KAPITEL 1.1

 3 Jahre später

Ich nehme einen Schluck meiner Fanta und fahre fort.

„Was sind deine Träume?" Er sieht mich verwundert an, also rede ich einfach weiter. "Ferne Sterne am Himmel? Ein Glitzern, weit entfernt, das du nicht zuordnen kannst?"

Der braunhaarige Mann mit drei-Tage-Bart hustet und scheint sich unwohl auf seinem Barhocker zu winden. "Was?"

„Weist du nicht was du willst?", frage ich entsetzt und starre ihn an.

„Doch, natürlich weiß ich das. Ich versteh dich nur nicht, wenn du dich so ausdrückst!", sagt er und ich lache.

„Das musst du wohl aushalten, ich bin immer so", erkläre ich, verstumme und mustere ihn. "Also ... was willst du nun?"

Er lässt seinen Blick konzentriert umherschweifen. "Mhhh ... Ein neues Handy." Ich lehne mich zurück, als er mir das ins Gesicht brüllt und viel zu euphorisch grinst.

„Du brauchst nicht so schreien, ich hab dich verstanden. Aber hör mal ..." Es dauert, bis er mir seine Aufmerksamkeit schenkt. "Ein Handy ist doch kein vernünftiger Traum!"

„Warum nicht?" Er nimmt einen weiteren Schluck von seiner Cola und verzieht das Gesicht.

„Weil das nur ein Gegenstand ist. Ein Handy, du hast schon eins." Ich zeige auf sein Samsung-Galaxy S10 das auf der Theke liegt. "Du brauchst keins mehr."

„Doch, ich will ein besseres", beteuert er und starrt, während unseres Gesprächs, einer vorbeigehenden Frau auf den Arsch.

Während ich zerknirscht nicke, sehe ich ein, dass das hier keinen Sinn macht. "Dann hast du dir wohl zu wenig Gedanken gemacht. Ich suche nach Herzens-Träumen!"

Der Mann sagt nichts, als ich meinen Blick im Club umherschweifen lasse. "Danke für das Gespräch." Ich stehe auf und nehme mein Klemmbrett mit, dann steuere ich auf einen weiteren Kandidaten ganz hinten im Club zu, der alleine an einen der Tisch sitzt.

Als ich nähertrete wird mir erst bewusst, wie groß er ist. Ich schätzte ihn größer als 1,80, mit breiten Schultern obendrein. Das hält mich jedoch nicht davon ab, mich neben den Typen mit schulterlangem, schwarzem Haar zu setzen.

„Hey, ich hätte ein paar Fragen an sie? Eine davon wäre, ob ich sie duzen darf?" Aufmerksam mustere ich ihn und stelle mein mitgenommenes Getränk ab.

Der Mann sieht verwundert auf. „Soll das ein billiger Anmachspruch sein?"

Ich verschlucke mich beinahe. "Nein, omg nein, das ... das war überhaupt nicht mein Interesse", versuche ich zu erklären und erröte. "Ähm ... darf ich sie nun Duzen?" Ich räusperte mich. Stille. Der Fremde starrt genervt Löcher in die Luft.

„Okeeey...", ziehe ich lang. "Ich denke, das heißt ja." Als er nichts erwidert fahre ich fort. "Ich würde dir gerne ein paar Fragen stellen." Ich deute auf mein Klemmbrett mit den Fragebögen.

„Warum?", ist das Einzige was er sagt, das allerdings so rau und ernst, dass mir schaudert.

„Nun, ich habe einen Blog auf Instagram, auf dem ich wichtige Themen bespreche." Ich spreche immer von einem Blog, auch wenn es sich nicht so anfühlt. "Und ich würde gerne mehr über Träume, von den verschiedensten Menschen wissen", erkläre ich etwas nervös, weil ich selbst nicht genau weiß, warum ich das alles mache. Doch eine Stimme in mir drinnen, will mich vom Gegenteil überzeugen. Ich weiß es ganz genau.

„Wieso denn? Haben sie oder besser gesagt du nichts Besseres zu tun?" Sein Blick trifft meinen und seine Miene wirkt gelangweilt. "Kannst du mich nicht einfach hier sitzen und blöd in die Luft starren lassen?"

Mir verschlägt es die Sprache, als seine Augen sich in meine bohren, und ich etwas mehr Abstand zwischen uns bringe. "Ich ... ähm. Es tut mir leid, ich dachte nur, dass ..."

„Es ist mir egal was du dachtest. Geh jetzt, ich will allein sein!" Damit starrt er wieder nach vorne und ignoriert mich. Als sein Kiefer malmt, springe ich schnell auf und sehe zu, dass ich Land gewinne. Das Getränk lasse ich einfach stehen.

Ich bin unhöfliche Menschen gewohnt und kann mehr als verstehen, wenn man nicht befragt werden will. Trotzdem ist mir dieses Gespräch irgendwie anders komisch vorgekommen. Meine Absätze klappern auf dem Boden, als ich mich in die Damentoilette des Clubs verziehe und mich seufzend vor den Spiegel stelle.

„Devery, ruhig bleiben", ermahne ich mich selber, als meine Hände anfangen zu zittern und meine Sicht verschwimmt. "Alles ist gut!", sage ich mit Nachdruck zu mir an den Spiegel gewandt und löse meinen Zopf, der lauter nussbraune Strähnen verloren hat. Dann atme ich durch.

„Ich werde das schaffen!", sage ich immer wieder vor mich hin, mal lauter, mal leiser. Mein Herz beruhigt sich wieder und ich spritze mir Wasser ins Gesicht, um klar im Kopf zu werden. Nur weil ich einen Misserfolg hatte und ... nun ja, zwölf davor, muss ich noch lange nicht aufgeben.

Ein letztes Mal starre ich mich im Spiegel an, überfliege meine Sommersprossen und die sanft getuschten Wimpern, daraufhin stoße ich ein genervtes Geräusch aus und stiefle aus dem Klo.

Heute würde kein schlechter Tag sein.

Ich werde mich nicht runder ziehen lassen, sondern mich amüsieren. Also schlendere ich nach kurzem Überlegen nochmal an die Bar, ignoriere meinen Gesprächspartner von vorhin, der schon wieder einen Arsch im Visier hat und bestelle einen Whiskey.

Der Barkeeper zieht kurz eine Augenbraue hoch, geht dann aber seinem Job nach, als ich ihn ernst anstarre. Ich kremple die Ärmel meiner Bluse hoch und binde mir einen schnellen Zopf. Das Klemmbrett verstaue ich in meiner Tasche, die ich zu meinen Füßen platziere.

Endlich steht das Glas vor mir und ich nehme es ohne zu zögern und stürze es hinunter. Nur knapp kann ich verhindern, dass ich huste, fasse mir aber an die Brust, um dem Brennen der bernsteinfarbenen Substanz einen Augenblick zu entkommen. Dann ist die Flüssigkeit unten.

„Noch einen!" Ich hebe die Hand und der Barkeeper - ich erblicke ein Schildchen an seinem Hemd - namens Bill, stellt mir noch einen hin. "Danke", nuschelte ich und sehe mich im Club weiter um.

Die Musik ist so dröhnend laut, dass es mich wundert, dass wir nicht alle einen Gehörsturz erleiden. Sie muss lauter gedreht worden sein, denn vorhin war sie noch ganz leicht vor sich hin gerieselt und es war kein Problem, sein Gegenüber zu verstehen. Nun scheint das beinahe unmöglich zu sein. Trotzdem versuche ich mein Glück.

„Willst du ihr jetzt noch länger nachstarren oder auch mal aufstehen und deinen Hintern zu ihr tragen?" Ich ziehe eine Augenbraue nach oben, als mir der Typ, dessen einziger Wunsch ein Handy ist, entgegenblickt.

„Was hast du gesagt?" Er scheint die Situation erfasst zu haben, will es aber nicht glauben. Meine Lippen verziehen sich.

„Ist angaffen jetzt die neue Mode? Fehlt nur noch, dass sich Herzchen in deinen Augen widerspiegeln, wenn du verliebt bist." Ein Kichern entflieht mir. "Jetzt steh schon auf. Oder willst du sie nicht ansprechen?" Ich mustere die füllige Brünette, die an einem der Tische steht. Wir haben direkten Blick auf ihren nackten Rücken, da ihr Kleid diesen leider Gottes unbedeckt lässt. Interessiert wende ich meinen Blick ab, als mein Gegenüber endlich seine Sprache wieder findet.

„Du kannst ganz schön ... direkt sein", stellte er fest und nimmt einen Schluck Bier, das nun vor ihm steht. Er ist wohl der Cola überdrüssig geworden.

„Ich weiß, erzähl mir was Neues." Ich bestelle noch einen Whiskey. "Und was ist jetzt?"

Der Mann seufzt. „Die hat sowieso kein Interesse."

Mein Gesicht verhärtet sich. "Ja, solange du nur ihren Arsch würdigst und anglotzt, als würde er Wunder vollbringen können, sicherlich nicht!"

Seine Augen weiten sich. "Auf so was lass ich mich nicht ein." Er scheint empört. "Du müsstest mal deine Zunge hüten!"

„Warum? Weil du dir ein Handy wünscht oder weil ich recht habe?"Ich sehe ihn unverhohlen an und grinse.

Sein Hals läuft rötlich an. "Ich fasse es nicht, dass wir beim du sind, du mir die blödeste Frage überhaupt gesellt hast und mich jetzt ohne Punkt und Komma demütigst!", nuschelt er, mehr zu sich als zu mir, was aber trotzdem als Vorwurf bei mir ankommt, worauf ich mein leeres Glas mit lautem Klappern auf den Tisch abstelle.

„Kumpel, ich habe dich zu einem Gespräch eingeladen, du hast zugestimmt, ich durfte dich duzen und du mich auch. Was willst du von mir hören? Dass ich jetzt unverschämt bin, nur weil ich was getrunken habe? Ja, da könntest du recht haben. Der Whiskey schlägt mir jedes Mal auf die Leber." Ein angestrengtes Seufzen.

„Du bist echt der Hammer!", sagt er ironisch und schüttelt den Kopf. "Wie heißt du eigentlich?"

Ich schmunzle matt. "Beginnt mit D und endet mit Y. Rate einfach mal. Morgen bist du fertig!" Ich schwinge meine Beine vom Barhocker und gehe in die Hocke, um mich am Boden abzustützen und versuchte nach meiner Tasche zu greifen. Zuerst ergreife ich ein Stuhlbein, muss mehrmals blinzeln, dann bekomme ich sie zu fasse und ziehe sie zu mir. Mit wackeligen Schritten versuche ich, den langen Weg nach draußen zu managen. Doch ich merke, wie jedes Mal auch schon in Vergangenheit, dass Whiskey mein Todfeind ist.

Als ich einen stechenden Blick im Rücken spüre, drehe ich mich noch einmal um. "Hör auf, mich so anzusehen, und geh endlich zu ihr!", pfeffere ich ihm hin, schlucke trocken und blinzle.

Er lacht. "Hör auf, mir was vorzuschreiben Süße und geh lieber ins Bett, so wie du taumelst." Ich laufe rot an und wende mich zum Gehen.

„Feigling", nuschele ich und greife meine Tasche fester. "Mieser Feigling", flüstere ich, als ich um eine Ecke biege und ihn aus den Augen verliere. In diesem Teil des Clubs ist kaum was los und so ziehe ich, mehr froh als peinlich, meine High Heels aus, um sie in meine Tasche zu stopfen. Was ist nur mit mir los?

„Ihr miesen Verräter", nuschele ich noch ein letztes Mal, zu den blöden Schuhen, ehe ich den Reißverschluss versuche zuzuziehen, dabei aber kläglich scheitere. Also stolpere ich einfach weiter.

Wo war nochmal der Ausgang? Und noch schlimmer ... wieso schlägt der Alkohol auf einmal so an, als ich saß war alles noch in Butter? Oder? Ich fühle mich verarscht und viel zu klein für diese Welt, als ich an einer Jugendclique vorbei torkle. Meine Augen weiten sich. Da, da ist eine Tür! „Endlich!", stöhne ich.

Ich will auf sie zu sprinten und so schnell wie möglich von hier verschwinden, muss aber einsehen, dass es keine gute Idee ist und schleiche lieber weiter voran, als dass es mich auf die Fresse haut. Warum ist es hier so warm?

Ich rempelte einen Körper beim Vorbeigehen an, nuschelte ein „Sorry" und kneife meine Augen zusammen. Wie soll ich aus dieser Hölle jemals wieder herauskommen? Als ich endlich den Türknauf zu fassen bekomme, drehe ich ihn, muss aber feststellen, dass er das nicht mit sich machen lässt. Die Tür ist zu.

„Mist, verfluchter Mist!", brülle ich vor mich hin. "Wo ist der Ausgang?" Ich fasse eine Frau am Arm und drehe sie zu mir. "Wo, wo ist ...?" Ehe ich mich versehe habe ich einen roten Abdruck im Gesicht.

"Hey, du blöde ...", setzte ich an, werde aber herumgerissen und an eine breite Brust gezogen. "Was wolltest du gerade zu meinem Mädchen sagen?" Mich starrt ein wutentbrannter Freund an und ich versuche Abstand zwischen uns zu bringen.

„Nichts, ich wollte nur ..." Ich kann es nicht mehr verhindern, der Druck weicht aus meiner Kehle. Ich rülpse ihn an. "Scheiße", nuschle ich, als er mich angewidert loslässt, kichere dann aber, als ich über meine Füße zu stolpern drohe, was nicht passiere, weil ich einen anderen Mann anremple und mich wieder fangen kann. Ohne mich umzusehen, stiefele ich weiter, darauf bedacht, schnell vom Acker zu kommen und nicht zum Opfer dieses, sein Mädchen beschützenden Freundes, zu werden.

Da vorne! Da ist eine Tür. Die muss es sein! Ich werde schneller, remple immer mehr Leute an und seufze als ich meine Hand um die Klinke legen will. Nur leider werde ich genau in dem Moment beiseite gezogen und von der Tür weg.

„Hey, was machst du denn da?", höre ich eine genervte Stimme zu mir durchdringen. Ich sehe schielend auf und vernehme ein Fluchen. "Du?"

Als ich genauer hinsehe, erblicke ich den großen Typen von vor ein paar Minuten, der alleine dasaß und sich nicht von mir befragen lassen wollte. So ein ... ich starte noch einen Versuch, an die Tür zu kommen, werde aber erneut festgehalten.

„Was willst du da drinnen? Das ist das Männerklo!" Oh, ich blicke auf, oh, oh-oh! Scheiße! Er hat recht.

„Was haben die mir gegeben? Das war kein Whiskey!", behaupte ich nuschelnd, drehe mich um und will gehen, doch mein Blickfeld spannt und dreht sich so komisch, dass ich stehen bleiben muss, um nicht umzukippen. Ich stütze mich an der Wand ab und atme rasselnd durch. Dann drehe ich mich langsam um. "Ka-kannst du mir vielleicht hier raushelfen?"

Er mustert mich eine geschlagene Minute, in der ich peinlich berührt vor mich hinschiele und auf den Boden starre. Dann seufzt er, schlingt eine Hand um meine Taille und befördert mich nach vorne. "Ein anstrengender Tag heute, was?"

Ich ziehe eine Augenbraue nach oben. Nun, ich versuche es zumindest. "Wa-Was?"

„Na du hättest sonst keinen Whiskey getrunken, oder?" Er mustert mich schon wieder mit seinen karamellfarbenen Augen, die mir eine Gänsehaut bescheren.

„Hör auf damit!" schimpfe ich.

„Mit was?"

„Na mich so anzusehen!" Er lacht auf und zieht mich weiter.

„Warte mal ... woher weißt du, dass ich Whiskey getrunken habe?", nuschele ich überhitzt, aber völlig stolz, dass ich ihn durchschaut habe. Er ignoriert mich aber.

„Bald geschafft", gibt er von sich. "Nur noch um eine Ecke." Ich nicke müde und kaum eingeschnappt, weil er mir nicht geantwortet hat. Wie konnte das nur passieren? Dieser ganze Schlamassel? "Und schon sind wir da!", lobt er sich selbst und lässt mich los.

Ich taumle ein Stück, halte mich wieder an einer Wand und stelle fest, dass er mich ganz und gar nicht hinausgebracht hat. "Du, das ist nicht draußen!"

„Jahaaa", sagt er gedehnt. "Aber du glaubst doch nicht, dass ich dich in deinem Zustand, alleine Taxi fahren lasse." Er öffnet eine Tür und lässt mich eintreten.

„Was? Wo sind wir?" Ich sehe mich um, stöhne, als er das helle Licht anmacht und fasse mir an die Stirn.

„In meiner kleinen Höhle" gibt er zu und schließt die Tür hinter sich.

„Wir sind noch im Club?" Ich lasse meine Tasche fallen, und stolpere nach vorne.

„Ja. Ich wohne im Club." Meine Augen weiten sich.

„Gehört dir der Club?" Ehrfürchtig lasse ich mich aufs Bett fallen, betrachte den Schreibtisch, und den Mini-Kühlschrank.

„Nein, aber einem Kumpel von mir. Er lässt mich unter dem Semester hier wohnen, weil es von hier aus nicht weit ist." Er seufzt und holt zwei Wasserflaschen aus seinem Kühlschrank.

„Du, du studierst auch?", frage ich und kneife meine Augen zu.

Er reicht mir eine Flasche und ich stürze sie sofort hinunter. Langsam lichtet sich wieder alles. "Ja ich studiere. Du auch, auf der Conland University?"

Ich nicke und grunze. "Kann, kann ich einfach schlafen?", nuschele ich, lege die Flasche weg und ziehe an der Bettdecke.

„Das hatte ich vor, dich zu lassen", sagt er. Musste er das wirklich so kompliziert ausdrücken? Ich wusste es nicht. Er kommt zu mir und entzieht mir die Bettdecke, nur um sie dann wenige Sekunden später über mir auszubreiten. Ich seufzte wohlig, als meine Augen wie von alleine zufallen.

„Danke, du bist doch nicht so schlimm", bringe ich noch heraus, als ich bereits einschlafe und in den tiefsten Schlaf der Weltgeschichte stürzte.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top