In the shadow we can shine
Es war eine dunkle und stürmische Nacht als Alec aus dem reißerischen Sog des Portals trat. Seine Augen brannten von der Helligkeit und magischen Essenz des Hexenmeisters, welcher Purpur und blau schimmernde Kristalle zu einem Wirbel vermischte und Alec ungefragt in das Portal stieß. Sein letzter Gedanke galt Jace, seinem Parabatai und Bruder, bevor er sich im Strom der Zeit verlor. Nimbus nannten die Weisen den Ort, an dem man gelangte, wusste man bei Betreten nicht, wohin dieses führte und Alec hatte immer Angst davor, in diesem zu verschwinden. Jace rettete ihm das Leben, verwunderlich. War es doch stets Alec, welcher bei jeder Mission darauf bedacht war, das Leben seines Parabatai zu schützen. Jace war hitzköpfig, ungestüm, zuweilen lebensmüde und Regeln bereiteten ihm körperliche sowie seelische Schmerzen. Alec hingegen war der geborene, folgsame Schattenjäger. Regeln beherrschten seit frühester Kindheit seine Welt. Alles an ihm schrie nach Führung und die rebellische Ader seines Bruders im Kampf forderte Alecs inneren Konflikt umso mehr heraus.
Der schwarzhaarige Schattenjäger lebte seither mit seiner Familie fernab allem irdischen und wohlbehütet in Idris, der Heimat der Schattenjäger. In der Stadt aus Glas, zwischen seinesgleichen und alten Sitten, fühlte er sich zuhause. Kurzweilige Besuche des Londoner Instituts führten ihm ein ums andere Mal vor Augen, wie sehr er Portalreisen hasste. Der zuständige Hexenmeister, ein Abkömmling des Dämons Belial, verstand sich mehr auf die Kunst des Weines als auf die von seinem Höllenfürsten eines Vaters gegebene Macht. Er war schwach, wandelte keine hundert Jahre auf dieser Erde und würde seine bedauernswerte Existenz über kurz oder lang mit seiner Magie selbst auslöschen oder wahnsinnig werden. Bei jedem Ratstreffen versuchte Alec jede noch so kleinste Reaktion, Mimik oder Gestik der anderen Schattenjäger zu analysieren. Er speicherte jede neue Information in seiner gedanklichen Bibliothek, welche sich täglich mit neuem Wissen füllte.
Die Welt der Mundies betrat Alec nicht zum ersten Mal, jedoch erlaubte er sich nie einen Ausflug in der geschützten Dunkelheit der Nacht, kletterte nicht heimlich aus dem Fenster seines Zimmers und gelangte nicht über einen Gefallen durch das Portal nach New York City. Jace hingegen liebte die heimlichen Ausflüge, den Geschmack des Todesboten auf der Zunge und das berauschende Gefühl etwas Verbotenes zu tun. Sein Hunger nach Abenteuern war unstillbar, ebenso seine Zuneigung für einen besonderen Unterweltler. Es war ihnen nicht untersagt sich in die Welt der Mundies zu begeben, doch Alec verspürte nicht den Drang sich länger als notwendig dort aufzuhalten. Schattenjäger beschützten seit jeher die Menschen vor den Übeln der Unterwelt. Dämonen unterschiedlichen Spezies, Forsaken, tollwütigen Werwölfen, lustwandelnden Elfen und bluthungrigen Vampiren.
Das Gewicht seines Körpers drückte sich in die vom Regen aufgeweichte Erde, blutrote Schatten huschten über morsche Knochen, sterbliche Hüllen und zu Staub zerfallenen Leibern. Kampfgebrüll und Schmerzensschreie drangen an seine empfindsamen Ohren. Die Runen auf seiner Haut leuchteten sanft, gaben ihm zusätzliche Kraft und schärften die Sinne. Schwefel kitzelte in seiner Nase, der beißende Geruch vermischte sich mit dem reinen Duft des Regens, welcher unablässig und in dünnen Fäden auf ihn hernieder prasselte. Eiskalte Tropfen zerplatzten auf dem Leder seiner Kampfmontur, es roch nach Blut und Tod. Dämonen bahnten sich ihren Weg über die düstere Einöde, Schattenjäger kämpften neben Unterweltlern und versuchten die Heerscharen aufzuhalten. Angestrengt versuchte Alec das ganze Ausmaß zu erfassen, doch das spärliche Licht einiger von Hexenmeistern erschaffenen Wirbel und der stetig wachsende Schwall Wasser aus den dunklen Wolken über ihnen verhinderte, dass Alecs Verstand die Eindrücke verarbeiten konnte.
Der Regen auf seinem Haupt war kalt und bohrte sich wie die Spitzen hunderter Eiszapfen tief in Alecs Haut. Immer wieder schüttelte er seinen Kopf, um die durchnässten Strähnen aus seiner Stirn und den Augen zu vertreiben. Vergebens. Tiefschwarz verdunkelte das unbändige Chaos auf seinem Kopf die Sicht. Alec fühlte sich unwohl, ungeschützt, ausgeliefert. Kontrolle war wichtig, Kontrolle rettete Leben, Kontrolle war der Schlüssel zu einem siegreichen Ende dieser Nacht. Keine ihrer bisherigen Missionen war wie diese, kein Schlachtfeld übersät mit blutgetränkten, von Dämonen zerfetzten Leichen. Die kreischende Stimme der Inquisitorin hatte sich tief in seinen Gedanken festgesetzt. Eindeutige Befehle folgten höllischen Beschimpfungen, welche seines mit Abwesenheit glänzenden Parabatais galten. ‚Finde den Hexenmeister mit den Katzenaugen.' Ein Unterweltler, dessen Erwähnung Alec glutheiße Schauer über den Rücken jagte. Seine Haut spannte bei der Erinnerung an die unzähligen Nächte, in denen er sich schweißgebadet und von Lust gezeichnet auf seinem Bett und in den verschwitzten Laken räkelte. Alec war jung, in den Anfängen auf dem Weg ein Mann zu werden, und er fürchtete um seine Reputation in der Schattenwelt. Niemand durfte davon erfahren, von ihm, dem unbekannten Schattenwesen, welcher seit so vielen Jahren seine Träume besuchte. Alec spürte, dass diese Träume mehr Realität als Wunschdenken waren und er versuchte schon lange nicht mehr zu ergründen, wie der Hexenmeister diese Kunst vollführte. Aber eines wusste Alec mit Sicherheit, er würde ihn finden. Eines Tages. Alec spürte ihre tiefe Verbundenheit und wusste, dass er unendlich viele Leben leben könnte, in jedem würde seine Seele, die des schönen Unbekannten suchen. Anmutig waren die Bewegungen des Hexenmeisters, lockend und forsch ergaben schlanke mit funkelnden Juwelen besetzte Finger und eine sündige Zunge auf seiner Haut eine erotische prickelnde Symbiose, dessen Sturm Alecs sich nicht einmal entziehen konnte. Dafür liebte er zu sehr, was sie in seinen Träumen teilten. Alec wusste nichts über seinen heimlichen Geliebten, aber aufgrund seines jugendlichen Aussehens schätzte er den Mann aus seinen Träumen auf Anfang zwanzig. Jung und wunderschön. Reine karamellfarbene Haut und tiefschwarzes Haar wie sein eigenes. Einzig die funkelnden smaragdgrünen Augen verrieten sein wahres Alter. In ihnen wohnte eine alte Seele. Manchmal blickte Alec hinter den Schleier, sah gebrochene Herzen, schmerzvolles Leid und knisternde Feuer der Leidenschaft. Der fremde Mann teilte seine Gefühle mit dem jungen Schattenjäger und Alec speicherte jedes noch so winzige Detail. Leise flüsternd sprachen sie miteinander und jeden Traum beendete Alec mit der immergleichen Frage, auf die er nie eine Antwort erhielt. ‚Wann werden wir uns finden?'
Alec sah eine Gruppe Werwölfe gegen einen Kuri kämpfen. Der Spinnen-Dämon schlug mit seinen schwarzen Zangenbeinen auf die Unterweltler ein und bevor Alec einen Pfeil aus seinem Köcher ziehen konnte, hörte er das schmerzerfüllte Jaulen eines schneeweißen Wolfes. Er erinnerte sich an den Unterricht auf der Schattenjägerakademie und wusste, dass jede Hilfe zu spät kam und die verbliebenen Werwölfe nichts für ihr Rudelmitglied tun konnten. Kuris töten ihre Opfer mit Gift, welches durch die Fangzähne abgesondert wird. Widerliche Kreaturen und der Umstand, dass diese aus den Augenhöhlen hervor drangen, bereitete Alec als junger Schüler Unbehagen. Er erinnerte sich mit Schaudern an die lebhaften Abbildungen in seinen Büchern und sah das lustlose Gesicht seines Parabatais vor sich. Jace hatte sich nie besonders viel aus Bildung gemacht. Er war immer der Überzeugung, dass er in einem echten Kampf mehr lernen würde, als wenn er den ganzen Tag in der heimischen Bibliothek verbrachte. Alec hingegen saugte das ihm vorgebrachte Wissen auf wie ein Schwamm, verbiss sich in die tiefsten dunkelsten Abgründe dämonischen Ursprungs, lernte fremde Sprachen und verbrachte einen ganzen Sommer lang damit durch die Wälder Alicantes zu streifen, Heilkräuter, allerlei Pilze und Beeren zu sammeln. Begleitet von einem Hexenmeister mit schuppenähnlicher Haut und schwarzen Lederschwingen, aus dessen Enden spitze krallenförmige Hörner emporragten. Xa'sis beglich eine Schuld beim Rat, lehrte Alec alles über die Kunst der Kräuter und mit welchen Tränken er die Dame seines Herzens zu seinem Eigentum machte. Alec schnaubte bei der Erinnerung an seinen alten Lehrmeister und dessen verdutzte Mimik, als ihm die Erkenntnis über Alecs sexuelle Vorliebe aus dem schuppigen Gesicht viel. Sein alter Lehrmeister verlor nie große Worte über Liebe, Seelenverwandtschaft oder ihrer Bestimmung in diesem Universum. Dennoch sah Xa'sis mehr als manch anderer und eines Morgens reichte dieser dem jungen Schattenjäger ein in blaues Leder gebundenes Buch mit alten vergilbten Pergamentseiten. ‚Dämonenkinder und ihre herrschaftlichen Väter – Eine Abhandlung aller bekannten Nachkommen der neun Dämonenfürsten'. Behutsam strich Alec über die feinen Linien, betrachtete die silbrigen Fäden magischer Essenz und seufzte, als sich die Erinnerung an seinen letzten Traum und den schönen Hexenmeister in seine Gedanken stahl. Bis heute lag das Buch gut versteckt in einer augenscheinlich alten heruntergekommenen Hütte, dessen Zauberglanz Alec mit Leichtigkeit durchdrang und somit seine wahre Schönheit offenbarte. Legenden rankten sich um das von Efeu bewachsene Anwesen, schauerliche Geschichten von Menschenblut trinkenden und Jungfrauen mordenden Kultmitgliedern. Alec glaubte nur die Hälfte der von ihm gehörten Schauergeschichten und selbst diese erschienen ihm im Laufe der verstrichenen Monde als Hirngespinste eines betrunkenen Angebers. Unangetastet fristete es ein trostloses Dasein, Alec hatte nicht den Mut, sich der Wahrheit zu stellen. Zu besonders war was sie teilten und bei jedem Gedanken daran, über den eigenen schleimig stinkenden Schatten zu springen und sich der Wahrheit zu stellen, zog sich das pulsierende Herz in seiner Brust beängstigend schmerzvoll zusammen. Sie waren miteinander verbunden, irgendwie. Alec spürte knisternde Leidenschaft und flammende Erregung durch seine Adern rauschen, rasant, unaufhaltsam und eine flatternde Aufregung überfiel sein verliebtes Herz.
Es war falsch, in den Erinnerungen ihrer Lust zu versinken. Einzig die Mission und das Finden seines Parabatai war wichtig. Er durfte das Ziel nicht aus den Augen verlieren, auch wenn die leise Stimme seines Geliebten immer lauter wurde. Alecs Sinne waren geschärft, der Bogen in seiner Hand wog schwer und noch immer hatte er nicht den blonden Haarschopf seines Parabatai entdeckt. Plötzlich trat eine Gestalt aus dem Schatten, groß und bedrohlich ragte der Ibris-Dämon über ihm auf. Seine gelben Augen glühten in der Dunkelheit der Nacht und der schwarze Qualm formte einen Körper, welcher einem Menschen ähnlich sah. Doch Alec wusste, dass dieser Dämon nichts anderes als eine Ausgeburt Lucifers persönlich war. Adrenalin tanzte in seinen Venen, jeder Muskel unter seiner kalten Haut angespannt, sein Atem ruhig und flach. Konzentriert betrachtete er die Gestalt, welche regungslos vor ihm verharrte und Alec zögerte nicht eine Sekunde. Er war einer der besten Bogenschützen an der Schattenjägerakademie. Perfektion und Treffsicherheit mit Bestnoten abgeschlossen. Die Runen an der Pfeilspitze leuchteten in einem so intensiven weiß, dass der Dämon vor ihm seine massive Gestalt aufrichtete und das bekannte Geräusch der sich spannenden Sehne vermischte sich mit Alecs Atmung. Zischend landete der Pfeil in seinem Ziel, schwarze Tentakeln schlugen wild umher. Der Ibris-Dämon kämpfte mit der Macht der Runen und dem Sog zurück in die Untiefen der Unterwelt. Alec erkannte den Moment des Sieges. Wütend versuchte der Dämon, die wild zuckenden Tentakeln in die sterbliche Hülle seines Feindes zu schlagen. Ein beherzter Sprung nach hinten, Rauch traf auf Leere und der gelbäugige Dämon verwandelte sich in eine stinkende Rauchwolke. Nichts deutete mehr auf seine Existenz hin.
Erleichtert atmete Alec ein. „Fuck", stieß er keuchend hervor und blickte sich panisch um. Schwarzer Rauch vernebelte seine Sicht und der beißende Qualm ließ ihn husten. Er spürte eine beängstigende, drückende Enge in seiner Brust und ein leichtes Kribbeln unter der Haut. Winzig kleine Käfer, eine Armee Soldaten auf dem Weg in seinen Leib, Alecs Innerstes zu zerstören. ‚Jace', dachte Alec und schloss für einen Wimpernschlag die Augen. ‚Wo bist du Bruder? Warum kann ich dich nicht finden?' Hysterie und Tod verfolgten jeden seiner Schritte. Schleppend kämpfte er sich durch die Reihen sich ineinander verwobener Gestalten. Vampire kämpften Schulter an Schulter mit Schattenjägern gegen einen riesigen schleimigen Behemoth Dämon. Clary beschrieb den mit unfassbar hohen Selbstheilungskräften ausgestatteten Dämon einst als ‚eine blinde Schnecke mit Zähnen'.
Alec erinnerte sich an eine Begegnung in den Tälern außerhalb Alicantes. Ein Hexenmeister, dessen Zorn auf einen jungen blonden Schattenjäger unschöne Ausmaße annahm, beschwor das schleimige Biest an einem sonnigen Frühlingsmorgen. Mit nassen knochenlosen Bewegungen glitt er jeden furchtlosen Schlägen aus und Alec erkannte bald, dass diese Art Dämon einen entscheidenden Vorteil hatte. Sein Schleim machte ihre Seraphklingen unbrauchbar. Jace trug an diesem Morgen keine Waffen bei sich und Clary war nicht geübt im Umgang mit den Klingen der Schattenjäger. Alec, der Einzige in ihrer Gruppe, der mit einer geeigneten Waffe ausgestattet war, verschoss Pfeil um Pfeil während Jace seine ihm von Ithuriel gegebenen Engelskräfte nutzte und den Angriffen des sich portalierenden Dämons auszuweichen. Es war ein langer Kampf und Izzy schrie, als die Zähne Behemoths nur einen Fingerbreit Jace Kehle verfehlten. Alec erinnerte sich an die lähmende Kälte in seinem Inneren, welche ihn beim Anblick seines am Boden liegenden Parabatai ergriff.
Ebendiese Kälte stürzte nun Alec in die eisigen Fluten eines tosenden Ozeans, als ein stechender Schmerz ihn zu Boden zwang. Keuchend sackte er auf dem rutschigen wassergetränkten Boden zusammen, vergrub die Finger seiner rechten Hand in schlammiger Erde und die andere klammerte sich an die Verbindung zu seinem Parabatai. Der Schmerz in seiner Flanke war brennend, die Rune leuchtete intensiv und durchdrang die schwarze Ledermontur an seinem zitternden Leib. Züngelnd leckten Flammen an seiner eiskalten Haut, Alecs Kehle brannte von den unterdrückten Schmerzenslauten. Übelkeit und Schwindel legten seine Sinne lahm, das Blut in seinen Ohren hinterließ tosendes Rauschen und mit einem letzten Aufbäumen seines Körpers ergab sich Alec der bleiernen Schwere, welche sich wie Tonnen Stahl auf seinen Körper legten. Angestrengt versuchte er die Bilder in seinem Kopf zu verstehen, widerstand dem Drang sein Inneres nach außen zu kehren.
Bilder von Jace und seinem Geliebten, wie sie gemeinsam durch die New Yorker Nacht streiften, sich an den Händen hielten und in einem verlassenen Hotel innige Umarmungen und hitzige Küsse teilten. Jace Erinnerungen an eine unbeschwerte Zeit überlagerten sich mit ihm vertrauten Bildern ihrer gemeinsamen Jugend. Viele Jahre lag der Tag ihrer Parabatai-Zeremonie hinter den Lightwood-Geschwistern. Alec erinnerte sich an seine Unsicherheit und die quälende Liebe, welche er für den blonden Schattenjäger mit den ungleichen Augen empfand. Er roch die süße Note des wabernden Rauches, welcher aus glühenden Schalen emporstieg. Jace und Alec standen in einem von Runen umgebenden Schutzkreis, hielten sich an den Händen und sprachen die Worte eines uralten Schwurs. ‚Nur der Tod soll dich und mich scheiden.' Fühlte sich so sterben an? Alec wusste es nicht. Schiere Verzweiflung vereinigte sich mit nackter Angst. Verschiedenste Emotionen überlagerten die furchtlose Aura seines Parabatai und Alec konnte sich nicht daran erinnern, seinen Bruder jemals dermaßen hilflos erlebt zu haben.
‚Rette ihn', hörte er Jace wimmern und spürte das Elend seines Parabatai in jeder Faser seines Körpers. ‚Rette ihn, Hexenmeister.' Schwerfällig zwang Alec seinen Körper zur Ruhe, atmete, keuchte über den schwefelhaltigen Rauch in seiner vor Schmerz schreienden Lunge und verrieb Spuren salziger Tränen auf seinem Gesicht. Er erinnerte sich nicht seiner Tränen, den Augenblick ihres Erwachens und doch waren sie da. Heiß, beschämend. Schattenjäger weinten nicht. Schlamm bedeckte seine Wangen, Alecs Augen brannten und verzweifelt suchte er nach der flehenden Stimme seines Bruders. „Jace", flüsterte Alec, ließ seinen Blick über das blutige Schlachtfeld gleiten und wie durch einen magischen Schimmer geleitet, fand er seinen Parabatai. Umgeben von einer Gruppe Unterweltler kniete dieser über einen leblosen am Boden liegenden Körper geneigt. Instinktiv wusste Alec, dass es sich um die Gestalt des Vampirs handelte, welcher das goldene Herz seines Bruders gestohlen hatte.
„Bitte", flehte Jace und seine von Tränen geröteten Augen sahen flehend zu dem hochgewachsenen schlanken Mann vor ihm auf. Seine Worte hallten in Alecs Gedanken nach. „Jace", brüllte er über die Kampfeslaute und Todesschreie hinweg. Von Schmerz und Trauer durchzogene Augen bohrten sich in seine und Alecs Herz brach über den Anblick seines Parabatai. Seine Beine bewegten sich von selbst, Schlamm und blutgetränkter Regen benetzte seine lederne Rüstung, er sprang über ein am Boden liegendes lebloses Knäuel aus Schattenjägern und Werwölfen. Ihre Körper bedeckten Fetzen aus schwarzem Rauch und Alec erinnerte sich an seine Zeit in den Wäldern und den abendlichen Geschichten, welche Xa'sis mit seiner bildlichen Sprache zum Leben erwachte. Achaierai Dämonen ähnelten großen Vögeln. Sein Lehrmeister beschrieb sie einst als hässliche Flugsaurier mit ledrigen Flügeln und einem dreieckigen Kopf. Glitzernde Klauen, welche Rasiermessern glichen und ein Mund gefüllt voll mehrreihigen scharfen Haifischzähnen. Die Vertiefungen an den Seiten des Schädels ersetzten Augen und ihre ledrigen Flügel endeten in einem Kamm aus scharfen Knochen. Gefährliche Biester und mindestens eines war für das Sterben unter seinen Füßen verantwortlich.
Aus dem Augenwinkel erhaschte Alec den glänzenden Schein einer Speerspitze, ein erneuter Schmerz durchstach seine Haut. Ihre Runen leuchteten hell als Jace zu einem erneuten Schrei ansetzte und verzweifelt den Körper seines Geliebten an den seinen presste. Ein Elbenritter mit moosgrünen Augen, bis über die Schultern fließenden mit unzähligen Blüten und Blattwerk verzierten Haaren, stellte sich dem jungen Schattenjäger in den Weg. Alec stoppte, knurrte für ihn untypische Laute. Alec spürte die zerrissene Aura des Elbenritters, funkelte diesen aus seinen von Schmerzen erschöpften Augen an und versuchte hinter den Zauberglanz zu blicken. Seine Welt stand Kopf, Jace litt Höllenqualen und niemand spürte den Schmerz wie Alec. „Meliorn. Er ist ein Freund", sagte jemand und mit der Anmut eines Königs glitt der breitschultrige Krieger aus Alecs Sichtfeld. Für einen Wimpernschlag glaubte Alec, die Welt um ihn herum würde aufhören zu existieren. Ungläubig blickte er in das schönste Hexenmal, welches er in seinem jungen Leben jemals gesehen hatte. Vor ihm, in einer glänzenden mit goldverzierten Ornamenten versehenen Rüstung, stand der Mann aus seinen Träumen und das Ziel diesem zum Scheitern verurteilten Himmelfahrtskommando.
Er lächelte. Sanft und rein. Das grün seiner katzenähnlichen Augen strahlte in der von Todesschreien begleiteten Finsternis Hoffnung aus und seine Stimme, so vertraut und doch fremd im Augenblick ihres Aufeinandertreffens. „Alexander", sagte er und streckte seine mit funkelnden Juwelen besetzten Finger nach dem schwarzhaarigen Schattenjäger aus. Alecs Fingerspitzen berührten hauchzart die seines Geliebten und seufzend schloss er die Augen, als kribbelnde Wärme sich um seine vor Kälte erstarrten Glieder legte und sein schmerzendes Herz mit Liebe erfüllten. „Endlich", flüsterte er und der noch immer namenlose Mann aus seinen Träumen verflocht ihre Finger miteinander. „Du hast mich gefunden." „Das habe ich", antwortete Alec, die Augen noch immer geschlossen und eine federleichte Zärtlichkeit an seinen Lippen vertiefte sich zu einem ausgewachsenen Sturm. Erkenntnis waberte durch seine vom jahrelangen Training angespannten Muskeln. Nicht immer braucht es einen Plan. Atmen, vertrauen, loslassen und die Zukunft mit offenen Armen empfangen.
... to be continued?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top