KAPITEL 35
Die nächsten Tage vergehen wie im Flug. Für die Silvester-Party ist mittlerweile alles fertig geplant, die Einladungen verschickt und ein neuer Post ist dazu hochgeladen, bei dem ich allen Leuten ein Update gebe. Ich bin aufgeregt, weil es morgen schon so weit ist. Heute Abend würden, Mily, Harely, Derek und ich zu dem Ort fahren, an dem wir alles geplant haben und alles dekorieren. Und am Vormittag will Mily mit mir Kleider shoppen gehen, damit wir auch entsprechend schön aussehen. Da kann ich natürlich nicht nein sagen.
Doch im Moment ist es noch neun Uhr, ich bin gerade erst aus den Federn gefallen, habe gefrühstückt und noch haufenweise Zeit, da heute Samstag ist. Unruhig blicke ich in meinem Zimmer umher und öffne eine Schreibtisch-Schublade. Dann ziehe ich all meine Utensilien heraus. Haufenweise ausgefüllte Fragebögen liegen nun vor mir am Boden.
Ich beiße die Zähne zusammen. Ich habe mich dafür entschieden, das alles hinter mir zu lassen. Ich habe längst den Mann gefunden, den ich wollte. Auch, wenn alles etwas anders ist. Also lese ich mir die Fragebögen alle noch ein letztes Mal durch, ehe ich sie der Reihe nach in einem Müllsack verschwinden lasse.
Ich muss loslassen. Mein Blick schweift über den nächsten Bogen. Eine Familie gründen ... Der nächste. Glücklich werden. Der allernächste. Gesund werden. Und der darauf. Meine Cousine heiraten.
Alle Fragebögen landen nacheinander im Müllsack. Systematisch mustere ich aus und lese mir alles noch ein letztes Mal durch. Kinder kriegen ... Ein Auto kaufen ... Weltfrieden ... eine andere Frau namens Carol will sich selbständig machen und ein anderer wiederum, wieder unter einen Chef kommen. ... Es sind die unterschiedlichsten Menschen.
Ich lese weiter und lasse die nächsten in den Müll wandern. Dabei wippe ich mit meinem Kinn mit, so als müsste ich mich selbst bestätigen. Durchatmend lese ich weiter.
Der Hund soll wieder leben ... pinke Lackstiefel ... ich seufze und lasse die beiden ebenfalls verschwinden. Eine eigenes Modelaibl ... kein Hunger mehr ... Zusammenhalt ... ich stocke, atme durch, dann schweift mein Blick zurück.
ZUSAMMENHALT ... Mein Mund klappt auf. Habe ich mich gerade verlesen? Ich ziehe den Bogen näher und starre darauf. Zusammenhalt. Es stehe da. Mein Herz fängt an zu rasen.
Wunsch: Zusammenhalt. Meine Kehle wird trocken. Schnell schweift mein Blick auf den Namen. Mein Herz bleibt stehen ... Ein Scott, Harley Scott ... WAS? Ich springe auf und reiße meine Tür auf.
„Harley! Harley wo bist du?" Ich stürme aus meinem Zimmer und finde ihn im Wohnzimmer. „Was soll das?"
„Was soll was?" Er kommt mir unwissend entgegen.
„Warum hast du einen Fragebogen ausgefüllt und ... ich dachte - ich ..." Ich stocke, das alles kann ich einfach nicht fassen.
„Ähm, ..." Er nimmt mir den Zettel ab und mustert ihn. "Ach so der ..." Er schmunzelt. „Denn hab ich in der Nacht ausgefüllt, als wir uns das erste Mal gesehen haben und du in meinem Bett geschlafen hast. Mir war langweilig und ich ..." Er reibt sich am Hinterkopf „Ich wollte wissen welche Fragen du da all den Leuten gestellt hast und da ...„ Er zuckt mit den Schultern. „Nun ja ..."
„Du hast ihn ausgefüllt?" Er nickt verwirrt, weil man das ja wohl sehen kann."Das kann nicht sein."
„Was kann nicht sein?", fragt er unsicher.
„Dein Wunsch! Dein Wunsch." Ich schüttle den Kopf und spüre, wie mein Körper anfängt zu beben. „Du Trottel, warum hast du denn nie etwas gesagt?"
„Ähm, hätte ich es denn sagen müssen?" Ich schüttle den Kopf. Dann lasse ich den Bogen fallen und umarme ihn oder presse ihm die Luft aus den Lungen, das kann auch sehr gut sein.
„Zusammenhalt ... Das ist dein Wunsch. Dass wir alle zusammenhalten. Alle Menschen. Weil wir gleich sind" murmle ich.
„Ja. Was ist damit?", raunt er und hebt mich hoch.
„Es ist mein Wusch." Ich blicke ihm in die Augen. „Du warst die ganze Zeit vor mir ..." Ich muss grinsen. „Harley Scott. Ein Wunder!" Er grinst zurück und lehnt seine Stirn an mich.
„Ich hab dir doch gesagt, dass sich all deine Wünsche erfüllen werde." Das hat er. Und ich werde noch lange brauchen, bis ich darüber hinwegkommen werde.
*
Danach habe ich alle Fragebögen weggeschmissen, außer den von Harley, den ich heimlich behalte und in meinen Nachtisch stopfe. Anschließend habe ich ihm einen fetten Kuss auf die Wange gegeben, ehe ich mit Mily los bin, um Kleider zu besorgen. Jetzt stehen wir in einem Geschäft für aufwendige und schöne Kleider. Meine beste Freundin dreht sich zu mir, als ich gerade herumstöbern will.
„Du siehst glücklich aus", stellt sie plötzlich fest und mustert mich.
„Das bin ich auch", grinse ich. „Ich hab so ein Glück mit euch allen." Sie schmollt süß und zieht mich an sich.
„Und ich mit euch auch." Ich drücke sie an mich, drücke ihr einen Kuss auf den Kopf und atme durch. Dann löse ich mich wieder von ihr.
„Und jetzt, lass uns Kleider shoppen gehen." Wir brauchen nicht lange, bis wir losgehen.
„Wir brauche lange, edle Kleider", behauptet Mily und schlendert weiter. „Welche Farbe willst du?" Ich überlege nicht lange.
„Schwarz oder blau." Dann schmunzle ich. „Aber es wird wohl kaum an das Kleid herankommen, das ich auf dem Konzert anhatte. Vielleicht sollte ich einfach ...?"
„... das Kleid wieder anziehen? Auf keinen Fall. Wir sparen kein Geld." Wir lachen gleichzeitig. „Und wir finden schon was Schönes. Wir toppen heute alles." Aufgeregt schlendere ich mit ihr weiter durch die Reihen. Dann bleibe ich abrupt stehen, als mir ein rotes Prachtexemplar entgegenspringt.
„Mily, du willst doch bestimmt rot, oder?" Ich sehe es mir genauer an und halte es ihr hin. Sie reißt ihren Mund auf.
„Wie schön."
„Ja, oder? Es passt perfekt zu dir" schwärme ich. Dann tippt Mily mit ihrem Fuß auf den Boden.
„Ja, bestimmt. Aber lass uns noch kurz weiterschauen, vielleicht finde ich noch was Besseres ..."
„Ja, aber wir können ja auch mehr anprobieren", schlage ich vor.
„Das hatte ich auch vor", lächelt Mily. „Aber wir müssen jetzt erst mal ein Kleid für dich finden. Blau sagtest du?" Ich brumme ein Ja und werde mitgezogen. Wir sehen uns weitere Kleider an. Aber keins ist das Richtige.
„Und das?" Mily hält mir ein anderes hin. Es ist hellblau.
„Auch nicht. Da gefallen mir die Schnüre nicht." Ich zeige darauf. „Geht gar nicht." Ich wende mich ab und suche weiter. Irgendwo muss doch etwas sein. Dann höre ich ein Kreischen, das mich zusammenzucken lässt. Ich weiß sofort, dass es von Mily kommt. Hecktisch drehe ich mich um.
„Oh mein Gott! Das ist es!" Sie kommt mir entgegengestürmt und hält mir ein nachtblaues Kleid hin. Es fällt schön zu Boden, hat Verzierungen, die aussehen wie fließendes Wasser auf Kristall. Mily drehte es um.
"Ich liebe Rückenausschnitte", bringe ich begeistert heraus, als ich ihn erblicke.
„Ich weiß doch", jubelt Mily. "Du musst es anziehen!" Ich habe nichts einzuwerfen, sondern schnappe es mir und stürme in die Umkleide.
„Und du musst das rote von vorhin anziehen", erkläre ich und warte, bis es Mily sich geholt hat. Dann ziehen wir beide grinsend unsere Vorhänge der Kabinen zu.
Lets start this shit!
*
Am Ende der Shopping-Tour haben wir die beiden Kleider gekauft, weil sie einfach perfekt zu uns passen. Mit vollen Bäuchen, neuen Schuhen und vollen Taschen kommen wir nach Hause.
„Na endlich." Derek steht vor uns. „Ich bin schon seit einer halben Stunde hier", murmelt er genervt. „Jetzt aber schnell." Auch Harley kommt und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Beeilt euch, es ist schon spät. Wir müssen jetzt wirklich los." Aufgeregt stellen Mily und ich unser Zeug ab und schwingen uns in das bereits beladene Auto von Harley. Wir brauchen eine Stunde zu unserem Ort. Es ist ein freier Platz draußen, mit einer Bühne, wo im Fasching die Garde und die Tanzgruppen auftreten. Man hat sie extra für uns wieder aufgebaut. Dann steigen wir alle aus, packen unser Zeug aus, das nur so strotzt vor Deko, Aufstelltischen und anderem brauchbaren Kram.
„Kann es losgehen?", frage ich außer Atem, hibbelig und voller Adrenalin.
„Das kann es." Mily nimmt meine Hand. „Wir machen Deko. Die Jungs die Tische und Derek das Feuerwerk zusätzlich. Alles andere ergibt sich dann noch."
Und so machen wir es. Ich wirble über den ganzen Platz, verteile Kerzen, Tischdeko, Tischdecken, ... und alles, was man schon hierlassen kann. Servietten und Besteck werden erst morgen auf die Tische kommen.
„Was ist, wenn es regnet?", fällt mir plötzlich ein. Harley taucht neben mir auf und hält mir sein Handy hin.
„Siehst du, für morgen ist Sonnenschein vorhergesagt." Er grinst. Mily stemmt die Hände in die Hüften.
„Aber das ist doch keine Absicherung. Ich will hier heute nicht alles umsonst machen."
„Das wirst du auch nicht." Derek erscheint hinter ihr. „Alles wird gut, kleine Zicki."
„Wie hast du mich gerade genannt?" Mily will ihn schubsten, da greift aber Harley noch rechtzeitig ein.
„Kein Streit heute", behauptet er. „Weiter an die Arbeit!" Alle gehorchen. Auch ich mache weiter. Morgen würde schon alles passen. Es würde alles perfekt werden. Das hoffte ich. Und als wir fertig sind, ich und Mily uns abklatschen und wir völlig verschwitzt zurückfahren, weiß ich, dass es ein Abschluss ist. Ein Abschluss. Morgen an Silvester würde ich abschließen. Es ist zum Greifen nahe.
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