Kapitel 32

-Elias Naumann-

"Das hatte Alena nie mit einer Silbe erwähnt!", sagte ich, was mir einen bösen Blick von Alex und Williams einräumte.

"Nur weil es bisher niemand bemerkt hatte, heißt das nicht, dass ich falsch liege", antwortete Williams kühl.

"Warum hatte Sie denn das Erbrochene beunruhigt?", fragte Alex um das Gespräch wieder in die richtige Spur zu bringen und Williams Blick flog zurück zu ihm.

"Das Fleisch, welches die Kinder im Hort zum Spielen und zur Vorbereitung für die Jagd bekommen, ist roh. Sie streiten sich in ihrer wölfischen Form darum und konsumieren damit immer wieder kleinere oder größere Stücke. Ich denke das Finn dieses Fleisch nicht verträgt. Und zwar aus gutem Grund."

Ihr Blick blieb kurz an mir hängen, bevor sie fortfuhr.

"Die Kinder wechseln schnell ihre Gestalten und geben damit dem Magen keine Zeit, das Fleisch zu verdauen. Es gibt keine Regeln, was die Verdauungszeit angeht. Ich habe mich informiert und weiß, dass es selbst unter den Erwachsenen üblich ist nach einer Jagd nicht sofort die Gestalt zu wechseln, da es schnell zu Übelkeit und Erbrechen führen kann. Der Magen kann die Masse an unverdauten nicht vertragen."

Alex nickte bestätigend und auch ich konnte nichts einwenden, als Williams fortfuhr.

"Kinder sind vor ihrem Reifeprozess bei der Nahrungsaufnahme sogar noch empfindlicher, da sie trotz ihrer Heilungskräfte anfällig für Bakterien und Viren sind. Es kann sein, dass sie wegen des Essens gegen eine sich ausbreitenden Darminfektion kämpfen müssen, ohne dass sie es merken. Dadurch sind sie gegenüber anderen Krankheiten oder Wunden empfänglicher und ihre Heilungskräfte lassen nach. Und das ist bei gesunden Jungwölfen ohne Krankheitsgeschichte schon der Fall. Dementsprechend besorgt war ich, als ich erfuhr, dass Finn regelmäßig dieser Situation ausgesetzt war."

Ich schluckte und musste meine verkrampften Hände verbergen. Sie hatte mit einigen Aussagen recht behalten. Aber sagte sie dennoch die Wahrheit? Sie hatte mir bereits einmal schamlos ins Gesicht gelogen, als sie über ihre Bewerbungen sprach und würde es sicherlich wieder tun.

"Ich habe mit einer Erzieherin gesprochen bevor ich mit Finn zum Rudelhaus gegangen bin und habe mich erkundigt. Das Fleisch wird täglich unter den Jüngsten verteilt. Damit erhöht sich natürlich das Risiko für Erkrankungen, da der Magen ständig unter dem rohen Fleisch leidet. Ich versuchte das der Erzieherin verständlich zu machen, doch sie verwies mich daraufhin, dass es keinen schaden würde und Alena es selbst angeordnet hatte. Also bin ich zu Alena und habe von ihr gefordert, das Fleisch bis heute zu entsorgen. Andernfalls würde ich Sie oder Helen zur Rate ziehen, damit meine Forderungen auch umgesetzt werden. Das hat sie wohl als Drohung empfunden, wie sie mir heute im Streit erklärte."

Ich erinnerte mich gut daran, wie böse Alena gestern gewesen war und sich über Williams Verhalten geäußert hatte. Hatte Williams vielleicht wirklich nur aus guten Absichten herausgehandelt und Alena hatte das falsch verstanden?

Ich atmete tief durch. Alena hatte behauptet, Williams hätte sie und die Kinder bedroht. Das hörte sich aber alles nicht so an. Normalerweise würde ich einem Rudelmitglieder eher als einer Aussenstehendem glauben, aber Alena hatte sich in der Vergangenheit öfter Fehltritte geleistet. Außerdem sollte es mich nicht wundern, dass sie mich statt Helen gerufen hatte. Mich konnte sie einfacher manipulieren, da ich gegen Williams war. Das musste sie wohl gewusst haben.

Ich wurde sauer, als ich an all die Male dachte, in denen Finn über Magenschmerzen klagte, und nie jemand sich die Mühe gemacht hatte, ihn bei seinen Schmerzen zu begleiten. Wie konnte es so weit kommen, dass erst Williams sehen konnte, dass er Fleisch erbrach? Ich strich mir übers Gesicht und hörte ihr weiter zu.

"Mir wurde erst im Laufe des gestrigen Tages bewusst, wie meine Forderung auf Alena gewirkt haben musste. Also hatte ich mir überlegt wie ich die Situation entschärfen könnte. Ohne das Essen weggeschmissen wird und jeder mein Handeln und meine Bedenken verstehen konnte. Deswegen habe ich heute früh im Rudelladen Brötchen besorgt und bin dann zum Hort um mit Alena zu sprechen."

An dem Punkt hatte uns Alena erzählt, dass Williams ihr gedroht hätte, ihren Forderungen nachzukommen.

"Ich unterbreitete ihr meinen Vorschlag und entschuldigte mich für mein Verhalten am Vortag. Sie war aber leider nicht begeistert von meiner Idee und verbot mir den Hort zu betreten. Ich war wütend. Das muss ich gestehen. Ich habe versucht zu erklären, was mein Problem bei der ganzen Sache ist und dass ich nicht versuche sie schlecht dastehen zu lassen. Denn sie forderte, ich solle kein Wort gegenüber Helen oder dir fallen lassen. Das sie die Diskussion als beendet sieht und ich gehen kann."

"Und daraufhin haben sie eingesperrt?", fragte Alex und Williams hob überrascht die Augenbrauen.

"Ich soll was?"

Ihr Blick huschte kurz zu mir.

"Das hat sie jedenfalls behauptet, als sie mich angerufen hatte. Ich habe sie in ihrem Büro vorgefunden. Die Tür war zugesperrt", sagte ich kühl und Williams sah verwirrt zu Alex.

"Ich habe damit gar nichts zu tun. Ich habe den Raum verlassen, nachdem mich Alena dazu aufgefordert hatte und bin direkt zu den Erziehern gegangen. Sie können die anderen ruhig befragen. Ich hatte die Hoffnung, die Erzieher würden auf meinen Vorschlag eingehen und habe geflunkert, um sie zu überzeugen, mir zu helfen. Ich dachte, Alena würde bestimmt etwas länger in ihrem Büro bleiben und würde es nicht mitbekommen, wenn ich mit den Kindern und Erziehern draußen bin."

"Also haben Sie nicht den Schlüssel gestohlen und Alena damit im Büro eingesperrt?", hakte ich nach und sie sah etwas entrüstet zu mir auf.

"Wie hätte ich das anstellen sollen? Ich habe vor ihren Augen den Raum verlassen. Ihr wäre doch wohl aufgefallen, hätte ich den Schlüssel vor ihren Augen geklaut und sie eingesperrt. Dann hätte sie schon viel früher nach Hilfe gerufen und hätte mich aufhalten können. Da ich aber nichts getan habe, und vor allem es nie im Leben schaffen würde, eine ausgewachsene Werwölfin heimlich einzusperren, finde ich diese Behauptung sehr an den Haaren herbeigezogen! Hat sie denn behauptet, mich bei irgendwas gesehen zu haben? Oder denkt sie ich hätte die Erzieher gefragt, sie für mich einzusperren? Fragen Sie ruhig die Erzieher. Sie werden ihnen sicher erzählen, dass ich nichts getan habe, außer sie davon zu überzeugen, dass Alena meinen Plänen zugestimmt hätte."

Sie hatte recht. Sie hätte es unmöglich schaffen können. Und Alena hatte uns beiden auch nicht verraten können, wann genau Williams sie eingesperrt hatte. Sie meinte ihr Schlüsselbund war wie immer in ihre Schublade, aber der Schlüssel mit dem sie das Büro schloss, war nicht mehr da gewesen. Sie war davon überzeugt, dass es Williams irgendwie geschafft hatte sie heimlich einzuschließen. Sie wettete sie hätte Magie verwendet. Aber sie hatte keine wirklichen Beweise. Es stand also Aussage gegen Aussage. Und dennoch war ich skeptisch bei Williams Antwort. Als hätte sie sich ihre Antwort bereits zurechtgelegt, da sie wusste das Alena keine echten Beweise vorlegen konnte.

Alex schien einen ähnlichen Gedankengang wie ich zu verfolgen, aber seufzte nur tief und hob die Hände ergebend, um Williams zu beruhigen, die wohl offensichtlich wütend über diese Anschuldigung war.

"Wir glauben ihnen, wenn Sie sagen, dass Sie nichts damit zu tun hatten. Dennoch war es nicht in Ordnung ohne Alenas Zustimmung das Fleisch zu verwerten. Auch wenn Sie ihre Gründe dafür gehabt hatten."

Williams seufzte und nickte ergebend.

"Es tut mir leid, ihnen solche Probleme bereitet zu haben. Mein Temperament ist wohl durchgebrannt", sagte sie nun etwas ruhiger. Alex nickte zufrieden darüber, dass sie sich ihrer Schuld bewusst war. Doch ich war mir immer noch nicht sicher, wie echt das Ganze wirklich war.

"Gut, da wir jetzt wissen, wie es zu dieser körperlichen Auseinandersetzung gekommen ist, verstehe ich alles etwas besser. Ich hoffe, Sie sind nicht wirklich zu Schaden gekommen, oder?"

Williams schüttelte den Kopf. Auch wenn der Schlag recht heftig ausgesehen hatte und ihre Wange immer noch rot und leicht geschwollen war, wollte sie das Thema nicht vertiefen.

Als ich bemerkt hatte, was Alena tun wollte, hatte ich kurz gezögert. So schön kam mir die Voraussicht vor, dass Williams auch mal was zum Einstecken hatte, aber als ich dann den Schlag sah und bemerkte, wie schwach Williams im Gegensatz zu einer Wölfin war, wurde mir flau im Magen und ich schämte mich wegen meiner Gedanken. Gewalt war keine Lösung. Jedenfalls nicht in solch einem Moment, wo sich Williams nur auf intellektuellem Niveau verteidigen konnte. Der Schlag hatte sie taumeln lassen und trotz ihrer Überraschung hatte sie es geschafft, den Kopf zu heben und auf einem besseren Niveau zum Gegenschlag auszuholen. Dafür zollte ich ihr Respekt. Und es war auch der einzige Grund gewesen, warum ich dazwischen gegangen bin, statt zu warten, dass es wer anderes tat. Denn ich hatte die Mordlust in Alenas Augen gesehen, als sie merkte das Williams sich nicht verteidigen konnte. Sie hätte in diesem Moment auf niemanden mit einer geringeren Dominanz gehört.

"Alena hat nach einer Entschuldigung verlangt und möchte, dass Sie nicht mehr den Hort betreten. Doch das werde ich nicht zulassen, nachdem Sie uns ihre Sicht der Dinge erzählt hatten. Ich bitte Sie darum, einen Brief an die Hortmitarbeiter und auch die Eltern zu verfassen, in dem Sie über die Nahrungszufuhr von rohem Fleisch aufklären. Ich werde dafür sorgen, dass der Hort nach einer gesunden Alternative sucht um den Kindern das Jagen näher zu bringen. Ansonsten würde ich empfehlen in der nächsten Zeit den Hort nicht ohne Begleitung von Elias, Helen oder mir zu betreten. Auch wenn ich jedem verständlich gemacht habe das körperliche Gewalt nicht angewendet werden soll, ist es mir doch lieber, wenn Sie nur unter Begleitung den Hort betreten."

"Trauen Sie mir nicht zu das alleine zu regeln?", fragte Williams mit erhobener Braue.

"Es geht um ihre Sicherheit. Außerdem steht es momentan Aussage gegen Aussage und damit es nicht mehr zu solchen Situationen kommt, fanden wir es am besten, wenn eine dritte Person anwesend wäre, wenn Sie mit dem Hort interagieren", antwortete ich. Ich sah Williams an das sie das nicht wollte und nicht begeistert über diese Einschränkung war, doch sie nickte.

"Wenn Sie versprechen, zu überprüfen, ob das rohe Fleisch wirklich verschwunden ist, dann beschwere ich mich nicht."

Alex nickte. War wohl einverstanden mit ihrer Forderung.

"Gut, wenn das nächste Mal sich jemand gegen ihre Forderungen wehren sollte, kommen sie direkt zu uns bevor sie auf eigene Faust handeln. Sonst geraten sie nur unnötig in Schwierigkeiten", sagte Alex ernst und Williams nickte verstehend.

"Das nächste Mal werde ich das bedenken", sagte sie ergebend. Alex seufzte und stand daraufhin auf.

"Gehen Sie jetzt zu ihrer Hütte und kümmern Sie sich um ihre Wange. Ich hoffe Sie werden Alena den Ausrutscher verzeihen können und ihre Arbeit unbeirrt weiterführen."

Williams stand auch auf und reichte Alex die Hand.

"Aber natürlich", sagte sie lächelnd. Ich machte Alex Platz, als er den Raum verließ und mir einen bedeutenden Blick schenkte. Er wusste von der gestrigen Situation und hatte mich nur mit in das Gespräch reingenommen, weil er wusste das ich vor Ort war. Er war verwundert und positiv überrascht gewesen, als ich ihm davon berichtete wie ich Williams vor Alena beschützte und die beiden separierte. Er hatte gemeint ich hätte richtig gehandelt und das er sich darum kümmern würde.

Ich sah ihm nach, als er zurück zu Alenas Raum ging um dort mit Helen erneut auf Alena einzureden. Sie hatte ganz offen gegen ihre Regeln rebelliert und den Streit mit Williams angefangen, auch wenn diese sich drauf eingelassen hatte.

Ich sah zurück zu Williams die sich durch das Haar fuhr und auch an mir vorbeilaufen wollte. Doch ich konnte nicht anders und hielt sie zurück.

Sie sah etwas verwirrt zu ihrem Unterarm den ich festhielt.

"Wieso haben Sie mir das mit Finn und dem Fleisch gestern nicht gesagt?", fragte ich und ihre Augen weiteten sich erstaunt. Sie stellte sich ordentlich vor mich und verschränkte die Arme.

"Hätten Sie mir denn geglaubt, wenn ich ihnen davon erzählt hätte?"

Schweigen bereitete sich über uns aus und es schien ihr wohl Antwort genug zu sein. Sie drehte sich um und verließ daraufhin das Rudelhaus, während ich ihr nachsah. Ich wurde einfach nicht schlau aus dieser Frau.

...

So meine Lieben,
Das war's erstmal für heute. Wir sehen uns dann wie gewohnt wieder jeden Montag.

Aber vorher wollte ich ein ganz liebes und großes Danke an alle die kommentieren und Sternchen geben sagen ❤️
Klar schreibe ich hauptsächlich für mich, aber die Leser die sich über die Zeit auf mein Profil verirrt haben motivieren mich natürlich zusätzlich. Neben dem Schreiben ist Malen meine Leidenschaft und sich für beides immer Zeit zu nehmen fällt mir manchmal schwer. Danke das ihr aber dennoch trotz manch langer oder ungewohnter Pausen bleibt und meine Geschichten unterstützt und lieben lernt.

Ich hoffe ihr bleibt auf die Geschichte von Gwen und Elias gespannt und konntet sie über den heutigen Abend etwas weiter ins Herz schließen (ich weiß bei Elias darf das noch dauern ^^)

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top