu ihr hinab zu sehen. War sie wirklich so unschuldig wie Will mir weiß machen wollte? Ich wusste einfach nicht mehr wohin mit meinen Gedanken. Doch diese wurden prompt unterbrochen, als Williams anfing zu reden.
"Ich hab heute die Blutprobe von Finn in der Stadt zum Labor verschickt. Wenn ich Antwort erhalte gebe ich Katharina Bescheid. Wollen Sie das ich mich auch bei Ihnen melde?"
Ich verlangsamte meinen Schritt und sah skeptisch zu ihr runter. Sie hatte ein neutrales Gesicht aufgesetzt und wartete auf meine Reaktion.
"Sie wollen mir wirklich Bescheid geben? Trotz unserer Differenzen?"
Sie schnaubte belustigt.
"Glauben Sie nicht, dass ich das für Sie tue. Katharina sagte heute sie hätte nichts dagegen, wenn ich Sie über Finns Gesundheitszustand informiere falls was sein sollte und sie nicht erreichbar ist. "
Ich ließ mir ihre Worte durch den Kopf gehen und nickte daraufhin.
"Ja, informieren Sie mich, wenn was sein sollte."
Sie nickte und stoppte, als ich die Tür nach draußen öffnete.
"Auch wenn Katharina damit klarkommt das Sie von nun an informiert werden, toleriert weder sie noch ich, dass Sie etwas gegen meine Behandlungen einwenden. Ich hoffe das ist Ihnen bewusst."
Ich musste mir ein Schmunzeln unterdrücken. Kein Wunder das Katharina sich gut mit Williams verstand. Sie beiden hatten mich wohl immer noch auf dem Kicker. Ich drehte mich zu Williams um und hob die Hand.
"Alles verstanden", sagte ich verabschiedend was sie den Kopf schütteln ließ. Doch ich erkannte die Andeutung eines Schmunzelns auf ihren Lippen. Auch wenn wir gewiss nie Freunde werden würden, so war sie doch eine Kontrahentin auf Augenhöhe.
Vielleicht hatte Max recht und ich sollte die Recherche auf sich beruhen lassen. Falls sie was Verdächtiges tun sollte oder Finn irgendwelche komischen Substanzen verabreichen wollte, würde ich dagegen etwas unternehmen. Aber solange sie mir nicht noch mehr Gründe lieferte, sollte ich Will Bescheid geben das er aufhören konnte ihren Mail Verlauf im Blick zu behalten.
PS:Lasst gerne ein Sternchen da ;)
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