Kapitel 20

-Gwen Williams-

"Ich habe gehört, du wirst manchmal krank? Magst du mir vielleicht mal erzählen, wann du das letzte Mal krank warst?", fragte ich Finn und er schien ein wenig beschämt und blickte zu seiner Mutter.

"Na ja, meine Mum sagt, dass ich eigentlich immer krank bin. Oder so ähnlich", versuchte er mir zu erklären. Fragend blickte ich zu seiner Mutter, die leicht errötete.

"Ganz so pauschal ist es nun auch wieder nicht. Er wird schnell krank und seine Verletzungen brauchen ungewöhnlich lange, um zu verheilen. Deswegen bestellen wir meist einen Heiler, wenn etwas nicht ordentlich verheilt."

Ich zog verwundert die Brauen nach oben.

"Hast du gerade zufällig eine Verletzung, die ich mir ansehen kann?", fragte ich Finn, der nickend aufstand und sein Hosenbein nach oben zog.

Er hatte zwei aufgeschlagene Knie, die aber schon gut am Verheilen waren. Schorf hatte sich gebildet und ich fragte, seit wann diese Wunde schon da war.

"Seit vier Tagen", sagte Katharina, als wäre es ihr unangenehm. Ich lächelte Finn an und bedeutete ihm, die Hose wieder zu richten.

"Vier Tage sind noch kein Grund zur Beunruhigung. Die Wunde sieht gut aus und scheint nicht entzündet. Man sollte bloß aufpassen, dass sie nicht nochmal aufgeht und darauf achten, dass sie sauber bleibt."

Finn setzte sich wieder auf den Stuhl neben seiner Mutter.

"Wie oft kommen denn solche Verletzungen vor?", fragte ich, während ich mir die ersten Notizen aufschrieb.

"Ziemlich oft. Finn spielt halt mit den anderen Kindern. Und das auch in seiner Wolfsform. Da kommt es oft zu Rangeleien und einer passt dazwischen nicht ordentlich auf. Oft kommt Finn mit blauen Flecken oder Prellungen nach Hause. Brüche hatte er bisher nur vier gehabt. Aber unabhängig davon, dass seine Wundheilung langsamer funktioniert, erkältet er sich oft und hat nicht selten Fieber."

Ich nickte und notierte mir alles, was sie sagte.

"Haben sie Medikamenten gegen diese Erkältungen genommen? Oder andere magische Mittel?"

Katharina sah verblüfft aus und sah von Finn zu mir.

"Nein, bisher nicht. Bei uns im Rudel gibt es sowas nicht. Nur in den seltensten Fällen wird ein Heiler benötigt, damit er unsere Schmerzen lindert."

Jetzt wurde mir natürlich viel klar. Auch wenn ich nicht verstand, wie man zehn Jahre lang ein Kind mit einer offensichtlichen Immunschwäche nicht zum Spezialisten brachte.

"Das ist das Problem bei Heilern. Sie wirken sehr gut Magie, die den Körper ablenkt und dafür sorgen, dass die Heilung einfacher vonstattengeht. Aber der Körper muss immer noch selbst gegen die Erkrankung arbeiten. Da können sie so viele Heiler holen wie sie wollen, aber in den meisten Fällen wird er ihrem Sohn nicht nachhaltig helfen können."

Finn sah besorgt zu seiner Mutter.

"Wenn ich es richtig verstanden habe, haben sie ja genau wegen so einem Vorfall um eine Ärztin gebeten, richtig?"

Katharina nickte.

"Ja. Finn hatte letztes Jahr hohes Fieber gehabt. Wir konnten ihn nicht aus dem Wald transportieren und warteten zu lange auf den Heiler."

Finn sah bedrückt aus bei dieser Erinnerung, doch ich lächelte ihn aufmunternd zu.

"Das musste bestimmt respekteinflößend gewesen sein. Aber keine Sorge. Wir werden schon Mittel und Wege finden, damit sowas nicht mehr passiert."

"Geben sie mir Medikamente?", fragte er besorgt.

"Wenn es notwendig ist, vielleicht. Aber du musst dir darüber keine Sorgen machen. Ich nehme auch welche, wenn ich krank bin. Das ist ganz normal. Nicht jeder Körper kann gegen jede Krankheit gewinnen, ohne ein bisschen Unterstützung."

"Aber niemand anderes im Rudel nimmt welche", sagte er und wieder sah Katharina bedrückt zu ihrem Sohn.

"Das kann schon sein. Aber das heißt nicht, dass es verkehrt ist welche zu nehmen. Dein Körper braucht eben länger, wenn du Wunden hast und krank wirst. Das passiert Werwölfen im späten Alter auch. Die brauchen dann genauso Unterstützung. Das Besondere bei dir ist, dass du diese Unterstützung halt häufiger brauchst als andere. Aber sie wird auch dafür sorgen, dass du weniger krank wirst und immer noch einen normalen Alltag haben kannst."

Finn schien etwas beruhigter, aber ich merkte ihnen beiden an, dass sie sich nicht wirklich auskannten.

"Hat ihr Sohn zufällig schon mal eine Impfung erhalten?"

Wieder Kopfschütteln.

"Nun, da ich aktuell noch nicht fertig mit der Ausstattung hier bin, würde ich vorschlagen, dass sie in zwei Wochen nochmal wiederkommen und wir dann ein paar Tests machen. Nichts Wildes, versprochen. Ich nehme einmal Blut ab um zu überprüfen wie seine Werte sind und ob er vielleicht ein paar Impfungen benötigt. Bei einer Immunschwäche sollte man immer einen guten Blick auf die Antikörper haben. Vielleicht helfen ein paar Impfungen vorbeugend gegen Grippe und andere Erkrankungen."

Katharina nickte und Finn sah neugierig zu mir hinauf.

"Ich hab noch nie Blut abgenommen bekommen. Tut das weh?"

Ich schüttelte lächelnd den Kopf.

"Nicht dolle. Es sticht ganz kurz, aber der Schmerz ist sofort wieder weg. Wenn du willst, zeige ich dir vorher, wie alles funktioniert. Und eine Impfung funktioniert sehr ähnlich. Da bekommst du eine Nadel in den Oberarm und es tut auch nur kurz weh. Nichts, was ein Werwolf nicht schaffen könnte.", sagte ich grinsend und Finn schien beruhigter.

"Was ist, wenn Finn sich in der Zwischenzeit verletzt? Ich warte normalerweise immer eine Weile, bevor ich den Heiler hole. Wie soll ich das nun mit ihnen handhaben?", fragte Katharina.

"Nun, ich würde sagen, wenn es nur oberflächliche Kratzer sind und sie sich nicht entzünden, dann müssen sie sich nicht an mich wenden. Wenn ihr Sohn aber eine tiefe oder dreckige Wunde sich zugefügt hat, kann er natürlich jederzeit zu mir kommen und ich säubere sie persönlich. Derzeit habe ich noch keine weiteren Patienten und bin völlig mit der Einrichtung beschäftigt. Also werde ich wahrscheinlich immer hier aufzufinden sein.", erklärte ich, während ich auf einen Zettel meine Handynummer notierte.

"Wenn sie etwas vergessen haben sollten oder weitere Fragen haben, können sie mich jederzeit über diese Nummer hier anrufen. Ich werde mich demnächst auch nochmal beim Hort und der Schule vorstellen und denen meine Nummer hinterlassen, falls etwas in ihrer Abwesenheit passieren sollte. Wenn ich aus unerfindlichen Gründen nicht im Dorf bin, werde ich es Sie wissen lassen.", sagte ich und übergab Katharina den kleinen Notizzettel.

"Danke schön. Danke vielmals", sagte Katharina überschwänglich und ich stand auf, um ihr die Hand zu reichen.

"Hat mich gefreut, Sie wiederzusehen", sagte ich Hände schüttelnd, ehe ich mich zu Finn wandte.

"Hat mich auch sehr gefreut, dich kennenzulernen, Finn."

Er lächelte schüchtern und verließ daraufhin mit seiner Mutter den Raum. Seufzend ließ ich mich in den Stuhl fallen. Das würde sicherlich Arbeit bedeuten, aber sie schien wirklich freundlich und gewillt sich zu bessern. Ich durfte eben nicht vergessen, dass Werwölfe ein ganz anderes Mindset hatten, wenn es um Verletzungen und co ging. Für eine Mutter war es sicherlich die reinste Hölle nicht zu wissen, wie man mit dem Kind und dessen Verletzungen umgehen soll, wenn man selbst noch nie diese Erfahrungen gemacht hatte.

Als Mischblut sind Krankheiten und langsam heilende Verletzungen nicht unnormales. Und der Kleine hatte wahrscheinlich ein ähnliches Immunsystem wie ich oder ein Mensch. Was bei Werwölfen natürlich extrem ungewöhnlich war. Aber mit meinen eigenen Erfahrungen sollte ich gewiss mit sowas umgehen können.

Ich besah mich meiner Notizen und denen die Helen in der Vergangenheit angefertigt hatte und seufzte. Ich müsste dem Kleinen wahrscheinlich eine ordentliche Menge Blut abnehmen für ein großes Blutbild. Da war die Überlegung das Blut zu einem größeren Labor zu schicken sehr naheliegend, auch wenn es dauern würde die Ergebnisse zu erhalten.

Ich schrieb das nächst größere Labor in der Nähe an und fragte eine Zusammenarbeit an. Wenn ich Glück hatte, würde die Antwort nicht lange auf sich warten lassen. Den restlichen Tag überlegte ich mir welche Impfungen für Finn infrage kommen würden und informierte mich über ähnliche Fälle.

Am Abend verließ ich dann den Untersuchungsraum. Ich konnte nun nur noch auf die bestellten Sachen warten und mich weiter in die Recherche vertiefen. Da wäre es wahrscheinlich sinniger, sich morgen bei der Schule und dem Hort vorzustellen. Falls es auch andere Kinder gab, die krank wurden. Ich hoffte einfach darauf, dass die Erzieher und Lehrer mich annehmen und nicht so verteufeln würden wie Elias.

In meiner Hütte angekommen überlegte ich, welche Rudelmitglieder ich noch kennenlernen sollte. Es wäre bestimmt gut, sich auch bei der älteren Generation zu melden und bei den sportlich aktiven Rudelmitgliedern einen Check-up zu machen. Doch da sollte ich vorher Helen fragen. Es könnte immerhin vorkommen, dass sich jemand angegriffen oder unwohl dabei fühlte, einer fremden Ärztin Fragen zu beantworten.

Abends aß ich auf meiner Couch einen einfachen Salat, während ich einen Film auf dem Fernseher anschaute. Neugierig sah ich auf mein Handy und hoffte auf eine Nachricht von Sophia. Mittlerweile hatte sie die Nachricht gelesen, doch noch keine Antwort geschrieben. Sollte ich ihr nochmal schreiben? Oder war das zu aufdringlich. Seufzend legte ich das Handy zur Seite. Auch wenn mich das Rudel bisher nicht negativ empfangen hatte (bis auf Elias), fühlte ich mich etwas einsam. Sollte ich vielleicht mich mehr unter die Leute mischen? Bisher hatte ich mir nicht viel Mühe gegeben und kannte bloß eine handvoll Wölfe. Und zu diesen hatte ich nur ein Arbeitsverhältnis.

Ob ich mir vielleicht zwischendurch einen Tag freinehmen könnte, um in die naheliegende Kleinstadt zu fahren und was zu unternehmen? Bisher musste ich eh viel warten und konnte nichts außer bürokratischem Zeug erledigen. Ich hatte mich sogar längst bei einer Seite für Ärzte auf dem Land angemeldet, damit ich, wenn der Untersuchungsraum fertig war, auf Abruf für andere in der Nähe sein könnte. Helen und Alex hatten gesagt ich dürfe die Ressourcen des Rudels auch für andere benutzen. Immerhin halfen sich die Rassen und Bewohner hier auf dem Land untereinander aus.

Geschafft fiel ich später ins Bett weiche Bett.

...

Am nächsten Tag stand ich mit weißer Bluse und einer grauen Hose vor dem Hort von dem mir Helen erzählt hatte. Nach dem ich sie angerufen hatte und gefragt hatte, ob sie Interesse daran hätte mit mir zusammen den Hort zu besuchen, hatte sie ganz begeistert zugestimmt.

Zusammen betraten wir die große Hütte. Sie hatte mehrere Räume mit verschieden Spielangeboten und draußen eine begradigte Fläche auf der viele kleine Wölfe rangelten. Staunend sah ich mich um und war überrascht davon wie sehr auf die wölfischen und menschlichen Bedürfnisse geachtet wurde.

Viele Vorräte, sei es Essen oder Kleidung, befanden sich hier. Sogar eine kleine Küche und ein Raum zum Zurückziehen und Schlafen. Ich sah viele kleine Kinder und auch ein paar Teenager die gern mit den Kleinen spielten. Sie grüßten mich und Helen, bevor sie sich wieder ihren Tätigkeiten zuwandten.

Im größten Raum, der viele bequeme Sitzmöbel und kleine Tische zum Spielen bereitstehen hatte, war eine große Flügeltür der es den Werwölfen erlaubte in ihrer wölfischen Form ein und raus zu gehen.

Helen führte mich in den Flur und zu einem kleinen Büro in dem eine Frau Mitte dreißig saß. Helen stellte sie mir als Alena vor, die normalerweise alles Bürokratische und Organisatorische hier übernahm. Es sei es Ausflüge, die Verteilung von den Schichten oder das Lager. Ich schüttelte ihre Hand und stellte mich lächelnd vor.

"Gwen Williams mein Name. Ich bin seit dieser Woche die Rudelärztin und wollte mich bei Ihnen einmal persönlich vorstellen."

Alena lächelte milde.

"Hab schon von Ihnen gehört. Wie kann ich Ihnen denn helfen?"

Verwundert hob ich die Brauen.

"Ich wollte Ihnen nur meine Kontaktdaten zukommen lassen. Falls es mal Probleme geben sollte. Ich werde nämlich von nun öfter mal vorbeikommen und gucken, ob es den Kindern allen gut geht", sagte ich lächelnd. Helen hatte mir versichert, dass ich die Schule und den Hort wann immer ich wollte, besuchen durfte. Sie meinte, sie würde noch dafür sorgen, dass die anderen Eltern auch noch von mir erfuhren, damit man wusste das man sich an mich wenden konnte. Doch Alena schien nicht wirklich erfreut über diese Tatsache.

"Ich bin mir sicher ihre Inspektionen werden überflüssiger Natur sein. Bei uns geht es allen gut", sagte sie sofort und Helen schob sich zu Alena, um ihr beruhigend die Hand auf die Schulter zu legen.

"Da sind wir uns auch sicher Alena. Ihr alle macht hier einen guten Job, doch es kam langsam die Zeit das wir von jemand professionelle Hilfe erhalten. Dr. Williams wird nichts hier ändern wollen, sondern sich nur selbst ein Bild über unseren Nachwuchs machen wollen. Sie wird sich nämlich um den Naumann Sprössling kümmern. Falls also etwas passieren sollte, könnt ihr euch direkt an Sie wenden und müsst Katharina, während ihrer Arbeitszeiten, nicht belästigen."

Alena hob die Brauen und sah immer noch nicht ganz überzeugt aus. Doch sie seufzte ergeben. Wahrscheinlich, weil sie ihrer Luna keinen Wunsch abschlagen konnte.

"Ich werde Sie benachrichtigen falls etwas passieren sollte. Aber bitte kündigen Sie ihren Besuch hier vorher an. Ich will den Kindern keine Angst machen, weil eine Fremde hier ein und aus geht", sagte sie fordernd und ich nickte. Ich hatte kein Problem mich anzukündigen, doch ich war skeptisch, ob sie mir wirklich noch freundlich gesinnt sein würde, wenn Helen nicht dabei war.

Wir verabschiedeten uns von Alena und ich gab ihr einen Zettel mit meinen Kontaktdaten. Als Helen und ich den Raum verließen und sie noch kurz mit einem der Kinder sprach, sah ich aus dem Augenwinkel, wie Alena den Zettel zerknüllte und in den Müll warf. Der Raum hatte Fenster zum Flur durch die ich sie gut beobachten konnte, doch sie schien mich gar nicht registriert zu haben.

Ich überlegte Helen darauf anzusprechen, verwarf den Gedanken aber doch. Ich sollte vielleicht doch regelmäßiger vorbei kommen um mich selbst über die Umstände hier zu vergewissern, denn von Alena konnte ich wohl keine Unterstützung erwarten.


...

Hallöchen,

hoffe euch hat das Kapitel gefallen. Ich wollte nur kurz darauf aufmerksam machen, dass es natürlich sein kann, das ich medizinische Begriffe falsche verwende oder unbewusst Probleme schlimmer oder nicht ernstzunehmend darstelle. Ich habe selbst keine medizinische Ausbildung genossen und weiß das ich dem Beruf nicht annähernd in diesem Buch gerecht werden kann. Ich hoffe aber doch, dass bestimmte Dinge nicht den Lesefluss stören oder total aus dem Zummenhang gerissen wirken. Ich hatte selbst schon oft mit Ärzten zu tun, aber das bedeutet natürlich nicht, das ich mit diesen wenigen Wissen und meinem Bio LK im Abitur alles weiß und richtig rüber bringen kann. Ich hoffe das berücksichtigt ihr, wenn ihr die Szenen liest die sich hauptsächlich um Medizin drehen :)

PS: Lasst doch gern ein Sternchen da

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