Kapitel 23

-Elias Naumann-

Seit mehr als einer Woche musste ich mich nun schon an Gwen Williams Anwesenheit gewöhnen und noch immer kroch ein Knurren meine Kehle hoch, wenn ich diese Frau sah. Sie reizte mich bis ins Blut und besaß die Dreistigkeit mir ins Gesicht zu Lügen und Finn Medikamente verabreichen zu wollen. Alles sträubte sich in mir, als ich sah, wie sie das Rudelhaus betrat und mit einer Selbstverständlichkeit einen Platz unter den Reihen des Rudels suchte.

Helen lief sogar lächelnd auf sie zu, zog sie mit sich zu den unteren Tribünen, die den wichtigen Rudelmitgliedern vorbehalten waren. Sodass ich sie jetzt wie auf dem Silbertablett serviert vor mir in der ersten Reihe sitzen sah, während ich mit verschränkten Armen neben Alex stand, der meinen Blick und meine Unruhe zu spüren schien.

"Beruhig dich. Du machst die anderen nur unnötig nervös", sagte er, als wäre es selbstverständlich, dass ich meine Gefühle von dem ein auf den anderen Moment abstellen konnte. Doch ihm zuliebe atmete ich tief durch und schloss kurz die Augen, um nicht frustriert aufzuknurren.

"Ich geb mir die größte Mühe, aber wenn ihr ohne mein Einverständnis fremde Leute dem Treffen beiwohnen lässt, kannst du nicht erwarten, dass ich Reaktionslos danebenstehe."

Alex musste sich wohl ein Augenverdrehen unterdrücken und sah genervt zu mir herüber.

"Wir hatten das doch schon. Sie ist die nächsten drei Monate hier und wird wie ein Mitglied unseres Rudels behandelt. Wenn sie länger bleiben wird, wird sie sogar offiziell in das Rudelregister eingeschrieben. Gewöhn dich an den Gedanken und respektiere unsere Entscheidung. Wenn du damit nicht klarkommst, kannst du dich natürlich auch vom Treffen entfernen. Was ich dir aber nicht nahelegen würde."

Ich hatte keine Lust, mit ihm zu streiten und funkelte ihn daher nur wütend an. Will und Max waren derzeit dabei, all ihre Zeugnisse und Daten des Lebenslaufes zu überprüfen. Währenddessen hatte Will immer ein Auge auf ihren E-Mail-Account, falls sie etwas anstellen würde. Doch außer einer Anmeldung für ein Ärzteportal, um sich demnächst hier in der Umgebung als Ärztin auf Abruf anzugeben, hatte sich nicht viel getan. Die Bestellungen, die sie tätigte, reichte sie alle an Helen weiter. Dadurch hatte ich die Chance, selbstständig einen Blick auf das Rudelkonto zu werfen. Die Kosten, die diese Ärztin verursachte, ließ zwar die Galle in mir hochkommen, doch ich hatte Helen nicht darauf angesprochen. Sie selbst hatte all die Sachen in ihrem Namen bestellt.

Ich versuchte betont von der Ärztin wegzugucken. Ich hatte das Wochenende über die Chance gehabt, Finn ein wenig auszufragen, aber er hatte recht ausweichend und kurz angebunden über das Treffen berichtet. Es schien ihm wohl noch etwas unangenehm zum Arzt gehen zu müssen, hatte aber zu meiner Überraschung nicht schlecht von Williams gesprochen. Er meinte, in ein paar Wochen würde er nochmal zu ihr für eine Blutentnahme. Danach würden sie gucken, wie es weiter ging. Ein wenig beruhigt hatte es mich schon zu hören, dass ich mehr Zeit hatte über ihre Absichten zu erfahren. Aber ich empfand es, als anstößig, sie jetzt dem Rudeltreffen beiwohnen zu lassen. So würden mehr von ihrer Anwesenheit erfahren. Was positiv wie auch negativ für mich laufen konnte. Je nachdem, ob sie sich hier viele Freunde oder Feinde machte, konnte es schwierig werden sie loszuwerden.

Als Alex das Treffen für eröffnet erklärte, wurden die Türen geschlossen und die Gespräche, die zuvor den Saal füllten, verstummten. Ich versuchte neutral zu wirken, ließ meine Hände in meine Jeanstaschen gleiten und betrachtete mit Argusaugen die anwesenden Wölfe. Williams hatte die Beine überschlagen, die Arme vor der Brust verschränkt und betrachtete mich und das Alphapaar. Ihre grünen Augen glitten einmal abschätzend über meinen Körper, doch ich widerstand dem Drang sie anzufunkeln.

Diese Frau war den halben Tag Bestandsteil meiner Gedanken und ich hatte nicht vor ihr noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Mein Blick flog zu Helen, die die Themen der heutigen Sitzung einmal verkündete. Wir mussten einige Vorbereitungen für den kommenden Winter treffen. Wild fangen, unsere Vorräte aufstocken und überprüfen. Die kommenden Ausflüge für das Jungrudel durchgehen und die monatlichen Berichte der einzelnen Instanzen. Meiner eingeschlossen. Die Zentrale musste sich wie jedes andere Team im Rudel auch verantworten und über die neusten Veränderungen berichten. Es würde dementsprechend etwas länger dauern als sonst.

Ich hörte geduldig zu und stellte neben dem Alphapaar gezielt Fragen, als es um unsere Ernte ging und den angesammelten Vorräten. In diesen Herbst würde es die bekannten Jagdspiele geben, in denen wir den Jüngeren erlaubten, mit uns auf die Jagd zu gehen. Dafür müsste die Zentrale und diejenigen, die die Lager verwalteten, nah miteinander arbeiten.

Als wir dazu übergingen die aktuellen Fragen und Projekte abzuschließen und uns die monatlichen Berichte anhören wollten, stoppte Helen kurz mein Anliegen die ersten Berichte aufrufen zu lassen.

"Bevor wir weiter machen, wollte ich noch eine Sache verkünden. Wir haben nämlich ein weiteres Ausgabenfeld diesen Monat erhalten, dass wir von nun an berücksichtigen müssen. Einige haben es sicherlich schon mitbekommen, aber wir wollten es hier nochmal öffentlich verkünden. Wir haben nämlich seit letzter Woche eine Rudelärztin."

Leises Gemurmel breitete sich über die Reihen aus, doch Helen ließ sich nicht beirren und lächelte breit.

"Ich weiß, es ist eine Veränderung. Aber eine positive. Doktor Williams hat sich mit uns in Verbindung gesetzt und sich bereit erklärt, die kommenden drei Monate hier bei uns zu leben und unter uns zu praktizieren. Sie genießt unser Ansehen und wir haben sie unter dem Schutz des Rudels willkommen geheißen. Ich bitte euch demnach Rücksicht zu nehmen und sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen."

Alex forderte Williams auf aufzustehen und zu uns in den Rednerkreis zu kommen. Ich sah ihre Überraschung und auch ihr Unbehagen kurz in ihrem Blick aufflammen, ehe sie sich aufrichtete und zu Alex trat. Er legte ihr lächelnd eine Hand auf die Schulter, während sie vor mir zum Stehen kam. Ich wusste nicht, ob es reine Provokation war, oder ein Versehen, dass sie genau vor mir stand, sodass ich beinah instinktiv einen Schritt zurückgewichen wäre. Ich riss mich zusammen und versuchte nicht zu viel von ihrem Geruch einzuatmen. Ihre körperliche Anwesenheit reichte, um mich zu reizen.

"Doktor Williams wurde eigens von uns angestellt und hat die Befugnis Veränderungen und neue Regelungen aufzustellen, was die Gesundheit des Rudels betrifft. Sie steht immer im regen Austausch mit einem von uns Dreien und darf jede Institution des Rudels betreten und Fragen stellen. Wenn sie eine Behandlung empfiehlt oder um einen Termin bittet, werden diese Forderungen nicht ignoriert! Sie ist hier, um dem Rudel nachhaltig zu helfen, und jeder, der dieser kommenden Veränderung mit Argwohn entgegensteuert, wird sich vor uns verantworten müssen. Daher bitte ich jeden, ihre Vorschläge und ihre Anwesenheit nicht als Angriff, sondern als konstruktive Kritik zu werten, die ernst zu nehmen ist. Wir haben sie nicht umsonst eingestellt."

Ich musste einen wütenden Blick unterdrücken, als Alex verkündete, dass sie den Schutz von uns Dreien genoss. Er wusste, ich konnte ihn hier vor aller Augen schlecht meine Meinung aufdrücken, dass er aber die Situation so ausnutzen würde und dieser Ärztin geradezu Narrenfreiheit gewährte, machte mich sauer! Williams durfte sich wieder setzen. Sie sah einmal zu uns dreien, nickte und kehrte auf ihren Platz zurück. Nur ihre ineinander verschränkten Hände und ihrem schnellen Puls war es verdanken, dass ich ihre Nervosität bemerkte. Die Ärztin war also doch nicht so unnahbar, wie sie gerne tat.

Ich musste das wütende Zittern meiner Stimme unterdrücken, als ich den Bericht des letzten Monats zügig verkündete. Die anderen Mitglieder des Rudels hatten zum Glück auch nicht viel Neues zu verkünden, sodass wir nach über ein und halb Stunden die Sitzung für beendet erklären konnten.

Mit zügigen Schritten lief ich an Williams vorbei zum Ausgang. Ich wollte nur noch schnell verschwinden. Ich spürte die verwunderten Blicke der Rudelmitglieder, doch ich hatte keine Lust mehr mich mit ihnen auseinanderzusetzen. Alex und Helen hatten meine Situation schamlos ausgenutzt und nun konnte ich der Ärztin nur noch schwer etwas verbieten, wenn sie auf die Idee kam, sich der Zentrale oder dem Training der Jungwölfe widmen zu wollen. Hoffentlich kam sie jedoch nie auf die Idee, mich auf meinem Terrain stören zu wollen.

Ich stürmte schnell aus dem Rudelhaus und sog die frische Luft in meine Lunge.

Ich brauchte Ergebnisse! Irgendeine kleine Hoffnung, die mir versicherte das ich sie loswerden würde. Gewissheit das ich das richtige tat. Zügig lief ich zur Zentrale. Es waren nur wenige Kollegen anwesend, die meisten schliefen in den provisorischen Liegen im Nebenraum, um Pause zu machen. Leise klopfte ich bei Will an.

Als ich meinen Kopf durch den Türspalt zog und sah, dass er Kopfhörer trug, betrat ich den Raum. Er saß konzentriert am PC. Als ich mich neben ihn stellte, zog er die Kopfhörer ab.

"Na, wie lief das Treffen?", fragte er grinsend. Bewusst das ich nicht gerade begeistert wirkte. Aber das hatte ihn noch nie gestört. Ich zog den Stuhl von Max heran und setzt mich seufzend neben ihn.

"Wie immer", sagte ich bloß, doch seine erhobene Augenbraue und sein wissendes Grinsen strafte mich Lügen.

"Aha. Was kann ich denn für dich tun? Mir ist gerade eh langweilig. Das Serverupdate dauert noch ewig."

Ich lehnte mich auf meine Knie und betrachtete Wills Programme die auf dem Bildschirm geöffnet waren.

"Habt ihr schon Fortschritte seit meinem letzten Besuch gemacht?"

Will schürzte die Lippen und verkleinerte das Fenster mit den Programmen, bevor einen Ordner öffnete.

"Wie mans nimmt. Max hat viele Artikel gefunden die das meiste über ihren Abschluss bestätigt haben. Alles von der Uni veröffentlicht. Das Jahr wann sie angefangen hat wie auch das sie Jahrgangsbeste wurde, wurde am Rande erwähnt. Er hat vor morgen bei ihrer alten Praxis durchzuklingeln um mehr über ihre Arbeit dort zu erfahren. Ich habe in der Zwischenzeit die E-Mail-Verläufe überprüft und ich habe da eine interessante Sache gefunden."

Ich verzog angestrengt die Brauen, während Will die kopierten Verläufe durchging und auf ein Wort verwies. Hexenlizenz.

"Es wurde in drei E-Mails nach einer sogenannten Hexenlizenz gefragt. Ich schätze mal, dass die Frage auch öfter in den Telefonaten die sie mit den ganzen Arbeitgebern geführt hat gestellt wurde."

"Und was ist damit?", fragte ich neugierig. Will grinste und deutete auf ein Beispieldokument von eben jener Lizenz. Darauf war einmal das Profilbild einer x-beliebigen Hexe, der Name, Rang und einige Kennzeichnungen darunter.

"Es ist anscheinend üblich bei Hexern eine zusätzliche Lizenz beim Ministerium anzufordern, um kenntlich zu machen, auf welche Magiequellen die Hexe zugreifen kann und wie mächtig diese ist. Anscheinend wird dies benötigt, wenn man sich bei anderen Hexen oder Kommunen bewerben möchte. Aber auch für bestimmte Arbeiten wird das verlangt. Es geht über das normale Wesensdokument hinaus. Dort werden explizit die magischen Kräfte aufgelistet und bewertet. Ich habe nach anderen vergleichbaren Lizenzen gesucht, aber anscheinend fordert das Ministerium nur von Hexern, solch eine Lizenz zu führen."

Verstehend nickte ich. Kein Wunder das wir davon nie was gehört hatten. Hexer lebten meist in Kommunen oder Städten, wenn sie sich nicht zufällig abgekapselt hatten, um unter den Menschen leben zu können. Aber ehrlich gesagt hatte ich mich nie sonderlich mit ihnen auseinandergesetzt. Äußerlich waren sie den Menschen sehr ähnlich. Immerhin waren ihre Vorfahren zum Teil Menschen. Ihre Magie haben sie durch die jahrhundertelange Vermischung von Wesen und Menschen erhalten. Damals wurden sie in der magischen Welt geachtet. Sie sahen denn Menschen zu ähnlich, doch bald war diese Schwäche ihre größte Stärke, denn sie konnten in beiden Gesellschaften ein und aus gehen.

Heutzutage gehörten die Hexen zur magischen Welt, als wären sie schon immer ein Teil von ihnen gewesen. Durch ihre Kräfte und ihre Affinität zu den Magiequellen konnte man erahnen, welches magische Geschöpf sich vor vielen Generationen in ihren Baumstamm geschlichen hatte. Denn von ihnen hatten sie ihre Kräfte geerbt. Heute achteten aber viele Hexer penibel darauf sich nur unter ihresgleichen weiter fortzupflanzen. Das Blut der Menschen würde nur ihre Verbindung zur Magie verwässern. Mehr wusste ich aus den Stehgreif auch nicht.

"Und wieso ist die Forderung nach der Lizenz so verwunderlich?"

Will drehte seinen Kopf zu mir um.

"Weil in all ihren Dokumenten keine Lizenz zu finden ist. Max hat mehrfach danach gesucht, aber auch nichts gefunden", erklärte er und ich verzog verwirrt die Stirn kraus.

"Du willst mir also sagen, dass ein Dokument welches so viele Informationen über sie preisgibt, in all ihren Unterlagen nicht zu finden war?"

Ein Nicken seinerseits.

"Finde heraus wieso die Arbeitgeber danach verlangen. Vielleicht bekommen wir so raus, wieso sie sie nicht direkt angegeben hat", sagte ich und Will hielt einen Daumen hoch, als ich mich aufrichtete.

"Bin dabei."

...

Lasst gerne einen Stern da ;)

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