Kapitel 27

-Elias Naumann-

Immer noch etwas ratlos wegen des Telefonates mit Alena, betrat ich den Hort. Kinder liefen aufgeregt an mir vorbei und sahen mit großen Augen zu mir auf. Ich lächelte ihnen zu, ehe ich einen der Erzieher suchte.

In der Nähe hörte ich einige Frauen laut miteinander diskutieren. Die Tür zu der kleinen Küche war geschlossen, doch ich hörte laut Alenas Stimme.

"Das werde ich mir nicht gefallen lassen! Wer denkt diese Frau wer sie ist? Ich werde mit ihr den Boden wischen, wenn sie Mist über mich erzählt!"

Alenas Stimme war kaum zu überhören und einige Kinder, die interessiert zur Küche gelinst hatten, verzogen sich als ich laut an der Küchentür klopfte. Die Stimmen erstarben und eine junge Erzieherin öffnete mir die Tür zur Personalküche.

"Oh Elias. Was machst du denn hier?"

Ich hob die Brauen und sah vorbei zu den anderen aufgeregten Frauen im Raum. Mitten drin Alena mit hochrotem Kopf und verschränkten Armen, die bei meinem Anblick schon seufzte.

"Was ist denn hier los?", fragte ich dominant und einige der ruhigeren Frauen mieden meinen Blick.

"Nichts was dich oder deinen Aufgabenbereich betrifft. Und wenn du dich fragst, wo dein Neffe ist, dann frag doch deine Schwägerin. Immerhin hat sie uns diese irre Ärztin auf den Hals gehetzt", sagte Alena statt ihren Mitarbeitern. Ich war schon etwas sauer aufgrund ihres respektlosen Umgangs, doch mich störte eher, was sie mit Katharina andeutete.

"War Williams etwa hier?"

Die Frau vor mir nickte.

"Ja, sie hat vorhin Finn mitgenommen. Sagte, sie wolle ihn untersuchen. Wir wissen nicht wohin sie mit ihm gegangen ist", erklärte die Erzieherin und ich nickte.

"Danke für die Info. Alena? Kommst du bitte kurz raus?", fragte ich die Leiterin des Horts, die wieder theatralisch seufzte und ihre Mitarbeiter mit einem ernsten Blick bedachte. Ich nickte den Damen freundlich zu, bevor ich Alena vor den Hort begleitete und sie mit verschränkten Armen ansah.

"Ich weiß zwar nicht, was gerade bei euch abgeht, aber nichtsdestotrotz bin ich dein Beta und erwarte auch bei einem Telefonat den nötigen Respekt. Wenn ich noch Fragen habe, dann drückst du mich gefälligst nicht weg! Und das nächste Mal, wenn du so mit mir vor deinen Mitarbeitern sprichst, wird dieses Gespräch vor ihren Augen geführt werden."

Ich wusste das es sich etwas unfair anhörte, aber die Frau musste endlich mal in ihre Schranken gewiesen werden! Seit dem Finn regelmäßig im Hort ein und aus ging, nutze sie ihre Machtposition und lehnte sich mir gegenüber zu oft aus dem Fenster. Ein anderes Rudelmitglied wäre längst von Alex oder mir dafür gescholten worden. Aber ich wollte es Finn nie unangenehm machen, noch den Erziehern das Gefühl geben, er wäre besonders zu behandeln. Diese Frauen konnten wahre Klatschweiber sein und ihm dadurch seine Zukunft verbauen. Doch das Alena mich in letzter Zeit regelmäßig außer Acht ließ, mich am Telefonat nicht ernst nahm oder gar wegdrückte, ging langsam zu weit!

Alena sah zu Boden und versuchte wohl ihre angestaute Wut nicht an mir auszulassen. Und es war gut, dass sie diese unterdrückte. Da sie mir nicht widersprach, redete ich weiter.

"Und jetzt sag mir seit wann Gwen Williams in den Hort ein und aus geht. Ich muss wissen, wenn diese Frau meinem Neffen sieht."

Alena sah wieder zu mir auf. Anscheinend hatte sie auch etwas gegen Williams, denn sie entspannte ihre Haltung und sah genervt Richtung Rudelhaus.

"Glaub mir, wenn ich könnte, würde ich der Frau Hausverbot erteilen. Doch sie ist ohne mein Einverständnis reingekommen und hat meine Mitarbeiter und mich belästigt und irgendwelche hirnrissigen Forderungen gestellt. Hätte Alex nicht erst am Wochenende ihr Narrenfreiheit gewährt, so hätte ich längst Beschwerde gegen die Hexe eingereicht. Aber mir sind die Hände gebunden", fuhr sie auf und ich musste seufzten. Nun auch das noch.

"Versprich mir, dass du mich als Erstes anrufst, falls Finn was passiert. Ich werde mich um Williams persönlich kümmern. Es kann ja nicht sein, dass du und deine Erzieher bei der Arbeit behindert werdet."

Erleichtert fasste sich Alena ans Herz und ein Anflug eines Lächelns schlich sich um ihre Mundwinkel.

"Na endlich jemand mit Verstand! Ich werde mich bessern und mich bei dir melden, falls was sein sollte. Hoffentlich schaffst du es Helen und Alex zu überzeugen", sagte sie und ich nickte grimmig, bevor ich sie wieder zu ihrer Arbeit entließ.

Seufzend strich ich mir übers Gesicht. Natürlich war es gut für mich das andere Rudelmitglieder sich auch gestört fühlte, doch sie konnten genau wie ich nichts gegen diesen Umstand unternehmen ohne sich gegenüber Alex und Helen zu verantworten.

Angespannt lief ich zum Rudelhaus und schrieb Pascal, dass ich den Rest meiner Schicht nicht zurückkommen würde. Vorher musste ich mit Williams ein klärendes Gespräch führen!

Im Rudelhaus angekommen durchquerte ich schnellen Schrittes den Flur und klopfte laut an Williams Tür. In dem Flur standen nun Stühle und eine Zimmerpflanze. Ich klopfte erneut. Dieses Mal lauter.

Als Gwen Williams die Tür einen Spalt öffnete, sah ich ihren genervten Blick. Grimmig wollte ich mich schon an ihr vorbeischieben, als ich Finn auf der Liege liegen sah, doch sie schob sich vor mich und drängte mich in den Flur zurück.

Ich ließ das nur mit mir machen, da ich sie nicht vor Finn anschnauzen wollte, der mich wohl nicht zu bemerken schien. Sie schloss leise die Tür hinter sich zu und sah wütend zu mir hinauf.

"Können Sie nicht etwas leiser sein? Er hat sich eben erst hingelegt", schimpfte sie mit mir und ich hob nur erstaunt die Brauen. Ihre blassgrünen Augen sahen herausfordernd zu mir, als würde sie gerade darum betteln, sich mit jemanden anlegen zu können. Und ich war froh darum. Denn ich hatte auch einiges mit ihr zu klären. Ich verschränkte meine Arme und sah zu ihr hinab.

"Und woher hätte ich das wissen sollen? Immerhin hatte ich erwartet meinen Neffen im Hort zu finden und nicht ohnmächtig bei ihnen."

Sie rollte mit den Augen und ich zog scharf die Luft ein. Das hatte sie doch nicht ernsthaft getan?

"Mir ist ehrlich gesagt egal was Sie erwartet haben, denn Sie sind nicht der Vater des Kindes. Katharina hat mich angerufen und darum gebeten, dass ich Finn vom Hort abhole und ihn untersuche. Ihre Schwägerin wird wohl ihre Gründe gehabt haben, ihnen nicht davon zu berichten. Wundert mich nicht sehr, so wie sich immer wieder anstellen."

Ein leises Knurren kroch meine Kehle hoch und ich trat einen Schritt auf Williams zu. Doch sie hob nur herausfordernd eine Braue und streckte mir das Kinn entgegen. Diese Frau war wohl lebensmüde!

"Ich weiß nicht, wer sie glauben, wer sie sind, aber wenn sie nicht bald lernen ihren Platz zu finden, werden wir Probleme bekommen. Sie haben keine Ahnung, welche Stellung ich für diesen Jungen habe. Also wagen sie es nicht über Dinge zu reden, von denen sie keine Ahnung haben!"

Das ich wütend war, war untertrieben, in Anbetracht dessen, dass die Frau nicht mal ansatzweise Respekt zeigte. Sie legte ihre Hand an die Hüfte und sah immer noch mit demselben berechnenden Blick zu mir hinauf.

"Es stimmt. Ich weiß nicht, in welch einer Beziehung sie zu ihrem Neffen stehen. Aber ich weiß, dass sie nicht sein Erziehungsberechtigter sind und von allen Parteien außen vorgelassen werden, weil sie ihre Emotionen nicht unter Kontrolle haben! Und derjenige, der am meisten unter diesem Zustand zu leiden hat, ist Finn! Ich nehme gerne die leeren Drohungen von einem Beta in Kauf, wenn ich dafür einem Kind helfen kann, der unter dem kurzsichtigen und engstirnigen Weltbild seines Onkels zu leiden hat!", giftete sie zurück und mein Knurren wurde lauter. Sie hatte keine Ahnung, was sie sagte und was wir alle durchleben mussten um heute hier zustehen! Tat all meine Sorgen und all meine Sicherheitsvorkehrungen als dumme Dinge ab. Als hätte ich keine Daseinsberechtigung!

Ich trat einen weiteren Schritt vor und beugte mich zu ihr hinab. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Sie wich keinen Schritt zurück, obwohl ich wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt war. Die aggressive Stimmung war beinah schon zum Schneiden dick. Als würde sie nur darauf warten, dass ich die Kontrolle verlor, damit sie mir beweisen konnte, wie dumm und emotional ich in ihren Augen war.

"Mir ist egal, was sie glauben, von mir zu wissen. Mir ist auch egal, was Katharina, Alex oder Helen über mein Handeln denken. Mir ist sogar egal, dass sie alle glauben, dass Sie hierhergekommen sind, um ihnen zu helfen. Doch ich falle nicht auf ihre gutherzige Rolle hinein. Ich glaube ihnen nicht, dass sie uns allen nur helfen wollen und sich bloß sorgen. Sie sind eine ignorante Stadthexe, die glaubt nur, weil sie ein paar Jahre studiert hat, etwas Besseres, als jeder in diesem Dorf hier zu sein! Sie stolzieren mit ausgebreiteten Armen in unsere Heimat, treten uns mit den Füßen, versuchen sich nicht ansatzweise zu integrieren und wollen alles nach ihren Vorstellungen umkrempeln! Helen und Alex tolerieren Sie vielleicht. Aber nicht jeder wird sie in den Himmel loben und ihre Schuhe küssen. Irgendwann kommt der Moment, wo ihre perfekte Maske fallen wird und jeder ihr wahres Gesicht sehen wird! Und glauben Sie mir. Ich werde in der ersten Reihe stehen und jedem bewiesen haben, dass sie wie all jene zuvor, bloß ein kleiner mickriger Parasit sind. Denn ich kenne ihr kleines Geheimnis, Gwen. Und wenn sie nicht bald aufhören, die Hortmitarbeiter und alle anderen im Rudel zu tyrannisieren wird dieses schneller gelüftet werden, als ihnen lieb ist!"

Ich hörte wie ihr Herz schneller zu klopfen begann. Sah wie röte ihr Gesicht hochgekrochen kam und Hass sich in ihren Augen breit machte. Doch zu meiner Überraschung sah ich keinen Funken Angst, als sie ihren lackierten Finger hob und ihn mir gegen die Brust stach.

"Sie haben kein Recht über mich zu urteilen! Weder an meinen Beweggründen noch an meinen Qualifikationen! Und wenn sie glauben ein Geheimnis lüften zu müssen, bitte, dann tu sie es! Schreien sie hinaus was sie glauben über mich zu wissen! Wenn sie versuchen mich in den Abgrund zu ziehen, dann nehme ich sie dahin mit!"

Ihr Nagel bohrte sich unangenehm tief in meine Brust, als ich angewidert die Nase rümpfte und ihren Finger zur Seite schlug.

"Fassen sie noch einmal meinen Neffen ohne mein Einverständnis an und ich werde ihnen das Leben zur Hölle machen! Das gleiche gilt, wenn sie noch einmal den Hort betreten und die Erzieher belästigen", warnte ich sie, doch sie musste belustigt schnauben und lehnte sich zurück.

"Sie haben ab der ersten Sekunde angefangen mir das Leben schwer zu machen. Ich denke ich werde keinen Unterschied zu vorher bemerken, wenn ich meine Arbeit weiter fortführe. Aber damit wir uns verstehen: ich bin nicht diejenige gegen die sie kämpfen sollten. Ich weiß ja nicht was die Erzieher glauben ihnen erzählen zu müssen, aber wenn sie nur etwas auf ihren Neffen geachtet hätten, hätten sie merken müssen das der Hort ihn im wahrsten Sinne des Wortes krank macht!"

Mein Blick huschte zu der Tür hinter der sich Finn befand. Was wollte sie damit andeuten? Ich hatte ihn schon öfter vom Hort abholen müssen, wie auch letzte Woche, aber ich hatte nicht gedacht das es etwas mit dem Hort zu tun haben könnte.

Williams schnaubte, als sie meinen Blick bemerkte und machte einen Schritt zur Seite.

"Sie können ihn ruhig wecken und mit sich nehmen, wenn sie glauben das tun zu müssen. Erklären Sie dann nur Katharina, warum ihr Sohn erneut abgeholt werden musste."

"Woher wissen sie davon?", fragte ich ruckartig. Sie hob die Brauen und schüttelte bloß resigniert den Kopf.

"Was? Das das nicht das erste Mal ist das er abgeholt werden musste? Reine Spekulation. Aber das sie nachfragen beweist das ich richtig liege."

Ich wollte ihr am liebsten den Kopf abreißen, so sehr ging mir ihre abgehobene Art auf den Sack, doch ich besann mich eines Besseren. Ohne auf sie zu achten lief ich an ihr vorbei und öffnete die Tür. Finn atmete ruhig und fest. Schien immer noch nichts von der Auseinandersetzung mitbekommen zu haben.

"Haben sie ihm irgendwas gegeben?", fragte ich leise nach und sie schüttelte zum Glück den Kopf.

"Er sagte mir, dass er das öfter hat und ich hab ihm deswegen nur einen Kamillentee zur Beruhigung gegeben."

Ich sah die Tasse auf den Tisch und nickte. Wenigstens kam ich noch rechtzeitig bevor sie auf dumme Gedanken kam.

Ich ging leise auf Finn zu. Seinen Rucksack schulterte ich mir über die Schulter. Danach hob ich ihn behutsam hoch um ihn nicht zu wecken. Zum Glück schlief er schnell tief ein, wenn er erschöpft war. Als ich mich umdrehte sah ich Williams am Türrahmen stehen. Ihr Blick war besorgt auf Finn in meinen Armen gerichtet.

"Auch wenn sie mich weiter bedrohen und versuchen meine Arbeit zu sabotieren werde ich alles in meiner Macht Stehende tun um zu verhindern, dass es Finn nochmals so elend geht. Ich weiß das sie es mir weder glauben noch danken werden. Und das ist in Ordnung. Denn es ist mein Job mich um ihn zu kümmern. Also hoffe ich für Sie das sie für die Gesundheit ihres Neffen, ihren Stolz hinunterschlucken und ihn bei ähnlichen Anzeichen zu mir bringen werden."

Sie kannte meine Antwort bereits. Und das konnte ich in ihren Augen lesen, als ich mit Finn in den Armen ignorierend an ihr vorbeilief. Ich hatte ihr bereits alles gesagt was ich zu sagen hatte. Und wenn sie meine Worte nicht ernst nahm, würde ich dafür sorgen, dass sie sie demnächst noch ernst nehmen würde!


...

Hallo meine Lieben,

ich wollte euch zum einen daran erinnern, dass ich ein Kurzgeschichtensammelband hochgeladen habe, in dem sich auch Geschichten rund um Gwens Vergangenheit befinden. Außerdem gibt es ein weiteres Buch, wo ich Artworks passend zu meinen Geschichten hochgeladen habe. Darin befinden sich Bilder von Gwen, Elias und auch von Luana aus "Der Bastard der Blackwoods".

Und worauf ihr euch wahrscheinlich am meisten freuen werdet: nächsten Montag findet die versprochene Lesenacht statt! Am Montag den 18.03 werde ich morgens kein Kapitel hochladen, dafür aber ab 18 Uhr mindestens drei Kapitel (zu jeder vollen Stunde). Ihr werdet auf jeden Fall alle Kapitel bis einschließlich 30 lesen können. Ob noch zwei weitere hinzukommen ist abhängig davon, ob ich die Woche genug Zeit finde zum Korrigieren und Schreiben.

Ihr könnt also gespannt bleiben, ob die Streiterein von Gwen und Elias Folgen haben werden :) Notiert euch auf jeden Fall die Lesenacht im Terminkalender! Es würde mich freuen auf alle eure Fragen und Spekulationen in den Kommentaren eingehen zu können.

PS: Lasst doch gerne einen kleinen Stern da ;)

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