Kapitel 13

-Gwen Williams-

Aggressionsprobleme konnte ich mit auf die Liste der Probleme setzen, als ich sah, wie Helen diesen Elias mit sich zog. Mein Oberarm hatte sehr unter dem Druck gelitten, aber wenn ich diesen Typen meine Verwundbarkeit so offengelegt hätte, hätte er bloß weiter gemacht, um mich loszuwerden.

"Ich muss mich erneut für ihn entschuldigen. Geht es ihrem Arm gut?", fragte Alexander besorgt und ich sah in seine dunklen Augen.

"Machen Sie sich keine Gedanken. Bleibt bloß ein blauer Fleck. Erklären Sie mir lieber einmal, warum der Beta des Rudels als letztes in diese Angelegenheit eingeweiht wurde", forderte ich. Ich war neugierig und ehrlich gesagt wollte ich wissen, wieso ich bei meiner Ankunft fast Werwölfe überfahre und dann von einem angefallen werde! Meine Nerven waren durch die lange Autofahrt strapaziert und ich fühlte mich wie von einem Laster überfahren. Ich war froh, dass ich eben noch recht erwachsen reagiert hatte und bei diesem Werwolf nicht zurück geschrien hatte.

"Er mag neue Leute nicht sonderlich. Außerdem ist er der Onkel von dem Kind, welches ich erwähnt hatte."

Ich runzelte nachdenklich die Stirn. Der Mann hatte vorhin doch gesagt, ich solle seinen Neffen nicht anfassen.

"Familienmitglieder von Patienten können immer etwas speziell werden. Besonders bei Kindern", sagte ich lediglich und Alex nickte ergebend.

"Ich werde mich um ihn kümmern. Es tut mir wie gesagt leid, dass sie das miterleben mussten. Normalerweise ist er ein verantwortungsbewusster Kerl."

"Sie müssen ihn nicht verteidigen, ich hab schon verstanden. Wir werden uns sicherlich irgendwie arrangieren können."

"Freut mich, dass sie das so sehen. Sie wollen sich bestimmt erst mal ausruhen. Sie hatten bestimmt eine lange Anreise. Ihre Hütte befindet sich noch hier in der Nähe des Zentralendorfes. Ich führe sie gerne hin."

Dankend stieg ich in mein Auto, um ihn hinterherfahren zu können. Ein junger Mann schloss sich Alex kurz darauf an und sie liefen zusammen etwas weiter weg vom Dorf. Sie steuerten eine große Hütte mit Balkon an, die noch in Sichtweite zum Dorf war. Nachdem sie vor der Hütte warteten, parkte ich mein Auto direkt daneben.

"Das ist für die nächsten Monate ihr Heim. Ich hoffe, es gefällt ihnen. Wenn sie aber irgendwas stören sollte, dann können sie natürlich sich jederzeit bei mir melden. Sie hätten von meiner Seite aus das Wochenende noch Zeit sich einzurichten und die Gegend ein wenig zu erkunden. Helen würde sich sicherlich freuen, ihnen eine Tour durchs Dorf zu geben. Am Montag würden wir ihnen dann die Räume zeigen, die wir ihnen für die Behandlungen zur Verfügung stellen wollen."

"Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Aber ich habe eine Frage an sie. Warum haben sie nicht bei ihren Telefonaten erwähnt, dass sie der Alpha eines Rudels sind? Ich dachte, als sie über ihre Familie sprachen, wären das nur die engsten Verwandten."

Der junge Mann hob erstaunt die Brauen, blieb aber still, als sein Alpha sich mir zuwandte.

"Ehrlich gesagt dachte ich, Sie wüssten das? Mein Name ist nicht wirklich unbekannt. Es tut mir leid, dass wir Sie nicht besser informiert hatten. Ändert die Situation denn etwas an ihrer Entscheidung?"

"Nein, sie können für mein Unwissen nichts. Ich kenne mich nicht sonderlich gut mit den hohen Persönlichkeiten auf dem Land aus. Da bin ich wahrscheinlich die Stadt zu sehr gewohnt gewesen", sagte ich erklärend und Alex lächelte erleichtert.

"Ach, dafür müssen Sie sich nicht schämen. Ich bin froh, dass Sie gut angekommen sind und nichts Schlimmeres vorgefallen ist", sagte er freundlich, bevor er sich etwas abwandte.

"Na gut, dann machen sie sich einen schönen Abend und wenn sie Helen treffen wollen, dann können Sie über meine Nummer bei uns anrufen. Luis hier wird ihnen bei ihren Sachen behilflich sein", sagte Alex und deutete auf den jungen Mann, der ihn begleitet hatte.

"Danke. Ihnen ebenso einen schönen Abend", sagte ich an Alex gewandt, bevor ich wieder zur Hütte sah. Sie passte sich dem Wald farblich an und sah sehr kuschlig aus. Wahrscheinlich war der Wohnraum dort drinnen dreimal so groß wie der von meiner Wohnung.

"Ich hab nur drei Koffer, die erst mal reinmüssen. Der Rest kann im Auto bleiben."

Der Wolf nickte und half mir die Koffer zur Hütte zur bringen. Der Schlüssel steckte im Schloss und als ich die Tür öffnete, hatte ich eine wunderschöne Aussicht auf ein offenes Wohnzimmer mit gegenüber liegender Fensterfront. Staunend schob ich die Koffer in das Wohnzimmer und sah zur offenen Küchenzeile neben der Eingangstür.

"Äh Miss Williams... Äh ich meine Doktor Williams. Wenn Sie bei irgendwas Hilfe brauchen, können Sie jederzeit über die Nummer auf dem Tisch mich erreichen. Ich bin die ersten Tage ihrer Ankunft für ihre Fragen und Wünsche zuständig. Befehl vom Alpha."

Ich sah mich immer noch in der Wohnung um und strich über den weißen Stoff des Sofas.

"Sie können mich ruhig Gwen nennen. Doktor Williams sagen Sie bitte nur zu mir, wenn Sie als Patient bei mir erscheinen", sagte ich und der Wolf nickte.

"Ich habe ansonsten keine weiteren Fragen. Danke für ihre Hilfe. Falls was sein sollte, melde ich mich."

Der Wolf verschwand mit einer kurzen Verabschiedung und ließ mich in dem Haus zurück. Und die nannten das eine Hütte? Sie hatten von einer Wohnung gesprochen und gaben mir ein Haus? Kopfschüttelnd öffnete ich die zwei Türen links im Raum, um zu sehen, was sich dahinter verbarg. Ein Gäste-WC, eine Kammer mit Putzsachen und einem Waschtrockner befanden sich noch im ersten Stock. Ich zog mir meine Schuhe aus und legte meinen Mantel über einen der Hocker, die an der großen Kücheninsel standen.

Eine hölzerne Treppe führte in einen hellen Flur mit zwei Türen. Das eine Zimmer schien ein Gästezimmer zu sein. Es besaß ein Einzelbett und eine Kommode. Das zweite Zimmer war wesentlich größer. Helle und freundliche Farben waren überall mit Holzmuster kombiniert worden. Es gab einen Parkettboden und Deckenbalken, die die Dachschräge schön hervorhob.

Ein großer Schrank mit Spiegel stand auf der rechten Seite, während auf der linken Seite eine weitere Tür und ein Schreibtisch mit Stuhl stand. Das große Bett war in der Mitte des Raumes und war viel größer als meine alte Couch. Die Bettlaken rochen frisch gewaschen und die Balkontür, die gekippt war, bot einen schönen Blick Richtung Wald. Lächelnd betrachtete ich das Bad, welches eine große Wanne mit Duschlauch hatte und einem großen Waschbecken. Wenn ich nicht wüsste, dass ich hier arbeiten würde, könnte man meinen, ich hätte mir einen Luxusurlaub gegönnt. Alle Materialien waren hochwertig und passten stimmig zueinander. Hier würde es mir sicherlich nicht schwerfallen, mich wohl zu fühlen.

Den restlichen Abend verstaute ich alle meine Klamotten und die eingekauften Lebensmittel. Überraschenderweise befanden sich einige Grundnahrungsmittel schon in der Küche, sodass ich spät abends mit einem Teller gekochter Nudeln mit Pesto auf der Couch saß und einen meiner heiß geliebten Disney Filme auf dem Laptop sah. Es gab zwar auch einen Fernseher im Wohnzimmer, aber ich hatte wenig Nerven gehabt, mich damit auseinanderzusetzen.

Auf meinem Oberarm hatte sich ein fieser blauer Fleck gebildet und bei manchen Bewegungen tat der Arm weh, aber wenn ich ihn die nächsten Tage etwas schonen würde, dann würde das ohne Probleme verheilen. Es erschütterte mich nur, dass ich hier wohl mit solchen Wutattacken rechnen musste. Im Ernstfall könnte ich mich wahrscheinlich recht schlecht gegen einen ausgewachsenen Werwolf wehren. Ich müsste dagegen was unternehmen.

Doch ich versuchte mir meine gute Laune über mein neues Heim nicht vermiesen zu lassen. Die Arbeit würde erst am Montag beginnen und bis dahin würde ich den Teufeln tun, um mir das kaputt machen zu lassen.

Erschöpft fiel ich spätabends ins Bett. Meine Augen schlossen sich fast augenblicklich, als mein Kopf die Kissen berührte und ich ins Land der Träume fiel.


-Elias Naumann-

"Ich will die nächsten Tage nichts von dir hören, hast du das verstanden?"

Ich schnaufte nur und Alex schien das als Reaktion zu genügen. Er und Helen hatten mich für ein paar Stunden in einem abgeschlossenen Zimmer wüten lassen, damit, wie sie meinten: "Ich keine wehrlosen Leute anfallen würde."

Meine Wut war nicht verraucht, aber der verachtende und wütenden Ton meines Alphas hatte selbst mich zur Ruhe gezwungen. Meine wölfische Seite wollte sich am liebsten auf den Boden werfen und um Verzeihung betteln, aber ich war trotzig und dominant genug, um diesem Instinkt zu trotzen und meinem Alpha herausfordernd anzusehen.

Er wusste, dass ich es nicht bereute, obwohl er meinte, dass ich mich schuldig, schlecht und vor allem übergriffig fühlen sollte. Die Ärztin anzufallen, obwohl ihr der Schutz des Rudels zustand, war für ihn beschämend gewesen. Ich hörte mir seine Predigt nun seit über einer halben Stunde an und musste es mir oft verkneifen, doch nicht noch mal gegen ihn zu wüten. Aber gerade war wirklich keine Kirschen essen mit ihm. Ich hatte eine Grenze überschritten, die er für unverzeihlich hielt. Das hatte er aber in meinen Augen auch getan.

"Du wirst dich ihr nicht ohne meine Erlaubnis nähern! Und du wirst Katharina nicht zu irgendwelchen Dingen drängen! Wenn sie will, dass Finn zur Ärztin geht, dann lässt du ihn auch gefälligst dahin! Wenn du gegen die Anweisung verstößt, schicke ich dich für Wochen auf Patrouille. Und wenn dir das nicht genug ist, kommst du von mir aus auch in die Arrestzelle!"

"Alex, ist das nicht etwas übertrieben?", fragte Helen und Alex funkelte sie an.

"Übertrieben? Er hätte Gwen beinah angefallen! Du hast doch seinen Blick gesehen!"

"Seid ihr etwas schon beim Du?", hakte ich gereizt nach, doch das Alphapaar schenkte mir nur böse Blicke.

"Du bleibst still! Nur wegen deiner Unzulänglichkeit stecken wir jetzt in der Situation. Hättest du akzeptiert, was wir gesagt haben und hättest dich nicht so gewehrt, wäre das alles nicht passiert!", schimpfte Helen mit mir und ich entschied wieder den Mund zu halten. Es hatte keinen Sinn, sie von ihrem Fehler zu überzeugen. Ich hatte schon eine Idee, wie ich ihnen beweisen konnte, dass ich richtig lag.

Während die beiden diskutierten, grübelte ich über meine nächsten Schritte nach. Diese Ärztin war viel zu jung und hatte sicherlich keine Berufserfahrung! Ich wettete, dass die beiden mir das nur so verkaufen wollten. Wenn ich es nicht schaffte, dass diese Frau von sich aus das Rudel verließ, würde ich darauf warten, das sie einen Fehler tat. Und das würde sie, wenn ich sie genug unter Stress setzte.

Nachdem mir Alex noch mehrfach drohte, verließ ich stumm das Rudelhaus. Aber meine Miene musste Bände sprechen. Viele hielten Abstand zu mir und sahen besorgt zu mir herüber. Sie alle hatten mein Verhalten mitbekommen. Und ich war sicherlich nicht der Einzige der gegen einen Eindringling war. Viele würden sich noch meiner Meinung anschließen und dann könnte Alex vergeblich versuchen alle zurückzuhalten!

Wütend stapfte ich auf das Haus von Katharina zu. Sie musste wieder längst zu Hause sein. Ob sie Finn von ihrer Schwester abgeholt hatte, wusste ich nicht, aber sie würde sich dennoch meine Meinung anhören müssen. Denn ich war wütend und enttäuscht! Ich wollte eine Erklärung und zwar eine gute! Sie hatte sich in der Vergangenheit immer an mich wenden können, und wenn es um jemand wichtigen wie Finn ging, schloss sie mich urplötzlich aus? Ich verstand die Welt nicht mehr.

Als ich die Terrasse erklomm, machte ich mir nicht die Mühe anzuklopfen, sondern stürmte direkt ins Haus. Katharina seufzte theatralisch, als sie mich von der Küche aus sah.

"Haben sie dich etwa jetzt erst gehen lassen?"

Katharina steckte sich eine ihrer blonden Strähnen hinters Ohr und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an.

"Du wusstest es von Anfang an!", zischte ich mit erhobenem Finger.

"Was? Das du einen Streit vom Zaun brichst und auf unschuldige Leute losgehst? Das habe ich eben erst erfahren", sagte sie ironisch.

"Das mein ich nicht! Du wusstest, dass mir das mit der Ärztin nicht gefallen würde und hast es vor mir verheimlicht!"

Sie schnaubte verächtlich und schob ihr Essen von sich.

"Du hast mir keine andere Wahl gelassen! Man sieht ja, wie zivilisiert du dich benimmst. Ich hatte mehr Kontrolle von dir erwartet!", sagte sie verurteilend, aber sie war diejenige, die Mist gebaut hatte und nicht ich.

"Was erwartet ihr denn von mir, wenn ihr mir ein Ultimatum vor die Nase setzt und erst eine Minute vorher Bescheid gebt? Dachtet ihr, ich würde eine fremde Frau willkommen heißen und freudestrahlend in die Arme schließen?"

"Ich dachte, du würdest dich aufregen und danach zur Besinnung kommen! Wir haben einmal Finn fast verloren und ich habe nicht vor, es ein zweites Mal so weit kommen zu lassen", sagte sie ernst.

"Ich doch auch nicht, aber dafür müssen doch nicht solche Maßnahmen getroffen werden."

"Ach, und was wäre deiner Meinung nach die Alternative gewesen?", fragte sie herausfordernd und mit verschränkten Armen.

"Was weiß ich! Wir hätten besser aufgepasst, würden die uns vertrauten Heiler regelmäßiger holen und auf Anzeichen achten!", schlug ich vor, doch sie fletschte die Zähne, als ich den Heiler ansprach.

"Du meinst also, ich soll meinem Kind noch mehr verbieten und ihm noch mehr Lebensqualität rauben, nur weil du Vertrauensprobleme und Verlustängste hast! Nicht nur du hast deinen Bruder verloren! Ich habe den Vater meines Sohnes und meinen Mann verloren, aber ich stelle mich nicht halb so kindisch an wie du!", zischte sie wütend und ich konnte nur entrüstet den Kopf schütteln.

"Ich bin nicht kindisch! Und ich habe deinen Schmerz nicht vergessen. Aber denk dran, was uns unsere Freundlichkeit damals alles gekostet hat! Ein Parasit kann schon das ganze Rudel heimsuchen und ich habe nicht vor, so untätig wie letztes Mal rumzustehen!", sagte ich sauer und verletzt. Ohne ihre Antwort abzuwarten, marschierte ich aus dem Haus. Es hatte eh keinen Sinn, mit ihr zu diskutieren. Heute würde ich der Böse bleiben.

"Du bist irre! Und du übertreibst! Komm erst wieder zu mir, wenn du dich beruhigt hast!", schrie sie mir hinterher, doch ich ignorierte sie und genoss den süßen Schmerz, der mich umfasste, als ich mich in meine wölfische Form begab. Ohne drüber nachzudenken lief ich den Wald und versuchte Dampf abzulassen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top