Kapitel 34
-Elias Naumann-
Nachdem ich seit dem Streit mit Katharina Finn nicht mehr gesehen hatte, überraschte es mich, als es abends bei mir klopfte, Finn begeistert in meine Arme sprang und Katharina milde lächelnd hinter ihm stand und fragte, ob sie reindürften.
Perplex machte ich den beiden Platz und begleitete sie ins Wohnzimmer. Finn machte es sich sogleich auf der Couch gemütlich und ich fragte Kathi, ob sie was trinken wollte. Die Stimmung zwischen uns war immer noch unangenehm, doch sie bejahte und bat um einen Tee. Sie folgte mir in die angrenzende Küche, während ich das Wasser aufsetzte.
"Weswegen habe ich denn das Vergnügen?", fragte ich schließlich und Kathi lehnte sich seufzend an die Küchenzeile. Sie sah etwas müde aus und hatte nur ihre Haare locker zu einem Dutt hochgesteckt.
"Finn möchte dich was fragen", war bloß die knappe Antwort und ich runzelte verwirrt die Stirn, bevor ich ihr den Tee gab. Dankend nickte sie und lief zurück ins Wohnzimmer, wo Finn aufgeregt auf uns wartete.
"Na Großer. Deine Mum sagte, du wolltest mich was fragen", sagte ich lächelnd, als ich mich neben meinen Neffen auf die Couch plumpsen ließ. Kathi setzte sich auf einen dunklen Sessel gegenüber und sah auffordernd zu Finn, der sie angesehen hatte.
"Ich wollte fragen, ob du morgen Zeit hast?", fragte er und ich sah etwas verwirrt von ihm zu Kathi. War das etwa ihre Art mir anzubieten, dass er bei mir übernachten durfte?
"Natürlich habe ich Zeit", sagte ich daher und Finn strahle übers ganze Gesicht.
"Super, dann kannst du mich morgen zusammen mit Mama zu Gwen begleiten! Ich habe gefragt, ob du beim nächsten Termin dabei sein darfst und sie hat zugestimmt!"
Ich musste mir Mühe geben, mein Lächeln nicht zu verlieren, als er Williams beim Vornamen nannte.
"Du hast einen Termin bei Dr. Williams?", fragte ich vorsichtshalber nach und er nickte.
"Jap, sie will mir morgen Blut abnehmen. Und damit ein paar Tests machen", erklärte er mir und ich nickte automatisch. Nicht in der Lage, mehr zu tun.
"Du hattest versprochen, ihn beim nächsten Termin zu begleiten. Deswegen wollte er dich fragen, wann du Zeit hast. Damit wir alle zusammen hingehen können", erklärte Katharina etwas steif und mein Blick huschte zu ihr. Ich sah die Drohung in ihren Augen und schluckte.
"Natürlich komm ich mit, wenn du das willst", sagte ich in Finns Richtung, der glücklich grinste. Und auch ohne, dass Katharina es aussprach, wusste ich das dieser Termin morgen darüber entscheiden konnte, inwieweit ich Finn danach noch zu Gesicht bekam. Es lagen so viele unausgesprochene Worte und Entschuldigungen zwischen uns, aber Katharina beschloss, dass heute noch nicht der Tag war, wo diese ausgesprochen wurden.
Sie sagte mir wann und wo wir uns morgen bei Williams uns treffen würden und bot wahrscheinlich Finn zu liebe an, ihn hier über die Nacht übernachten zu lassen. Ich nahm das Angebot an. Denn ich wusste nicht, wie ich es, ohne Ablenkung schaffen sollte, nicht irre zu werden. Finn war der beste Ausgleich, den ich zu all den düsteren Gedanken hatte.
Also sah ich dabei zu, wie sich Kathi von ihrem Sohn verabschiedete und ließ mich von ihr an den morgigen Termin erinnern. Auch wenn sie es nett ausdrückte, war ich mir der Situation bewusst und nickte ernst, als sie die Hütte verließ.
...
"Ich glaub ich habe einen Trampelpfad gefunden", sagte ich und sah zu der immer noch leicht zitternden Brünetten, die einige Meter entfernt nach einem Weg suchte. Sie drehte sich zu mir um, darauf bedacht mir nur ins Gesicht zu sehen, obwohl sie selbst nicht viel mehr am Körper trug. Aber um des Friedens willen kommentierte ich die nassen und durchscheinenden Klamotten nicht.
"Zeig mir wo", sagte sie fordernd und lief in meine Richtung. Ich deutete mit dem Kinn auf den kleinen Pfad, den ich entdeckt hatte. Er führte tief in den Wald, aber war nicht in tiefen Nebel gehüllt wie der Rest.
"Denkst du, er führt raus aus dem Wald?", fragte sie und ich zuckte die Schultern.
"Woher soll ich das wissen? Ich weiß selber nicht wo wir sind", erwiderte ich und ich hörte sie genervt seufzten. Ich ging einige Schritte auf den Pfad zu. Es geschah nichts Ungewöhnliches, noch sah es wirklich gefährlich aus. Der Waldboden war weich und ich hatte keine Probleme, mit den nackten Füßen zu laufen.
"Willst du da ewig rumstehen?", fragte ich irgendwann, als ich bemerkte, dass die Frau immer noch keinen Zentimeter weg gewichen war. Sie sah skeptisch aus, schnappte sich aber kurz darauf das nasse Bündel, was sie auf dem Boden hatte liegen lassen und kam mit einem etwas unsicheren Blick zu mir auf den Pfad.
"Ich hoffe für dich, dass wir rauskommen", brummte sie, als sie an mir vorbeilief. Ich verdrehte die Augen und lief hinter ihr her.
Der Wald wurde nach nur wenigen Minuten gespenstig still und nur unsere Schritte auf dem Boden waren zu hören. Die Brünette blickte nicht einmal über die Schulter zu mir rüber, so sehr war sie auf den Weg vor sich fokussiert.
Ich achtete auf Veränderungen im Wald und versuchte nicht allzu oft auf die schmale Taille und die ausladenden Hüften der Frau zu sehen. Immerhin war sie ja nach ihrer eigenen Aussage nach, nicht freiwillig so freizügig unterwegs.
Kiefernholz und der Geruch von feuchter Erde lagen mir in der Nase, doch als sich irgendwann Rauch daruntermischte, begann mein Herz unkontrolliert zu pochen. Das war überhaupt nicht gut.
Ich blieb stehen und versuchte herauszufinden, woher der Geruch kam. Die Brünette bemerkte wohl, dass ich stehen geblieben war und drehte sich ein paar Meter entfernt verwirrt zu mir um.
"Alles gut?", fragte sie etwas beunruhigt, nachdem sie meinen nachdenklichen Gesichtsausdruck bemerkt hatte. Ich blickte nach hinten und roch nochmal genauer. Es war zwar noch nicht hier, aber irgendwo hinter uns musste es brennen.
Beunruhigt wollte ich mich schon zur Frau wenden, als ich spürte, wie etwas vom Himmel rieselte.
"Ist das Asche?", hörte ich es hinter mir und Angst durchflutete mich. Wir mussten hier raus. Sofort!
Ich eilte zur Brünetten, schnappte mir ihre Hand und zog sie mit mir.
"Wir müssen schnell weg!"
Sie folgte mir widerstandslos und sah immer wieder über ihre Schulter nach hinten. Sie nahm den Rauchgeruch wohl nun auch wahr. Ich sah wie sie mühsam einen Kloß hinunterschlucken musste und anfing neben mir zu rennen, während ich eigentlich viel schneller laufen könnte. Frustriert schmeckte ich den Rauch auf meiner Zunge und zog sie weiter mit mir, bis ich es nicht mehr aushielt.
"Steig auf meinen Rücken!", forderte ich. Verwirrt öffnete sie den Mund um zu protestieren, doch ich ließ ihre Hand los und forderte meinen Körper auf sich zu verwandeln. Ein kurzer Schmerz durchzuckte mich und ließ mich nach Luft schnappen.
Ich fiel nach vorne auf meine Pfoten und hockte mich schnell auf den Boden. Die Frau sah verblüfft zu mir, ehe sie zögerlich auf meinen Rücken aufstieg. Selbst liegend, war ich immer noch sehr groß. Es musste sie wohl Überwindung gekostet haben.
Als ich mich erhob, verkrampfte sich ihr Körper etwas und ich spürte, wie sie reflexartig in das Fell meines Nackens griff. Ich wollte zwar ungern als Reittier herhalten, aber ich wusste, dass ich sie anders nicht mit mir nehmen konnte. Sonst würden sie die Flammen heimsuchen, die sich rasend schnell hinter uns auftürmten.
Ich versuchte nicht zu viel über mein rasendes Herz, die steigende Panik und das Grauen in meinen Kopf nachzudenken, als ich meinen Körper dazu antrieb über den weichen Waldboden hinwegzufegen. Die Frau presste sich mit ihrem ganzen Körper an mich, versuchte sich mit ihren Armen und Beinen festzuhalten. Ich spürte, wie sie des Öfteren beinah drohte runterzufallen, doch sie gab sich die größte Mühe sich an mir festzuhalten, als ich mich wie ein schwarzer Blitz durch den Wald schlug.
...
Meine Hände zitterten und mein Körper war schweißnass, als ich nach meinem Albtraum wach wurde. Finn schlief zum Glück seelenruhig in seinem Zimmer, als ich nach ihm sah. Sein Anblick beruhigte meinen hohen Puls, schaffte es aber nicht, das Grauen, welches sich vor meinem inneren Auge abspielte, zu schmälern. Viel zu tief saß die Angst, den Sohn meines Bruders erneut aus den Flammen von vor acht Jahren tragen zu müssen.
Ich war nur froh, dass er sich nicht mehr an das Feuer, welches das Dorf und seinen Vater heimgesucht hatte, erinnern konnte. Ich tat es leider. Und war froh das ich eine ganze Zeit nicht mehr daran denken musste. Solange bis Williams kam.
Müde und ausgelaugt hatte ich es gerade so in das Wohnzimmer geschafft und schaltete irgendeine Sendung im Fernseher an. Ich musste diese Stille loswerden. Sonst würde mein Verstand sich weiterhin einbilden, weit in der Ferne es knistern zu hören.
Ich hatte mir Mühe gegeben, diese Bilder aus meinem Verstand zu verbannen. Dieses Trauma hatte es schon einmal beinah geschafft, mein Leben zu zerstören. Ich durfte mich nicht wieder davon einholen lassen!
In Erinnerung an unserem damaligen Beta schwelgend, ging ich mich später duschen und weckte Finn, als es Zeit war aufzustehen. Ich war froh, dass er meine Strapazen der Nacht nicht bemerkte oder schlichtweg ignorierte.
Heute würde für ihn immerhin ein aufregender Tag stattfinden.
Später am Abend nach meiner Schicht, begleitete ich Katharina und Finn zum Rudelhaus. Kathi und ich sprachen nicht viel. Das übernahm Finn dankenswerterweise. Ich hörte aufmerksam zu, als er erzählte das er ab nächster Woche an zwei Tagen früher von der Schule nach Hause konnte. Er sprach auch vom Hort und davon das sie dort nicht mehr mit rohem Fleisch spielten. Auf meinen fragenden Blick zu Kathi hin, erklärte diese kurz angebunden das es einen Elternbrief gab und Finn bestätigte die Aussagte und meinte das er seitdem auch keine Bauchschmerzen mehr gehabt hatte. Ich wusste zwar, dass die Geschehnisse am Wochenende dafür verantwortlich waren, hatte aber nicht gedacht das alle Beteiligten so schnell handeln würden.
Ich lächelte milde zu ihm hinab. Das mit dem Fleisch hätte nie passieren dürfen und doch war es Williams als erste und einzige je wirklich aufgefallen. Auch wenn ich sie immer noch so schnell wie möglich loswerden wollte, hatte sie was dem Hort betraf ein gutes Auge bewiesen. Ich war froh im Nachhinein sie und Alena getrennt und mir beide Versionen angehört zu haben.
Ich war mir ziemlich sicher, dass immer noch was mit der Geschichte nicht stimmte, aber ich würde Finn zu Liebe nicht weiter nachhaken. Wenn seine Bauchschmerzen wirklich wegblieben dann hatte Williams richtig gehandelt und es gab keinen Grund für mich ihre Aussagen bei der Befragung weiterhin anzuzweifeln. Doch es fiel mir schwer.
Ich öffnete die Tür zum Rudelhaus und folgte Finn und Kathi. Es wunderte mich das Williams bei der Uhrzeit noch gewillt war zu arbeiten, da es schon recht spät war. Doch ich sollte aufhören die Taten dieser Frau zu hinterfragen. Es würde zu nichts führen.
Ich war nervös und mein Körper verkrampfte, als Finn mit Kathi an Williams Tür klopfte und diese dann lächelnd öffnete. Ihr Blick glitt über Finn und Kathi, ehe er bei mir hängen blieb. Auch wenn sie mich nicht ansprach, sah ich in ihren kalten Augen die Warnung. Sie hielt uns die Tür offen und sprach mit Kathi als wären sie alte Freunde, während sie bei meinem Anblick sichtlich abkühlte.
"Sie können sich ruhig hier hinsetzen, während Finn auf der Behandlungsbank Platz nehmen darf", sagte sie freundlich und Finn hüpfte aufgeregt auf die Behandlungsbank, während Kathi und ich auf den beiden Stühlen vor dem Massivtisch Platz nahmen.
Seit meinem letzten Besuch hatte sich ein wenig hier getan. Draußen standen noch einige Kisten und ich sah einige Geräte an der gegenüberliegenden Wand. Es kamen wohl einige ihrer überteuerten Bestellungen an. Ob man diese irgendwann wieder zurückerstatten konnte?
Mein Blick huschte wieder zu Williams, die sich auf einen rollenden Hocker gesetzt hatte und lächelnd zu Finn sah.
"Du weißt doch noch was wir heute machen wollten oder?"
Er nickte und sagte: "Ja, wir wollten mir Blut abnehmen!"
Ich verbarg meine Hände. Zu verkrampft waren sie. Ich wollte Finn kein schlechtes Gefühl geben, auch wenn es mir zuwider war das er so ein gutes Verhältnis zu ihr hatte. Aber wahrscheinlich war es besser so, solange Williams hier war. Finn sollte sich nicht unnötig fürchten müssen, wenn es sich vermeiden ließ.
Williams nickte zufrieden und zog ihre Ärmel hoch.
"Genau. Das machen wir gleich mit einer kleinen Nadel. Ich steche dann in eine Vene an deiner Ellenbeuge und kann dann das entnommene Blut daraufhin untersuchen."
Sie hatte auf dem Tisch eine Nierenschale in der eine plastikverpackte Nadel, ein paar Röhrchen und ein paar Tupfer lagen. Diese holte sie und legte sie neben Finn.
"Möchtest du das vielleicht jemand deine Hand hält, wenn ich gleich steche?", fragte Williams, als sie Finns etwas nervösen Blick zu den Utensilien bemerkte und er nickte.
"Könnte sich mein Onkel zu mir setzen?"
Williams nickte und drehte ihren Oberkörper zu mir, als ich mich auch schon ganz mechanisch erhob.
...
Sternchen nicht vergessen ;)
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