Von Vertrauen und Enttäuschungen

Manchmal frage ich mich, wie es überhaupt sein kann, dass wir Beziehungen eingehen können. Nicht zwingend partnerschaftliche, genauso familiäre oder freundschaftliche. So vieles in unserem Leben, in unserem Miteinander kann schiefgehen; Kommunikation, Verständnis, fehlendes Vertrauen. Besonders letzteres hat mir in letzter Zeit öfter zu denken gegeben. Wie kann es sein, dass wir vertrauen können? Dass wir jemandem grundlos glauben, was er sagt, oder einfach davon ausgehen, derjenige wird sein Wort nicht brechen?

Für viele ist Vertrauen eines der wichtigsten Elemente in einer Beziehung. Für mich steht es auf einer Stufe mit Ehrlichkeit und Verständnis, die Loyalität zähle ich persönlich zum Vertrauen dazu, weil ich meinem Partner auch in dieser Hinsicht vertrauen muss. Wohl keiner spioniert seinen Freund aus, also woher nimmt man das Vertrauen, dass der andere einem treu bleibt?

Irgendetwas an einem Menschen bringt uns dazu, ihm unser Vertrauen zu schenken. Vielleicht ist es die Art und Weise, wie er uns anguckt oder mit uns spricht oder wenn wir ihn schon länger kennen die Gewissheit, dass er sein Wort bis jetzt jedes Mal gehalten hat. Ich habe gemerkt, dass es für mich auch eine große Rolle spielt, wie ich mich selbst während der Anwesenheit einer Person fühle. Fühle ich mich ständig unter Druck und habe das Gefühl, mich beweisen zu müssen, bin ich demjenigen direkt kritischer eingestellt, auch wenn ich das zunächst womöglich nicht einmal bewusst wahrnehme. Habe ich aber das Gefühl, ich selbst sein zu können – so sein zu können, wie ich gerade sein möchte – gewinnt diese Person auch sogleich an Vertrauen dazu.

Ich habe im Biologieunterricht vor einigen Jahren mal erfahren, dass wir uns unsere Freunde bezüglich ihres Geruchs aussuchen. Natürlich nicht bewusst, ich zumindest schnuppere Menschen nicht erst einmal ab, bevor ich beschließe, dass ich sie leiden kann, sondern auf unterbewusster Ebene spielt sich das wohl ganz automatisch ab. Ist doch schräg, oder?

Worauf ich aber eigentlich hinauswollte: Vertrauen ist von Anfang an da. Natürlich nicht in einem großen Maße, aber ein gewisser Grundbaustein Vertrauen ist der Beginn jeder Beziehung. Sozusagen ein Vertrauensvorschuss, den wir dem anderen gewähren, und in dem er beweisen muss, dass er es wert ist, mehr Vertrauen in ihn zu investieren. Ein bisschen so wie beim Pokern also, und genau wie beim Pokern kann man sich natürlich auch in Personen täuschen und das in jemanden gesetzte Vertrauen verlieren, weil derjenige uns enttäuscht. Enttäuschung ist menschlich, keine Schwäche und gehört zum Leben dazu.

Überleg' Dir mal, wie oft Du am Tag enttäuscht wirst. Das fängt bei mir bereits morgens um 6 damit an, wenn ich sehe, dass mein Unterricht doch nicht ausfällt. Den zweiten Dämpfer erfahre ich dann spätestens beim Mittagessen in der Mensa und einen anderen erhalte ich zwischendurch von meinen Freunden, wenn keiner mir bei dem zuhört, was ich zu sagen habe, und ich nur Sticheleien abbekomme. Gut, ich werfe auch mit genauso vielen Gemeinheiten um mich, aber trotzdem. Unseren gesamten Alltag lang erfahren wir Enttäuschungen und einige sind irgendwann bereits so selbstverständlich für uns geworden, dass wir sie nicht mehr zur Kenntnis nehmen. Andere hingegen tun weh, besonders, wenn uns ein geliebter Mensch mit seinem Verhalten enttäuscht. Aber zeigt uns die Enttäuschung nicht manchmal auch unsere inneren Wünsche?

Wenn ich von etwas enttäuscht bin, versuche ich mir manchmal bewusst zu machen, weshalb genau ich enttäuscht bin. Wenn mir jemand beispielsweise lange nicht antwortet, wird mir bewusst, dass meine Enttäuschung sich nicht allein auf die Person bezieht, sondern eher darauf, dass sie mir anscheinend wichtiger ist als ich ihr und das ist dann die wahre Enttäuschung. Manchmal weiß ich auch gar nicht, wie sehr ich eigentlich auf die Nachricht von jemandem warte, bis ich merke, dass keine kommt. Somit kann mich meine Enttäuschung auch auf bestimmte Erwartungen hinweisen, derer ich mir ansonsten vielleicht gar nicht wirklich bewusst wäre.

Insgesamt ist es mir allerdings wichtig zu sagen, dass ich der Meinung bin, dass sich Vertrauen meistens lohnt. Wenn ich von Vornherein kein Vertrauen in jemandem habe, gebe ich demjenigen das Gefühl, dass er es mir sowieso nicht recht machen kann und das ist nicht unbedingt vertrauensfördernd. Natürlich tut es weh, enttäuscht zu werden, und niemand wird gerne enttäuscht, aber ebenfalls hat niemand gesagt, dass das Leben nicht auch mal weh tun kann.

C'est la vie, chéri.

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