Kapitel 22

-Gwen Williams-

Es war Freitag. Und auch wenn Helen mir sagte, dass ich keine Arbeitszeiten hatte und mir all meine Termine selbst einrichten konnte, versuchte ich mir einen Arbeitsalltag anzueignen. Auch wenn ich Probleme damit hatte, genug Arbeit zu finden.

Die meisten Sachen waren bestellt und würden laut Helens Aussage nach, nächste oder übernächste Woche ankommen. Also versuchte ich alles durchzuplanen und schrieb mir auf, was ich vorher noch alles erledigt haben wollte.

Als mir schlussendlich nichts mehr außer Recherchearbeit einfiel, die ich auch in der Hütte erledigen konnte, versuchte ich die bisherigen Notizen von den Verletzungen und co zu sortieren. Ich hatte zum Glück ein Tool auf dem Laptop, mit dem ich digital Akten anlegen konnte und alle verfügbaren Informationen anlegen konnte. Natürlich versuchte ich es so sicher wie möglich zu gestalten. In der Praxis und der kleinen Uni-Klinik hatten sie so ziemlich dasselbe Programm genutzt.

In den Sachen, die ich durchforstete, fand ich einige Einträge wegen alten Verletzungen bei schon älteren Rudelmitgliedern. Helen hatte mir zwar erzählt, dass es einen kleinen Treffpunkt gab, an dem die etwas ältere Generation sich gerne traf, aber so etwas wie ein Altersheim gab es nicht. Die Wölfe, die Hilfe brauchten, erhielten diese oft im Kreis der engen Familie.

Ich sollte wohl auch versuchen, zu diesen Wölfen Kontakt aufzunehmen. Wenn ich sie dafür sensibilisierte, sich einem Arzt anzuvertrauen, würde mein Nachfolger es sicherlich einfacher haben.

Müde schloss ich meinen Laptop und ging in die kleine Küche, die es im Rudelhaus gab. Ich grüßte die zwei Wölfe, die ruhig geworden sind, als ich den Raum betreten hatte. Letzte Nacht hatte ich wirr geträumt und dementsprechend fühlte ich mich heut früh alles andere als ausgeruht. Ich machte die Kaffeemaschine an und wartete, bis der Kaffee in meine Tasse floss.

Als ich meinen Kaffee hatte, verließ ich wortlos den Raum wieder und trank ihn in meinen eigenen Räumen. Seufzend ließ ich den Kopf in den Nacken fallen. Mir war langweilig. Schlürfend trank ich den Kaffee und entschied mich danach spontan die Schule zu besuchen. Helen hatte es gestern nur geschafft mit mir den Hort zu besuchen.

Sie hatte mir im Nachhinein erzählt, dass sie heute und morgen viel zu tun hatte, weil am Sonntag eine Versammlung stattfinden würde, zu der sie mich auch eingeladen hatte. Ich war noch am Überlegen, ihr beizuwohnen. Ich fühlte mich nicht als Teil des Rudels und wusste nicht, inwieweit sich andere Mitglieder angegriffen fühlen könnten.

Aber ich würde mich schlecht fühlen, Helen abzusagen, nachdem sie mir diese Woche so oft mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte und sich immer wieder Zeit genommen hatte, um meine Bestellungen oder andere Dinge zu überprüfen.

Ich stellte die leere Tasse auf einen der Schränke ab. Ich würde sie sauber machen, wenn niemand in der Küche war. Dann zog ich mir meinen Mantel über und schloss die Tür hinter mir. Meinen Laptop brachte ich vorher zu meiner Hütte, ehe ich mich zur Schule aufmachte.

Ich hatte noch ungefähr im Kopf, wann sie Pause machten und war dementsprechend erleichtert, als ich viele Jungwölfe draußen vor dem Schulgebäude spielen sah. Ein paar der Kinder sahen verwundert zu mir rüber, schienen sich aber nicht wirklich von mir gestört zu fühlen.

Neugierig lief ich in das Gebäude und suchte nach Erwachsenen. Ich fragte einen Jungwolf, wo gewöhnlich die Lehrer waren, und er erklärte mir, dass am Ende des Flurs ein Aufenthaltsraum für diese war. Dankend lief ich weiter und klopfte dann an die Tür.

Eine brünette und kurvige Lehrerin öffnete überrascht die Tür.

"Wie kann ich helfen?"

Ich lächelte professionell und hielt ihr meine Hand entgegen. Das musste jetzt definitiv reibungsloser als mit Alena laufen!

"Dr. Williams. Schön, Sie kennenzulernen. Ich hoffe, Helen hat Sie schon über meinen Aufenthalt informiert. Ich wollte mich nur noch mal bei Ihnen allen persönlich vorstellen."

Die Lehrerin erhob eine ihrer Brauen und reichte mir die Hand.

"Knauf mein Name. Ich unterrichte die Älteren. Kommen Sie doch rein", sagte sie neutral und öffnete mir daraufhin die Tür, um einzutreten. Ich bedankte mich und folgte ihr ins Zimmer. Es gab mehrere runde Tische, an denen ihre Kollegen saßen. Es waren aber zu meiner Überraschung nur sechs Lehrer anwesend.

"Das hier ist Susanne. Sie leitet die Schule", sagte Frau Knauf und deutete auf eine dunkelhaarige Frau, die konzentriert über einen Haufen Arbeiten brütete. Ich nickte der Frau dankend zu, bevor sie sich zu ihren anderen Kollegen gesellte, die mich neugierig beäugten. Zielstrebig lief ich auf Susanne zu, die den Kopf erst hob, als ich vor ihrem Tisch stand. Sie war jung., im Vergleich zu den anderen hier und lächelte schüchtern, als sie sich aufrichtete.

"Oh, entschuldigen Sie. Hab Sie gar nicht hereinkommen hören. Susanne Meyer mein Name. Und Sie sind?", fragte sie etwas unbeholfen und ich nahm ihre Hand entgegen.

"Gwen Williams. Ich bin seit dieser Woche die Rudelärztin und wollte mich bei Ihnen persönlich vorstellen", sagte ich und ein Lächeln bildete sich auf Susannes Gesicht.

"Eine Ärztin? Wie schön eine unter uns zu wissen. Helen hatte mir da ja was geschrieben, nur ging das wohl in dem ganzen Chaos unter. Ich leite diese bescheidene Schule. Wenn Sie wollen, kann ich ihnen alle einmal vorstellen?"

Ich nickte zustimmend. Sie führte mich zu den entfernt sitzenden Kollegen, die mit erhobenen Augenbrauen zu mir und Susanne blickten, als diese sich vor ihnen hinstellte.

"Kollegen darf ich Dr. Williams vorstellen. Sie wird uns und unser Dorf nun unterstützen."

Keine wirkliche Reaktion. Augenscheinlich waren die Werwölfe an die zwanzig Jahre älter als Susanne. Vielleicht sogar noch älter, da Werwölfe im erwachsenen Alter langsamer altern und man so schwerer ihr wahres Alter abschätzen konnte. Es wunderte mich schon eine so junge Rektorin vorzufinden, aber sie war neben dem Alpha Paar die erste Person, die positiv auf meine Anwesenheit reagierte.

Susanne stellte mir einmal alle Lehrer vor und erklärte mir, dass sie oft unterbesetzt waren.

"Es gibt insgesamt nur sechs Klassen. Wir haben die Jahre immer Kinder in eine Klasse stecken müssen, die zwei Jahre Altersunterschied haben, um die Kapazität aufrechtzuerhalten. Leider gibt es nicht so viele unter den Erwachsenen, die den Stoff rüberbringen können."

Ich nickte verstehend. So etwas in der Richtung hätte ich mir denken können. Als es läutete, standen die Lehrer auf, um zu ihren Klassen zu gehen. Susanne wandte sich mir nochmals schnell zu.

"Ich würde mich freuen, wenn wir in Kontakt bleiben würden. Ich würde Ihnen gerne die Schule und Kinder vorstellen. Die Kinder sehen so selten neue Leute", sagte sie lächelnd und ich hob überrascht die Brauen.

"Gerne, das würde mich sehr freuen."

Ein strahlendes Grinsen überzog ihr Gesicht und sie kritzelte schnell eine Nummer auf einen Post-it Zettel.

"Rufen sie mich gerne jederzeit außerhalb der Schulzeiten an, damit wir einen Termin ausmachen können", sagte sie, ehe sie mir den Zetteln reichte.

"Das werde ich machen. Ihnen noch einen schönen Tag."

"Ebenfalls", kam die prompte Antwort, ehe sie mit mir das Lehrerzimmer verließ und etwas abgehetzt die Tür hinter sich schloss.

Viele Jungwölfe waren im Flur unterwegs und sie rief ihre Kinder schnell in die Klasse, die lachend in ihre jeweiligen Klassenzimmer rannten. Ich blieb kurz stehen, um mir alles genau anzusehen und lächelte überrascht, als ich Finn mit ein paar Mitschülern von draußen reinkommen sah.

Verwundert hob er die Brauen, als er mich sah. Ich grüßte ihn winkend, was er zögerlich erwiderte. Dann verschwand er mit den anderen in den Klassenraum.

Zufrieden verließ ich die Schule, als der Unterricht anfing und machte mich auf den Weg zu meiner Hütte. Ich würde jetzt erst mal Feierabend machen und mir zum Abschluss der Woche etwas Leckeres kochen!

...

Am Samstag ließ mich das Klingeln meines Handys aufschrecken, als ich gerade dabei zusah, wie Elsa singend ihr Eisschloss unter sich errichtete. Wer wagte es, mich bei meinem Disney Nachmittag zu stören?

Ich pausierte den Film und griff nach dem Handy. Ich hatte mir selbst eine Pause gegönnt und mir vorgenommen, an diesem Samstag nur in meiner Hütte zu bleiben, lecker zu essen und meine Disney Filme zu gucken. Doch als ich Sophias Namen auf dem Display meines Handys sah, hüpfte mein Herz aufgeregt.

Ich öffnete den Chat Verlauf und las mir sofort ihre Nachricht durch.

Hi Gwen,

du hast sicherlich bereits bemerkt, dass ich deine Nachricht erstmals unbeantwortet ließ. Ich bin immer noch sauer und wollte mir deine Nachricht zunächst gar nicht durchlesen. Umso überraschter war ich dann, als ich bemerkt habe, dass du gar nicht mehr in Hannover wohnst. Unser letztes Treffen hat mir sehr zu denken gegeben und ehrlich gesagt war ich mir wirklich unsicher, ob ich die Freundschaft zu dir aufrechterhalten möchte. Denn deine Worte haben mich sehr verletzt. Und ich weiß immer noch nicht, ob ich dir diese verzeihen kann. Doch ich wünsche dir ehrlich nur das Beste. Es würde mich freuen, wenn wir uns nach den drei Monaten wieder sehen würden und wir in Ruhe über alles reden können. Doch derzeit bin ich noch nicht bereit dazu. Ich hoffe, du verstehst das.

Ich legte meinen Kopf in den Nacken, blinzelte die aufkommenden Tränen weg und seufzte erleichtert. Ich hatte nicht bemerkt, wie sehr es mich doch belastet hatte, seit über einer Woche keine Antwort erhalten zu haben.

Ein wenig enttäuscht war ich schon, aber ich war dankbar, dass sie es überhaupt noch in Erwägung zog, mit mir zu sprechen. Denn ich wüsste ehrlich gesagt nicht, wie ich mich an ihrer Stelle entschieden hätte. Sie hatte genug andere Freunde, die sie nicht als Rassistin bezichtigten und dazu noch keine Mischlinge waren. Die Freundschaft zu mir war für sie bestimmt nicht einfach.

Ich legte das Handy bei Seite und versuchte mich und meine Gefühle wieder unter einem Hut zu bekommen. Ich würde ihr später schreiben. Dann war ich sicherlich besser in der Lage alles rational zu betrachten und ihr zu versichern, dass ich Verständnis für ihre Lage hatte.

Ich streckte die Beine von mir und strich mir übers Gesicht. Ich musste irgendwie auf andere Gedanken kommen.

...

Meine Beine fühlten sich zittrig an und mein Blick huschte kurz zu dem Wald hinter mir. Er lag immer noch in weißen Nebel, doch die flüsternden Worte und die verurteilenden Stimmen verfolgten mich weiterhin. Forderten von mir aufzugeben und meinen magielosen Körper zurückzulassen.

Ich atmete tief durch und lief langsam auf die Lichtung zu. Die Stimmen wurden leiser, doch die blauen Augen des riesigen Wolfes verfolgten mich auf Schritt und Tritt. Als müsse er noch herausfinden, ob ich eine Bedrohung darstellte.

Ich senkte meine Arme, als ich nicht mehr die Kraft hatte, sie weiter oben zu halten. Ich hatte weite fließende Klamotten an die sanft über meine Haut strich. Komplett weiß, als wäre diese Szene hier ein unbeschriebenes Blatt.

Mein Blick wanderte langsam vom Wolf weg zum See hinüber. Mein Hals war trocken, mein Puls raste und meine Haut verschwitzt von der Jagd. Als ich langsam zum See lief, kitzelten die Grashalme meine nackten Füße. Blaue Augen verfolgten mich, hinderten mich jedoch nicht daran, als ich mich vor den See kniete.

Ich formte mit meinen Händen eine Kuhle und trank erst vorsichtig, dann immer gieriger, als das kühle Nass meinen Hals hinab glitt. Seufzend schloss ich die Augen und ließ meinen Kopf in den Nacken fallen. Genau das hatte ich gebraucht!

Aus einem Impuls heraus entschied ich aufzustehen. Der Wolf fletschte kurz die Zähne, reagierte aber ansonsten nicht weiter, als ich langsam meine Füße in den See tat.

Lächelnd wagte ich weitere Schritte hinein, bis mir das Wasser zu den Kniekehlen ging. Ich sah erneut zum Wolf, der aber nur verwirrt den Kopf zur Seite legte. Ich würde wetten, es war ein Männchen. Meine Intuition sagte es mir. Es war beinah erschreckend wie groß er war. Wenn ich mich näher herangetraut hätte, würde er mir sicherlich bis zum Kinn gehen. Oder vielleicht sogar höher.

Ich wandte mich wieder ab, nutzte die Chance, dass er mich an nichts hinderte und ging tiefer in den See. Mein Körper entspannte sich und ich musste anfangen zu schwimmen, als ich keinen festen Untergrund unter meinen Füßen spürte. Die weiße Kleidung klebte mir am Körper und gab meine Figur preis. Doch ich fühlte mich nicht unwohl. Ich tauchte ab, hielt die Luft an und genoss, dass mein erhitztes Gesicht von der angenehmen Kühle abgemildert wurde.

Als ich wieder auftauchte, sah ich, wie der Wolf sich vor den See sinken ließ. Anscheinend endlich im Stande, sich während meiner Anwesenheit zu entspannen. Er kam mir so bekannt vor, doch ich wusste nicht woher. Also brach ich den Blickkontakt wieder ab und tauchte tiefer in den kühlen See, um die Stimmen aus dem Wald nicht mehr hören zu müssen.

...

Hey meine Lieben,

ich freue mich das immer mehr Leute zu der Geschichte finden. Sie hat mittlerweile 5 k Aufrufe und es macht mich wirklich happy die Geschichte rund um Gwen und Elias mit euch teilen zu können.

Ich werde im Februar viel privat zu tun haben (Bewerbungen etc) und werde wahrscheinlich nicht dazu kommen, mich wie geplant der anderen Werwolfsgeschichte wieder widmen zu können. Dafür hab ich mir aber überlegt hier wieder eine Lesenacht in den Semesterferien zu veranstalten. Ob das im Februar oder März sein wird kann ich noch nicht sagen. Das werde ich wahrscheinlich von den Kapiteln abhängig machen und an welcher Stelle es sich besonders lohnen würde. Hoffe aber natürlich, dass ihr bei einer Lesenacht mitmachen würdet :)

Euch noch allen eine schöne und erholsame Woche

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top