Von Stalkern und der Frage, was da nach dem Abi ist
Eigentlich wollte ich heute mit Euch über Flüchtlinge, Integration und Menschenrechte reden sowie über meine persönliche Ansicht zu Themen wie Kreuze an Schulen, Körperverschleierung und dem IS, aber da mir dafür nicht die richtigen Worte zulaufen wollten und ich keinen Nerv hatte, sie suchen zu gehen, wird es wohl doch nur eine Erzählstunde über mein Leben – also alles wie immer.
Ich war gestern mit meiner Mutter im Wald spazieren und es kam mal wieder die elendige Frage auf, wie es denn nach dem Abitur weitergehen soll. Die Stalker unter Euch werden sich freuen, dass sie wieder eine neue Information haben, die sie auf ihren Notizblock über mich kritzeln können: Ja, ich mache dieses Schuljahr mein Abi. Wie alt ich bin, könnt Ihr Euch dann wohl selbst ausrechnen, weitere Stalkerarbeit erledige ich nicht für Euch.
Diejenigen, die ihr Abi bereits gemacht haben oder ebenfalls demnächst machen werden, werden diese Frage bestens kennen. Und mich würde es wirklich brennend interessieren, zu wissen, ob sie Euch genauso auf die Palme bringt oder ich bei dieser Sache einfach nur empfindlich bin. Wenn man mich nämlich mit etwas in die Enge treiben und aufregen kann, dann ist es dieses Thema.
Wieso? Nun ja. Da ich von jeher ein sehr unentschlossener Mensch bin (Ihr glaubt ja nicht, wie unentschlossen, eigentlich müsste jetzt genau hier ein Einschub meiner Freundin eingefügt werden, die Euch das mit rollenden Augen und genervtem Blick bestätigt), ist die Wahl einer möglichen Zukunft für mich der blanke Horror. Stell' Dir vor, Du kannst Dich nicht einmal entscheiden, was Du im Restaurant essen sollst – ha, hier kann gedankenmalerei bestätigen, dass ich nicht übertreibe – und dann sollst Du Dich mit einem Mal festlegen, was Du für den Rest Deines Lebens tun wirst? Da würdest Du sicherlich auch durchdrehen. Und wenn Du dann auf jeder Familienfeier und jedem Treffen danach gefragt wirst, noch keine Ahnung hast und immer diese Blicke auf Dir spürst, die Dich mahnen, dass Du ja nicht mehr viel Zeit hast – ja, da ist einem nur noch zum Heulen und Verzweifeln und im-Kissen-vergraben.
Die ganzen Werbebroschüren, Infotage, Online-Tests, sie alle sagen Dir, Du sollst Deine Stärken und Schwächen erkennen und Dich denen entsprechend auf die Suche nach einem geeigneten Job oder Studium machen. Da ich ein relativ reflektierter Mensch bin, muss ich da nicht viel erkennen, ich weiß, was ich kann, was ich nicht kann, was mir Spaß macht und was mir eher weniger gefällt. Aber das bringt mich trotzdem nicht wirklich weiter. Ich habe immer mal wieder Ideen, wo es für mich hingehen könnte, und die sind alle nicht unrealistisch. Nur ändern sie sich entweder von Zeit zu Zeit oder mir kommen eines Tages Zweifel, ob das wirklich das Richtige ist. Daher sage ich auch immer noch, obwohl ich mittlerweile beinahe einen konkreten Plan habe, dass ich mir nicht sicher bin, was ich nach dem Abitur machen möchte. Weil sicher bin ich mir keineswegs. Und genau das stört mich so gewaltig daran. Meine Unsicherheit und der Druck von allen Seiten.
Ich habe noch mein ganzes Leben vor mir und trotzdem will jeder, dass ich vor meinem Abi festlege, welchen Weg ich danach gehe. Nichts mit das Heute leben leben. Nichts mit carpe diem. Ich soll den Tag nutzen, um mein Leben zu planen, so sieht's aus. Deswegen gehe ich bei diesem Thema immer wieder an die Decke. Ich verstehe nicht, wieso die Menschen mir keine Zeit lassen, wieso sie mich nicht erst einmal ankommen lassen. Wenn ich direkt nach meinem Abi ein Studium beginnen würde, wäre ich mit 23 Jahren fertig. Wenn ich eine Ausbildung anfange, mit 22. Und dann? Arbeite ich mich tot bis zur Rente mit 70? Ein wirklich tolles Leben.
Was spricht dagegen, sich zunächst eine Pause zu nehmen, sich zurückzulehnen, umzusehen und dann zu entscheiden? Das Leben läuft mir nicht weg, die Arbeit läuft mir nicht weg, die Uni läuft nicht mir weg. Nichts läuft weg und trotzdem tun alle so, als sei der Zug direkt abgefahren, wenn man sich nicht so früh wie möglich entscheidet. Heutzutage verdienen sich Menschen ihr Geld damit, indem sie Videos drehen, neue Sachen ausprobieren, Werbung machen, andere zum Nachdenken bringen. Öffentlichkeitsarbeit machen, um die Welt reisen und so weiter und sofort. Das wäre vor zwanzig Jahren noch undenkbar gewesen. Genauso wie es heute undenkbar sein müsste, dass Berufe, die wirklich gebraucht werden wie Sozialpädagogen, Erzieher, Pflegekräfte und vieles mehr in der sozialen Schiene, so entsetzlich schlecht bezahlt werden, aber ein IT-Spezialist der neue Millionär ist. Von Fußballspielern, Schauspielern, Sängern & Co ganz zu schweigen. Wer hat sich nicht schon einmal gefragt, wieso Fußballspieler für Millionen von Euro verkauft werden, aber eine Krankenschwester, die einen Knochenjob erledigt und ohne die wir alle aufgeschmissen wären, nur einen Hungerlohn erhält? Das ist doch verrückt.
Aber dann erzählt Dir jeder, Du sollst nur darauf achten, dass Dir Dein Job Spaß macht. Geld ist wichtig, aber nicht alles, und da stehe ich auch vollkommen dahinter, aber trotzdem ist es die Wahrheit, dass mit Geld alles einfacher ist. Nicht Dein persönliches Leben, nicht Deine Probleme, aber das Leben generell. Punkt. Da kann mir keiner etwas anderes erzählen, echt nicht. Also wie entscheide ich mich zwischen einem Job, der mir Spaß macht, aber bei dem ich nicht viel verdiene, und einer Alternative, die vielleicht nicht mein Traumberuf ist, aber mich finanziell absichert?
Mit dieser Frage entlasse ich Euch in einen wunderschönen Sonntagabend, ich packe jetzt erst einmal Koffer, da es für mich nächste Woche nach Berlin geht. Falls da irgendjemand von Euch wohnt, gerne melden, ich habe in letzter Zeit einige Wattpad-Kandidaten eingesammelt und arbeite auch schon länger an einer Idee, eines Tages ein Wattpad-Treffen zu veranstalten, nur ist das gar nicht so einfach, da Deutschland doch irgendwie größer ist als gedacht. Aber falls einer von Euch irgendwann mal in die Nähe von Mainz, Wiesbaden oder Frankfurt kommt, kann er jederzeit Bescheid geben. Dann erlebt Ihr mich wahrhaftig live in action, das wär' doch was!
Also immer schön das Gesicht der Sonne zuwenden, meine Lieben, und lächeln. Und eincremen. Und den Strohhut nicht vergessen.
°°
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top