Kapitel 11

-Gwen Williams-

Die Fahrt dauerte an die acht Stunden mit den ganzen Zwischenstopps bis zur Kleinstadt. Dementsprechend fertig war ich auch, als ich mit meinem vollen Golf in der Stadt ankam. Der Wagen hatte schon viele Jahre auf dem Buckel und ich benutzte ihn nur selten, da die Portale oder es zu Fuß einfach viel schneller in der Stadt war. Ich hatte aufgrund dessen ein paar Startschwierigkeiten und fuhr auf der Autobahn etwas langsamer.

Gähnend suchte ich nach einem Café oder einer Bäckerei, in der ich kurz Pause machen konnte. Ich wollte was zwischen die Zähne bekommen und am besten schon mal was für morgen und übermorgen kaufen. Nicht das ich morgen sofort wieder ins Auto steigen musste. Am liebsten würde ich das Steuer die nächsten Wochen komplett meiden.

Nachdem ich eine Konditorei entdeckt hatte, die zum Glück freitags noch so lang geöffnet hatte, parkte ich etwas abseits auf einem kleinen Parkplatz und lief den restlichen Weg. Meine Beine waren schon recht verkrampft und ich musste meinen Nacken dehnen, um die stechenden Schmerzen loszuwerden. Hoffentlich würde es morgen nicht schlimmer werden.

An der kleinen Konditorei angekommen öffnete ich die Tür. Es klingelte, als ich den kleinen und gemütlich eingerichteten Laden betrat.

"Bin gleich da!", rief eine Frauenstimme aus einem Hinterzimmer. Ich lief gemächlich auf den Tresen zu und sah auf all die süßen Speisen. Für eine Konditorei hatten sie einiges an Auswahl da, aber so was wie Brot sah ich leider nicht. Da müsste ich vielleicht doch einen Supermarkt suchen.

Eine schlanke und hellblonde Frau kam lächelnd aus dem Nebenraum. Sie strahlte mich an und stellte sich vor mich auf die andere Seite des Tresens.

"Schon was gefunden?", fragte sie freundlich und ich sah mir alle Speisen nochmal genauer an.

"Ich fühl mich ehrlich gesagt ein wenig von der Auswahl erschlagen. Alles sieht so gut aus", sagte ich freundlich und die Frau am Tresen lächelte begeistert.

"Nehmen sie sich ruhig Zeit. Aber wenn sie eine Empfehlung brauchen. Ich mache ausgezeichnete Torten. Nehmen sie doch ein Stück von denen"

"Ihnen gehört der Laden?", fragte ich nach. Die Frau musste in meinem Alter oder vielleicht ein wenig älter sein. Sie nickte und deutete nach draußen.

"Auf dem Schild steht mein Name. Ich habe die alte Bäckerei, die hier vorher drinnen war, gekauft und hier ein bisschen Veränderung hineingebracht."

Ich nickte bloß.

"Gut, dann nehme ich ein Stück Erdbeertorte zum hier essen und von diesen Quarktaschen würde ich dann noch drei zum Mitnehmen haben wollen."

Die Frau nickte und bereitete meine Bestellung vor. Dankend nahm ich das Essen entgegen und gab ihr das Geld. Danach setzte ich mich an einen der Tische und aß schweigend mein Tortenstück auf. Die restliche Strecke durfte ich durch Wald und Pampa fahren. Darauf hatte ich wenig Lust.

Die Kronemanns hatten mir keine Adresse geben können, sondern einen Standort mitten im Wald zukommen lassen, zu dem ich mit dem Auto über eine weitere Stunde fahren musste. Und es war kurz vor fünf. Ich würde wirklich spät ankommen.

Seufzend aß ich das Tortenstück, während einige Laufkundschaft bei der Frau am Tresen bestellten. Als ich fertig mit meinem Stück war, wollte ich nicht aufstehen, um mich auf die Suche nach einem Lebensmittelgeschäft zu machen, aber ich sollte nicht weiter trödeln.

"Danke für die Torte. Es war sehr lecker", sagte ich, als ich den Teller zurückbrachte. Die blonde Frau nahm ihn lächelnd entgegen.

"Freut mich zu hören. Vor allem bei neuen Kunden."

Ich hob den Mundwinkel und wollte mich schon gehen abwenden, aber ich hielt mich doch noch zurück.

"Können Sie mir zufällig sagen, wo hier der nächste Supermarkt ist?"

Sie schmunzelte und lief zur Fensterfront und zeigte in die Richtung, aus der ich kam. „Weiter den Hang nach oben. Dann sollten sie irgendwann ein Rewe auf der rechten Seite finden. Das hat dann auch samstags geöffnet."

Ich sah dankbar zu ihr rüber.

"Danke sehr."

"Sie sind neu hier oder? Woher kommen sie denn?", fragte sie neugierig nach.

"Aus Hannover. Ich bin aus beruflichen Gründen hier für eine Weile", erklärte ich und es erschien Erkenntnis auf ihrem Gesicht.

"Ach, dann müssen sie bestimmt die Frau sein, die Alexander eingestellt hat. Freut mich, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Katharina, aber Sie können mich gern Kathi nennen", sagte sie erfreut und reichte mir plötzlich Hand.

Etwas verwundert über ihre Reaktion, nahm ich die Hand entgegen und schüttelte sie.

"Gwen Williams mein Name. Kennen Sie denn Herrn Kronemann gut?", hakte ich verwundert nach und Katharina lachte.

"Ja, so kann man das auch sagen. Wenn ich ihnen eine Empfehlung geben kann. Wenn sie in den Wald fahren, nehmen sie die vorletzte Kreuzung nach rechts. Dort ist ein Schild, das kennzeichnet, dass das Gelände nicht betreten werden darf. Aber sie dürfen dadurch fahren. Dann kommen sie wesentlich schneller an."

"Ok, danke für den Tipp", sagte ich zaghaft, bevor ich den Laden verließ. War dieser Herr Kronemann so bekannt oder war das eben auch ein magisches Wesen, welches ich bloß nicht erkannt hatte? Ich spürte normalerweise, wenn Wesen einen Schutzzauber trugen. Aber vielleicht war mir auch nichts aufgefallen, weil ich zu müde war. Ich hoffte einfach, dass die magischen Bewohner im Wald und Umgebung nicht zu offen mit ihren Aufenthaltsorten umgingen.

Beim Supermarkt angekommen, kaufte ich mir nur das Nötigste für das Wochenende und lud das in meinen überfüllten Wagen. Die Fahrt in den Wald gestaltete sich wie zu erwarten in eine rumpelige Angelegenheit und als ich nach einer Stunde das Schild mit dem Betreten verboten sah, rief ich kurz Alexander an.

"Hallo Herr Kronemann, Doktor Williams hier. Ich bin schon im Wald und bin gerade an der vorletzten Kreuzung der Straße. Mir wurde vorhin empfohlen, hier nach rechts abzubiegen. Darf ich das machen, ohne Probleme?"

"Natürlich dürfen sie das. Soll ich ihnen jemanden schicken, der sie abholt und von dort begleitet?"

"Das wird hoffentlich nicht nötig sein. Wenn ich mich verfahre, melde ich mich noch mal bei ihnen."

"Sehr gut, dann bis gleich!"

"Bis gleich", sagte ich und legte auf. Dann hatte Katharina wohl die Wahrheit gesagt. Ich fuhr nach rechts auf den unebenen Waldboden und fuhr etwas langsam, da kein gut erkennbarer Weg ersichtlich war.

Es sah aus wie ein etwas breiterer Pfad, den lange keiner mehr entlang gegangen war. Hoffentlich würde es noch breit genug für den Wagen bleiben.

Nach einer Weile musste ich mich immer wieder umgucken, da der Weg in mehrere Richtungen abzubiegen schien, doch ich orientierte mich an dem angegebenen Standort auf dem Navi und fuhr eine Weile langsam durch den Wald.

Ich hatte das Fenster geöffnet, um mögliche Geräusche von Wesen oder Menschen besser hören zu können. Die Musik hatte ich schon runtergedreht. Ich machte das Licht an, da es durch die dichten Bäume und dem dämmrigen Abendlicht schwer war, noch alles zu erkennen.

Ich blickte aus meinem linken Fenster und bekam den Schock meines Lebens. Ich bremste und sah mit großen Augen zwei Wölfe in einiger Entfernung mich beobachten. Sie sahen mich an und legten den Kopf schief. Seit wann waren Wölfe denn im Schwarzwald unterwegs? Ich hätte mich vorher informieren müssen!

Ich wartete mir rasendem Herzen das, was passierte, doch die beiden Wölfe liefen nicht auf mich zu, sondern trotteten nach kurzer Zeit in die Richtung, zu dem mein Navi zeigte.

Ich strich mir seufzend übers Gesicht. Normalerweise hatte ich kein Problem mit wilden Tieren, aber es hatte mich dennoch erschrocken. Wenn ich in ein Wolfsterritorium herumfuhr, konnte ich nicht abschätzen, wie diese reagierten. Aber sie schienen sich nicht an meiner Anwesenheit gestört zu haben.

Mit klopfenden Herzen fuhr ich langsam weiter. Ich beobachtete jeden Winkel mit Argusaugen und nach zweieinhalb Kilometer lichtete sich der Wald etwas. Ich hörte Stimmen und sah aus der Entfernung Licht. Erleichtert endlich angekommen zu sein, fuhr ich etwas schneller.

Doch als etwas aus dem Gebüsch neben mir vor mein Auto huschte, bremste ich geschockt.

"Was zum!", sagte ich fassungslos, als drei Wölfe an dem Auto hechelnd vorbeiliefen.

"Das soll doch ein Witz sein!"

Ich war kurz davor, aus dem Wagen zu steigen, doch ich hatte eine leise Vorahnung, als ich immer mehr Stimmen und Geräusche aus der Nähe hörte.

Ich fuhr langsam an den letzten Bäumen vorbei, die meine Sicht versperrten und bekam große Augen, als ich mehrere Holzhütten zu sehen bekam. Es sah wie ein verdammtes Dorf mitten im Wald aus und überall sah ich lachende oder sprechende Leute stehen.

Ich würde ja damit klarkommen, wären nicht in regelmäßigen Abständen abartig riesige Wölfe unterwegs, die entweder in den Wald trotteten oder in Gruppen anderen zuhörten.

Einige Welpen zankten sich nicht weit um ein Stück Fleisch und ich atmete tief durch, als mir bewusst wurde, wo ich mich befand.

Ich war in einem Werwolfsrudel. Und bin direkt in ihr Dorf gefahren! Ein Kichern stieg meine Kehle hoch und ich musste lachend den Kopf in den Nacken legen. Das war einfach so unerwartet, aber doch offensichtlich gewesen!

Ich wischte mir die Tränen, die vor Lachen entstanden sind, weg und versuchte mich nicht von den Wölfen, die neugierig an meinem Wagen vorbeiliefen, einschüchtern zu lassen.

Hätte ich bloß ein wenig besser recherchiert, hätte ich sofort wissen müssen, dass es sich bei Alexander und Helen um Werwölfe handeln müsste. Alexander hatte Helen sogar als seine Gefährtin bezeichnet. Die von ihrer Göttin Luna ausgewählte Partnerin, an denen sich Werwölfe banden. Und so tief im Wald... Da lebten nicht mehr viele Wesen mit ihrer "Familie".

Ich empfand es schon als sehr irrwitzig, dass mir ausgerechnet Werwölfe, diese robusten und zähen Gestalten ein Jobangebot als Ärztin gemacht hatten. Ihre Wunden verheilten schnell, sie wurden selten krank und waren das Kämpfen und die daran gebundene Schmerzen gewohnt. Weshalb war ich dann hier?

Wenn ich es richtig im Kopf hatte, sollte ich als Privatärztin für ihre Familie herhalten. Damit meinten sie sicherlich ihr ganzes Rudel, was Wölfe für gewöhnlich als Familie bezeichneten. Ich würde also eine Rudelärztin werden. Und wenn ich die Größe der Siedlung nicht überschätzte, dann für mehrere Hundert Werwölfe.

Ich schlug mir kurz gegen die Wangen, um diese Nachricht besser zu verdauen. Ich war so blind! Natürlich konnte ich nicht von allen eine Krankenakte anlegen. Das würde Wochen, wenn nicht sogar Monate in Anspruch nehmen!

Ich war so in meinen Gedanken vertieft, dass ich zusammenzuckte, als ich ein Klopfen an der Scheibe hörte.

"Sie sind doch Williams oder? Alex will sie beim Gemeinschaftshaus treffen. Ich bring sie hin", erklärte ein großer Mann mit einem Lächeln. Ich nickte und fuhr ihm nach, nachdem er mit schnellem Tempo loslief. Er führte mich durch das rege Dorf mitten im Wald und ich sah viele Hütten nah beieinanderstehen und einige im Wald, die etwas abgelegener lagen.

Überall liefen Werwölfe in menschlicher oder in wölfischer Gestalt umher und ich konnte vor Staunen kaum die Augen von ihnen lassen. In der Stadt lebten Werwölfe für gewöhnlich nicht und ich hatte bisher auch noch nie einen behandelt.

In meinem fünften Semester hatten wir die Anatomie und den Aufbau von Gestalt und Tierwandlern vorgenommen und die Werwölfe waren mit ihrer hohen Anzahl und sehr humanen Art das vorzeige Beispiel der Lykanthropie und Theriantrophie. Nun so viele auf einmal zu sehen war schon sehr erstaunlich und ein Privileg als jemand, der von außerhalb kam. Ihr Rudel und ihr Land war ihnen sehr heilig und sie waren nicht gerade für ihre Gastfreundschaft gegenüber Fremden bekannt.

Als der junge Mann vor dem größten Gebäude in der Siedlung anhielt und mir zuwinkte, winkte ich zum Abschied zurück. Vor mir war ein großes eckiges Gebäude, welches wohl das Rudelhaus sein musste. Es sah sehr einnehmend aus.

Ich stieg aus meinem Wagen und zog mir meinen Mantel über. Hier war es ein wenig frischer, aber es wurde auch bald dunkel. Ich blickte mich kurz um und wollte schon zum Rudelhaus gehen, als ich Alexander und Helen nach einem wütend aussehenden Werwolf aus dem Rudelhaus treten sah. Der dunkelhaarige Mann, der es mit der Größe von Alexander aufnehmen konnte, brüllte diesen ungeachtet aller Augen an.

"Du bist bescheuert, wenn du denkst, ich mach da mit!", sagte er aufgebracht und die tiefe seine Stimme überraschte mich. Er war genauso breit und muskulös, wie ich es von einem dominanten Werwolf erwarten würde, aber diese Größenverhältnisse nicht nur im Studium zu studieren, sondern auch selbst vor Augen geführt zu bekommen war etwas anderes.

"Elias hör auf damit! Es ist beschlossene Sache und damit wars das!", sagte Alexander streng und mit verschränkten Armen, doch der eben genannte Elias sah ihn aus wütenden, blitzenden Augen an.

"Wage es nicht über meinen Kopf hinweg zu entscheiden! Ich will das die Hexe verschwindet und die Finger von meinem Neffen lässt!"

Ich wusste zwar nicht, um wem es ging, aber als Alexanders Blick meinen streifte und er mich aus großen Augen ansah, wusste ich, dass das nichts Gutes bedeuten konnte. Der dunkelhaarige Mann, der Alexanders Blick bemerkte, wandte sich um und sah mir direkt in die Augen. Das konnte ja noch witzig werden.

...

Endlich sind die Werwölfe da, was? Wurde ja auch endlich Zeit XD Schon neugierig geworden in welche Schwierigkeiten Gwen sich nun gebracht hat?

Mit diesem Kapitel ist die Lesenacht beendet und ich bedanke mich bei jedem der dabei war und fleißig mitgelesen hat. Am Montag erfolgt wieder der normale Uploadplan. Und wer weiß? Vielleicht erfahrt ihr dann etwas mehr über Elias ;)

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top