Kapitel 30
-Elias Naumann-
Meine Faust traf hart das Gesicht meines Gegners und ich hörte etwas verräterisch knacken, als dieser sich die nun blutende Nase hielt und einige Schritte zurückstolperte. Ich hörte auf und richtete mich wieder zu meiner vollen Größe auf, als er von jemanden ein Tuch bekam, mit dem er das Blut verwischte.
"Der wievielte war das jetzt?"
"Ich glaub der siebte in Folge", flüsterten zwei meiner Schüler, die etwas weiter hinten ihre täglichen Übungen absolvieren sollten und mich die ganze Zeit beobachteten, wie ich einen Gegner nach dem nächsten in die Schranken wies. Eine Beschäftigung, nach der sich mein Körper nach gestern sehnte.
Ich lief auf Tom, zu dessen Nase blutete und wies ihn an mir seine Nase zu zeigen. Stöhnend hob er den Kopf und zeigte mir sein Gesicht. Es war etwas geschwollen, doch es sah nur angebrochen aus.
"Das wird verheilen", sagte ich daher nur und er nickte brummend, ehe er von Pascal bei Seite gezogen wurde, der mich mit einem bösen Blick bedachte.
Ich forderte den nächsten in den Ring, der etwas besorgt zu Tom blickte, aber seinen Entschluss gegen mich in einem Übungskampf anzutreten nicht revidierte.
Vor ein paar Stunden war ich bei Max gewesen. Hoffte das er die Tage die ich ihn freigehalten hatte genutzt hatte, doch alles, was sie herausgefunden hatten, half mir nicht weiter. Max hatte sich wie angekündigt bei der alten Stelle von Williams informiert und nur eine rüde Ansage von der jungen Dame am Telefon bekommen, das jeder der sich von dieser Ärztin behandeln lassen wollte, sich verziehen konnte. Auf die Frage, warum sie so ein schlechtes Verhältnis hatten schnaubte die Frau am Telefon und meinte, es wäre wohl offensichtlich, bevor sie auflegte.
Ich nahm meine Position ein, umrundete mit festen und geschmeidigen Schritten meinen Gegner. Samstags trainierten die älteren und erfahreneren Wölfe mit den Jüngeren zusammen. So bekamen selbst die alten Hasen die Chance, sich weiterzuentwickeln und zu lernen. Und die jüngeren konnten dabei viel mitnehmen. Ich jedoch nutzte dies heute schamlos aus, um meine Wut loszuwerden.
Gezielt suchte ich nach den Schwachstellen meines Gegners, wich einigen Schlägen aus und duckte mich trotz meiner Größe unter dem Arm meines Gegners, um ihn dann nach vorn zu stoßen.
"Achte darauf das du mir nicht Rücken zukehrst."
Mein Gegner schnaubte, nahm wieder die Eingangsposition ein und startete darauf einen Angriff.
Max hatte mir erzählt das Will derzeit dabei war im Ministerium einen Weg zu finden an Williams Hexerlizenz zu kommen. Er hätte wohl irgendwo gelesen, dass Arbeitgeber eines Hexers beim Ministerium danach verlangen könnten, wenn der Hexer seine Lizenz nicht rausgeben konnte oder gar verloren hatte. Doch wie weit er damit bisher gekommen war, wusste ich nicht. Doch ich war froh, dass er auch ohne meine Anweisungen weitersuchte.
Bisher fanden die beiden nämlich noch nichts Ungewöhnliches in all ihrer Recherche. Die Diplome und co waren echt. Es blieben bisher nur die Fragen offen, weshalb sie keine Hexerlizenz angegeben und sie Probleme mit ihrer alten Stelle hatte. Und wir erhofften uns, dass wenn wir endlich herausfanden, was damit nicht stimmte, warum kein anderer Arbeitgeber sie haben wollte. Denn eins stand auf jeden Fall fest. Diese Frau hatte irgendwas verbrochen oder getan, weshalb jeder sie ablehnte. Und es machte mich rasend, dass ich nicht einfach erfahren konnte wieso.
Ich war in meinen Gedanken immer wieder an den Punkt gelangt, dass ich den beiden mehr Informationsquellen geben musste. Sollte ich ihre private Handynummer auftreiben? Ihr Konto überprüfen lassen? Oder reichte es sich im Ministerium zu informieren? Stetig hing die Warnung von Alex in meinen Kopf. Ich sollte nicht in ihre Privatsphäre eindringen. Zu spät. Ich sollte es nicht übertreiben. Auch zu spät. Ich war nicht verrückt oder? Ich sah doch die Anzeichen. Will und Max fanden es auch beunruhigend.
Ein Schlag in meine Seite, holte mich zurück in die Gegenwart und ich schaffte es reflexartig auszuweichen und meinen Gegner ein Bein zu stellen, welches ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Mit meinem Gewicht half ich nach und verfrachtete ihn auf den Boden.
"Nummer acht", hörte ich es aus der Nähe. Mein Gegner klopfte ab und ich erhob mich schwer atmend. Wann hatte ich zuletzt Pause gemacht?
"Der nächste", sagte ich streng, doch Pascal hob intervenierend die Hände.
"Genug. Dabei lernen sie doch nichts. Trainiert zu zweit jeweils weiter. Ich glaub, Elias braucht einen Moment Pause", sagte Pascal in Richtung Männer und Frauen, die sich daraufhin auf der sandigen Fläche verteilten.
Pascal gab mir mit grimmiger Miene eine Wasserflasche und stellte sich mit verschränkten Armen neben mich.
"Ich glaub du solltest für heute den Platz verlassen."
Ich trank gierig die Hälfte der Flasche leer und sah ihn daraufhin verständnislos an.
"Wieso das denn?"
"Weil du nicht bei der Sache bist. Du schlägst auf deine Kameraden grundlos ein und gibst ihnen nicht mal ansatzweise die Chance, ihre eigenen Fehler zu erkennen. Das führt doch zu nichts", erklärte er und ich schnappte mir ein Handtuch, um mir den Schweiß aus den Nacken zu wischen.
"Sie lernen selbst bei Niederlagen", sagte ich schroff und Pascal hob eine Augenbraue.
"Geh und kümmere dich erst mal um dein Privatleben. Du bist mit dem Kopf nicht hier. Ich weiß, dass du gedanklich die ganze Zeit ganz woanders bist und das merken die anderen auch."
Schnaubend lief ich an ihn vorbei. Doch er hielt mich zurück und sah mich ernst an.
"Elias, ich mein das ernst. Es bringt nichts, deinen Frust an den Anderen auszulassen. Geh und kümmere dich um deine Probleme, bevor du wieder mit uns trainierst."
Ich entriss ihn meinen Arm. Seit wann war er denn der Erwachsene von uns beiden? Seufzend schnappte ich mir meine Sachen und verließ wortlos den Platz. Ich hatte keine Lust zu diskutieren. Und wenn ich meine Wut nicht dort Platz machen konnte, würde ich mir halt was anderes suchen.
In meiner Hütte ging ich direkt zur Dusche und stellte das Wasser eiskalt. Mein Kopf arbeitete unablässig und selbst in meinen Träumen verfolgte mich diese Hexe. Als hätte sie einen Fluch über mich gelegt.
Das Erste, was ich tat, wenn ich aufstand, war über diese Frau nachzudenken und es war auch das letzte, was ich tat, wenn ich ins Bett ging. Ihr spöttischen grünen Augen verfolgten mich. Lachten mich aus und amüsierten sich über den Fakt das ich machtlos war. Meine Freunde und Familie hielten zu ihr. Glaubten ihren Lügen, hinterfragten ihr Verhalten nicht und behandelten sie wie eine Königin, obwohl sie nichts von Bedeutung getan hatte. Geld ausgegeben. Ja, das hatte sie. Wölfe belästigt. Ja, das hatte sie. Aber hilfreich gewesen? Nein, das war sie in den letzten zwei Wochen so gar nicht gewesen.
Der einzige Sieg, den ich verbuchen konnte, war der das sie gestern das Dorf verlassen hatte. Grenzwächter informierten mich mittags, dass sie mit ihren alten Golf Richtung Kleinstadt gefahren war. Und sie kehrte auch nicht wieder zurück. Dafür musste ich mich aber mit Katharina anlegen.
Ihr enttäuschtes Gesicht und ihre Worte verfolgten mich auf Schritt und Tritt. Ich hatte es doch nie als eine Belastung gesehen, mich um sie und Finn zu kümmern. Sie zu unterstützen und dem Jungen eine Art Vaterersatz zu sein. Obwohl ich wahrscheinlich nie gut genug sein würde wie Mark es einst war. Dafür war ich zu stur, ungeduldig und dominant. Selbst im Umgang mit meiner Familie.
Seufzend verließ ich das Bad. Katharina würde jetzt Zeit für sich benötigen. Und ich auch. Wir beide hatten uns mit unseren Worten verletzt. Ich hatte es wahrscheinlich zu weit getrieben. Sie hatte sich nur gewehrt. Und das versuchte ich ihr auch nicht übelzunehmen. Ich hatte nur Angst, dass Finn demnächst glauben könnte, ich würde mich nicht mehr für ihn interessieren. Jetzt wo ich Katharina immer fragen musste, ob ich ihn sehen durfte. Ich schätzte in der nächsten Zeit würde ich ihn nur zufällig sehen können.
Als ich in mein Schlafzimmer lief und mir eine dunkle und bequeme Jogginghose raussuchte hörte ich mein Handy brummen. Ich griff danach und sah Alenas Namen auf dem Display aufleuchten.
Verwirrt nahm ich an. Samstags war Katharina meistens zu Hause, um das Wochenende mit Finn zu verbringen. Also konnte es nicht um ihn gehen.
"Elias Naumann", sagte ich und hörte sogleich Alenas aufgeregte Stimme.
"Hattest du nicht gesagt, du würdest dich um diese Hexe kümmern?", kam es sofort verurteilend und ich verzog die Stirn.
"Ja hatte ich. Wieso fragst du?"
"Weil dieses verrückte Weib gerade im Hort ist und mich eingesperrt hat! Komm sofort her und sorge dafür, dass diese Frau verschwindet!"
Bevor ich auch nur reagieren konnte, legte sie schon auf. Was war das denn bitte?
Ich zog mir schnell ein schwarzes T-Shirt über, lief dann barfuß und ohne meine Hütte abzuschließen durch den Wald auf den Hort zu. Was hatte Williams getan, dass sich Alena so mir gegenüber verhielt? Sie eingesperrt? Eine Wölfin?
Meine Augen huschten suchend durchs Dorf, aber niemand schien in Gefahr noch sich auffallend zu verhalten. Ich kam schlitternd beim Eingang des Hortes an. Einige Jugendliche sahen verwundert zu mir, während ich rasch und ohne auf sie zu achten den Hort betrat und nach Alenas Büro suchte. Es waren keine Kinder im Hort und auch keine Erzieher und ich hörte von draußen Gelächter und roch Rauch.
Als ich in dem kleinen Gang ankam in dem sich Alenas Büro befand, hörte ich sie schon wütend brüllen. Sie klopfte energisch gegen die Fensterscheiben, als sie mich sah.
Ich rüttelte an der Tür, doch sie war wirklich zugeschlossen. Ich fragte nach einem Ersatzschlüssel. Doch sie schüttelte energisch den Kopf, beharrte das es keinen gäbe und das ich sie rausholen sollte. Ich schüttelte den Kopf und deutete Alena an, zur Seite zu weichen. Mit großen Augen wich sie zurück, bevor ich Anlauf nahm und mit meiner Schulter die Tür halb zertrümmerte.
"Na endlich!", kam es aufgeregt von Alena, bevor sie sich zwischen den Trümmern in den Flur wagte.
"Diese Frau ist irre! Einfach irre!"
Ich erwiderte nichts auf ihre bösen und wirr durcheinander genuschelten Flüche und folgte ihr in die kleine Küche, die sie zu meiner Verwunderung ansteuerte.
"Alena was ist hier los? Wo ist Williams?", fragte ich, als sie mir immer noch keine Antworten gab und knurrend den leeren Kühlschrank öffnete.
"Alena! Antworte mir!", forderte ich knurrend und sie sah mich aus verengten Augen an.
"Sie kam in den Hort gestürmt, hat mich aufgefordert das ganze Fleisch wegzuschmeißen und mich daraufhin einfach in meinem Büro eingesperrt!"
Überrascht hob ich die Brauen.
"Wieso sollte sie so etwas tun?", fragte ich verwirrt, doch Alena zuckte die Schultern und lief zurück auf den Flur.
"Woher soll ich das denn wissen? Sie stellt irgendwelche wahnwitzigen Behauptungen auf und droht damit Alex und Helen zu erzählen ich würde die Kinder vergiften!"
Meine Augen wurden groß und ich sah erschrocken Alena nach, die das Gelächter hinter dem Hort wohl nun auch hörte. Ohne auf mich zu achten durchquerte sie das Gebäude und lief in den großen Aufenthaltsraum der nach draußen führte.
"Alena, das sind große Anschuldigungen", versuchte ich sie wieder zurück zum eigentlichen Thema zu bringen, doch sie ließ sich nicht aufhalten und raste auf die verschlossenen Glastüren zu, die einen Anblick auf den Platz hinter dem Hort lieferten.
Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und knurrte: "Dieses verfluchte Miststück!", als ich neben sie trat.
Auf den Platz verteilt saßen, lachten und spielten viele Jugendliche und Kinder, während die Erzieher etwas unbeholfen in der Nähe von Williams standen, die gerade Fleisch auf ein Rost legten, um es über dem entzündeten Feuer zu braten. Auf dem Tisch dahinter lagen Brötchen, Fleisch und einige Soßen, während Teenager mit Fleisch belegte Brötchen breit grinsend aßen.
Mich traf dieser Anblick so unvorbereitet, das mein Blick auf der lachenden Williams verharrte, die einem Mädchen gerade ein Stück Fleisch auf ein zurechtgeschnittenes Brötchen legte. Bildete ich mir das gerade ein oder veranstaltete Williams ein Grillfest für die Kinder?
Alena neben mir lief rot an und öffnete mit fahrigen Händen die Balkontür.
Ich wollte sie schon aufhalten, als sie laut polternd auf die anschließende Terrasse trat und damit die Aufmerksamkeit der erschrockenen Erzieher und Williams auf sich zog.
Williams Lächeln erstarb und sie sah finster zu Alena die die Treppen herunter eilte, während sie einer der Erzieher das Grillwerkzeug in die Hand drückte und Alena einige Schritte entgegenkam. Doch bevor Williams auch nur irgendwas sagen konnte erhob Alena ihre Hand und donnerte sie mit tödlicher Präzision gegen Williams Wange.
...
Ich muss leider gestehen... dies ist eines meiner liebsten Kapitel xD
Was haltet ihr von der ganzen Sache? Und hättet ihr es vor allem erwartet?
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