KAPITEL 13
„Guten Morgen!", begrüßt mich Harley und reicht mir einen Cappuccino, den ich fast fallen lasse vor Verwirrung, als ich ihm am nächsten Morgen die Tür aufmache. „Dein Lebenselixier, bitte schön." Dann quetscht er sich bei mir vorbei in die Wohnung.
Ich sehe ihn fragend an. „Was machst du hier?" Doch mein Blick schweift schon längst zum Cappu, den ich gierig anstarre und seinen Geruch in mich einziehe. Mhhhh ...
Er dreht sich zu mir um. „Ich hol dich ab und fahre dich auf den Campus? Nach was sieht es sonst aus? Außerdem holen wir danach deine Katze ab", stellt er fest und ich beeile mich, mein Zeug zusammenzukratzen.
„Das ist lieb von dir. Aber normal nimmt mich Mily immer mit ...", will ich erklären.
„Ach was ..." Meine Freundin lugt um die Ecke. „Nimm sie mit, ich komm schon klar." Dann ist sie wieder weg. Dann wieder da. „Ach so, und guten Morgen!" Dann wieder weg. Ich beiße mir auf die Innenseite meiner Backe, um nicht zu grinsen.
„Na da hörst du's." Harley mustert mich. „Hast du alles?"
Ich sehe mich hektisch um. Handy, Essen, weil ich das in der Cafeteria nie wieder probieren werde. Ich konnte es Mily nicht glauben und hab selbst mein Glück versucht. Der Salat ist sogar ok. - Aber etwas welk. Und leider ist er auch das Einzige Essen, das man als solches erkennen kann. Da nehme ich mir lieber selbst etwas mit ... und was sonst noch? Block, Stifte ... „Ich glaube schon", bringe ich schließlich heraus.
„Du glaubst?"
„Ja, ich glaube. Komm, lass uns gehen, so schlimm wird es schon nicht sein, wenn ich etwas vergesse ..." Mein Blick fällt auf den Wohnungsschlüssel, nach den ich schnell angle. „Jap, jetzt hab ich alles." Ich puste mir meine Haare aus dem Gesicht und versuche diese Szene, die nach Peinlichkeit schreit, nicht zu nahe an mich heranzulassen.
Wenig später sitzen wir im Auto. Ich sitze unruhig auf dem Sitz. Meine Gefühle spielen verrückt. „Holen wir heute wirklich die Katze ab?" Ich hatte noch nie ein Haustier. Nur die im Laden und früher eine Schildkröte von Milys Eltern, die aber früh verstorben ist.
Harley schmunzelt. „Darauf kannst du wetten!" Seine Augen verharren einen Moment auf meinem Gesicht, das ich nicht bewege, weil meine ganze Welt sonst aus den Angeln gehoben würde. So fühlt es sich zumindest an. Ein falscher Mucks und ich bin ... mein Blick fällt auf seine Arme, die das T-Shirt spannen ... ich bin erledigt. Warum sind seine Muskeln nicht wirklich unsichtbar? Ich meine, ich bin nicht so eine, die auf so etwas anspringt aber ... Dann startet er das Auto und fährt los.
Ich atme durch und versuche mich wieder zu sammeln. „Wow. Ich bekomme wirklich eine Katze", stelle ich für meinen Geschmack etwas zu trocken fest und haue schnell noch etwas nach. „Ich kann es nicht glauben." Das meine ich ernst. Ich spüre die Aufregung in meinen Adern pulsieren. Komischerweise wird sie immer stärker, wenn ich Harley ansehe.
„Jap. Hast du schon einen Namen?" Er schielt kurz zu mir rüber, behält aber, wie ein vorbildlicher Fahrer, die Straße im Blick.
„Nun ja ...", murmle ich leise, mit kratziger Stimme. "Ich denke ich entschiede das spontan."
„Deine Entscheidung." Wenig später sind wir da und ich steige aus. Harley steht vor mir.
„Um die Mittagszeit wieder hier. Dann kannst du deiner Katze einen Namen geben." Damit verabschiedet er sich. „Sei ja pünktlich. Ich warte nicht gerne." Er zwinkert mir zu und geht dann.
Ich bleibe beim Auto stehen. Traue mich kaum zu atmen. Ich blinzle. Kann ich ihn einfach so gehen lassen?
Meine Beine bewegen sich, langsam und werden immer schneller. „Ha-Harley?", schreie ich ihm hinterher. „Nicht so schnell, ich ..." Er dreht sich um und mich befällt ein komisches Gefühl. „Ich muss mich noch bedanken."
„Fürs fahren?" Ich nicke stumm. „Ach was, ich wäre die Strecke so oder so gefahren."
„Wenn du meinst." Ich tippe von einem Fuß auf den anderen. "... aber auf jeden Fall nicht die zum Tierarzt."
Er grummelt. „Weißt du, Devs?"
„Nein, weiß ich nicht. Was denn?" Ich ziehe belustigt eine Augenbraue hoch. „Ich bin keine Hellseherin."
Er grinst, wird aber augenblicklich ernster und geht nicht auf meine Worte ein. „Du könntest mit den Micky-Mouse-Outfits von Mily wirklich Männer beeindrucken."
Dann ist er weg.
*
Dieser eine Satz beschäftigt mich den ganzen Vormittag über, bis zu den Pausen und wieder zurück. Als ich mich von Mily verabschiede, der ich nichts davon gesagt habe, sonst hätte sie mich - nein wahrscheinlich Harley - getötet, drückt sie mich fest an sich.
„Pass auf, dass dieser Möchtegern-Assistent, keinen Bockmist baut", nuschelt sie.
„Wie kommst du drauf?" Ich ziehe eine Augenbraue hoch und muss grinsen.
„Man weiß nie, bei solchen Typen", grummelt sie.
„Kann es sein, dass du ihn nicht magst?" Ich löse mich von ihr und mustere sie.
„Nein, er ist schon ganz nett ... Wirklich", gibt sie zu, als ich etwas dagegen sagen will. „Aber ..."
„Aber du bist eifersüchtig?"
„Ich kann nichts dafür." Sie hebt ihre Hände. „Lange hatten wir beide nur uns. Nach, du weißt schon. Nach der Sache mit Janick", krächzt sie heißer.
„Ich weiß." Behutsam, als wäre Mily zu zerbrechlich im Moment, drücke ich sie nochmal an mich. „Wir sollten uns heute Abend nochmal alle zusammensetzen und weiter recherchieren und planen." Als ich gerade zum wartenden Harley gehen will, drehe ich mich nochmal kurz um. „Weißt du was? Lade Derek auch ein. Er kann dir helfen."
„Was? Warum? Bei was helfen?" Sie verschränkt ihre Arme vor der Brust und verzieht ihre Lippen.
„Das wirst du dann schon sehen. Ich sag Harley, dass er dir seine Nummer schicken soll." Damit gehe ich, steige grinsend zu dem Döner-bringenden-Typen ins Auto und frage mich, wie ich nur hier reingeraten bin.
*
Als ich die Haustür öffnete, muss ich breit lächeln, als ich die Tierbox abstelle und mich ausziehe. Harley tritt neben mich.
„Aufgeregt?", fragt er und kniet sich auf den Boden.
„Jap. Aber sie wird sich hier schon wohlfühlen." Er öffnet die Box und wir warten. Ich setze mich neben ihn auf den Boden.
Wir warten lange. Sagen nichts. Mily ist auch noch nicht zuhause. Es ist still. Dann höre ich auf einmal ein kleines Miauen. Eine unsichere Pfote. Dann ist die Katze ganz langsam draußen. Mein Blick fällt augenblicklich auf die drei Beine. Das vierte musste ihr abgenommen werden. Ich schließe kurz meine Augen, um die Bilder vor dem Laden, die mich wieder heimsuchen, zu verdrängen: Sie hat es geschafft.
Ich halte ihr meine Hand hin und sie schnuppert leicht. Als ich zu Harley hochblicke, grinst er. „Sie heißt Pearl."
„Pearl? Wie die Black Pearl?", lacht er.
„Jap. Sie ist eine schwarze Schönheit und außerdem ..." Ich streichle sie sanft am Kopf und freue mich, dass sie mich gewähren lässt. „... außerdem hat sie auf der Stirn einen ganz kleinen weisen Punkt."
Dereks Freund kommt näher heran. „Stimmt. Der Name gefällt mir."
„Perfekt." Ich klatsche in die Hände. „Komm lassen wir Pearl sich langsam eingewöhnen. Wir trinken jetzt drauf."
„Ähm ich denke nicht, dass das so eine gute Idee ist. Es ist drei Uhr nachmittags", stellt Harley beunruhigt fest.
„Jaaa, du Spielverderber ... nur ein kleines Glas", bettle ich. Als er nicht aufstehen will, komme ich zu ihm und greife nach seinem Arm. Dann ziehe ich. „Komm schon."
Er lacht. „Du weißt, dass du mich nie hochbekommen würdest."
Ich schnaufe. „Das sehen wir schon noch." Gerade als ich loslassen will, greift er nach meiner Hand und zieht mich zu sich. Überrumpelt falle ich über seine Beine und lande fast auf der Katze. "Harley!", meckere ich entsetzt. „Ich will doch eine gute Katzenmutter sein und die erdrücken ihre Kinder sicherlich nicht."
Er lacht schon wieder und sieht auf mich herunter. „Das war ein Unfall. Ich hab meine Kraft unterschätzt." Er hilft mir hoch.
„Ach wirklich? Ich glaube du hast sie überschätzt!" Ich schüttle den Kopf, strecke ihm die Zunge raus und packe seine Hand. „Jetzt bist du mir aber was schuldig."
Gesagt getan. Wir trinken einen auf Pearl.
Ich weiß nicht, ob das so gut ist.
Aber ich kann nicht anders als lachen. Immer wieder.
Und es fühlte sich gut an.
*
Es ist mehr als nur einer geworden. Mit hämmerndem Kopf sitze ich auf Harleys Schoß vor meinem Bett. Das Papier fühlt sich kalt in meinen Händen an. Ich habe schon lange genug gewartet, will mich drücken, aber auf einmal scheint alles so leicht. Ich kichere in mich hinein, als ich den Brief aufmache.
Bin ich betrunken? Ich habe doch keinen Whiskey getrunken? Reimt sich das? Ich pruste los. Harley schlingt von hinten seine Arme um mich. „Wir sind so was von betrunken", nuschelt er hitzig.
Ich kichere weiter. „Warte, warte." Ich drücke meine Brust nach oben und räusperte mich. Dann lese ich vor.
„Hallo mein Schatz,
hier ist der dritte Brief, den du von mir bekommst. Ich wusste, du würdest ihn finden." Ich stelle meine Stimme komisch und lese weiter.
„Als ich mit Joanna abgehauen bin, wurde mir klar, dass ich mehr als nur eine Flucht brauche. Eine richtige Veränderung. Mehr ... also entschloss ich mich, meinen Beruf aufzugeben und etwas Neues anzufangen. Ich fing an ..." Ich pruste und klopfe Harley von hinten auf den Kopf. „Hörst du das?" Er will mich wieder kitzeln, ich lese aber weiter.
„Ich fing an Konditorin zu lernen, in meinem Alter. Wollte alles besser machen und all mein Herzblut hineinstecken. Es war großartig. Aber hatte leider auch seine Schattenseiten. Ich hatte alles unterschätzt. Die Arbeit. Die Zeit. Die Kollegen. Und vor allem den Chef. Und ich fand mich schnell wieder darin, noch mehr zu rauchen als eh schon. Ich konnte ohne eine ganze Schachtel am Tag nicht überleben. Vor dir hatte ich das immer versucht zu verstecken, aber es ist, wie es ist. Ich war Opfer meiner Sucht. Und du warst nicht mehr da."
Ich brabbele weiter. „Suuuucht?" Dann lache ich. „Suucht? Was für eine Suuucht? Oh, warte da gehts noch weiter ...!"
„Es wurde immer schlimmer. Ich zerbrach an der Arbeit. Arbeitete nur noch. Arbeit und nochmal Arbeit. Keine Freizeit. Das Rauchen wurde mein Verbündeter und der Neuanfang, den ich wollte, entpuppte sich als Hölle. Ich hätte früher aufhören sollen: Auf meinen Körper hören. Alles daransetzen, mich daraus wieder zu befreien. Joanna hat es mir immer gesagt. Aber ich wollte nicht hören, dachte es würde mich glücklich machen. Unabhängiger."
„Ist das lustig", kichere ich und pruste los. Harley kitzelt mich von hinten durch und ich schlage seine Hand weg. „Las mich weiterleseeeeen."
„Ich will, dass du den Ort, der für mich Freiheit und Hölle zugleich war, besuchst. Dort ist der nächste Zettel.
Deine Mom
Ort: Ich hab dir eine Karte beigelegt."
„Welcher Ort?" Harley horcht auf. „Ist das etwa eine ... Höööllee?" Er schaukelt mich umher. „Du, Bienchen, da darfst du nicht hin das ... das ist gefährlich", brabbelt er.
„Ich gehe nicht in die Hölle", kichere ich und lehne mich von hinten an ihn. „Ich gehe zu meiner Mom. Irgendwo ist sie ganz bestimmt. Ich suche sie ... ich kann das ...", erkläre ich und halte erstaunt inne als mir eine Träne die Wange hinunterläuft.
Harley mustert mich mit heißen Wangen. „Devs? Alles gut?"
Ich fange an zu schluchzen und weiß nicht warum. „Gar nichts ist gut." Ich wische mir meine Tränen aus dem Gesicht. Dann drücke ich ihn zitternd von mir.
„Das-das war deine Mom oder??" Er hickst und sieht mich aus zusammengekniffenen Augen an. Mein Schädel dröhnt.
„Scheiße!", krächze ich in dem Moment, als die Tür meines Zimmers aufgeht.
„Hey Leute, seht mal, wen ich hier ...!" Mily stockt als sie uns am Boden entdeckt. „Was ist denn hier passiert?"
Ich richte mich schwankend auf. „Mii-Miiilyyyyyy?"
Pearl erscheint zwischen Milys Füßen und ich seufze. Oder doch nicht? Vielleicht tue ich auch gar nichts? Oder ich stolpere über meine Füße?
„Seid ihr betrunken?" Derek macht das Licht an. Habe ich etwa vergessen...?
Mily kommt zu mir. „Hauch mich mal an, Süße", befielt sie in einem Ton, der nichts anderes zulässt. Ich strecke ihr aber nur die Zunge heraus und kichere. „Devy, was hast du nur gemacht?" Sie greift nach meiner Hand und hilft mir auf. Als sie sieht, dass ich geweint habe, fällt ihr Blick auf den Brief, der am Boden liegt. „Du hast ihn gelesen?!"
Ich kann nichts sagen. Ich fühlte mich plötzlich so schlecht. Mir ist kotzübel.
Derek klopft derweil Harley auf die Schulter. „Na, Mann, habt ihr Probleme?" Er schmunzelt. Er versteht gar nichts.
Ich deute auf ihn. „Was für Probleme? Wir-Wir haben nur ...!" Ich falle nach hinten ins Bett und halte mir meine Brust. „Bahh, ist mir schlecht!", meckere ich.
„Ok. ok, ich glaub es ist Zeit fürs Bett. Wir besprechen später alles." Sie zieht eine Decke über mich. Harley kommt grummelnd zu mir unter die Decke.
„Ich pass auf dich auf, kleine Biene!", flüstert er und ich schließe meine Lider. „Du gehst nicht in die Hölle!"
Kurz höre ich noch Mily, wie sie auf der Stelle verharrt, den Brief aufhebt und neben das Bett legt. Ich spüre ihre Lippen auf meiner Stirn und wie sie mir zuraunt, dass alles wieder gut wird. Dann wird das Licht ausgeschallten und sie geht mit Derek nach draußen. „Lassen wir unsere zwei Riesenbabys schlafen."
Ich will gerade etwas einwenden, da bin ich schon eingeschlafen.
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